bwp@ Spezial 10 - November 2015

Berufsbildungsforschung im Gesundheitsbereich

Hrsg.: Ulrike Weyland, Marisa Kaufhold, Annette Nauerth & Elke Rosowski

Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsfachberufen – auf dem Weg zu einer Agenda

In dem Beitrag werden ausgehend von den Besonderheiten der Bildung in den Gesundheitsfachberufen im Berufsbildungssystem Institutionen, Gegenstände und Methoden der Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsfachberufen überwiegend am Beispiel der Pflegebildung untersucht. Im Ergebnis wird festgestellt, dass die Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsfachberufen noch wenig institutionalisiert ist, aus dem breiten Spektrum der Gegenstände schwerpunktmäßig die Themen Arbeitsmarktforschung, Berufsbildungssystem und berufliches Lehren und Lernen untersucht werden und neben der Modellversuchsforschung – sofern eigenständige empirische Arbeiten vorliegen – kleine Studien mit überwiegend deskriptivem Studiendesign vorherrschen. Abschließend werden Schlussfolgerungen für eine Forschungsagenda gezogen.

1 Einleitung

Den Gesundheitsfachberufen kommt angesichts der demografischen und epidemiologischen Herausforderungen und des damit einhergehenden Bedarfs an gesundheitlicher Versorgung gegenwärtig und zukünftig eine erhebliche Bedeutung zu. Die Berufe sind darauf derzeit weder qualitativ noch quantitativ ausreichend vorbereitet. Reformen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sind daher längst überfällig. Defizite bestehen etwa in überholten inhaltlichen Vorgaben für die Erstausbildung, in fehlenden bzw. nicht mehr zeitgemäßen didaktischen Konzeptionen sowie in einer häufig primär unter Verwertungsgesichtspunkten stattfindenden berufspraktischen Ausbildung (Balzer/Kühme 2009). Außerdem stellen sich strukturelle Fragen zur bildungssystematischen Verortung der Fachkraftausbildungen (DGP et al. 2012) und zur Durchlässigkeit (Darmann-Finck/Glissmann 2011b). Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in einigen der Gesundheitsfachberufe werden zum Teil Bildungskonzepte befürwortet, die möglicherweise kurzfristig Abhilfe schaffen, aber zu Lasten einer qualitativ hochwertigen Ausbildung gehen (z. B. Verkürzung der Altenpflegeausbildung um ein Jahr für Personen, die im Umfang einer mindestens zweijährigen Vollzeitbeschäftigung Aufgaben im Bereich von Pflege und Betreuung wahrgenommen haben) (BMFSFJ 2012). Bei der Weiterentwicklung der Bildungsgänge in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit sind sowohl die mit der Berufsfeldentwicklung verbundenen Qualifikationsbedarfe als auch die reflexive Identitätsbildung der teilnehmenden Subjekte in den Blick zu nehmen. Die Berufsbildungsforschung (BBF) kann mit ihren Erkenntnissen wesentlich dazu beitragen, Veränderungen der beruflichen Anforderungen zu erfassen sowie die Wirkmechanismen der beruflichen Bildung in den Gesundheitsfachberufen aufzuklären und daraus Schlussfolgerungen für ihre Gestaltung zu ziehen. Sie liefert eine wichtige Informationsgrundlage für die Modernisierung der Berufsbildung in den Gesundheitsfachberufen und kann helfen, möglichen funktionalistischen Verengungen entgegen zu wirken.

Der Stand der BBF in den Gesundheitsfachberufen wird in Analogie zu Sloane (2006) anhand der Institutionen, die BBF betreiben, der Gegenstände und der verwendeten Methoden dargestellt. Zuvor werden die bildungssystematischen Besonderheiten der hier zur Diskussion stehenden Berufe gekennzeichnet und es wird begründet, warum für dieses Berufsfeld ein eigenständiger Zugang zur BBF erforderlich ist und Gegenstände, Methoden und Ergebnisse nicht einfach übertragen werden können. Abschließend werden Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung der BBF in den Pflege- und Gesundheitsberufen gezogen mit dem Ziel, zu einer „Agenda“ zu gelangen.

2 Bildung in den Gesundheitsfachberufen im Berufsbildungssystem

Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Gesundheitsfachberufe, die bundesrechtlich über Berufszulassungsgesetze geregelt sind. Von allen Berufen im Feld der Gesundheitsversorgung fallen darunter im Schuljahr 2010/11 ca. 184.000 und damit die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden (im Vergleich dazu duale Berufe der Gesundheitsversorgung gemäß BBiG/HwO ca. 103.000 und landesrechtlich geregelte Berufe ca. 45.000 Schülerinnen und Schüler und Auszubildende) (Zöller 2012). Zu diesen Berufen zählen u. a. Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflegerinnen und -pfleger, Altenpflegerinnen und -pfleger, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Ergotherapeutinnen und -therapeuten, Logopädinnen und Logopäden und Hebammen/Entbindungspfleger, aber auch quantitativ kleinere Berufsgruppen, wie Podologinnen und Podologen oder Orthopistinnen und Orthoptisten (ebd.). Diese Berufe fallen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung unter die Gesetzeskompetenz des Bundes. Mit den Berufszulassungsgesetzen wird die Zulassung zu den Heilberufen an eine bestimmte Qualifikation geknüpft und in darauf basierenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen sowohl für die theoretischen als auch die praktischen Anteile konkretisiert. Die Ausgestaltung der Ausbildungen im Detail obliegt den Ländern (Bals/Dielmann 2013). Mit der Regelung durch die Berufsgesetze anstelle des Berufsbildungsgesetzes oder Landesschulgesetzen ist eine Reihe von Besonderheiten verbunden (ebd.). So sind für die Ausbildungen in diesen Berufen auf Bundes- wie auf Landesebene in den meisten Fällen nicht die Kultusministerien bzw. -behörden zuständig, sondern die Gesundheits- oder Sozialministerien, deren Fokus i. d. R. stärker durch die Anforderungen des Berufsfelds als durch Bildungsansprüche geprägt ist. An den einschlägigen Schulen sind überwiegend weitergebildete Berufsangehörige oder an Fachhochschulen ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer tätig, während die Lehrerinnen und Lehrer an den staatlichen berufsbildenden Schulen über ein abgeschlossenes universitäres Lehramtsstudium sowie ein anschließendes Referendariat gemäß den KMK-Vorgaben für das Lehramt an berufsbildenden Schulen verfügen. Bei den Schulen handelt es sich um (Berufsfach-)Schulen mit Sonderstatus (in einigen Bundesländern sog. Schulen des Gesundheitswesens), die oftmals nur für eine Berufsgruppe ausbilden oder im Zuge zunehmender Fusionierungsbestrebungen von Kliniken und der damit verbundenen Schulen auch mehrere Berufsausbildungen in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit unter einem Dach vereinen. Für anerkannte Schulen in privater Trägerschaft müssen zum Teil erhebliche Schulgebühren gezahlt werden. Bildungsgänge, die mit dem Erwerb von allgemeinbildenden Abschlüssen einhergehen, sind die Ausnahme und i. d. R. nur in Kooperation mit staatlichen Schulen möglich. Im Unterschied dazu ist an staatlichen berufsbildenden Schulen das gesamte Spektrum an Berufen und an unterschiedlichen, zu allgemeinbildenden Abschlüssen führenden Schulformen vertreten. Schließlich sind die Ordnungsmittel, nämlich die Berufszulassungsgesetze, wie Bals/Dielmann (2013) konstatieren, durch ihre Konzentration auf Qualifikationsziele utilitaristisch geprägt, was die Autoren an dem Fehlen von allgemeinbildenden Lehr-/Lerninhalten in den Curricula festmachen.

Aus diesen unterschiedlichen Ordnungsansätzen resultieren inhaltliche wie institutionelle Besonderheiten auch für die BBF in den Gesundheitsfachberufen. Inhaltlich können die Erkenntnisse aus den dualen oder vollschulischen Ausbildungsberufen aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z. B. in Bezug auf die Qualifizierung der Lehrenden, den Sonderstatus der Schulen oder die Finanzierung der Ausbildung) nicht immer auf die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen übertragen werden, vielmehr sind Studien mit spezifischen Fragestellungen (und zum Teil auch Methoden) notwendig. Da bedingt durch die in den Berufszulassungsgesetzen festgelegten vergleichsweise niedrigen Standards in den Gesundheitsfachberufen die Lehrerinnen- und Lehrerbildung überwiegend an Fachhochschulen (oder Weiterbildungsinstituten) stattfindet, gibt es nur wenige Universitäten, die in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung aktiv sind, so dass insgesamt von den wenigen Universitäten und den nicht immer forschungsaktiven Fachhochschulen nur begrenzte Forschungsaktivitäten erwartet werden können. Zudem ist durch die institutionelle Separierung die Anbindung der vorhandenen Forschungsaktivitäten an die berufs- und wirtschaftspädagogische BBF erschwert. Daher wird an dieser Stelle für eine eigenständige Profilierung der BBF in den Gesundheitsfachberufen im Kontext einer disziplinären Verortung in den Erziehungswissenschaften bzw. der Berufs- und Wirtschaftspädagogik plädiert.

3 Institutionen der BBF in den Gesundheitsfachberufen

BBF wird von Seiten unterschiedlicher Institutionen betrieben, nämlich erstens von Hochschulen, zweitens von außeruniversitären Einrichtungen, die im System der Berufsbildung verankert sind und drittens von Netzwerken, die sich zwischen den beiden Systemen etabliert haben (vgl. Sloane 2006). Diese Institutionen sind auch für die BBF in den Gesundheitsfachberufen relevant. Von den Hochschulen sind insbesondere diejenigen in dem Themenfeld aktiv, die lehrerbildende Studiengänge im Angebot haben. Da die Mehrzahl dieser Studiengänge an Fachhochschulen angesiedelt ist, die eher ungünstige Rahmenbedingungen für Forschung aufweisen und die lehrerbildenden universitären Studiengänge das Themenfeld Berufsbildung nicht immer mit Hochschullehrerstellen besetzen, gibt es insgesamt vergleichsweise wenig Standorte, an denen Forschung stattfindet. Zudem existieren zwischen den Standorten kaum Kooperationen, so dass die vorhandenen Ressourcen nicht effektiv genutzt werden. Institutionen, die der Vernetzung dienen könnten, stellen die Sektion „Bildung“ der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) und die Sektion „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) dar. Innerhalb der Sektion „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ hat sich ein Arbeitskreis Pflege und Gesundheit gebildet. Sowohl dieser Arbeitskreis als auch die Sektion „Bildung“ konnten bislang aber keine strukturgebende Funktion entfalten.

Neben den Forschungsaktivitäten, die aus lehrerbildenden Studiengängen hervorgehen, lassen sich noch Aktivitäten ausgehend etwa von berufs- und wirtschaftspädagogischen, erziehungswissenschaftlichen, medizinischen, arbeitswissenschaftlichen, psychologischen oder soziologischen Instituten feststellen, die ebenfalls der BBF zuzurechnen sind. Letztere sind nicht immer vertraut mit den Rahmenbedingungen in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit und bewegen sich in ihrem eigenen disziplinären Rahmen, umgekehrt werden die Studien auch von Seiten der BBF in den Gesundheitsfachberufen oft nicht zur Kenntnis genommen, zumal sie auch in anderen Publikationsorganen zu finden sind (z. B. Publikationen von Büssing zum impliziten Wissen in der Krankenpflege in der Zeitschrift Klinische Psychologie).

Bei den außeruniversitären Einrichtungen der BBF lassen sich z. B. das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), die Landesinstitute, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie freie Institute nennen (vgl. Sloane 2006). Das BIBB, das dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstellt und öffentlich finanziert ist, führt Forschung zu den Themen Strukturforschung und Ausbildungsstatistik, Vorbereitung von Ausbildungsordnungen und Curriculumentwicklung sowie Modellversuchsforschung durch (BIBB o. J.). Zur BBF in den Gesundheits(fach-)berufen trägt das BIBB über den jährlich erscheinenden Berufsbildungsbericht, bei dem am Rande auch die durch Berufszulassungsgesetze geregelten Pflege- und Gesundheitsberufe berücksichtigt werden, und durch einige einschlägige Studien und Entwicklungsprojekte bei. Die Landesinstitute sind in den Gesundheitsfachberufen kaum relevant, weil die Berufsbildung in diesen Berufen überwiegend außerhalb des Berufsbildungssystems angesiedelt ist. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit mit mehreren regionalen Standorten, hat seinen Schwerpunkt u. a. in der Untersuchung von Arbeitsmarktentwicklungen und -bedarfen sowie des Zusammenhangs von Bildung und Erwerbsarbeit (vgl. Kupka 2006, 630). Darunter fällt etwa eine Reihe von Studien zum Fachkräftebedarf in der Pflege. Darüber hinaus bieten einige freie Institute BBF in den Gesundheitsberufen zu unterschiedlichen Themen an, wie z. B. das Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik GmbH (INBAS), Price WaterHouseCoopers, das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) und das Wissenschaftliche Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD).

Mit dem Ziel, die Forschung an Hochschulen, des Bundesinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Landesinstituten für Berufliche Bildung und privaten wie öffentlichen Forschungsinstituten zu vernetzen, wurde mittlerweile vor über 20 Jahren die Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN) gegründet. Über die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft arbeiten auch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus der BBF in den Gesundheits(fach-)berufen in der AG BFN mit (AGBFN 2014).

Die Publikationen zur BBF in den Gesundheitsfachberufen finden sich in Büchern (Monographien und Sammelbände) unterschiedlichster Verlage oder in Fachzeitschriften. Da die BBF in den Gesundheitsfachberufen sich an der Schnittstelle zwischen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik/Erziehungswissenschaft und den für die unterschiedlichen Berufen einschlägigen Fachwissenschaften verorten lässt, werden für Veröffentlichungen entweder je nach Präferenz der Autorinnen und Autoren eher berufs- und wirtschaftspädagogische/erziehungswissenschaftliche oder pflege-/therapie-/hebammenwissenschaftliche Fachzeitschriften genutzt. Einige Autorinnen und Autoren bevorzugen Bücher als Publikationsmöglichkeiten. Derzeit existiert keine einschlägige Fachzeitschrift, die vornehmlich dem Austausch der Community in diesem Feld dient. Die Heterogenität der Veröffentlichungswege und der gewählten Fachzeitschriften erschweren die Literaturrecherche und die Vernetzung der Forschungsergebnisse.

Resümierend lässt sich festhalten, dass die Institutionalisierung der BBF in den Gesundheitsfachberufen und die Vernetzung der darin aktiven Institutionen und Akteure eher schwach ausgeprägt sind.

4 Gegenstände der BBF in den Gesundheitsfachberufen

Um Gegenstände ermitteln zu können, die bislang von der BBF in den Berufsfeldern in den Gesundheitsfachberufen untersucht wurden, kommen im Folgenden unterschiedliche Heuristiken zur Anwendung, nämlich zunächst die von van Buer/Kell (2000; Kell 2010) im Rahmen des Projekts „Berichterstattung in der Berufsbildungsforschung“ entworfene „Strukturmatrix zur thematischen Verortung von Forschungsarbeiten in der BBF“. Die Strukturmatrix unterscheidet in den vertikalen Dimensionen die verschiedenen berufsbiographischen Bildungsstufen bzw. -bereiche, nämlich die Vorberufliche Bildung, die Nichtakademische Berufsausbildung, die Akademische Berufsausbildung, die Berufliche Weiterbildung und die Wissenschaftliche Weiterbildung. Diese werden in der Tabelle in den horizontalen Dimensionen verknüpft mit Themenkomplexen, die mit Bezug auf den sozialökologischen Ansatz von Bronfenbrenner (1981) gebildet wurden, und zwischen dem Mikrosystem (dem beruflichen Lehren und Lernen), dem Mesosystem (den Organisationen und Institutionen), dem Exosystem (der Gestaltung und Politik) und dem Makrosystem (der Reflexion/Theoriebildung) unterscheiden. Der so thematisch strukturierte Gegenstandsbereich der Berufsbildung selbst wird durch die Historische und die Vergleichende BBF wissenschaftlich untersucht.

Ein Indiz hinsichtlich der Gewichtung der verschiedenen Bildungsstufen bzw. -bereiche in der BBF in den Gesundheitsfachberufen kann am Beispiel der Pflege aus der Untersuchung von pflegepädagogischen Qualifikationsarbeiten von Reiber/Remme (2009) gewonnen werden, die feststellen, dass zwei Drittel der bis zu dem Zeitpunkt gefundenen 32 Qualifikationsarbeiten die Pflegeausbildung fokussieren, jeweils zwei bis vier Arbeiten beschäftigen sich mit Pflegebezogener Fort- und Weiterbildung, Pflegebezogenen Studiengängen, der Lehrerinnen- und Lehrerbildung und der lernortübergreifenden Kompetenzentwicklung. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis eigener Recherchen kann resümiert werden, dass der Schwerpunkt in der BBF in den Gesundheitsfachberufen auf der Berufsausbildung liegt. Kaum Gegenstand sind bisher die Bildungsgänge an staatlichen Berufsschulen (Berufsfachschule, Fachoberschule, Berufliches Gymnasium), die berufliche Fort- und Weiterbildung und Berufsausbildungen auf Helferinnen- und Helfer- bzw. Assistenzniveau. Auch zur Hochschulischen Erstausbildung liegen bislang nur wenige Studien vor, allerdings ist hier in den nächsten Jahren mit weiterer Etablierung der Studiengänge mit einer Zunahme an Studien zu rechnen.

Eine bessere Differenzierung der Themenfelder nehmen Eckert/Tramm (2004) mit ihrer Systematisierung von Forschungsschwerpunkten vor. Sie unterscheiden elf Themenfelder der hochschulischen BBF, nämlich

  • Metatheorie und Methodologie der BWP,
  • Systematische, historische und vergleichende BBF,
  • Curriculumtheorie, Bildungs- und Berufsbildungstheorie,
  • Arbeitsmarkt-, Berufs- und Qualifikationsforschung,
  • Besondere Zielgruppen und Entwicklungsphasen,
  • Berufliches Lehren und Lernen,
  • Berufsbildungssystem und Berufsbildungspolitik,
  • Organisationen und Organisationsentwicklung in der beruflichen Bildung,
  • Interdisziplinäre Dimensionen von Lernen und Entwicklung,
  • Thematische Schwerpunkte/Querschnittsthemen,
  • Professionalisierung des Berufsbildungspersonals.

Welche Themenfelder von der BBF in den Berufsfeldern in den Gesundheitsberufen besonders in den Blick genommen werden, wird im Folgenden exemplarisch anhand einer Dokumentenanalyse am Beispiel der Pflegeberufe geprüft. Als Datengrundlage dienen die Publikationen in ausgewählten pflegewissenschaftlichen/pflegepädagogischen wissenschaftlichen Zeitschriften, nämlich in den Zeitschriften Pflegewissenschaft der Jahrgänge 2012/2013 sowie Pflege & Gesellschaft der Jahrgänge 2007-2013 und eine Rechercheanfrage in der Datenbank FIS (Fachinformationssystem) Bildung mit dem Stichwort „Pflege“ ebenfalls bezogen auf die Jahrgänge 2012 und 2013. In diesen Zeitschriften bzw. in der Datenbank wurden zunächst die pflegepädagogischen Artikel identifiziert, im Anschluss den o. g. Themenfeldern zugeordnet und abschließend quantitativ ausgewertet. Diese – selbstverständlich – nicht repräsentative Erhebung, die lediglich Tendenzen festzustellen erlaubt, führt zu dem Ergebnis, dass sich die Mehrzahl der Publikationen bislang den Themen Arbeitsmarkt-, Berufs- und Qualifikationsforschung, Berufliches Lehren und Lernen, Berufsbildungssystem und Professionalisierung des Berufsbildungspersonals zuordnen lässt. Nur vereinzelt existieren Publikationen zu den Themen Metatheorie und Methodologie der Berufsbildungsforschung, Systematische, historische und vergleichende Berufsbildungsforschung, Curriculumtheorie, Bildungs- und Berufsbildungstheorie, Besondere Zielgruppen und Entwicklungsphasen, Organisation und Organisationsentwicklung in der Beruflichen Bildung sowie Interdisziplinäre Dimensionen von Lernen und Entwicklung. Aus diesem Ergebnis kann die Vermutung abgeleitet werden, dass sich das Spektrum der Gegenstände der BBF zumindest in den Pflegeberufen, wobei dies in den Gesundheitsfachberufen von der Tendenz her ebenfalls zutreffen dürfte, auf wenige Themen beschränkt und zu vielen Themen bislang noch so gut wie keine Forschung vorliegt.

Aufgrund der Fokussierung der Publikationen auf das Themenfeld „Berufliches Lehren und Lernen“ wird dieses im Folgenden anhand einer weiteren Systematik von Eckert/Tramm (2004) aufgeschlüsselt in

  • Berufliche Didaktiken und Curriculumentwicklung,
  • Lehr-/Lernforschung und interpretative Unterrichtsforschung[1],
  • Betriebliches Lernen,
  • Lernerfolgsmessung und -bewertung,
  • Lebenslanges Lernen.

Die folgenden Einschätzungen zu diesen Themen stützen sich auf in Fachzeitschriften publizierte Übersichtsarbeiten, in denen jeweils der Forschungs- und Entwicklungsstand erhoben wurde. Der Schwerpunkt der bisher vorliegenden Arbeiten liegt zweifelsohne bei den Beruflichen Didaktiken und der Curriculumentwicklung. Dieser Befund ist nicht weiter verwunderlich, sind doch sowohl didaktische Ansätze als auch Curricula grundlegend für die Konzeption und Durchführung von Ausbildungen, Didaktiken als Handlungs- und Reflexionstheorien für Lehrende und Curricula als Verbindlichkeit sichernde Ordnungs-, Strukturierungs- und Orientierungshilfen für die Organisation von Lehr-/Lernprozessen in Bildungseinrichtungen. Mit dem Modell von Wittneben (1991) wurde bezogen auf die Pflegedidaktik das erste Modell publiziert, das explizit einen wissenschaftlichen Anspruch erhebt. Seit dem folgten eine Reihe weiterer bildungs- und lehr-/lerntheoretisch fundierter Modelle, Sammelbände sowie Unterrichtskonzepte und -materialien, die auf diesen oder allgemeindidaktischen Modellen basieren. Auch die Curriculumentwicklung nimmt einen breiten Raum ein. Neben den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Berufsgesetze sind bei der Curriculumentwicklung – falls vorhanden – die länderspezifischen Rahmenrichtlinien zu berücksichtigen. Curriculare wissenschaftliche Vorarbeiten haben sich zumindest in den Pflegeberufen sowohl unmittelbar auf die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen als auch auf einige der Rahmenrichtlinien niedergeschlagen. Beide bieten Freiräume für die Entwicklung schuleigener Curricula.

Den Stand der Forschung hinsichtlich der pflegedidaktisch relevanten Lehr-/Lern- und Unterrichtsforschung hat Darmann-Finck (2010) aufgearbeitet. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Studien zur Lehr-/Lern- und Unterrichtsforschung im Berufsfeld Pflege bislang nur in Ansätzen zu finden sind. Es fehlt demnach eine empirische Absicherung und Ergänzung der theoretisch fundierten Handlungsregeln der pflegedidaktischen Modelle und Konzepte. Im Themenfeld des betrieblichen Lernens bzw. der klinischen Kompetenzentwicklung haben jüngst Bergjan/Tegethoff (2013) zum Teil unter Berücksichtigung des nationalen und internationalen Forschungsstands die zahlreichen Forschungs- und Entwicklungspotenziale identifiziert. Einen Überblick zum Forschungs- und Entwicklungsstand hinsichtlich der Lernerfolgsmessung und -bewertung geben Darmann-Finck/Reuschenbach (2013) und Darmann-Finck/Glissmann (2011a) und stellen fest, dass national und international eine erhebliche Forschungslücke hinsichtlich einer systematischen und theoretisch wie empirisch fundierten Entwicklung von Kompetenzmessinstrumenten besteht. Zwar kamen für die Kompetenzmessung beispielsweise im Rahmen der Evaluation von Modellversuchen Kompetenzmessinstrumente zum Einsatz, diese können aber größtenteils testtheoretischen Gütekriterien nicht genügen, so dass spezifische Kompetenzmodelle und darauf aufbauende valide Messinstrumente bislang noch fehlen. Fortschritte sind von dem BMBF-geförderten Verbundprojekt „Entwicklung und Erprobung von technologie-orientierten Messinstrumenten zur Feststellung der beruflichen Handlungskompetenz in der Pflege älterer Menschen” (TEMA) zu erwarten (Wittmann et al. 2014). Das Lebenslange Lernen schließlich ist ein Gegenstand, dem sich einige Qualifikationsarbeiten aus dem Themenfeld „Fort- und Weiterbildung“ zuordnen lassen (vgl. Reiber/Remme 2009). Es mangelt insbesondere an aktuellen Forschungsarbeiten zur beruflichen Sozialisation in den Gesundheitsberufen (vgl. Darmann-Finck/Foth 2011). Die Betrachtung des Themenfeldes „Berufliches Lehren und Lernen“ führt zu einer weiteren Einschränkung der bisherigen Fokusse der BBF in den Gesundheitsfachberufen am Beispiel der Pflegeberufe. Die Arbeiten konzentrieren sich vornehmlich auf den Forschungsgegenstand der „Beruflichen Didaktiken und Curriculumentwicklung“, d. h. es erfolgte primär die Beschäftigung mit handlungsorientierenden und vor allem normativen Ansätzen. Eine ergänzende Fundierung der Berufsbildung anhand von wissenschaftlichen empirischen Befunden wurde bisher nur in Ansätzen geleistet.[2]

5 Methodologie und Methoden der BBF in den Gesundheitsfachberufen

Um die in der BBF genutzten Methoden systematisieren zu können, kann auf die Unterscheidung nach wissenschaftstheoretischen Paradigmen, nämlich geisteswissenschaftlich fundierten Forschungsansätzen, Forschungsansätzen, die auf der Kritischen Theorie beruhen und Forschungsansätzen, die sich auf den Kritischen Rationalismus stützen, zurückgegriffen werden (vgl. Beck 2006; Sloane 2010; Beck 2010; Kutscha 2010). Da sich die unterschiedlichen Forschungsprojekte häufig nicht einem wissenschaftstheoretischen Paradigma zuordnen lassen, favorisiert Euler (2010) mit Blick auf die Forschungspraxis die Unterscheidung zwischen experimenteller, hypothesenprüfender empirischer Forschung und qualitativen Methoden mit Theoriebildung und -anwendung im Kontext von Modellversuchsforschung. Vor dem Hintergrund dieser Systematisierungen wurde für den vorliegenden Aufsatz der Frage nachgegangen, welche Methoden vornehmlich in der BBF in den Gesundheitsfachberufen zur Anwendung kommen (am Beispiel der Pflege). Datengrundlage bildeten wieder die Artikel in ausgewählten pflegewissenschaftlichen Fachzeitschriften, nämlich der Zeitschrift Pflegewissenschaft der Jahrgänge 2012 und 2013 sowie der Zeitschrift Pflege & Gesellschaft der Jahrgänge 2007-2013. Die bereits der BBF im Berufsfeld Pflege zugeordneten Artikel wurden nun hinsichtlich der zugrundeliegenden Methoden analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass die o. g. Kategorien deswegen wenig für die Analyse geeignet sind, weil ein Großteil der gefundenen Artikel gar nicht auf empirischen Studien beruht. Daher wurden eher induktiv Kategorien gebildet, nämlich

  1. Eigenständige empirische Arbeiten,
  2. Begleitforschung,
  3. Theoretische Beiträge/Grundsatzartikel,
  4. Praxisbezogene Beiträge und
  5. Literaturreviews

(ähnlich Klusmeyer 2010 im Anschluss an Macke 1989). Die Analyse der Artikel anhand der genannten Kategorien kam zu dem Ergebnis, dass je nach Zeitschrift neben eigenständigen empirischen Arbeiten sowie Arbeiten aus Begleitforschungen etwa in gleichem Umfang Praxisbezogene Beiträge und Theoretische Beiträge/Grundsatzartikel publiziert wurden, wobei der Schwerpunkt der Zeitschrift Pflegewissenschaft auf praxisbezogenen Beiträgen und der Schwerpunkt der Zeitschrift Pflege & Gesellschaft auf theoretischen Beiträgen/Grundsatzartikeln lag. Literaturreviews kamen nur vereinzelt vor. Bei den eigenständigen empirischen Arbeiten handelte es sich um qualitative Studien, die im Rahmen von Qualifikationsarbeiten entstanden sind (Dissertationen, Diplomarbeiten, Masterarbeiten) und um quantitative Befragungen mit kleinen Samples und überwiegend deskriptivem Studiendesign, um Dokumentenanalysen oder Sekundäranalysen von Statistiken. Ebenfalls auf empirische Studien stützten sich die Artikel, die aus Begleitforschungen hervorgegangen sind. Sie machten mengenmäßig etwa ein Viertel aller überhaupt vorhandenen empirischen Arbeiten aus.

Unter Berücksichtigung dessen, dass die eigenständigen empirischen Arbeiten zum größten Teil nicht drittmittelfinanziert sind, sondern auf Eigenleistungen der Autorinnen und Autoren beruhen, kann geschlussfolgert werden, dass Drittmittel zur Finanzierung von empirischen Studien in der BBF in den Gesundheitsfachberufen in der Vergangenheit überwiegend über Modellversuche geflossen sind. Die Stärke der Modell- und Schulversuchsforschung liegt in der Verknüpfung von Theoriebildung, -überprüfung und -anwendung. Insgesamt handelt es sich bei den drittmittelfinanzierten Studien überwiegend um interessegeleitete Auftragsforschung. Neben den Gesundheits- sowie Sozial- und Familienministerien auf Bund- und Länderebene stellen Stiftungen (Robert Bosch Stiftung, Hans Böckler Stiftung) Auftraggeber von Forschungsprojekten in der BBF dar. Da diese Einrichtungen mit ihren Aufträgen jeweils eigene Interessen verfolgen, sind die untersuchten Forschungsfragen wie auch die Ergebnisse meistens stark durch aktuelle politische Anliegen und die Projektziele geprägt, wodurch die Objektivität der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung zumindest tangiert wird. Die Ergebnisse auf der Basis der analysierten Artikel lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass kaum Grundlagenforschung betrieben wird und wenn, dann überwiegend in Form von Qualifikationsarbeiten mit bescheidenem Umfang. Eher selten partizipieren Berufsbildungsforscherinnen und -forscher in den Gesundheitsfachberufen an BMBF-Ausschreibungen, Forschungsförderung durch die DFG lässt sich bis dato gar nicht feststellen. Der Mangel an Grundlagenforschung ist deswegen von hoher Bedeutung, weil sie essentiell für die wissenschaftliche Fundierung und Legitimation der Disziplin der BBF in den Gesundheitsfachberufen ist. In der Berufs- und Wirtschaftspädagogik hat in den letzten Jahren eine breite Diskussion zum Stellenwert der Modellversuchsforschung stattgefunden (z. B. Tramm/Reinisch 2003). Eine vergleichbare Diskussion oder eine systematische Methodenentwicklung etwa mit Blick auf die in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit bestehenden Spezifika (Stichwort Leiblichkeit) steht in der BBF in den Gesundheitsfachberufen noch aus.

6 Diskussion

Die Einschätzungen in diesem Beitrag beruhen auf exemplarischen Analysen von Fachzeitschriften, die von Akteurinnen und Akteuren der BBF in der Pflege als Kommunikations- und Publikationsmedium genutzt werden. Die Analyse von Publikationen beruht auf der Annahme, dass sie die wissenschaftlichen Aktivitäten der Akteure widerspiegeln. Da bislang keine Zeitschrift existiert, in der ausschließlich einschlägige Artikel publiziert werden, fiel die Entscheidung auf die Zeitschriften Pflegewissenschaft, die eine eigenständige Rubrik „Pflegepädagogik“ aufweist, und Pflege & Gesellschaft, beides Zeitschriften mit einer wissenschaftlichen Qualitätssicherung in Form eines Peer Reviews. Um auch Publikationen aus erziehungswissenschaftlichen/berufs- und wirtschaftspädagogischen Zeitschriften bzw. Buchpublikationen erfassen zu können, wurde außerdem die erziehungswissenschaftliche Datenbank FIS Bildung für die Recherche nach einschlägigen Artikeln genutzt. Die gewählte Methode weist in vielerlei Hinsicht Begrenzungen auf, so dass die Ergebnisse eher den Charakter von Hypothesen haben. Beispielsweise stammen die Veröffentlichungen in den zugrunde gelegten Zeitschriften nicht durchgängig von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, vielmehr veröffentlichen insbesondere in der Zeitschrift Pflegewissenschaft auch viele Autorinnen und Autoren aus außerhochschulischen Institutionen bzw. aus der schulischen oder betrieblichen Praxis. Die Analysen spiegeln daher nicht unbedingt die Schwerpunkte der hochschulischen BBF wider, gleichwohl spiegeln sie das Spektrum der in den einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Publikationen wider. Außerdem wurden z.B. die Publikationen nicht erfasst, die in anderen pflegewissenschaftlichen Zeitschriften oder in nicht in der FIS Bildung enthaltenen Büchern erschienen sind. Die Ergebnisse sind daher zukünftig anhand von repräsentativeren Untersuchungen zu überprüfen.

7 Auf dem Weg zu einer Agenda

Aufgrund der mangelnden Institutionalisierung ist zunächst der Aufbau einer Infrastruktur mit dem Ziel einer stärkeren Vernetzung der Akteure in der BBF in den Gesundheitsberufen erforderlich.[3] Mögliche Instrumente hierfür könnten sein:

  • Gründung eines hochschulübergreifenden Forschungsverbundes „BBF in den Gesundheitsberufen“,
  • Durchführung gemeinsamer Foren mit der BBF in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik,
  • Etablierung eines Promotionskollegs für die BBF in den Gesundheitsberufen.

Darüber hinaus muss die Dokumentation von Forschungsarbeiten in der BBF in den Gesundheitsberufen transparenter sein. Dieses Ziel könnte anhand von folgenden Instrumenten befördert werden:

  • Einrichtung einer gut gepflegten Forschungsdatenbank für die BBF in den Gesundheitsberufen mit regelmäßiger Abfrage der in diesem Feld aktiven Akteure,
  • Gründung eines Veröffentlichungsorgans für die BBF in den Gesundheitsberufen, z. B. in Form einer Online-Zeitschrift, die sich primär an ein wissenschaftliches oder wissenschaftlich interessiertes Publikum richtet,
  • Einführung einer Systematischen Bildungsberichterstattung (vgl. Slotala/Ewers 2012).

Letztlich wird der nachhaltige und systematische Ausbau der BBF in den Gesundheitsberufen nur dann gelingen, wenn längerfristige und umfangreichere spezifische Förderprogramme aufgelegt werden oder die BBF in den Gesundheitsberufen bei nicht spezifischen Ausschreibungen unter Beachtung der besonderen Rahmenbedingungen stärker berücksichtigt wird. Ansonsten wird dieses Forschungsfeld über punktuelle Ergebnisse nicht hinauskommen.

Einen Katalog prioritärer Forschungsthemen unterbreiten Behrens et al. (2012) in der Agenda Pflegeforschung für Deutschland auf der Basis eines mehrstufigen Prozesses von Expertenbefragungen.[4] Die in der Agenda genannten Forschungsthemen zum Bereich „Bildung in der Pflege“ lassen sich der Qualifikationsforschung (Advanced Nursing Practice, Bedarfe auf unterschiedlichen Qualifikationsniveaus), dem Komplex Berufsbildungssystem (Entwicklung eines gestuften Qualifikationssystems, Vereinheitlichung von Bildungsangeboten) und dem Bereich des Lehrens und Lernens zuordnen. In letzterem werden die Themen Lernerfolgsmessung (auch international vergleichend) und Betriebliches Lernen herauskristallisiert. Diese Themen heben m. E. stark auf die Generierung von Erkenntnissen ab, die der Steuerung und der Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems im Feld der Pflege dienen, was vermutlich auf den pflegewissenschaftlichen Fokus der Agenda Pflegeforschung zurückzuführen ist. Eine erziehungswissenschaftliche Perspektive ist nicht erkennbar, so dass diese Themen keinesfalls als abschließend akzeptiert werden können.

Ausgehend von den festgestellten Defiziten hinsichtlich der Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsberufen am Beispiel der Pflege (Kapitel 4) besteht Nachholbedarf in den unterschiedlichen Bereichen der Theoriebildung (Metatheorie, Methodologie, Curriculumtheorie, Bildungs- und Berufsbildungstheorie), der vergleichenden Berufsbildungsforschung, der Forschung zu besonderen Zielgruppen, zu Organisationen und zur Organisationsentwicklung der Berufsbildung in den Gesundheitsberufen, zu Lernen und Entwicklung sowie zur Professionalisierung des Bildungspersonals. Auch im Themenfeld Lehren und Lernen gibt es mit Ausnahme des Themenfelds der Beruflichen Didaktiken und der Curriculumentwicklung erheblichen Forschungsbedarf, nämlich zur Lehr-/Lern- und zur interpretativen Unterrichtsforschung, zum betrieblichen Lernen, natürlich zur Lernerfolgsmessung und -bewertung und zum Lebenslangen Lernen. Diese Forschungsnotwendigkeiten betreffen sowohl die berufliche Ausbildung und mehr noch die hochschulische Ausbildung sowie die Fort- und Weiterbildung und in der Pflege die Assistenzberufe. Darüber hinaus sind von der BBF in den Gesundheitsberufen auch die teilqualifizierenden Bildungsgänge an staatlichen berufsbildenden Schulen in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit in den Blick zu nehmen, die zu einem allgemeinbildenden Abschluss führen (vorberufliche Bildung). Angesichts der Vielzahl noch wenig oder gar nicht bearbeiteter Themen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Empfehlung von ausgewählten Themen fast unmöglich. Aus Sicht der Autorin sind gegenwärtig insbesondere vergleichende empirische Studien, Studien zur Kompetenzentwicklung der Lernenden über die gesamte Ausbildung hinweg und zur beruflichen Sozialisation sowie zum Kompetenzaufbau im Kontext arbeitsbezogenen Lernens (vgl. Dehnbostel 2007) für die Weiterentwicklung der Berufsausbildungen wesentlich, wobei m. E. die erziehungswissenschaftlich/berufspädagogisch verortete BBF eine subjektorientierte Perspektive sicherstellen sollte. Im Zuge der anstehenden strukturellen Reformen der Berufsausbildungen in den Gesundheitsberufen (z. B. Akademisierung der Erstausbildung, Generalistische Pflegeausbildung) ergibt sich zudem die historische Chance, die mit diesen realen „Großexperimenten“ einhergehenden Auswirkungen zu evaluieren.

Hinsichtlich der Methoden ist zunächst grundsätzlich eine Stärkung der empirischen Forschung erforderlich, wobei diese mit einer kritischen Reflexion methodologischer Fragen und einer Weiterentwicklung des Methodenrepertoires einhergehen sollte. Zukünftig ist neben der gegenwärtigen, sehr stark durch die Interessen von Auftraggebern dominierten Forschung vermehrt Grundlagenforschung erforderlich. Wünschenswert sind außerdem Studien mit größeren Samples, Längsschnittstudien, (Quasi-) Experimentelle Studiendesigns, Studien anhand von komplexeren qualitative Methoden, Multicenter-Studien und Studiendesigns, in denen qualitative und quantitative Methoden verknüpft werden. Des Weiteren sollte die Modellversuchsforschung unter Berücksichtigung methodischer Standards weiterentwickelt werden.

Literatur

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[1]     Da der Begriff Lehr-/Lernforschung überwiegend für Studien, die sich am quantitativen Paradigma orientieren, verwendet wird, wurde hier von der Verfasserin noch die Interpretative Unterrichtsforschung ergänzt.

[2]     Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt Reiber (2011) anhand eines systematischen Reviews zur empirischen Forschungslage.

[3]     Der Beitrag bezieht sich zunächst primär auf die Gesundheitsfachberufe. Grundsätzlich sollten aber bei den vorgeschlagenen Aktivitäten alle Gesundheitsberufe einbezogen werden.

[4]     Prioritäre Forschungsthemen formulieren auch Arens/Brinker-Meyendriesch (2013) als Beitrag der Sektion Bildung der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenshaft (DGP).

Zitieren des Beitrags

Darmann-Finck, I. (2015):Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsfachberufen – auf dem Weg zu einer Agenda.In: bwp@ Spezial 10 – Berufsbildungsforschung im Gesundheitsbereich, hrsg. v. Weyland, U./Kaufhold, M./Nauerth, A./Rosowski, E., 1-15. Online: http://www.bwpat.de/spezial10/darmann-finck_gesundheitsbereich-2015.pdf (19.11.2015).