bwp@ 25 - Dezember 2013

Ordnung und Steuerung der beruflichen Bildung

Hrsg.: Karin Büchter, Sandra Bohlinger & Tade Tramm

Leistung oder Erfolg? Berufsbildungspolitische Deutungsmuster und die prinzipielle Ausrichtung der Berufsausbildung

Berufsbildungspolitische Steuerung folgt grundsätzlich sozialpartnerschaftlichen Prinzipien. Im Feld der Berufsausbildungsgestaltung sind die zustande kommenden Konsense diskursanalytisch betrachtet oft Hybridkonstruktionen, die begrifflich bei allen Feldakteuren anschlussfähig sind. Für die Umsetzung sind über die begriffliche Anschlussfähigkeit hinaus die in den beteiligten Feldern wirkenden Deutungsmuster entscheidend. Sie strukturieren die praktische Ausgestaltung der Konsense. Im Rahmen meritokratischer Ordnung prägt das Leistungsprinzip als solches Deutungsmuster in der Phase des Taylorismus zugleich Arbeitsprozessorganisation und Bildungssystem: Gewertschätzt wird dabei die individuell aufzubringende Anstrengung und für diese wird ein entsprechender Zeitrahmen eingeräumt. Folgt das Bildungssystem diesem Muster ebenfalls im Posttaylorismus, so zeigen sich auf Ebene der Arbeitsprozessorganisation Umstrukturierungen, die als Erfolgs- oder Marktprinzip erfasst werden. Für das Marktprinzip wird gerade die individuell zu leistende Anstrengung prinzipiell nicht mehr betrachtet: Gewertschätzt wird über Zielvereinbarungen lediglich das tatsächliche Ergebnis. Berufsbildungspolitisch ergibt sich daraus eine grundlegend veränderte Interessenkonstellation: Die Gestaltung der Arbeitsprozessorganisation auf der Zielebene von Berufsausbildung  und die tatsächliche Gestaltung des Bildungssystems unterscheiden sich prinzipiell.

Der Beitrag kontrastiert als systematisch theoretische Rekonstruktion den berufsbildungspolitischen Stellenwert von Leistungsprinzip und Erfolgsprinzip. Dabei werden Interessenkonflikte der beteiligten Feldakteure beleuchtet und mit Hilfe pädagogischer Codes (BERNSTEIN) auf die strukturelle Relationierung individueller Entwicklung und beruflicher Betätigung bezogen.

Achievement or success? Vocational education policy patterns of interpretation and the principal orientation of vocational education.

English Abstract

The governance of vocational education policy follows fundamental social partnership principles. In the field of vocational education policy and governance the consensus that has come about is, when subjected to discourse analysis, often a hybrid construction which is conceptually easily linked for all actors in the field. For the implementation, above and beyond this conceptual compatibility, the effective patterns of interpretation in the participating fields are decisive. They structure the practical arrangement of the consensus. In the context of meritocratic regulation the principle of achievement as a pattern of interpretation shapes the work process organisation and the education system in the phase of Taylorism: in this case the individually generated effort is valued and a corresponding period of time is made available for this. If the education system follows this same pattern in post-Taylorism then, at the level of work process organisation restructuring becomes evident, which can be understood as the principle of success or the market principle. For the market principle the individual effort which has to be made is basically no longer observed: value is accorded only to the actual outcome relative to the agreed goals. In terms of vocational education policy this results in a fundamentally altered constellation of interests: the design of the work process organisation at the target level of vocational education and training and the actual design of the education of the education system differ fundamentally. The paper contrasts the value placed by vocational education policy on the principle of achievement and the principle of success. In doing this light is shed upon the conflicts of interests of the participating actors in the field and, using pedagogical codes (BERNSTEIN), reference is made to the structural inter-relation of individual development and professional activity.

1 Einleitung

Als diskursiver Referenzrahmen, in dem Berufsausbildung stattfindet, ist die meritokratische Hinterlegung der Gesellschaft, des Bildungssystems und des Arbeitsmarktes breit beschrieben (vgl. BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY 1998; GEORG/ SATTEL 2006) und in ihren Effekten diskutiert (vgl. SOLGA 2005; HEINRICH 2013; GEISSLER 2012). Auch dieser vermeintlich feste Rahmen fußt allerdings auf tiefergehenden Prinzipien. In dieser Art tiefergehend, prägt das Leistungsprinzip in der Phase des Taylorismus zugleich Arbeitsorganisation und Bildungssystem: Gewertschätzt wird über dieses Prinzip die individuell aufgebrachte Anstrengung und die hierfür entsprechend eingeräumte Zeit. Während das Bildungssystem diesem Muster ebenfalls im Posttaylorismus folgt, zeigen sich auf Ebene der Arbeitsorganisation Umstrukturierungen, die als Erfolgs- oder Marktprinzip erfasst werden (vgl. NECKEL 2001). Nach dem Erfolgsprinzip wird gerade die individuell zu leistende Anstrengung prinzipiell nicht mehr betrachtet: Gewertschätzt wird über Zielvereinbarungen lediglich das tatsächliche Ergebnis. In diesem Zusammenhang spielt auch die zur Zielerriechung aufgebrachte Zeit keine – oder über das Stichwort Subjektivierung (vgl. MOLZBERGER 2013) eine ganz andere Rolle. Berufsbildungspolitisch ergibt sich daraus eine grundlegend veränderte Interessenkonstellation: Die prinzipielle Ausrichtung der Arbeitsorganisation in dem Bereich, in den die Berufsausbildung einmündet, unterscheidet sich von der prinzipiellen Gestaltung des Bildungssystems. Hier setzt der Artikel an.

2 Problemaufriss und erkenntnisleitende Fragestellungen

Kern des meritokratischen Rahmens ist a) die Zentralstellung von „Leistung“ als Chiffre, über die die gesellschaftliche und berufliche Platzierung (und Nicht-Platzierung) legitimiert wird. Leistungen solcherart werden mit dem Durchlaufen einzelner Bildungsinstitutionen erbracht. Leistung erscheint bei erstem Zugriff als klar definiertes Kriterium, das diagnostiziert werden kann und muss. – Tatsächlich sind Leistung und Leistungsgesellschaft aus soziologischer Perspektive aber keine Zustandsbeschreibung von Gesellschaft sondern eine gewollte Handlungsnorm (vgl. HITZLER 2004). Damit stellt sich die Frage, was denn prinzipiell als Leistung verstanden wird. Leistung wird im Artikel als Variable herausgearbeitet, die als zentrales Element meritokratischer Organisation zwar Eindeutigkeit verspricht, tatsächlich aber definitionspflichtig ist. Zwar scheinen die ‚merits’ in ihrer historischen Entwicklung eindeutig bestimmt, Verhältnis und Bedeutung der verknüpften Variablen sind aber keineswegs statisch oder eindeutig.

Kern des meritokratischen Rahmens ist b) die Vorstellung von Berufsausbildung als auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Platzierung gerichtetes Vorleistungssystem. Als Vorleistungssystem verknüpft diese beiden Sphären miteinander und ist entsprechend jeweils soziopolitscher und ökonomischer Ratio verpflichtet. Für die bildungspolitische Steuerung sind dies die Pole, zwischen denen die Organisation und Zielstellung der Berufsausbildung austariert wird. Der Anspruch, dass beide Pole gemeinsam verfolgt werden sollen ist dabei nicht selbstverständlich sondern Profilmerkmal des Dualen Systems.

Charakteristische Ausprägung gewinnen die mit dem Vorleistungssystem Berufsausbildung verknüpften Platzierungsmöglichkeiten nach meritokratischem Prinzip innerhalb einer Gesellschaft über den spezifischen Zusammenhang von Bildungsorganisation, Arbeitsmarktstrukturen, betrieblichen Beschäftigungsformen (vgl. GEORG/ SATTEL 2006, 126). Als gesellschaftlicher Effekt (vgl. ebd.) kommt hinzu, dass jede Veränderung innerhalb der einen Dimension Veränderungen in den anderen Dimensionen bewirkt. (vgl. ebd.) Wenn sich also die Handlungsnorm Leistung z.B. im Bereich der Arbeitsorganisation ändert, so verändert sich über den gesellschaftlichen Effekt auch die Bildungsorganisation (vgl. GEORG/ SATTEL 2006). An dieser Stelle wird die (Berufs-)Bildung organisierende wissenschaftliche Disziplin zum bildungspolitischen Akteur. Um dabei aber einem strukturfunktionalistischen Kurzschluss reiner Prinzipienanpassung und -übertragung zu entgehen, wird die zu diskutierende Fragestellung damit, wie und ob sich Ziele innerhalb dieser Bildungsorganisation ebenfalls ändern sollen oder müssen, und auf welchem Weg Bildungsanbahnung vollzogen werden soll. Auch zu diskutieren sind in diesem Zusammenhang nichtintendierte Effekte, die bei einem politischen Übertrag von Handlungsnormen der Arbeitsorganisation auf Makro- und Mesoebene der Bildungsorganisation aus berufspädagogischer Expertise heraus absehbar sind und die sich auf der Mikroebene z.B. lern- und entwicklungshemmend oder ungleichheitsfördernd auswirken.

Diesen Fragen wird im vorliegenden Artikel nachgegangen. Dabei werden gesellschaftliche wie arbeitsorganisatorische Veränderungen skizziert, aufeinander bezogen und als Herausforderung für die Berufsausbildungsorganisation veranschaulicht. Weniger bezieht sich die Argumentation auf konkrete Ausformungen der Mesoebene z.B. in Form von Ausbildungsordnungen und Bildungsganggestaltung. Vielmehr wird betrachtet, über welche Prinzipien die Mesoebene bei bildungspolitischer Legitimierung von der Makroebene aus hinterlegt ist. Damit soll ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden, als dies im überwiegenden Teil der einschlägigen Auseinandersetzung mit der Meritokratie als Blaupause für die Bildungs- und Arbeitsorganisation der Fall ist. Im Artikel werden zum Zwecke der systematisch theoretischen Rekonstruktion zwar Elemente der Meso- und auch der Mikroebene beschrieben, allerdings eben zur Veranschaulichung der notwendig bildungspolitischen Diskursbeteiligung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Die Argumentation ist damit sozialwissenschaftlich fundiert, in Kern und Ziel aber berufspädagogisch. Anspruch ist, Fragen aufzuwerfen, die für die pädagogische Legitimierung einer sich verändernden Bildungsorganisation zu diskutieren sind.

Entwickelt wird dies über die Darstellung systemimmanenter Veränderungen der Meritokratie von Leistungsorientierung zu Erfolgs- und Ergebnisorientierung. Herausgearbeitet wird, dass darüber gerade die Elemente Zeit und Anstrengung als zentrale Bestandteile des bisherigen Leistungsbegriffs auslagert werden und damit eine Umdefinition des gesellschaftlichen und beruflichen Inwertsetzungsmusters verzeichnet werden kann. Aus berufspädagogischer Perspektive gewinnt dieser Effekt besondere Bedeutung, da Zeit als Lern- und Ausbildungszeit sowohl auf der Ebene der Ausbildungsordnung (Meso) wie auf Ebene der didaktischen Umsetzung (Mikro) eine zentrale Rolle innerhalb pädagogischer Konzeption spielt – als Tüchtigkeit verstanden ist die Anstrengung im berufspädagogischen Diskurs ebenso prominent wie deutungspflichtig (vgl. KELL 2013). Zu diesen Veränderungen muss sich die Berufs- und Wirtschaftspädagogik diskursiv positionieren und in dieser Richtung versteht sich der Artikel als Diskussionsbeitrag. Zu diesem Zwecke wird Berufsausbildung zunächst als Element gesellschaftlicher Reproduktion und Transformation skizziert, das bestimmten Prinzipien folgt (Kap. 3). Anschließend werden mit Leistungs- und Erfolgs- oder Marktprinzip die leitenden Muster der Gesellschafts- und Arbeitsorganisation skizziert und hinsichtlich der Folgen für berufsbildungspolitische Fragen diskutiert (Kap. 3.1 und 3.2). Auf dieser Grundlage wird mit dem Entwurf Bernsteins pädagogischer Codierungen ein weitergehender Interpretationsansatz auf das berufs- und wirtschaftspädagogische Feld übertragen, damit lässt sich die Relationierung von individueller Entwicklung und beruflicher Betätigung genauer in den Blick nehmen (Kap. 4). Abschließend werden Schlussfolgerungen in Forschungsfragen überführt (Kap. 5).

3 Berufsausbildung als gesellschaftliche Reproduktion nach paradigmatischen Leitprinzipien

Wenn Berufsausbildung gesellschaftliche und damit auch betriebliche Ansprüche in organisierte und geordnete Programme übersetzt, dann tut sie das als Teil des Bildungssystems über einen kollektiv festgelegten Rahmen. Mit dem Durchlaufen dieses Rahmens nähern sich die Individuen gesellschaftlich gesetzten Zielgrößen. Mit BERNSTEIN läuft dieser Prozess zum Zweck der Produktion, Reproduktion und Transformation von Kultur (vgl. BERSTEIN 2000). Die grundlegende Ausrichtung von Ausbildungsprogrammen verfolgt dabei bestimmte Ziele und ist in bestimmter Weise motiviert. Die zentrale Perspektive, nach der sich die prinzipielle Konstruktion von Berufsausbildung richtet, ist die Vorbereitung auf die Erwerbstätigkeit. Auch die Erwerbstätigkeit selber ist nach bestimmten Prinzipien organisiert. Über die Berufsausbildung wird das jeweilige Muster internalisiert und habitualisiert. Welches aber sind die bestimmenden Prinzipien? Im gesellschaftlichen Diskurs kann man diese als Deutungsmuster bezeichnen, als Brillen, die sich die Individuen nach gesellschaftlichem Wunsch aufsetzen, um die Welt individuell auf kollektiv je angemessene Weise interpretieren zu können. Für die Brille der betrieblichen Perspektive gilt dies ebenso. Mit OEVERMANN lassen sich diese Muster als „intersubjektiv kommunizierbare und verbindliche Antworten auf objektive Probleme des Handelns“ (1973, 12) verstehen. Deutungsmuster haben hier einen doppelten Effekt: einmal wirken sie gesamtgesellschaftlich systemstützend, zum anderen entsprechen sie in Form und Logik der Arbeitsorganisation in modernen Gesellschaften. Für Berufsausbildung als zweckorientierte Sozialisations- und Individuationsinstanz wäre damit zu klären, welche Deutungsmuster, welche Form der Organisation als Konstruktionsschablone bildungspolitisch verantwortet und ordnungspolitisch gesichert werden.

3.1 „Leistung“ als Leitprinzip

Als die gesellschaftliche Reproduktion bestimmendes Prinzip bildungspolitischer Ordnung und Steuerung lässt sich bis in die 1970er / 80er Jahre das Leistungsprinzip bestimmen. Über dieses Prinzip regelt und legitimiert die Erwerbsarbeit und das Beschäftigungssystem die gesellschaftliche Allokation, Selektion, Integration über die Zugangsmöglichkeiten dafür notwendigen Qualifikation. Im Kern steht dabei die Vorstellung, dass ein Unternehmen durch die Einstellung von Arbeitnehmern in der Regel nicht vertraglich eindeutig definierte Tätigkeiten kauft, sondern lediglich das Potential der Personen, Arbeit verrichten zu können – und dies für einen bestimmten Zeitraum. Zentrales Merkmal ist dabei die Form der „organisatorisch-technischen Sicherstellung der erforderlichen Arbeitsleistung“ (VOSS, PONGRATZ 1998, 137). Um die potentielle Arbeitskraft in die erforderliche Leistung zu transformieren, müssen die Unternehmen neben der Entlohnung organisatorische Vorkehrungen zur aktiven Steuerung und Überwachung der Arbeitstätigkeiten treffen. (vgl. VOSS/ PONGRATZ 1998; BRAVERMANN 1980) Entscheidend ist, dass die konkrete Transformation von Arbeitskraft in Arbeit (Leistung) per Aufwand (Tüchtigkeit) und dafür benötigter Zeit zwar von den arbeitenden Personen selbst geleistet werden muss. Systematisches, paradigmatisches Problem des Managements ist es, die Umsetzung dieser Transformation in seinem Sinne durch organisatorisch-technische Steuerungen sicherzustellen. Kern der gesellschaftlichen Reproduktion ist in dieser Phase die Berufsausbildung. In ihr treffen sozio-politische und ökonomische Ratio auf einen gemeinsamen Organisationsbereich. Als Grundmuster manifestiert sich das Leistungsprinzip auch in Gewerberecht und Industrie und geht als Legitimationsgrundlage in die Grundidee des Systems der Berufs(aus-)bildung ein. (vgl. KONEFFKE 1982; WAHLE 2007) Als Deutungsmuster und Begründung der gesellschaftlichen Ordnung wird in ihr internalisiert und habitualisiert, dass die verrichtete Arbeit bzw. der dafür notwenige Aufwand im Verhältnis zu der dazu benötigten Zeit die gesellschaftliche Statusdifferenzierung begründet. Entscheidender Punkt der Bildungsorganisation ist, dass eine gesellschaftlich geschaffene Instanz mit ihren Institutionen neben den rein betrieblichen Planungen (ökonomischer Ratio) z. B. der Personalnachfolgesicherung, gesellschaftliche Aufgaben übernimmt und verantwortet, die sich sozio-politischer Ratio verpflichtet sehen. Was macht nun das Leistungsprinzip über seine Funktion als Arbeitsorganisations-Paradigma aus und wie wirkt es bis in den Post-Taylorismus als sozialstrukturstiftendes Paradigma zur Sicherung der gesellschaftlichen Reproduktion?

Zurückgehend auf den britischen Soziologen MICHAEL YOUNG (1958) sichert das Leistungsprinzip über die Makroebene, dass die „Verdienste (sprich „Meriten“), die ein Individuum aufgrund seiner Talente, Begabungen und Anstrengungen erworben hat“ (BECKER/ HADJAR 2009, 39) als Leistung anerkannt werden und über die gesellschaftliche Positionierung entscheiden können. Leistungsgesellschaft aber – wie in der Einleitung angedeutet – „ist kein Etikett für eine Zustandsbeschreibung von Gesellschaft, sondern eine gewollte Handlungsnorm, eine sozial gültige Leitidee, der zufolge Leistung und nur Leistung belohnt, von Erfolg gekrönt werden soll (unter sozialstaatlicher Absicherung sozusagen unverschuldet Leistungsschwacher).“ (HITZLER 2004, 783) Mit Verweis auf NECKEL (2004,143) lässt sich feststellen, dass jede Leistungsbemessung nach dem Leistungsprinzip über zwei Dimensionen verfügt: a) über die des zielgerichteten, individuell zurechenbaren Aufwands und b) über die des gesellschaftlich erwünschten Ergebnisses. Zusätzlich wird von der Ausgewogenheit von Aufwand und Ergebnis ausgegangen. Als weiteres formales Kriterium bestimmt diese Ausgewogenheit den internen Zusammenhang der beiden Leistungsdimensionen genauer. Auf formaler Ebene wird die Leistung damit über „Aufwand“, „Ergebnis“ und deren Beziehungsnorm „Ausgewogenheit“ definiert. Die an diese Ausgewogenheit geknüpfte „funktions- und berufsbezogene Gestaltung der Betriebs- und Arbeitsorganisation“ (BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY 1998, 462) lässt sich als „Organisationsparadigma“ (ebd.) durch folgende Merkmale kennzeichnen: ein vergleichsweise stabiles und vertikal hochintegriertes Leistungsprofil auf der Ebene der Unternehmens- und Betriebsstruktur; eine nach dem Fachabteilungsprinzip konstruiertes Aufbauorganisation; ein nach berufstypischen Qualifikationen geschnittenes Muster der Arbeitsteilung; ein Kooperationsmuster der Über- und Unterordnung; ein entlang formaler Kompetenzen vertikal hochdifferenziertes Muster der Statusorganisation; ein am Normalarbeitstag ausgerichtetes, relativ starres Arbeitszeitregime (vgl. ebd.). Zentrales Moment ist dabei die „Erschließung von solchen Potentialen der Leistungssteigerung, die in einer umfassenden berufsfachlichen Ausbildung angelegt und im Rahmen arbeitsintegrierten Erfahrungslernens weiterentwickelt wurden. Die Leistungen der Fachkräfte lagen in der Perfektionierung der Arbeitstechnik, der Verfeinerung der Abläufe und in spezifischen, kleineren Beiträgen zur Verbesserung der Produkte.“ (ebd.) Mit DEHNBOSTEL lässt sich für diese Phase zusammenfassen, dass „betriebliche und öffentlich verantwortete Lernorte verschränkt und kombiniert werden müssen, um öffentliche Bildungsstandards und Bildungsgänge zur Geltung zu bringen. Dies ist eine notwendige und unerlässliche staatliche Aufgabe, da gesellschaftliche Bildungs- und Qualifikationsziele wie Beschäftigungsfähigkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Chancengleichheit nicht auf individuelle und einzelbetriebliche Möglichkeiten und Perspektiven reduziert werden können, wenn sie greifen sollen.“ (DEHNBOSTEL 2006, 23)

In den 1980er und 90er Jahren gerät die Arbeitsorganisation dieser Form unter Druck: für anstehende Produktivitätssteigerungen erwiesen sich die Organisationslogiken eng kontrollierter Arbeitsprozesse und direkter Transformation potentieller Arbeitskraft in Arbeitsleistung auf Ebene der Arbeitsprozesssteuerung als unzureichend (vgl. BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY 1998). Tatsächlich erzeugten weitere Kontrollverschärfungen ab einem bestimmten Niveau einen gegenteiligen Effekt: sie begrenzen die Leistungsbereitschaft und konterkarieren komplexe Anforderungen, deren Lösung und Bewältigung auf Schnelligkeit und Kreativität angewiesen sind. Diese Entwicklungsstufe der Arbeitsorganisation erzeugt einen paradigmatischen Bruch: es werden per Management programmatisch Freiräume geschaffen, betriebliche Steuerungen reduziert und Selbstorganisationsprozesse gefördert – und zwar, und dies ist entscheidend: auf Grund ökonomischer Ratio, aus ökonomischem Anspruch – und nicht etwa auf Grund durchgesetzter soziopolitscher Ansprüche.

3.2 Markt- und Erfolgsprinzip

Kern der Veränderung sind die für das Leistungsprinzip zentralen Elemente Zeit, Aufwand und Verantwortung für den Weg der Ergebniserstellung. Kern der Veränderung und Instrument ihrer Umsetzung ist die Auslagerung der Organisationskontrolle dafür. Das Management überträgt damit eine zentrale Aufgabe in weiten Teilen in die Belegschaften. Nicht mehr die Leistung selber sondern das Produkt, das Ergebnis wird gewertschätzt – der dazu zu betreibende Aufwand weniger. Kern der Veränderung ist damit ein Paradigmenwechsel vom Leistungsprinzip zum sogenannten Erfolgs- oder Marktprinzip. Verantwortlich für den Weg und den Prozess der Ergebniserstellung ist jeweils die produzierende Person selbst. (vgl. PONGRATZ 2003, 820) Dabei gewinnen kurzfristig erzielte Effekte an Bedeutung gegenüber langfristig anhaltenden Wirkungen, denn langfristig können sich die Leistungsziele und -bedingungen verändern. Folge ist die Relativsetzung der Erfolgskriterien: Eine inhaltlich eindeutige und verbindliche Leistungsformel als Gratifikationskriterium, wie sie NECKEL für das Leistungsprinzip noch formulieren konnte (vgl. Kap. 3.1), ist nicht mehr definierbar, eine eindeutige Erfolgs- oder Effizienzformel ebenso wenig. Was kennzeichnet die Logik der Markt- oder Erfolgsorientierung?

Idealtypisch lassen sich für die Arbeitsorganisation mit BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY (1998) folgende Kennzeichen fassen: ein dynamisiertes Leistungsprofil, die Aufgliederung der Unternehmen in multi-funktionale Einheiten (Dezentralisierung); eine kunden- bzw. prozessbezogene Arbeitsteilung; querfunktionale Kooperation; eine partiell dehierarchisierte Statusorganisation; die Flexibilisierung des Arbeitszeitregimes (vgl. ebd.). Dazu erneut NECKEL (2001, 259f):„Ob ein Markterfolg auf leistungsbezogener Arbeit beruht oder sich günstigen Gelegenheitsstrukturen, individueller Risikobereitschaft, positiven Askriptionen oder schlicht dem Zufall verdankt, hat keinen Einfluss auf die Höhe seiner Honorierung.“ Was bedeutet dies aber für die Gestaltung und Steuerung einer Berufsausbildung, die dieses Muster als Reproduktionsinstanz ja bedienen muss? Der Übertrag lässt sich mit Verweis auf GREINERT (2003; 2007) skizzieren[1]: Berufsausbildungsmodelle, die nach dem Marktprinzip organisiert sind, zeichnen sich dadurch aus, dass die quantitative Relation zwischen Ausbildungsbedarf und -angebot über den Markt geregelt wird. Die Art der beruflichen Qualifizierung richtet sich in qualitativer Hinsicht ganz konkret nach den mutmaßlichen Verwendungssituationen auf dem Arbeitsmarkt. Marktmodelle der Berufsqualifizierung unterscheiden nach GREINERT (2003) begrifflich und institutionell scharf zwischen allgemeiner beruflicher Erziehung (Vocational Education) und spezieller Berufsausbildung (Vocational Training). Erstere erfolge stets in öffentlichen Schulen, letztere gestalte sich als freie Übereinkunft der Marktteilnehmer. Charakteristisches Merkmal ist also die institutionelle Trennung von soziopolitischer und ökonomischer Ratio als Referenz des Vorleistungssystems. Zentrales Postulat der Marktorientierung ist in diesem Zusammenhang die Überzeugung, „dass die Menschen in der Lage sind, ihr gesellschaftliches Zusammenleben – also auch ihr Erwerbsleben – aufgrund eigener vernunftorientierter Einsicht in effizienter Weise zu organisieren.“ (GREINERT 2003, 17).

Was die Konstruktion und generelle Anlage der Berufsausbildung betrifft – das lässt sich schlussfolgern – ist innerhalb des Marktprinzips nur über hinzutretende Regulation zu gewährleisten, dass gesellschaftlich und betrieblich für die Ausbildung ein bestimmter Zeitkorridor nach soziopolitischer Ratio zugestanden wird, innerhalb dessen auch zeitweises Scheitern und Misserfolg als Möglichkeit vorgesehen ist – ohne als fehlgeleiteter Aufwand sanktioniert zu werden. Nur über die kollektive Verankerung als „notwendige und unerlässliche staatliche Aufgabe“ (DEHNBOSTEL 2006, 23) wird ein – aus Produktsicht – als Umweg empfundener Streckenteil gesellschaftlich gesichert und als notwendig zugestanden, um die Zielerreichung des Gesamtprogramms zu sichern und zu legitimieren. Hier prallen im Sinne des Systems „ökonomischer Vorleistung“ (Kap. 2) ökonomische und soziopolitische Ratio als Deutungsmuster ohne ein gemeinsam verbindlich Allgemeines aufeinander und ringen je nach ihrem spezifischen Verwertungszwang um die Ausrichtung der Ausbildung. Hier äußert sich die Organisationsveränderung als Zielkonflikt zwischen den Ausbildungs- und Sozialpartnern und den Auszubildenden selber. Für die Ebene der Arbeitsorganisation formulieren VOSS und PONGRATZ dazu: „Die für uns entscheidende Veränderung ist, daß das komplizierte, teure und ungewisse Geschäft der Sicherstellung der durch Arbeitsvertrag und Lohn nicht eindeutig zu gewährleistenden Transformation von Arbeitskraft in Arbeitsleistung (...) in grundlegend erweiterter Form den Arbeitenden zugewiesen wird.“ (PONGRATZ/ VOSS 1997,138) Damit verändern sich die Ansprüche der Unternehmen an die Ausbildungssysteme und an das Profil der als „ausbildungsreif“ geltenden Kohorte in prinzipieller Hinsicht. In ganz neuer Art und Weise spielen zwar die Person und ihr extrafunktionales Qualifikations- und Kompetenzprofil eine Rolle. Allerdings sind es nun eben „in ganz neuer Qualität die betroffenen Beschäftigten, die in der Ausführung ihrer Tätigkeit wesentliche Teile dieser basalen unternehmerischen Funktion (selber; U.H.) (mit-)übernehmen – einer betrieblichen Funktion, die bisher eine Domäne der mittleren und unteren Ebenen des Managements war. Das für den Betrieb unvermeidbare Transformationsproblem wird nun gezielt und systematisch verstärkt in die personale Umwelt des Betriebes externalisiert.“ (ebd.) Als Zielvorgabe, auf die sich Ausbildung im Rahmen gesellschaftlicher Reproduktion zu beziehen habe, lässt sich mit BRÖCKLING (2012, 4) als Leitbild der Zukunft „das Individuum als Unternehmer seiner Arbeitskraft und Daseinsvorsorge“ skizzieren. Nach dem für diesen Diskurs zentralen Abschlussbericht der „Kommission für Zukunftsfragen Bayern – Sachsen“ aus dem Jahre 1997 wird „die Figur des unternehmerischen Selbst dezidiert in den Rang einer politischen Zielvorgabe“ erhoben (vgl. ebd.). Entscheidend für die Argumentation des vorliegenden Artikels ist dabei, dass die Zielvorgabe des „Selbst“ dabei nach Maßgabe ökonomischer Ratio installiert wird – und nicht etwa nach soziopolitischer Ratio. Damit wird eine neuerliche Verschiebung vorgenommen: In paradigmatisch neuer Weise subsumiert die ökonomische Ratio - mindestens potentiell - entscheidende Teile des soziopolitischen Anspruchs, und fordert, diese nach anderer Ratio in Richtung zwingend „marktgängiger Qualifikation“ (vgl. GREINERT 2003, 17) auszurichten. Dies betrifft gerade die Elemente, die BOLDER und DOBISCHAT als „von den konkreten betrieblichen Arbeitserfordernissen und -abläufen emanzipiert, losgelöst und verselbständigt“ (BOLDER/ DOBISCHAT 2006, 10) sehen, die aber DEHNBOSTEL gerade wegen der soziopolitischen Verpflichtung als „notwendige und unerlässliche staatliche Aufgabe“ (DEHNBOSTEL 2006, 23) sieht, „da gesellschaftliche Bildungs- und Qualifikationsziele wie Beschäftigungsfähigkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Chancengleicheit nicht auf individuelle und einzelbetriebliche Möglichkeiten und Perspektiven reduziert werden können“ (ebd.). Nach ökonomischer Ratio des Marktprinzips kennzeichnen den Prinzipienwechsel also nicht Umgewichtungen sondern Umdeutungen innerhalb des meritokratischen Prinzips. – Diese bewirken über den „gesellschaftlichen Effekt“ (GEORG/ SATTEL 2006, 126) Systemveränderungen, die auf Widerspruch zu der ursprünglich soziopolitschen Ratio und Zielstellung der Subjektentwicklung und -entfaltung hin zu prüfen sind. Mit DEHNBOSTEL lässt sich dazu festhalten: „Im Rahmen betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung sind vermehrt Wege zu eröffnen, die Arbeiten und Lernen in neuer Weise kombinieren und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten mit persönlichen Interessen und individuellen Kompetenz- und Erfahrungsprofilen stärker in Übereinstimmung bringen und in ein kohärentes Berufsbildungssystem integrieren.“ (DEHNBOSTEL 2006, 23) Eine solche Konzeption allerdings setzt explizit auf zugestandene Entwicklungs(zeit)räume. Erfolgs- und Marktprinzip überantworten allerdings gerade „Zeit und Aufwand“ als Element im Produktionsprozess in die Verantwortung der Individuen: Leistungsträger werden damit zu Erfolgsagenten. Abzuleiten ist hier eine Verschärfung der disparaten Ansprüche der Akteure im dualen System. Nicht „lediglich“ Kurzfristanspruch (ökonomische Ratio) steht gegenüber Langfristanspruch (soziopolitische Ratio) – dieser Unterschied begleitet die Berufs- und Wirtschaftspädagogik im Diskurs mit Politik und Sozialpartnern bei der Suche nach bildungstheoretisch fundierten Umsetzungsmöglichkeiten durch die Fachgeschichte – nun steht das Gestaltungsmuster des Bildungssystems einem prinzipiell anders strukturiertem Zielbereich gegenüber, in den Berufsausbildung hinsichtlich Beschäftigungsfähigkeit münden muss. Gerade die leistungsbezogenen Elemente, die per meritokratischem Prinzip mit dem Element Zeit operieren und diese als zuzugestehendes Moratorium gesellschaftlich installieren, geraten unter erheblichen Legitimationsdruck. Speziell diese Elemente aber lassen sich bei Kurzfrist-Berechnungen über das Label Effizienz innerhalb ökonomischer Ratio kaum plausibilisieren. Die Bildungsorganisation wird damit eine grundlegende bildungspolitische Entscheidung, ein Bekenntnis zur gesellschaftlichen Notwendigkeit von zielbezogenen Entwicklungsräumen, die per Steuerung konzeptionell gesichert und per berufs- und wirtschaftspädagogischer Expertise fundiert und als konstitutiv für Bildungsverlaufsanbahnung entwickelt werden müssen. Was bedeutet das für die Individuen und die Berufsausbildung?

Nehmen wir für die Mesoebene als Tendenz der Ausbildungsum- und -neugestaltung über die 1990er Jahre bis heute an, dass z.B. im Zuge der Ausbildungszeitverkürzung eher der auf die Person bezogene Teil, als der auf die partikulare Funktion bezogene Teil eingeschränkt wurde (vgl. dazu die Debatte um die Trennung von Ausbildungsreife und Berufseignung, z.B. MÜLLER-KOHLENBERG et al. 2005), dann entsteht - den Gedanken der gesellschaftlichen Reproduktion des Gesamtsystems fortführend - in Bezug auf auf Funktionen gerichtete Ausbildung ein Dilemma: Die Unternehmen fordern Kompetenzen und Fähigkeiten ein und/oder greifen auf Potentiale zurück, deren programmatische Ausbildung und Förderung sie nach mikroökonomischer Rationalität in ihrem Ausbildungsprogramm selber nicht vorsehen.

Das Dilemma entsteht nun einerseits dadurch, dass diese Ansprüche an Auszubildende gerichtet werden, die im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung die dafür notwendige Entwicklungsstufe („Ausbildungsreife“ usw.) teilweise noch nicht erlangt haben. Andererseits unterwirft es die Unternehmen der Herausforderung, Individuations- und Sozialisationsaufgaben übernehmen zu müssen, die traditionell von Instanzen wie Familie peergroup usw. vorgelagert oder parallel geleistet wurden. Ohne diese Aufgaben allerdings nach der entsprechend historisch dafür relevanten soziopolitischen Ratio zu gestalten. Innerhalb des Markt- und Erfolgsprinzips ist auch hierfür die ökonomische Ratio die Leitreferenz (vgl. GREINERT 2003, 2007). Andererseits lässt sich feststellen: „Herkömmliche betriebliche Berufs- und Aufstiegsperspektiven, die auf eine tief gegliederte Hierarchie ausgerichtet sind, werden in neu gestalteten Arbeitsprozessen abgebaut oder gar abgeschafft. Die Verflachung betrieblicher Hierarchien setzt die herkömmlichen Erwartungen und Perspektiven, durch einschlägige Aufstiegswege einen hohen betrieblichen und zumeist auch gesellschaftlichen Status zu erlangen, immer stärker außer Kraft. Enthierarchisierte und dezentralisierte Betriebsstrukturen erweisen sich für berufliche Entwicklungswege sowie sozialstrukturell bedingte Arbeitnehmerinteressen in vielen modernen Unternehmen zunehmend als schwer lösbares Problem.“ (DEHNBOSTEL 2006, 23) So bleibt der über soziopolitische Ratio legitimierte Teil der Ausbildung und auch der darüber angebahnten Persönlichkeitsentwicklung gesellschaftlich freigesetzt, ohne, dass hierfür diskursive Aufmerksamkeit geschaffen würde. Wie lässt sich die Herausforderung für die an das neue Prinzip anzupassende Gestaltung der Berufsausbildung genauer fassen?

4 Von den Leitprinzipien zu Curricularen Codierungen - Analyseskizze mit Hilfe der Ansätze von Oevermann und Bernstein

Deutlicher wird die Problematik, wenn wir mit BERNSTEIN (1990; 2000) und OEVERMANN (1972) pädagogische Codes ableiten und betrachten, welche grundlegenden Kompetenzen die Performanz nach Leistungs- und Erfolgsprinzip auf Ebene der Facharbeit voraussetzen – oder welche dazu anzubahnen sind. In Anlehnung an Bernstein bedeuten pädagogische Codes, Dispositive und Rahmungen für die Arbeitsprozessorganisation, dass ausbildungsberufliche Betätigung auf ein formales System von Regeln einerseits und die spezifische Weise der Handlung andererseits verweist. Die Auswahl aus den jeweils zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen wird – im Übertrag – auf Grund der über Berufsausbildung verinnerlichten Codes getroffen. Die individuell verinnerlichten Codes bilden damit generative Grammatiken, implizite Orientierungen, die die beruflichen Handlungs- und Planungsfunktionen steuern. Als „Orientierungen“ determinieren sie die Art und Weise, in der spezifische Möglichkeiten, die das System der formalen beruflichen Regeln bietet, im konkreten Akt der beruflichen Handlung umgesetzt werden.

Bernsteins bildungssoziologisches Konzept besticht als Theorie des pädagogischen Diskurses in diesem Zusammenhang dadurch, dass sich damit die „Verteilungen, Differenzierungen und deren Steuerung und Kontrolle auf der Makroebene der Gesellschaft und auf der Mikroebene des Unterrichts und der Bewusstseinsbildung nach vergleichbaren Prinzipien und Regeln“ (GELLERT/ SERTL 2012, 9) ablaufend beschreiben lässt. Besteht der soziologische Ansatz bei Bernstein nach Oevermann darin, dass linguistische Codes von Strukturbedingungen der Sozialbeziehungen abhängig gemacht werden und die tatsächlich getroffene Auswahl aus den Möglichkeiten, die das formale System bietet, damit sozial determiniert ist (vgl. OEVERMANN 1972) – so bedeutet das im Übertrag auf die Berufsausbildung, dass die Auswahl aus einem System professioneller Handlungsoptionen von dem Charakter und der Ausrichtung der curricularen Inszenierung und Ausrichtung des Ausbildungsprogramms abhängt. Als Ausbildungsprogramm wird hier der sozialisierende und individuierende Gesamtzusammenhang schulischer, betrieblicher Durchführung und ausbildungsordnender Hinterlegung verstanden.

In Analogie lässt sich formulieren, dass den curricularen Codes im Verhältnis zum Auszubildenden der „Status von unabhängigen Variablen im Sinne von verhaltenssteuernden Mechanismen“ (OEVERMANN 1972, 77) zukommt. Die Struktur der verinnerlichten Codes determiniert das individuelle (hier: berufliche) Handeln, „indem sie bestimmte Verhaltensalternativen eröffnet oder verschließt, die kognitive Relevanz von Objekten und Personen konstituiert und allgemein den Erfahrungshorizont bestimmt“ (ebd.). Die Berufsausbildung ist vor diesem Hintergrund als Prozess der Verinnerlichung dieser Codes zu sehen. Hier übernimmt das Individuum „den sozial vorgegebenen Erfahrungshorizont seiner Umgebung“ (ebd.), das ist für die Berufsausbildung über die Ausbildungsordnungen hinaus vor allem die einzelbetriebliche Umsetzung als Interpretation und Inszenierung der Ausbildungsordnung. Im Akt des damit einhergehenden beruflichen Handelns wiederum bestätigt es diesen Horizont und die Form der Inszenierung „gleichsam in einem negativen Rückkopplungsprozess.“ (ebd.).

Die Codes werden damit zu Zielen, die je nach wirkendem Organisationsprinzip über Ausbildung sicherzustellen sind. Es muss gelernt werden, nach den Regeln der Zielebene spielen zu können und diese zu durchschauen. Welche Codes lassen sich bestimmen? Einschlägig bekannt sind die Begriffe „restringierter“ und „elaborierter Code“. Beide Begriffe sind allerdings viel kritisiert und umstritten. Bernstein selber hat später in Richtung „Orientierung“ formuliert. Um mit dieser Begrifflichkeit verbundenen Missverständnissen zu entgehen, wird im Artikel von „auf Abgeschlossenheit“ (restringiert) und „auf Offenheit prinzipieller grammatikalischer Ähnlichkeit“ (elaboriert) gerichteten Codierungen gesprochen. Für den Übertrag auf die Analyse der Berufsausbildung gilt exakt was SERTL und LEUFER für den unterrichtssoziologischen Einsatz formuliert: „Diese Unterscheidung beinhaltet keine Wertung, insbesondere ist damit nicht gesagt, dass restringierte Äußerungen aus sprachlicher Sicht unvollständig oder minderwertig (also „defizitär“) sind; sie können als „ökonomische“ Kommunikationsform interpretiert werden, die mit möglichst geringen und adäquat angepassten Mitteln den Anforderungen diverser Alltagssituationen gerecht werden.“ (SERTL/ LEUFER 2012, 21)

4.1 Abgeschlossenheit

„Abgeschlossenheit“ meint im Sinne des restringierten Codes berufspraktische Zusammenhänge, die an ihre jeweilige Situation gebunden und damit kontextabhängig sind, wenn sich ihre Bedeutung nur implizit erschließt und partikularistisch orientiert bleibt (vgl. dazu auch SERTL/ LEUFER:21). Auf Abgeschlossenheit zielende Codierungen sind im Ausbildungsprogramm auf der Ebene der Handlungsabfolge wie auf der Ebene der Handlungsalternativen „durch einige wenige eingeschliffene Konstruktionspläne gekennzeichnet“ (OEVERMANN 1972, 78). Da den Auszubildenden innerhalb dieser zu verinnerlichenden Konstruktionspläne im Rahmen der Handlungsprozessgestaltung nur wenige Alternativen zur Verfügung stehen, können die Handlungsabfolgen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden. Einen abstrahierenden Transfer der speziellen Abfolge auf höhere Allgemeinheitsstufen und differenzierte Bedeutungen, sehen Programme mit auf Abgeschlossenheit zielenden curricularen Codierungen nicht unbedingt vor, der Auszubildende muss sich an betrieblich vorgegebene, standardisierte Zuweisungen (Bedeutungen) halten. Auf abstrakter Ebene der Bildungsordnung und -steuerung stehen diese Codierungen nicht etwa für Aussagen über Qualität und Anspruch von Ausbildungsprogrammen. Vielmehr stehen sie beschreibend für die den Programmen hinterlegten Grammatiken, ohne diese zu werten. Mit BOLDER/ DOBISCHAT (2006) definieren sich Berufe, Beruflichkeit und Berufsausbildung ja gerade über deutliche Begrenzung der spezifischen Zuständigkeit im jeweiligen Betätigungsfeld (vgl. ebd.), sie definieren sich also über eine bestimmte Abgeschlossenheit des grammatischen Kanons, auf den sie rekurrieren oder dessen Teile sie abbilden. Die entsprechende Konzeption passt nicht nur im entsprechenden Gefüge, sie ist auch angemessener Schritt auf dem Weg beruflicher Verwirklichung des Individuums – wenn (und dies ist eben konstitutive Voraussetzung) das Gestaltungsmuster der Zielebene Arbeitsprozessorganisation auch Folgeschritte und Anknüpfungen ermöglicht und prinzipiell vorhält. Gerade diese Möglichkeit lässt sich mit BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY (1998) allerdings in der post-tayloristischen Form der Arbeitsorganisation nicht generell finden.

4.2 Offenheit prinzipieller Ähnlichkeit

„Offenheit“ meint im Sinne des elaborierten Codes berufspraktische Zusammenhänge, die kontextunabhängig sind, deren Bedeutungen explizit gemacht werden und universalistisch orientiert sind (vgl. SERTL/ LEUFER 2012, 21). Auf die Offenheit prinzipieller grammatikalischer Ähnlichkeit zielende Ausbildungsprogramme zeichnen sich auf der Ebene der Handlungsabfolge durch „eine große Anzahl von alternativen Konstruktionsplänen aus“(ebd.). Problemlösungen können in ihrem Lösungsweg wenig genau vorhergesagt werden. Das Programm zielt darauf, die gewählte Handlungsabfolge nach unterschiedlichen Abstraktionsgraden auflösen und in ihrem Verhältnis von Speziellem zu Allgemeinem erklären zu können. Andersherum ermöglichen auf Offenheit gerichtete Codes individuelle Spezifizierungen im Verhältnis von Allgemeinem und Speziellem.

Entsprechende Ausbildungsprogramme zielen auf eine „differenzierte kognitive Durchdringung der Objektwelt. Gesetzmäßigkeiten können aufgrund eines hierarchisch durchgegliederten Begriffsapparates auf einer hohen Allgemeinheitsstufe expliziert werden. Über das konkret Gegebene hinaus kann durch Abstraktion das logisch Mögliche ermittelt werden. Damit sind die Voraussetzungen für eine rationale, langfristige Handlungsplanung geschaffen“ (OEVERMANN 1972, 78).

4.3 Konsequenzen

Wenn wir nun in einem heuristischen Sinne die Codierungen den entsprechenden Prinzipien der Arbeitsorganisation zuordnen, ergibt sich für die curriculare Gestaltung und Umsetzung der Vorbereitung auf die Ebene der Facharbeit ein naheliegendes Bild: Zwar ist die Codierungsgrenze auf der Mesoebene z.B. per BBiG(2005) Bestandteil vertikaler Ordnungspolitik zwischen Ausbildungsprogrammen. Darüber hinaus ist aber zu fragen, ob sich mit Hilfe solcher Codeanalyse nicht vertikale Unterschiede ebenfalls innerhalb horizontaler Felder skizzieren lassen. Von dem oben skizzierten Veränderungsprozess im Post-Taylorismus aus gesehen, verringert sich die Zahl der beruflichen Betätigungsfelder, in denen die Arbeitsprozessorganisation gemäß Leistungsprinzip vorgenommen wird und dabei per abgeschlossener Codierung bewältigt werden kann (vgl. BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY 1998).

Damit allerdings ergibt sich eben ein für die Breitenqualifizierung neuartiges Problem: Als Ziel, auf das sich die Berufsausbildung per berufsbildungspolitischer Steuerung bezieht, muss nun die auf prinzipielle Offenheit codierte Betriebswirklichkeit in der Prozessorganisation des Erfolgsprinzips gesehen werden. – Ohne, dass der dabei notwendig zu leistende konzeptionelle curriculare Aufwand, die entsprechende Qualifizierung der Ausbildenden und Lehrenden sowie die strukturelle Implementierung an den beteiligten Lernorten dabei aber eben diesem Leitprinzip der Arbeitsprozessorganisation nach ökonomischer Ratio entsprechen würde. Mit DEHNBOSTEL lässt sich für den Anspruch solcher Programme formulieren, dass in diesem Sinne „reflexive Handlungsfähigkeit in der Arbeit“ (DEHNBOSTEL 2006, 24) als „über die berufliche Handlungskompetenz hinausgehende Zielsetzung beruflicher Bildung“ (ebd.) anzusehen ist. Diese beziehe sich „sowohl auf die berufliche Handlungskompetenz, als auch die Arbeits- und Lernbedingungen sowie die Wechselbeziehungen zwischen beiden“. (ebd.) Angesprochen seien mit dieser reflexiven Handlungsfähigkeit „darüber hinaus Qualität und Souveränität des realen Handlungsvermögens“ und Reflexivität meine „die bewusste, kritische und verantwortliche Bewertung von Handlungen auf der Basis von Erfahrungen und Wissen.“ (ebd.) Entscheidend für die Anlage solcher Ausbildungsprogramme und ihre Passung in die je geltenden Leitprinzipien ist allerdings, dass diese Zielstellung in der Arbeit selbst zunächst ein Abrücken vom unmittelbaren Arbeitsgeschehen bedeutet, „um Ablauforganisation, Handlungsabläufe und -alternativen zu hinterfragen und in Beziehung zu eigenen Erfahrungen und zum eigenen Handlungswissen zu setzen.“(ebd.) Was daran aber ist als für Steuerung, Ordnung wie Konzeption und Umsetzung zu lösendes Problem so ungewöhnlich herausfordernd? Entscheidend für die zu bewältigende Aufgabe der Berufsausbildung ist eine zusätzliche Annahme, die nach BERNSTEIN und OEVERMANN berücksichtigt werden muss:

„Wer über den ‚elaborierten Kode’ verfügt, dem ist prinzipiell auch eine verbale Planung im ‚restringierten Kode’ zugänglich, während umgekehrt denen, die auf den ‚restringierten Kode’ angewiesen sind, die Möglichkeiten des ‚elaborierten Kodes’ verschlossen sein können.“ (OEVERMANN 1972, 78) Daraus wiederum entsteht für die Aus- und Weiterbildung eine tiefgreifende Problematik. Für den Bereich berufs- und wirtschaftspädagogischer Konzeption wie DEHNBOSTEL sie skizziert bspw. wäre zu fragen, ob nicht gerade dieser Bereich der Code-überwindenden Weiterqualifizierung ausgesprochen aufwändig in der Konstruktion der notwendigen Rahmung ist und daher nach ökonomischer Ratio als Breitenprogramm gescheut wird.

Einfacher – oder effizienter – mag aus ökonomischer Ratio zum Beispiel erscheinen, über entsprechende Personalauswahl bereits passende Personenprofile zu gewinnen, z.B. über die Anerkennung von Studienabbrüchen als absolvierte Teile der Berufsausbildung. Im Übertrag ermöglichen auf Offenheit zielende Codierungen ja sehr wohl Planungen und Performanzen in Handlungsprozessen abgeschlossener Codes – allerdings wird das Qualifikations-, Reproduktions- und Transformationsproblem dadurch nicht unbedingt berufspädagogisch innerhalb von Berufsausbildung gelöst – sondern es wird auf Ergebnisse anderer Instanzen zurückgegriffen. Gerade nach Marktlogik organisierte Systeme richten sich aus Effizienzgründen auf modulare Ergänzung (vgl. GREINERT 2003). Die Sinnstiftung und Verantwortung für die Gesamtgrammatik tragen dabei die Individuen (vgl. BRÖCKLING 2012).

5 Schlussfolgerungen und Forschungsfragen

Als paradigmatischer Unterschied, dem es individuell zu begegnen und den es kollektiv zu bewältigen gilt, kann für das Paradigma des Erfolgsprinzips mit VOSS und PONGRATZ festgehalten werden: „Nicht die Fähigkeit, Unsicherheit zu überwinden, sondern in und mit Ungewißheit handlungsfähig zu bleiben, wird zur zentralen Anforderung.“ (PONGRATZ/ VOSS 1997, 38). Lediglich das Leistungsprinzip aber, das ist deutlich geworden, sieht im Rahmen der Bildungsorganisation gesellschaftlich gesicherte Entwicklungskorridore vor, die die Variable Zeit der engen Effizienzrechnung unternehmerischer Kalkulation und Organisation entheben. In der aktuellen Entwicklung verbleiben allerdings lediglich Teile des Bildungssystems nach diesem Prinzip organisiert. Das Referenzsystem Gesellschaft wie das Referenzsystem Wirtschaft operiert inzwischen mit anderen Prinzipien. Ließe sich vor dem Hintergrund des Bologna-Prozesses für den Bereich der Hochschulen aufzeigen, dass Prinzipienangleichungen von Leistung zu Erfolg aus politischen Gründen gesetzt und als Zielvorgabe zur curricularen Umsetzung top-down festgeschrieben wurden, so ist dieser Prozess für die prinzipielle Anpassung der Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen sondern Teil stetiger Auseinandersetzung. Zwar lässt sich das meritokratische Prinzip als ideologisch entlarven und selbstredend ist einschlägig belegt, dass etliche Effekte der Reproduktion sozialer Ungleichheit über dieses Prinzip gefördert und als gesellschaftliches Problem damit ungelöst sind. – Gleichwohl heißt dies im Umkehrschluss nicht, dass Prinzipienveränderungen im Bildungssystem und gerade Anpassungen an die Prinzipien der qua anderer Ratio organisierten Abnehmerinstanzen diese Probleme automatisch nicht mehr stellen würden. Plausibel kann dementgegen diskutiert werden, ob aus pädagogischer Expertise nicht eher eine prinzipielle Verschärfung der pädagogischen wie sozialen Problemlagen und Ungleichheiten ausgemacht werden kann (vgl. UNGER 2007). Gerade weil neuartige Belastungen in beiden Verwertungszusammenhängen (auf Ebene der Facharbeit, wie als Effekt sozialer Veränderung) belegt werden können (vgl. aktuell MOLZBERGER 2013).

Wenn im Rahmen meritokratischer Ordnung aber nach wie vor Leistung als Positionierungsschlüssel gelten soll, dann ist zu fragen, was denn tatsächlich als Leistung begriffen und inwertgesetzt werden kann. Aus berufspädagogischer wie aus berufsbildungspolitischer Perspektive ist dann zu fragen, wie darauf vorbereitet werden kann und soll. Neu ist dabei allerdings nicht das Thema, neu ist die Motivlage der auf Steuerungsebene an der Konstruktion der Berufsbildungsorganisation beteiligten Akteure. Vor dem Hintergrund der skizzierten Veränderungen wird für die politische Berufsausbildungsorganisation eine besondere Notwendigkeit berufs- und wirtschaftspädagogischer Expertise deutlich: Mit Bernstein geht es dabei neben der Reproduktion vor allem um die Transformation der Breitenqualifizierung auf- und den Anschluss an aktuelle Organisationsmuster, die prinzipiell auf Offenheit codiert sind. Im Übertrag des Problemaufrisses von der Makroebene auf die Mesoebene, wäre daher berufs- und wirtschaftspädagogisch die Notwendigkeit einer curricularen Gesamtstruktur zu diskutieren, die nicht nur auf der Gegenstandsebene sondern als bildungspolitische Perspektive eine Auffassung exemplarischer Ausrichtung bietet ohne die jeweilige Beruflichkeit zu vernachlässigen. Berufsbildungspolitisch zu fokussierender Anspruch wäre, auf absehbare Codierungsschwellen und deren Überwindung vorzubereiten. Freigesetzt werden über die Prinzipienumstellung die Elemente Zeit und Verantwortung für den Weg der Ergebniserstellung. Freigesetzt werden damit genau die Elemente, die sich in Berufsbildung konstitutiv als Anstrengung und Tüchtigkeit und der Bereitschaft dazu wiederspiegeln. Diese Elemente sind damit nicht mehr Teil des Inwertsetzungssystems, sie werden als selbstverständliche Grundlage vorausgesetzt. Die für Berufsausbildung daraus resultierende Frage ist, ob die grundsätzliche Bereitschaft, sich auf Anstrengung einzulassen, innerhalb der Programme entwickelt werden soll – das verlangt entsprechende Zeit und Moratoriumskontingente - oder ob sie als Auswahlkriterium und Persönlichkeitsmerkmal vorausgesetzt werden soll. Berufs- und wirtschaftspädagogisch wäre erstens zu diskutieren, in welcher Form und in welchen Bereichen sich diese Entwicklungen im Ausbildungsalltag und der Curriculumentwicklung niederschlagen. Hier wäre zweitens zu erheben, welcher Prinzipienübertrag sich auf die Ebene der Fach- und Sacharbeit feststellen lässt. – Für nur kurzzeitig bestehende Berufsbilder, für singulär ausgerichtete Programme, die auf absehbar endliche Einsatzzeit hin qualifizieren, lässt sich die bildungs- und soziopolitische Herausforderung deutlich aufzeigen: Es entsteht erheblicher Qualifizierungs- und Entwicklungsbedarf über den Verlauf des Erwerbslebens – gerade die Arbeitslosenquote im höheren Alter spricht für bildungspolitisch wie bildungswissenschaftlich ungelöste Probleme. Dabei bietet der BERNSTEINsche Ansatz die Möglichkeit, die jeweils über die bisherige (berufliche) Sozialisation internalisierte Grammatik, derjenigen des potentiellen zukünftigen Einsatzfeldes gegenüberzustellen. Es erscheint dabei vor dem Hintergrund der Arbeitsprozessentwicklung plausibel, tatsächlich davon auszugehen, dass hier zukünftig abgeschlossen codierte Arrangements in auf Offenheit zielende überführt werden müssen. In dieser Hinsicht stellt sich drittens die Frage beruflicher Anschlussfähigkeit und der Passung beruflicher Ausbildung für zukünftige Betätigung soziopolitisch neu. Für den Bereich der Reproduktion sozialer Ungleichheit über das Bildungssystem gewinnt diese Fragestellung für das allgemeine Schulwesen in den letzten Jahren an Perspektive. Für den Bereich der Berufsaus- und Weiterbildungsgestaltung lässt sie sich mit BERNSTEIN viertens deutlicher in den Blick nehmen.

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[1]Anm.: Greinert bezieht sich in seinen Darstellungen zum Marktmodell überwiegend auf England. Dem Argumentationsinteresse des vorliegenden Artikels steht dies nicht entgegen: Darstellungsinteresse ist nicht, zu zeigen, dass das Duale System in dieser Hinsicht der Logik des englischen Systems entspräche. Darstellungsinteresse ist es, systematisch Effekte zu rekonstruieren, die über ein Marktprinzip als primäres Ordnungsmuster wirksam würden und damit politisch zu diskutieren sind.

 

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HAGEDORN, U. (2013): Leistung oder Erfolg? Berufsbildungspolitische Deutungsmuster und die prinzipielle Ausrichtung der Berufsausbildung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 25, 1-18. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe25/hagedorn_bwpat25.pdf (16-12-2013).