bwp@ 25 - Dezember 2013

Ordnung und Steuerung der beruflichen Bildung

Hrsg.: Karin Büchter, Sandra Bohlinger & Tade Tramm

Ordnung und Steuerung der Berufsbildung in Deutschland im Prisma der Konzepte Basil Bernsteins

Dieser Beitrag öffnet einen theoretischen Zugang zu den Verfahrensabläufen, Abstimmungsprozessen und dahinter liegenden Interessenkonstellationen auf der Makroebene des deutschen dualen Systems mit Hilfe von zwei Konzepten des britischen Bildungssoziologen Basil BERNSTEIN.

BERNSTEIN ist in Deutschland vorwiegend mit seinen frühen Arbeiten zur Verbindung zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und individueller Sozialisation bekannt, die häufig noch gar auf einen Zusammenhang zwischen Schicht und Sprachcode reduziert wurden. Kaum bekannt sind hier hingegen BERNSTEINs spätere (1981-2000) Arbeiten wie die zum „pedagogic device“, auf Deutsch: pädagogischer Mechanismus oder pädagogischer Dispositiv, und zum „Pädagogischen Diskurs“. Diese Konzepte verweisen auf die Strukturierung bildungspolitischer Positionen und deren Outcomes durch die generativen Prinzipien von Macht und Kontrolle. Auf der gesellschaftlichen Makroebene schlagen sie sich beispielsweise in Gesetzestexten nieder. Dieser Beitrag analysiert daher das Berufsbildungsgesetz und nachgeordnete Rechtsakte hinsichtlich der Realisationsformen der Macht- und Kontrollprinzipien und damit des spezifischen pädagogischen Diskurses des deutschen dualen Systems. Der hier rekonstruierte Diskurs ist mit BERNSTEIN der von der Gesetzgebung intendierte; damit ist impliziert, dass seine Realisation in der pädagogischen Praxis Varianten erlaubt.

Zunächst werden die relevanten Konzepte vorgestellt und die Erscheinungsformen aufgezeigt, an denen sie in der Empirie erkennbar sind. Danach werden die Konzepte auf die Empirie der deutschen Berufsbildungspolitik bezogen. Dabei werden Vergleiche zu anders, beispielsweise schulisch organisierter Bildung eingeschlossen.

The regulation and governance of vocational education in Germany in the prism of the concepts of Basil Bernstein

English Abstract

This paper opens up a theoretical access to the procedural processes, consultation processes and the underlying constellations of interests at the macro-level of the German dual system with the help of two concepts of the British educational sociologist, Basil BERNSTEIN.

BERNSTEIN is mainly known in Germany for his early works on the connection between societal conditions and individual socialisation, which have often even been reduced to a connection between social class and language code. BERNSTEIN‘s later works (1981-2000), however, such as his work on “pedagogic device” are hardly known here. This refers to pedagogical mechanism or pedagogical  capacity, and his work on “pedagogical discourse”. These concepts indicate the structure of educational and political positions and their outcomes through the generative principles of power and control. At the societal macro-level these are reflected, for example, in the texts of laws. This article analyses the vocational education law and the subordinate legal acts regarding the forms of realisation of the principles of power and control and, thereby, the specific pedagogical discourse of the German dual system. The discourse which is reconstructed here is that intended by the legislation, as suggested by BERNSTEIN; in this way it is implied that its realisation in pedagogical practice allows for variants.

In a first step, the relevant concepts are presented and the manifestations are shown where they are recognisable empirically.  Then the concepts are related empirically to German vocational education policy. In so doing comparisons to education organised in different ways, such as school-based education, are included.

1 Einleitung

Über das Verhältnis von Sozialstruktur und kultureller Transmission gibt es in der Bildungs- und Erziehungssoziologie noch verhältnismäßig wenig systematische Forschung. Auch in der Berufsbildungsforschung gibt es keine speziellen Theorien oder Ansätze zum Makro-Mikro-Verhältnis. Häufig wird stillschweigend davon ausgegangen, dass die Interessen der Herrschenden auf der gesellschaftlichen Makro-Ebene ungefiltert auf die Mikro-Ebene der kulturellen Transmission durchschlagen und dort reproduziert werden (so bspw. der Klassiker BOURDIEU/ PASSERON (1971) mit dem Fokus auf die Ausübung struktureller Gewalt als Funktion kultureller Transmission). Auf welche Weise jedoch diese „Herrschenden“ gesellschaftliche Diskurse entstehen lassen und nach welchen Prinzipien Diskurse der sozialen Makroebene auf die Mikroebene der pädagogischen Praxis übertragen werden – diese Fragen sind zumindest in der deutschsprachigen Forschung bislang kaum thematisiert.

Ein mögliches Modell für die soziale Konstruktion des pädagogischen Diskurses hat der britische Bildungssoziologe Basil BERNSTEIN entwickelt: den pädagogischen Mechanismus, auch pädagogisches Dispositiv genannt (im Original: pedagogic device; BERNSTEIN 1986, 1990, 1996, 2000; siehe auch GELLERT/ SERTL 2012 mit einer ausführlichen Würdigung des gesamten Oeuvres BERNSTEINs). Das Modell ist komplex und ein Bestandteil von BERNSTEINS lebenslangem Forschungsprogramm. Es beruht auf Forschungsergebnissen, die überwiegend in England sowie in Staaten Lateinamerikas gewonnen wurden. Auf die spezielle Organisationsform der Berufsbildung im dualen System, schwerpunktmäßig die pädagogische Praxis der Ausbildung im Betrieb, wurden ausgewählte Konzepte BERNSTEINs erstmals im Beitrag von HÖHNS in GELLERT/ SERTL (2012) bezogen.

BERNSTEIN ist in Deutschland bekannt für seine frühen Arbeiten zum pädagogischen Code (C), den er formelhaft darstellt als eine Funktion von Klassifikation (K) und Rahmung (R): C=K/ R. „Klassifikation“ nennt BERNSTEIN die Grenzen zwischen Kategorien oder Kontexten, die als Ergebnis von Machtauseinandersetzungen entstehen. Sie können unterschiedlich durchlässig sein, so dass von starker oder schwacher Klassifikation gesprochen wird. Als „Rahmung“ bezeichnet er die Steuerung oder Kontrolle (englisch: control) der Kommunikation innerhalb der durch Klassifikationen definierten Kategorien oder Kontexte. Es muss hier angemerkt werden, dass BERNSTEINs zentrales Konzept „control“ im Deutschen meist mit „Kontrolle“ übersetzt wird, obwohl die Bedeutung des englischen Worts control weiter geht und sowohl den Vorgang der Steuerung als auch eben die Kontrolle als Ergebnis oder Endpunkt der Steuerung umfasst (vergl. GELLERT/ SERTL 2012, 28). Je nachdem, ob die – so verstandene – Kontrolle oder Steuerung der Kommunikation vollständig bei einem dominanten Kommunikationspartner bleibt oder ob sie in Teilen abgegeben wird, gilt die Rahmung als stark oder schwach. Daher die Schreibweise für unterschiedliche Code-Modalitäten: C = ± K / ± R.

Codes sind „regulative Prinzipien, die relevante Bedeutungen (Klassifikationen), Formen ihrer Realisation (Rahmung) und diese evozierende Kontexte auswählen und integrieren“ (BERNSTEIN 2000, 202). Sie werden stillschweigend vermittelt und erlernt. Der Code, Klassifikation und Rahmung, Grenzen und Kommunikation sind BERNSTEINs zentrale Konzepte, die auch seinen späteren Arbeiten zugrunde liegen.

Ab den 1980er Jahren beschäftigte BERNSTEIN sich verstärkt mit der Frage, wie Codes entstehen, d. h., wie eine dominierende Machtverteilung (power) und Steuerungsprinzipien (control) bestimmte Prinzipien der Kommunikation erzeugen, verteilen, reproduzieren und legitimieren. Diese Frage bezog er konkret auf die Prinzipien hinter der Steuerung (als Folge von Machtverteilungen) und Ordnung (legitime Kommunikation als „Produkt“ von Steuerung) im Bildungsbereich. Als Antwortvorschlag entwickelte er ein Modell der generativen Prinzipien von Macht und Kontrolle bei der Produktion, Reproduktion und Veränderung von gesellschaftlichen Diskursen, ein Set von Regeln, vermittels dessen eine Verbindung der gesellschaftlichen Makroebene, der Mesoebene der Schule (bzw. der sonstigen vermittelnden Institution) sowie der Mikroebene der eigentlichen Transmission konstruiert werden kann: der pädagogische Mechanismus.

Bei der Konstruktion seiner Modelle ging BERNSTEIN stets von einer sehr weiten Definition pädagogischer Beziehungen aus. „… Explizite und implizite [pädagogische Beziehungen; GH] meinen eine in der Zeit voranschreitende pädagogische Beziehung mit der zielgerichteten Absicht, Wissen, Verhalten oder Praxis anzuregen, zu modifizieren, zu entwickeln oder zu verändern durch jemanden oder etwas, der/ das bereits die notwendigen Ressourcen und die Mittel zur Evaluation der Aneignung besitzt bzw. dazu Zugang hat“ (BERNSTEIN 2000, 199f; Hervorhebung original; Übersetzung dieses und aller weiteren Zitate aus englischsprachigen Originaltexten: GH). Pädagogische Beziehungen in diesem Sinne bestehen auch im dualen System, nicht nur in der Berufsschule, sondern auch im Betrieb.

Dementsprechend ist zu erwarten, dass die Steuerung auch der betrieblichen Ausbildung im dualen System als eine Realisationsform der Regeln des pädagogischen Mechanismus beschreibbar ist. Ebenso ist zu erwarten, dass die für die betriebliche Ausbildung spezifische Realisationsform der Regeln auch spezifische Outcomes erzeugt. Ein Outcome der zentralen Regel des pädagogischen Mechanismus ist der von BERNSTEIN so genannte pädagogische Diskurs, den man als ein Ordnungsprinzip für die legitime pädagogische Kommunikation ansehen kann.

In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Makroebene der Berufsbildung im dualen System mit Hilfe von ausgewählten Konzepten BERNSTEINs zu beschreiben. Zunächst werden die Konzepte näher vorgestellt. Mit der nachfolgenden Darstellung der spezifischen Realisationsform der zentralen Regel des pädagogischen Mechanismus in der betrieblichen Bildung im dualen System und des durch sie erzeugten spezifischen pädagogischen Diskurses wird exemplarisch das Potential eines Klassikers der Bildungssoziologie für Makroanalysen der deutschen Berufsbildung getestet und ein Beitrag zur soziologischen Theoretisierung des dualen Systems geleistet. Dabei werden Grenzen des Modells und Anregungen für seine Weiterentwicklung aufgezeigt.

2 BERNSTEINs „pädagogischer Mechanismus“ mit der Rekontextualisierung im Zentrum

Der pädagogische Mechanismus ist ein Konstrukt, das BERNSTEIN (1986, 1990, 1996, 2000) aus seinen beobachteten Effekten im Bereich der allgemeinbildenden Sekundarschule ableitete, die er mit der mittelalterlichen Handwerkslehre als Lernen in der Praxis kontrastierte. Beeinflusst wurde BERNSTEIN dabei von der Sprachwissenschaft, insbesondere von der systemisch-funktionalen Grammatik von M. A. K. HALLIDAY (etwa 1978, 1993; vergl. dazu BERNSTEIN 2000, 27).

Wie bei den Regeln der Sprache können, so BERNSTEIN, auch die Realisationsformen der Regeln des pädagogischen Mechanismus mit dem Kontext variieren, und es gibt eine große Menge potentieller kommunikativer Outcomes, die pädagogischen Diskurse. Die Regeln sind: Distributions-, Rekontextualisierungs- und Evaluationsregeln. Während die Distributionsregeln, die die äußeren Grenzen eines legitimen Diskurses festlegen, unterschiedliche Formen von Wissen differentiell verteilen und die Evaluationsregeln die pädagogische Praxis kondensieren, stehen im Zentrum des Mechanismus die Rekontextualisierungsregeln.Mit diesen drei Regeln modelliert BERNSTEIN die soziale Konstruktion des pädagogischen Diskurses.

Das zentrale Prinzip der Rekontextualisierung „schafft“ auf der gesellschaftlichen Makro-Ebene Felder oder Arenen, auf denen Akteure / Institutionen um den pädagogischen Mechanismus und damit um die Macht zur Erzeugung des legitimen pädagogischen Diskurses (im Sinne BERNSTEINs) streiten. Insofern kann man Rekontextualisierungsfelder als zentrale Steuerungsfelder eines Bildungssystems ansehen. Im deutschen Bildungssystem wurden die Distributionsregeln vorgängig mit der Entscheidung für zwei parallele Bildungswege im Bereich der Sekundarstufe II realisiert, deren Hintergrund eher in einer historischen Untersuchung aufzuklären ist. Die Evaluationsregeln können aus Platzgründen hier nicht behandelt werden, obwohl der Ort der Evaluation und die den dortigen Akteuren zugestandenen Freiräume (mit BERNSTEINS Worten: die starke oder schwache Rahmung der Evaluationsregeln) für die Umsetzung der Steuerungsvorgaben natürlich eine große Rolle spielt. Dieser Beitrag fokussiert auf die Rekontextualisierungsregeln für die betriebliche Ausbildung im dualen System.

Auf dem Feld der Rekontextualisierung interagieren Akteure bzw. Institutionen mit dem Ergebnis, dass ein pädagogischer Diskurs erzeugt wird, der sich in Curricula und Stundentafeln institutionalisiert. Die Rekontextualisierungsakteure/ -institutionen delozieren dabei verschiedene Diskurse aus anderen Feldern (BERNSTEIN 1986, 217 zählt exemplarisch das intellektuelle, das expressive und das manuelle Feld auf; man wird diese Liste ergänzen dürfen um das Feld beruflicher Tätigkeiten auf der mittleren Fachkräfteebene, das ja nicht auf das manuelle Feld beschränkt werden kann) und verbinden sie mit Theorien der Vermittlung. Die Theorien der Vermittlung seien gewöhnlich stark von den zu rekontextualisierenden Diskursen unterschieden, also klassifiziert. Allerdings sei diese Klassifikation nicht zwingend anzutreffen (ebd.). In jedem Fall sind die Rekontextualisierungsakteure und -institutionen jene, die Curricula und Stundentafeln erstellen.

Als dominantes Prinzip hinter dem Entstehen eines pädagogischen Diskurses auf dem Feld der Rekontextualisierung sieht BERNSTEIN in der Regel Klassenbeziehungen, wenngleich er einräumt: „Die dominanten Prinzipien müssen nicht zwingend die von Klassenbeziehungen sein“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 36).

3 Der pädagogische Diskurs nach BERNSTEIN

BERNSTEINs Konzept des (pädagogischen) Diskurses ist von seiner Auseinandersetzung mit FOUCAULT beeinflusst, es ist jedoch mit dem FOUCAULT’schen Diskursbegriff nicht deckungsgleich. „Das Konzept Code ist von fundamentaler Bedeutung, wenn wir eine Diskurstheorie bei BERNSTEIN entwickeln wollen“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 26; hier ist auch eine vergleichende Darstellung der Diskursbegriffe zu finden). Der pädagogische Diskurs ist bei BERNSTEIN ein Produkt sozialer Arbeitsteilung, ein variables Outcome des Rekontextualisierungsprinzips. BERNSTEIN definiert ihn nicht inhaltlich, sondern durch seine Grenzen (Klassifikationen), die als Ergebnis von Machtauseinandersetzungen auf der Arena der Rekontextualisierung festgelegt werden: „Die äußeren Grenzen des legitimen [pädagogischen; Ergänzung GH] Diskurses entstehen durch Antworten auf die Fragen: Wer darf wem was unter welchen Bedingungen vermitteln?“ (BERNSTEIN 2000, 31). Diese Fragen können in verschiedenen Bildungssystemen jeweils unterschiedlich beantwortet werden. In den Antworten auf diese Fragen manifestieren sich die Effekte des Rekontextualisierungsprinzips.

Letztlich ist der pädagogische Diskurs kein eigener Diskurs, sondern ein „Prinzip, nach dem andere Diskurse angeeignet und in eine spezielle Relation zu einander gebracht werden zum Zweck ihrer selektiven Vermittlung/ Aneignung“ (BERNSTEIN 2000, 32) und damit ein zentrales Ordnungsprinzip von Bildungsdiskursen. Der „offizielle pädagogische Diskurs“, also das Ordnungsprinzip auf der gesellschaftlichen Makroebene, „kann als Realisation der Machtbeziehungen betrachtet werden, die den politischen Praxen des Staates innewohnen“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 37). So gesehen, ist jeder offizielle pädagogische Diskurs gleichzeitig ein politischer Diskurs. Im Unterschied zu den pädagogischen Diskursen für den Schulkontext werden in diesem Beitrag die pädagogischen Diskurse für den betrieblichen Kontext „pädagogischer Berufsdiskurs“ genannt, denn die dahinter stehenden Machtbeziehungen auf dem jeweiligen Rekontextualisierungsfeld unterscheiden sich stark, wie später gezeigt wird.

Diskurs ist zugleich eine Kategorie, die ihrerseits Subjekte und Objekte erzeugt (a. a. O., 12), an denen die spezifischen Erscheinungsformen eines Diskurses zu erkennen sind. Dies gilt auch für den pädagogischen Diskurs. Zu Analysezwecken differenziert BERNSTEIN (1990, 1996, 2000) den pädagogischen Diskurs in einen Instruktionsdiskurs, in dem es um verschiedenste Fähigkeiten (skills) und ihr Verhältnis zu einander geht, und einen Regulationsdiskurs, in dem es um das „Was“ und „Wie“ des pädagogischen Diskurses geht, näherhin: „Welche Bedeutungen legitimerweise zusammengesetzt werden dürfen und wie diese Bedeutungen legitimerweise realisiert werden dürfen“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 26). Es geht also wieder um Grenzen und Kommunikation. Das „Was“ des pädagogischen Diskurses bezieht sich auf die „Kategorien, Inhalte und Relationen, die vermittelt werden sollen, d. h. ihre Klassifikation, und das „Wie“ bezieht sich auf die Art und Weise ihrer Vermittlung, im Wesentlichen ihre Rahmung“ (BERNSTEIN 1986, 217). „Wie“ bezieht sich also insbesondere auf die Auswahl der Instruktionstheorie. Diese enthält ein Modell des Lernenden und des Lehrenden und ihrer gegenseitigen Beziehung, das stets ideologische Elemente enthält (BERNSTEIN 2000, 34f), d. h. Spuren der Eigen-Logik der dominanten Akteure im Rekontextualisierungsfeld. Außer diesen Subjektprojektionen erzeugt der pädagogische Diskurs auch die Organisationsstruktur des Reproduktionskontextes, „in der die Beziehungen zwischen Zeit, Raum und Diskurs integriert und spezialisiert werden“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 76). Zwischen dem pädagogischen Diskurs und dem Reproduktionskontext besteht eine reziproke Beziehung.

Zum Erkennen einer spezifischen Realisationsform des offiziellen pädagogischen Diskurses wie beispielsweise der in der betrieblichen Ausbildung im dualen System sind also Informationen über das „Was“ und das „Wie“, näherhin über den Reproduktionskontext und die dort herrschenden spezifischen Verhältnisse von Zeit, Raum und Diskurs sowie über die Subjektprojektionen von Lehrenden und Lernenden vonnöten.

4 Methodisches Vorgehen

Für die empirische Arbeit mit seinen Modellen gab BERNSTEIN wiederholt (zuletzt 2000, 208f) das Erfordernis akkurater Beschreibungen vor. Zugleich mit der Modellentwicklung war er bestrebt, eine zweite Beschreibungssprache zu entwickeln, mit deren Hilfe die Elemente seiner Modelle auf eine nicht zirkuläre Weise in der Empirie klar erkennbar sein sollten, auch und gerade in neuen Kontexten, um auf diese Weise mit Hilfe möglichst präziser Beschreibungen Bestätigungen für die Gültigkeit des Modells oder, besser noch, Widerlegungen und damit Impulse zur Weiterentwicklung zu erhalten (vergl. die Kapitel „Codes and research“ in BERNSTEIN 1996, 2000 sowie 2000, 208ff). Die vorigen Abschnitte präsentierten BERNSTEINs Konzepte Rekontextualisierung und pädagogischer Diskurs sowie ihre Erkennungskriterien. Mit Hilfe einer Dokumentenanalyse wurden ihre Erscheinungsformen in der betrieblichen Ausbildung im dualen System identifiziert.

Der offizielle pädagogische Diskurs institutionalisiert sich in Curricula und Stundentafeln (BERNSTEIN 1990) und folglich auch in Ausbildungsordnungen, den Curricula für die Ausbildung im Betrieb. Für die Identifikation der Akteure im Rekontextualisierungsfeld wurden die gesetzlichen Grundlagen zur Neuordnung von Ausbildungsberufen analysiert, in erster Linie das Berufsbildungsgesetz (BBIG) und die in Teilen parallel ausgestaltete Handwerksordnung (HWO). sowie nachgeordnete Rechtsakte (Satzung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Richtlinien des Hauptausschusses (HA) für die Durchführung der Aufgaben des Bundesinstituts für Berufsbildung durch den Präsidenten sowie Empfehlungen des Hauptausschusses). Im BBIG/ HWO und in Hauptausschuss-Empfehlungen finden sich auch Aussagen über das „Was“ und „Wie“ des pädagogischen Diskurses und seine Projektionen. Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die Ausbildereignungsverordnung und insbesondere auch die Hauptausschuss-Empfehlung 135 enthalten weitere Informationen über die Subjektprojektionen bezüglich der Auszubildenden und Ausbilder und ihr Verhältnis zu einander.

Alle Texte wurden in das Programm MAXQDA eingelesen und nach den in den Abschnitten 2 und 3 vorgestellten „Erkennungskriterien“ codiert: Rekontextualisierungsakteure/ -institutionen (die die Ausbildungsordnungen erstellen), Zeit, Ort, Diskurs, Lehrende, Lernende. MAXQDA erlaubt Mehrfachkodierungen und ermöglicht die Zusammenschau kodierter Stellen zur Herstellung von Relationen zwischen ihnen.

Eine Einschränkung noch vorab. BERNSTEIN geht nicht davon aus, dass ein auf der gesellschaftlichen Makroebene geschaffener pädagogischer Diskurs auf der Mesoebene der Institution und im Kontext der Vermittlung unverändert umgesetzt wird. Die Akteure und Institutionen auf allen Ebenen besitzen einen gewissen Spielraum beim Umgang mit diesen Diskursen, sie müssen einen Akt der „Übersetzung“ des Diskurses in ihr Handeln vollziehen, wobei jedes Mal das Prinzip der Rekontextualisierung wirksam wird und Reproduktion, Anfechtung oder Infragestellung möglich sind. Wie groß der zugestandene Spielraum ist, hängt letztlich auch ab vom Grad der Autonomie der institutionalisierten Kontrolle über das Evaluationssystem. Hierauf kann aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden. Was in diesem Beitrag herausgearbeitet wird, ist neben den Akteuren/ Institutionen auf dem Rekontextualisierungsfeld der von der Gesetzgebung intendierte Berufsbildungsdiskurs, der sich durchaus von dem unterscheiden kann, was auf der Mikroebene der pädagogischen Kommunikation im Betrieb praktiziert wird.

5 Das Rekontextualisierungsfeld auf der Makroebene der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland

Auf der Makroebene der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland sind die Akteure und Institutionen mit Rekontextualisierungsfunktion jene, die die Ausbildungsordnungen entwickeln, denn der darin enthaltene Ausbildungsrahmenplan, d. h. die der betrieblichen Ausbildung zugrunde liegenden sachlichen und zeitlichen Gliederung, ist gleichbedeutend mit dem Curriculum und der Stundentafel der Ausbildung im Betrieb (vergl. § 5 BBIG).

Nach dem BBIG scheinen zunächst ausschließlich staatliche Institutionen involviert zu sein. Im Zusammenhang mit der Entstehung von Ausbildungsordnungen nennt es das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie oder das sonst zuständige Fachministerium, das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die Ausbildungsordnung erlässt (§4(1)), sowie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (§89ff). Dessen oberstes Organ, der Hauptausschuss, kann zu den Ausbildungsordnungen vor Erlass unter Berücksichtigung der entsprechenden Entwürfe der schulischen Rahmenlehrpläne Stellung nehmen (BBIG §92(1)5). Im Hauptausschuss, dem so genannten „Parlament der Berufsbildung“, sind Vertreter der Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen) sowie Länder und Bund zu gleichen Teilen repräsentiert (BBIG §92(3)).

Den Sozialpartnern obliegt auch das Initiativrecht zur Neuschaffung oder Veränderung eines Berufs(diskurses) (vergl. HA-Empfehlungen 50 und 130 zu Details des Verfahrens). Wenn sich die Sozialpartner im zuständigen Fachministerium auf Eckwerte der neuen oder zu erneuernden Ausbildungsordnung geeinigt haben, setzen Fachbeiräte, die aus Vertretern der Spitzenorganisationen von Arbeitgebern und Gewerkschaften zusammengesetzt sind, unter Moderation des BIBB diese Eckwerte in Ausbildungsordnungen um (§22 der Satzung des BIBB in Verbindung mit §7 der Richtlinien des Hauptausschusses). „Die Bundessachverständigen sollen Experten oder Expertinnen der betrieblichen Ausbildungspraxis sein“ (§7(3) der HA-Richtlinien). Daher kann nicht von einer reinen staatlichen Dominanz des Berufsbildungsdiskurses gesprochen werden.

Weil in BERNSTEINs Vorstellung bei der Rekontextualisierung neben dem Staat das pädagogische Feld eine zentrale Rolle spielt, wurden die analysierten Dokumente speziell noch einmal auf Erwähnungen dieses Feldes geprüft. Die Berufsschulen oder die aufsichtführenden Bundesländer haben kein Initiativrecht für Neuordnungsverfahren. Die HA-Richtlinien (§2(2)) erlauben jedoch den Ländern, Mitglieder für Fachbeiräte vorzuschlagen, deren Vorschläge laut Satzung des BIBB (§22) in das Verfahren eingehen. Dadurch werden die Perspektiven der Berufsschulen zu einem frühen Zeitpunkt in das Ordnungsverfahren eingebunden, so dass sie in einem parallelen Prozess das entsprechende Berufsschul-Curriculum entwickeln können. Die Länderinstitute für Berufsbildung (BBIG §82ff) spielen erst auf einer späteren Rekontextualisierungsebene eine Rolle.

Die Akteure auf dem offiziellen Rekontextualisierungsfeld (auf der Makroebene) im deutschen dualen System sind also in erster Linie die Sozialpartner, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen der entsprechenden Branche sowie der Staat. Das von BERNSTEIN so genannte pädagogische Feld hat Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Rekontextualisierung, vor allem hinsichtlich der Rekontextualisierung in der Berufsschule.

Ein Vergleich mit BERNSTEINs (1986, 1990, 1996, 2000) Modell der sozialen Konstruktion des pädagogischen Diskurses für die Vermittlung in der (allgemeinbildenden) Schule verdeutlicht die Besonderheiten. BERNSTEIN sieht zwei Rekontextualisierungsfelder, das offizielle des Staates, das die Leitlinien der Bildungspolitik verabschiedet, und das aus verschiedenen Unter-Feldern (z. B. Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung, Schulbuchverlagen) bestehende pädagogische Feld, das die offizielle pädagogische Praxis beeinflusst. Das „Feld der Produktion“ schließlich, d. h. die Welt der Erwerbstätigkeit, spielt nur die Rolle eines nachgeordneten Einflussfaktors auf das offizielle und das pädagogische Rekontextualisierungsfeld. Die Verhältnisse in der deutschen Berufsbildung erscheinen eher umgekehrt.

Eine besondere Dynamik erhält das Rekontextualisierungsfeld in der deutschen Berufsbildung dadurch, dass auf dem „Feld der Produktion“ zwei große Interessengruppen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, aktiv sind, die zu einem Konsens gelangen müssen, der vom Staat moderiert und dann mitgetragen und rechtlich durchgesetzt wird (Ausbildungsordnungen sind Rechtsakte; Verstöße können juristisch geahndet werden). Das bedeutet, dass eine Ausbildungsordnung nicht das Interesse einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe widerspiegelt.

Das dominante Prinzip der Klassenbeziehungen mit einer dominanten und einer dominierten Klasse, wie auch immer diese definiert sind, scheint im dualen System der Berufsbildung nicht zu tragen. Als Alternative kommt etwa das von manchen Berufsbildungsforschern (ARNOLD/ MÜNCH 1995) angeführte Prinzip der „Subsidiarität“ in Frage, möglicherweise auch „Delegation“ oder „Korporatismus“, die KOCH (1998, 19) nach SCHIMANK/ GLAGOW (1984, 14ff) neben Subsidiarität als weitere „wichtige Formen nicht-etatistischer Selbststeuerung“ benennt. Die Klärung des dominanten Prinzips ist ein wichtiges Forschungsdesiderat, denn „[D]die Machtbeziehungen, die einem Diskurs innewohnen, sind in den sozialen Beziehungen präsent, in denen jeder Diskurs realisiert wird” (BERNSTEIN/ DIAZ1984, 25), also bis hinunter auf die Ebene der Vermittlung.

Eine grundlegende Veränderung der Klassenbeziehungen führt jedoch nicht notwendigerweise zu einer Veränderung… des Prinzips der kulturellen Reproduktion (BERNSTEIN 1990, 43). Das heißt, die Regeln des pädagogischen Mechanismus sollten auch unter veränderten dominanten Prinzipien gelten, und ebenso sollte gelten, dass als Output von Rekontextualisierung ein pädagogischer Diskurs entsteht, der das Verhältnis von Raum, Zeit und Diskurs strukturiert sowie seine Subjekte und ihre Relation zu einander projiziert, nur jeweils in spezifischer Ausformung.

6 Das „Was“ und „Wie“ der Vermittlung in der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland – der offizielle pädagogische Berufsdiskurs

Nachdem die Kontextualisierungs- und Rekontextualisierungsakteure und die hinter den Kriterien für die legitime primäre Kontextualisierung von Ausbildungsberufen stehenden regulativen Prinzipien identifiziert sind, wendet sich dieser Beitrag den Outcomes der Re-Kontextualisierung eines Berufsdiskurses zu, dem offiziellen pädagogischen Berufsdiskurs, der in Antworten auf die Fragen „was“ und „wie“ der Vermittlung besteht. Das „Was“ bezieht sich auf die legitimen Texte, die vermittelt/ erworben werden sollen. (N. B.: Ein Text ist bei BERNSTEIN (2000, 18) „alles, was evaluiert/ bewertet wird, bis hin zu einer Körperhaltung oder einer einzelnen Bewegung“.) Was gehört zu diesen legitimen zu erwerbenden Texten in einem pädagogischen Berufsdiskurs? BBIG §1(3) hält fest: „Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen“ (Hervorhebungen GH).

Und wie ist dies zu vermitteln? Wenn Berufserfahrungen vermittelt werden sollen, muss die Vermittlung an einem Ort erfolgen, wo der Beruf ausgeübt wird, und er muss im Tätigsein vermittelt werden, sonst sind Berufserfahrungen nicht möglich. Gleichzeitig muss laut BBIG der Vermittlung ein geordneter Ausbildungsgang zugrunde liegen und damit ein Prinzip der Organisation der Ausbildungsinhalte nach Zeit und Raum, mit anderen Worten, eine Art dahinter stehendes Ordnungsprinzip, ein offizieller pädagogischer Diskurs, der sich in speziellen Relationen von Raum, Zeit und Text manifestiert.

7 Die speziellen Relationen von Raum, Zeit und Text in der betrieblichen Berufsbildung

7.1 Der pädagogische Raum

Das BBIG (§2(1)1) schreibt hinsichtlich des legitimen pädagogischen Raums fest: „Berufsbildung wird durchgeführt 1. in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten (betriebliche Berufsbildung)“. Allerdings muss ein Betrieb Voraussetzungen erfüllen, um ein legitimer pädagogischer Raum zu werden. Die in §27 BBIG/ §21 HWO genannten und in HA-Empfehlung 13 im Detail aufgeführten Voraussetzungen für die Eignung einer Ausbildungsstätte betreffen den Diskurs, den Ort und seine Ausstattung und Einrichtung, das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Ausbildern und Auszubildenden sowie allgemeine Bestimmungen.

Ein zweiter Raum der Vermittlung desselben Berufsdiskurses ist die Berufsschule (BBIG §2(1)2)), die zu besuchen alle Auszubildenden im dualen System verpflichtet sind (BBIG §13(2)) und für deren Besuch der ausbildende Betrieb den Auszubildenden freistellen muss (BBIG § 15). Die in HA-Empfehlung 99 („zur Kooperation der Lernorte“) enthaltenen Empfehlungen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Betrieb und Schule verdeutlichen die bestehende starke Klassifikation (=Grenzziehung) zwischen den Lernorten und Akteuren ungeachtet des einen Berufsdiskurses.

Wenn ein einzelner Betrieb die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (mit anderen Worten: den gesamten Berufsdiskurs) nicht allein vermitteln kann, erlaubt das Gesetz auch die Einbeziehung weiterer Vermittlungsorte (BBIG §27(2)/ HWO §21(2)). Eine Option ist die ergänzende Berufsbildung „in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung“ (BBIG §2(1)3), beispielsweise in überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die „die mit der Berufsausbildung in Betrieb und Schule verfolgte Zielvorstellung der Förderung beruflicher Handlungskompetenz von Auszubildenden mit speziell dafür entwickelten Ausbildungsmaßnahmen“ unterstützen sollen (HA-Empfehlung 106, §2).

Eine weitere, vergleichsweise neue Option ist die Verbundausbildung, in der sich mehrere Betriebe, die allein nicht den gesamten Berufsdiskurs vermitteln könnten, einen Auszubildenden gleichsam teilen (BBIG, § 10(5)).

Der legitime pädagogische Raum besteht also für den pädagogischen Berufsdiskurs primär in einem rekontextualisierten Betrieb, wobei die Hinzuziehung weiterer Vermittlungsorte teils obligatorisch ist (Berufsschule) und teils optional in Abhängigkeit von den Rekontextualisierungsmöglicheiten des Betriebs.

Für die sichtbare Schulpädagogik identifiziert BERNSTEIN (1990, 54) zwei Lernorte: die Schule und das Zuhause. „Zwei Orte sind möglich, denn das Medium des Schulbuchs ermöglicht den Transfer.“

Außer der Klassifikation zwischen Schule und Zuhause basiert BERNSTEINs pädagogischer Code auf der Annahme noch einer weiteren grundlegenden Klassifikation, der zwischen den Kategorien „Erziehung und Bildung“ (education) und „Produktion“ (production) (BERNSTEIN 1990, 43). Es liegt auf der Hand, dass diese Klassifikation mit Bezug auf den legitimen pädagogischen Ort beim pädagogischen Berufsdiskurs schwächer ist als beim pädagogischen Diskurs für die Schule, jedoch nicht so schwach wie in der traditionellen Handwerkerausbildung, wo der Betrieb bzw. das „Haus“ des Meisters der einzige legitime pädagogische Ort war. Zur Klassifikation zwischen den legitimen pädagogischen Orten des pädagogischen Berufsdiskurses und dem Zuhause waren keine Angaben zu finden.

7.2 Die pädagogische Zeit

Ebenso hängen von den Annahmen des pädagogischen Diskurses Relationen zwischen Zeit und Diskurs ab, näherhin „[w]ie „Zeit“ „individualisiert“ wird oder wie Individuen (Schüler) mit der Zeit homogenisiert werden (die zeitliche Progression von Aneignung-Vermittlung)“ (BERNSTEIN/ DIAZ 1984, 76f).

Das Ausbildungsberufsbild enthält „die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Berufsausbildung sind“ (BBIG §5(3)); innerhalb der gegebenen Zeit mehr zu vermitteln ist immer möglich. Auch die betrieblichen Ausbildungspläne dürfen flexibel abgearbeitet werden (HA-Empfehlung 12, §2. 6). Die zeitliche Organisation der Ausbildung im Betrieb und auch der Umfang der vermittelten Inhalte sollen sich also neben den betrieblichen Gegebenheiten an den individuellen Leistungen der Auszubildenden orientieren. Je nach Leistung ist auch eine Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildung möglich (BBIG §8/ HWO §27b; auch BBIG §45 / HWO §37), bis hin zur Externenprüfung (Prüfungszulassung ausschließlich aufgrund berufspraktischer Erwerbstätigkeit von entsprechender Dauer) (BBIG §45(2)/ HWO §37). Ebenso geben die individuellen Voraussetzungen (z. B. Höhe des allgemeinen Schulabschlusses) beim Eintritt ins duale System Grund für eine Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit (HA-Empfehlungen 27 und 129; auch HA-Empfehlung 47 mit Verweis auf Verlängerungsmöglichkeit speziell für junge Leute ohne Hauptschulabschluss).

Die Relation zwischen Ausbildungszeit und pädagogischem Berufsdiskurs hängt also ab von den mitgebrachten Voraussetzungen sowie vom Lernstadium und den Fähigkeiten des Auszubildenden. Das Prinzip des Verhältnisses zwischen Zeit und pädagogischem Berufsdiskurs ist eher eine Individualisierung der Zeit als eine Homogenisierung der Lernenden. Damit unterscheidet sich der pädagogische Berufsdiskurs wesentlich von dem der Schule. Letzterer stratifiziert die Lernenden nach Alter: „Der Text wird immer in einen spezifischen altersbezogenen Inhalt transformiert“ (BERNSTEIN 1986, 211).

8 Subjektprojektionen des pädagogischen Berufsbildungs-Diskurses

8.1 Die Lernenden/ Auszubildenden

In den Subjektprojektionen eines pädagogischen Diskurses sind, so BERNSTEINs Interpretation durch IVINSON/ DUVEEN (2006, 109), „ideologische Ansichten darüber zusammengefasst, wer Kinder sind und wer sie werden sollten. “ Aus der Tatsache, dass in keinem der untersuchten Dokumente Angaben zu spezifischen Eingangsvoraussetzungen für das duale System der Berufsbildung zu finden waren, folgt: Die Lernenden können in der Sicht des Gesetzgebers und der Sozialpartner extrem heterogen sein, von jungen Menschen ohne Hauptschulabschluss bis zu solchen mit Hochschulzugangsberechtigung und mit Studium. Allerdings weist HA-Empfehlung 86 „zur Förderung des beruflichen Lernens am Arbeitsplatz“ unter Punkt 3 hin: „Erfolgversprechend ist das Lernen am Arbeitsplatz auch für solche Personengruppen, die mit schulischen Lernformen wie Kursen und Lehrgängen Schwierigkeiten haben“. Mit Blick auf die Vermittlung in überbetrieblichen Bildungsstätten formuliert HA-Empfehlung 106 (Punkt 3.3), dass die Auszubildenden die Anforderungen besser bewältigen können, wenn die Ausbildungsmaßnahmen nach auftrags- und betriebsorientierten Gesichtspunkten, nach der Struktur des Kundenauftrags und seinen wesentlichen Phasen (Analyse, Planung, Durchführung und Auswertung), also nach dem Prinzip der vollständigen Handlung ausgerichtet sind.

Die Auszubildenden sind in der Vorstellung der Rekontextualisierer des Berufsdiskurses also Personen, die mit dem schulisch/ akademischen Lernen Schwierigkeiten haben können und denen das Lernen nach betriebsorientierten Gesichtspunkten / Kundenaufträgen hilfreich ist.

Mit der Unterzeichnung eines dem Arbeitsrecht unterliegenden Ausbildungsvertrags, der auch den Anspruch auf eine jährlich ansteigende Vergütung (BBIG §17-19) und auf Urlaub umfasst(BBIG §11(1)), werden die Auszubildenden zu „normalen“ Mitarbeitern eines Betriebs. Aus dem Ausbildungsvertrag resultieren für die Vertragsparteien gegenseitige Verpflichtungen. Die erste Pflicht des Auszubildenden ist es, „sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist” (BBIG §13). Die Pflicht der Ausbildenden ist umgekehrt, „1. dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann“ (BBIG §14(1)).Eine weitere Pflicht der Auszubildenden ist der Besuch der Berufsschule (BBIG §13(2)), zu der die Ausbildenden sie anzuhalten und freizustellen haben (BBIG§14(4), 15).

Ferner sollen Auszubildende „charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden“ (BBIG§14(1)5). Und weiter: „Auszubildenden dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind“ (BBIG §14(2)). BBIG (§29) schützt die Auszubildenden vor „persönlich nicht geeigneten“ Ausbildern. §25 des Jugendarbeitsschutzgesetzes führt im Detail aus, was die fehlende persönliche Eignung ausmacht (vor allem Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten). Diese Bestimmungen betonen die Schutzbedürftigkeit der Auszubildenden.

Das Betriebsverfassungsgesetz, 3. Teil, verpflichtet alle Betriebe mit mindestens fünf Mitarbeitern, die jünger als 19 Jahre oder in Ausbildung sind, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung einzurichten, die in vielen Punkten analog dem Betriebsrat gestaltet ist und die einen Vertreter zu Betriebsratssitzungen entsenden sowie auch deren Beschlüsse, soweit sie Angelegenheiten der jugendlichen Betriebsangehörigen betreffen, suspendieren kann. Darüber hinaus empfiehlt HA-Empfehlung 15 den zuständigen Stellen, “die Auszubildenden an der Gestaltung der sie betreffenden Angelegenheiten stärker zu beteiligen und auftretende Probleme im Interesse aller Beteiligten schnell zu lösen. “ Als eine von drei konkreten Maßnahmen schlägt sie vor. „[H]häufigere öffentliche Sitzungen des Berufsbildungsausschusses mit Beteiligung von Auszubildenden“ durchzuführen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Gesetzgeber und die Sozialpartner im Hauptausschuss sehen die Auszubildenden als Betriebsangehörige mit besonderen Belangen und Schutzbedürftigkeit. Sie sollen beruflich handlungsfähig werden, wozu der Besuch der Berufsschule ebenso gehört wie eine Einführung in die betriebliche Mitbestimmung.

Diese Subjekt-Projektionen der Lernenden, wer sie sind und er sie werden sollen, können in Relation gestellt werden zu denen der historischen Handwerkerausbildung und zu denen des schulisch-akademischen pädagogischen Diskurses. Vergleichsmaßstäbe sind BERNSTEINs Klassifikation und Rahmung. Die Frage, wer gehört zu den Lernenden und wer nicht, also die Klassifikation, wird jeweils unterschiedlich beantwortet. Im schulisch-akademischen Diskurs gehören Kinder einer einheitlichen Altersstufe dazu. In den Zunftvorschriften der historischen Handwerkerausbildung nahmen, so GREINERT (1998, 35) „die Aufnahmebedingungen für eine Lehre bzw. die ständischen Beschränkungen des Zuganges zum Handwerksberuf stets einen breiten Raum ein“. Das duale System steht voraussetzungslos allen jungen Menschen offen, insbesondere auch solchen, die mit dem schulischen Lernen Schwierigkeiten haben.

Die Rahmung, also die pädagogische kommunikative Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, wird nach BERNSTEINs Modellen stets vom Lehrer dominiert aufgrund seiner sozialen Stellung als Lehrer. Der Lehrer kann den Lernenden je nach pädagogisch/ psychologischer Theorie unterschiedlich viel Raum für ihre eigenen Rekontextualisierungen und für die Übernahme von Kontrolle über verschiedene Elemente der pädagogischen Praxis gewähren. In der traditionellen Handwerkerausbildung gehörte der Lehrling zum „ganzen Haus“ des ausbildenden Meisters dazu und war ihm dabei in vielerlei Hinsicht ausgeliefert. GREINERT (1998) verweist in seinen historischen Darstellungen zu den Verfallserscheinungen auf Symptome wie Lehrlingszüchterei, Lehrlingsmissbrauch zu ausbildungsfremden Aufgaben, Überdehnung der Ausbildungszeit und Verweigerung der Zertifizierung, letztlich alles Versuche, die Arbeitskraft der Lehrgeld zahlenden Lehrlinge für den Betrieb möglichst gewinnbringend einzusetzen. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen hatten die Lernenden fast keine Kontrolle über die Ausbildungssituation. Verglichen damit sehen die Gesetzgeber für die Auszubildenden im dualen System durch die spezifischen Rechtsverhältnisse, Schutzbestimmungen und Mitbestimmungsmöglichkeiten stärkere Kontrollmöglichkeiten über die Ausbildungssituation vor.

8.2 Die Vermittelnden / Ausbilder

Ausbildende Arbeitgeber und Ausbilder müssen über persönliche Eignung verfügen, Ausbilder darüber hinaus über fachliche Eignung (BBIG §28/ HWO §22). Persönliche Eignung meint die Abwesenheit bestimmter bereits oben erwähnter Hinderungsgründe (vor allem Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten; §25 JArbSchG). Fachliche Eignung wird unterteilt in berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten einerseits sowie berufs- und arbeitspädagogische Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten andererseits (BBIG §30(1)). Die Abschlussprüfung in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung, auch ein an einer deutschen Hochschule erworbener oder ein als gleichwertig anerkannter ausländischer Abschluss, zertifiziert die fachliche Eignung; angemessene Arbeitserfahrung in dem Beruf ist ein sine qua non (BBIG §30(2)-(4)/ HWO § 22b). Hinsichtlich der arbeits- und berufspädagogischen Fähigkeiten erließ das BMBF nach einer Anhörung des Hauptausschusses 2009 eine neue Ausbildereignungsverordnung (AEVO), nachdem die vorherige im Jahr 2003 suspendiert worden war. Potentielle Ausbilder – mit Ausnahme der Ausbildenden im Bereich der freien Berufe (vergl. AEVO §1) – müssen nun wieder ihre pädagogische Eignung in einer von der zuständigen Stelle eigens organisierten Prüfung nachweisen. „Das Bestehen des Teils IV der Meisterprüfung gilt als Nachweis“ (HWO §22b(4)). Die „zukünftigen Lernbegleiter“ (HA-Empfehlung 135) müssen also, abgesehen vom Fehlen bestimmter persönlicher Hinderungsgründe, über nachgewiesene berufspraktische und, sofern nicht im Bereich der freien Berufe tätig, auch berufspädagogische Fähigkeiten verfügen bzw. letztere erwerben. Dass es sich bei ihnen um betriebliche Mitarbeiter handelt, ist selbstverständlich.

Die Ausbildereignungsverordnung und der Rahmen-Lehrplan für die Ausbilder-Ausbildung enthalten Aussagen darüber, wie Ausbilder gemäß dem offiziellen pädagogischen Berufsdiskurs werden sollen. Dem Erwerb berufs- und arbeitspädagogischer Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in Ausbildereignungskursen liegt ein Prinzip zugrunde, das HA-Empfehlung 106 bereits als hilfreich für die Auszubildenden bezeichnet hatte: das Prinzip der „vollständigen Handlung“. Berufs- und arbeitspädagogische Eignung umfasst demnach „die Kompetenz zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren der Berufsausbildung in den Handlungsfeldern: 1. Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen, 2. Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken, 3. Ausbildung durchführen und 4. Ausbildung abschließen“ (AEVO §2). Dann ordnet die AEVO jedem dieser Handlungsfelder entsprechende Kompetenzen zu (AEVO §3). Die Ausbildertätigkeit wird ebenso wie das Lernen der Auszubildenden als vollständige Handlung konzipiert. Die Teilnehmer von Ausbildereignungskursen sollen als Ausbilder vollständig handlungsfähig werden.

Die in HA-Empfehlung 135 enthaltene Struktur des Rahmenplans für die Ausbilderausbildung greift die in der AEVO benannten Handlungsfelder und entsprechenden Kompetenzen auf und fügt jeder Kompetenz beispielhafte Ausbildungsinhalte hinzu. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu den von NEVES/ MORAIS 2001 analysierten Curricula für naturwissenschaftliche Schulfächer. Einfache kognitive oder sozio-affektive Kompetenzen (Beispiele bei NEVES/ MORAIS 2001, 245 sind: „die Orte bestimmter Gesteinsformationen lernen“ bzw. „allgemeine Normen beachten“) wurden im Rahmenlehrplan für die Ausbilderausbildung nicht gefunden. Die hier benannten Kursinhalte sind beispielhaft, „erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind als Anregungen für die Gestaltung der Lehrgänge zu verstehen“ (HA-Empfehlung 135, 4). Als entscheidend werden die organisatorischen Charakteristika der entsendenden Betriebe betrachtet, die, so Empfehlung 135, die Tätigkeit der Ausbilder und ihre Qualifikationsanforderungen beeinflussen, und gemäß denen die Lehrgänge teilnehmerspezifische Schwerpunkte setzen können. Die Codierungen der HA-Empfehlung 135 anhand von BERNSTEINs Merkmalen des pädagogischen Diskurses zeigten jedoch eine andere sinnvolle Differenzierung. Die im Curriculum der Ausbildereignungskurse aufgeführten Kompetenzen und entsprechenden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten können vollständig erfasst werden unter den Kategorien Diskurs, Ort, Zeit und Evaluationskriterien sowie Subjektbeziehungen, zumindest wenn man auch Institutionen als Subjekte verstehen möchte. Sie umfassen die Rahmung, das „Wie“ des pädagogischen Berufsdiskurses.

Folgende Kompetenzen erwerben die Ausbilder, so dass sie Auszubildenden den Berufsdiskurs vermitteln können (Nummerierung der HA-Empfehlung 135):
2. 1 auf der Grundlage einer Ausbildungsordnung einen betrieblichen Ausbildungsplan zu erstellen, der sich insbesondere an berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozessen orientiert,
3. 3 aus dem betrieblichen Ausbildungsplan und den berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozessen betriebliche Lern- und Arbeitsaufgaben zu entwickeln und zu gestalten,
3. 4 Ausbildungsmethoden und -medien zielgruppengerecht auszuwählen und situationsspezifisch einzusetzen,
3. 6 Auszubildenden zusätzliche Ausbildungsangebote, insbesondere in Form von Zusatzqualifikationen, zu machen….

Folgende Kompetenzen werden Ausbildern vermittelt, so dass sie den für den pädagogischen Berufsdiskurs spezifischen Raum organisieren können:
2. 3 den Kooperationsbedarf [des Betriebes] zu ermitteln und sich inhaltlich sowie organisatorisch mit den Kooperationspartnern, insbesondere der Berufsschule, abzustimmen,
2. 6 die Möglichkeiten zu prüfen, ob Teile der Berufsausbildung im Ausland durchgeführt werden können.

Um die spezifische Organisation der Zeit berücksichtigen zu können, erwerben Ausbilder folgende Kompetenzen:
3. 5 Auszubildende bei Lernschwierigkeiten durch individuelle Gestaltung der Ausbildung und Lernberatung zu unterstützen, bei Bedarf ausbildungsunterstützende Hilfen einzusetzen und die Möglichkeit zur Verlängerung der Ausbildungszeit zu prüfen,
3. 6 …die Möglichkeit der Verkürzung der Ausbildungsdauer und die der vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung zu prüfen.

Zwar wird die Abschlussprüfung von der zuständigen Stelle durchgeführt, doch müssen die Ausbilder die Arbeit der Auszubildenden im Betrieb kontinuierlich evaluieren und erwerben dafür folgende Kompetenzen:
3. 1 Rückmeldungen zu geben und zu empfangen
3. 8 Leistungen festzustellen und zu bewerten, Leistungsbeurteilungen Dritter und Prüfungsergebnisse auszuwerten, Beurteilungsgespräche zu führen, Rückschlüsse für den weiteren Ausbildungsverlauf zu ziehen
4. 1 Auszubildende auf die Abschluss- oder Gesellenprüfung unter Berücksichtigung der Prüfungstermine vorzubereiten und die Ausbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen
4. 3 an der Erstellung eines schriftlichen Zeugnisses auf der Grundlage von Leistungsbeurteilungen mitzuwirken.

Die Subjektbeziehungen, die Ausbildende kennen und in denen sie sich zurecht finden müssen, sind erwartungsgemäß die zwischen Ausbildenden und Auszubildenden. Relevante Kompetenzen sind beispielsweise:
3. 1 lernförderliche Bedingungen und eine motivierende Lernkultur zu schaffen, Rückmeldungen zu geben und zu empfangen
3. 7 die soziale und persönliche Entwicklung von Auszubildenden zu fördern, Probleme und Konflikte rechtzeitig zu erkennen sowie auf eine Lösung hinzuwirken
3. 9 interkulturelle Kompetenzen zu fördern.

Der Rahmenplan für die Ausbilderausbildung sieht jedoch auch noch andere Subjektbeziehungen vor, die Ausbildende meistern müssen. Kompetenzen wie:
2. 4 Kriterien und Verfahren zur Auswahl von Auszubildenden auch unter Berücksichtigung ihrer Verschiedenartigkeit anzuwenden
2. 5 den Berufsausbildungsvertrag vorzubereiten und die Eintragung des Vertrages bei der zu-ständigen Stelle zu veranlassen
3. 2 die Probezeit zu organisieren, zu gestalten und zu bewerten
4. 4 Auszubildende über betriebliche Entwicklungswege und berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren und zu beraten
verweisen auf die Beziehung zwischen dem Betrieb und dem Auszubildenden.

Das gesamte, sieben Kompetenzen umfassende Handlungsfeld 1 (Prüfung von Ausbildungsvoraussetzungen und Ausbildung planen) thematisiert die Beziehungen zwischen Berufsdiskurs und Betrieb.

Kompetenz 2. 2 „Die Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretungen in der Berufsbildung zu berücksichtigen“ deutet auf das Verhältnis zwischen dem Berufsdiskurs und den betrieblichen Interessenvertretungen, das den künftigen Ausbildern bekannt sein muss.

Die Kompetenzen 1. 5 „Die Eignung des Betriebes für die Ausbildung in dem angestrebten Ausbildungsberuf zu prüfen sowie, ob und inwieweit Ausbildungsinhalte durch Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, insbesondere Ausbildung im Verbund, überbetriebliche und außerbetriebliche Ausbildung, vermittelt werden können“ und 4. 2 „für die Anmeldung der Auszubildenden zu Prüfungen bei der zuständigen Stelle zu sorgen und diese auf durchführungsrelevante Besonderheiten hinzuweisen“ betreffen das Verhältnis zwischen dem Betrieb als pädagogischer Ort und der zuständigen Stelle.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Das BBIG und nachgeordnete Rechtsakte konzeptualisieren die Ausbildenden als Personen, deren berufs- und arbeitspädagogische Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten darin bestehen, dass sie mit dem gesamten pädagogischen Berufsdiskurs vertraut sind, um ihn weiterzugeben.. Das bedeutet mehr als die Vermittlung von beruflichem Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten an Auszubildende. Es bedeutet ein Agieren in den komplexen Beziehungen zwischen Betrieb, Auszubildenden, betrieblichen Interessenvertretungen und zuständiger Stelle. Es bedeutet auch die Zuständigkeit für die Rekontextualisierung des Betriebs zu einem legitimen pädagogischen Ort und für die Rekontextualisierung der Auszubildenden in die Welt der Berufstätigkeit.

9 Zusammenfassung und Ausblick

Steuerung und Ordnung der Berufsbildung im deutschen dualen System wurden in diesem Beitrag mit Hilfe ausgewählter Konzepte des Bildungssoziologen Basil BERNSTEIN beleuchtet.

Vermittels des im Zentrum von BERNSTEINs pädagogischem Mechanismus stehenden Konzepts „Rekontextualisierung“ wurde die Erarbeitung von Ausbildungsordnungen als ein wichtiges Element der Steuerung im dualen System betrachtet. Die im dualen System spezifischen Machtverhältnisse auf dem Feld der Rekontextualisierung können allerdings nicht auf das von BERNSTEIN als grundlegend angenommene Prinzip der Klassenbeziehungen zurückgeführt werden. Hier besteht weiterer theoretischer Klärungsbedarf, der zu einer Weiterentwicklung von BERNSTEINs Modellierungen führen könnte. Die starke Rolle der Sozialpartner auf dem Feld der Rekontextualisierung legt den Gedanken nahe, dass hier die Rekontextualisierer gleichzeitig auch Akteure auf dem Feld der primären Kontextualisierung des Berufsdiskurses sind, ein Fall, den BERNSTEIN (1986) nur theoretisch für möglich hielt. Aus Platzgründen konnte diesem Gedanken hier nicht weiter nachgegangen werden.

Ungeachtet dessen, dass, wie gezeigt wurde, das Feld der Pädagogik bei der Rekontextualisierung des Berufsdiskurses eine nachgeordnete Rolle spielt, wurden in den rechtlichen Bestimmungen zur betrieblichen Berufsbildung Outcomes der Rekontextualisierung identifiziert, die als Erscheinungsformen des pädagogischen Diskurses im Sinne BERNSTEINs bezeichnet werden können: spezifische Ordnungsprinzipien, die das Verhältnis von Ort, Zeit und Diskurs regeln, sowie spezifische Subjektprojektionen von Lehrenden und Lernenden. Diese Erscheinungsform des offiziellen pädagogischen Diskurses wurde wegen ihrer Spezifik „offizieller pädagogischer Berufsdiskurs“ genannt.

Mit Hilfe von BERNSTEINs Prinzipien Klassifikation und Rahmung wurden Unterschiede zwischen den Erscheinungsformen des pädagogischen Diskurses, des pädagogischen Berufsdiskurses und des Diskurses in der traditionellen Handwerkerausbildung herausgearbeitet. Diese Unterschiede sollten zukünftig systematisiert und gegebenenfalls ergänzt werden mit der Perspektive, ihre Bedeutung für die Vermittlung und den Erwerb von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu reflektieren.

Der in diesem Beitrag herausgearbeitete offizielle pädagogische Berufsdiskurs ist der vom Staat und den Sozialpartnern intendierte Diskurs. Dieser Diskurs wird auf der Mesoebene der vermittelnden Institution und auf der Mikroebene der pädagogischen Praxis rekontextualisiert; d. h., er kann jeweils reproduziert oder auch in Frage gestellt und verändert werden. Aus den lediglich allgemein gefassten und nicht näher bestimmten Hinweisen der HA-Empfehlung 135 zur Ausbilderausbildung, dass die Organisationsstrukturen der entsendenden Betriebe bei der Ausbilderausbildung berücksichtigt werden müssen, kann gefolgert werden, dass der Spielraum der Institutionen und Akteure gewollt groß ist. Der Staat überlässt die Kontrolle über die Realisation des Diskurses den Institutionen und Akteuren im Feld der sekundären oder tertiären Kontextualisierung, was BERNSTEIN als „schwache Rahmung“ bezeichnen würde. Die institutionalisierte Kontrolle über das Evaluationssystem schließlich liegt im deutschen dualen System bei den zuständigen Stellen. Deren Stellung im gesellschaftlichen Machtgefüge und ihre Relation zum Berufsdiskurs muss Gegenstand weiterer Analysen werden, um das Gesamtbild der Ordnung und Steuerung der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland im Prisma der Konzepte Basil BERNSTEINs zu vervollständigen.

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Ich danke Prof. Michael Sertl und zwei unbekannten Rezensenten für ihre anregenden Fragen und kritischen Anmerkungen zu einer früheren Fassung dieses Beitrags.

Zitieren des Beitrags

HÖHNS, G. (2013): Ordnung und Steuerung der betrieblichen Berufsbildung in Deutschland im Prisma der Konzepte Basil BERNSTEINs. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 25, 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe25/hoehns_bwpat25.pdf (16-12-2013).