bwp@ 28 - Juni 2015

Berufliche Lehr-Lernforschung

Hrsg.: Tade Tramm, Martin Fischer & Carmela Aprea

Didaktische Gestaltung von Service Learning – Ergebnisse einer Mixed Methods-Studie aus der Domäne der Wirtschaftswissenschaften

Beitrag von Karl-Heinz Gerholz, Verena Liszt & Katrin B. Klingsieck
bwp@-Format: Forschungsbeiträge

Das Veranstaltungsformat Service Learning verbindet curriculare Inhalte mit zivilgesellschaftlichem Engagement. Empirische Studien zeigen, dass Service Learning das Potential hat, neben der fachlich-methodischen Kompetenzentwicklung einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung zu leisten. Die Lernenden werden für soziale Belange der Gesellschaft sensibilisiert und entwickeln das eigene Selbstbild weiter. Bisher ist die Überprüfung der empirischen Befunde aus dem US-amerikanischen Raum für den deutschsprachigen Kontext weitgehend ausgeblieben. Zudem wird der Zusammenhang zwischen der didaktischen Gestaltung von Service Learning und deren Wirkung wenig untersucht.

Der Forschungsbeitrag setzt an diesen Punkten an. Er präsentiert eine Pilotstudie, die den Einfluss didaktischer Gestaltungsparameter auf die Wirkung von Service Learning-Arrangements untersucht. Gegenstand der Untersuchung stellt ein Service Learning-Modul in der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulbildung dar. Methodisch wurde ein Mixed Methods-Ansatz verwendet, in dem quantitative Datenformate mittels eines Prä-Post-Designs und qualitative Datenformate über problemzentrierte Interviews erhoben wurden. Die quantitativen Befunde zeigen signifikante Effekte der Veränderung über die Zeit hinsichtlich der Selbstwirksamkeit, des Selbstbildes und der Einstellung zu zivilgesellschaftlichem Engagement. Die qualitativen Befunde illustrieren dabei, dass die Aus-prägungen der Veränderungen im Zusammenhang mit der wahrgenommenen sozialen Unterstützung und Integration der Fachinhalte im Serviceprozess stehen. Im Ergebnis zeigt sich die didaktische Bedeutsamkeit einer kohärenten sozialen Unterstützung und beratungsorientierter Lernformen beim Service Learning.

Didactic design of service learning – Findings of a mixed-methods study from the domain of economics

English Abstract

The form of event referred to as service learning combines curricular content with civic involvement. Empirical studies show that, in addition to developing specialist and methodological skills, service learning has the potential to help personality development by sensitising students to social issues, as well as to develop the way they perceive themselves. To date, the empirical findings from US-American countries have remained largely unconsidered where the German-speaking environment is concerned. There has, moreover, been scant research on the relation between the didactic design of service learning and its effect.

These aspects are the starting point for this research study, which examines the influence of didactic design parameters on the effectiveness of service learning arrangements. The subject of the study is an economics service learning module that is available at university level. Where methodology is concerned, a mixed-method approach was used to gather quantitative data formats by means of a pre-post design and qualitative data formats through problem-centred interviews with the students taking part in the module. The quantitative findings show significant effects from the change over time with regard to self-efficacy, self-perception and attitude to civic involvement. The qualitative findings illustrate that there is a link between the forms that the changes take and the perceived social support and integration of the subject content in the service process. The didactic importance of coherent social support and advice-oriented methods of service learning can be seen as a result.

1 Service Learning – Ein potentialreiches Veranstaltungsformat?

Beim Veranstaltungsformat Service Learning erschließen sich die Lernenden Lerngegenstände über die Bearbeitung zivilgesellschaftlicher und gemeinnütziger Herausforderungen. Damit werden die Potentiale einer ganzheitlichen Kompetenzentwicklung verfolgt. So wird über die Einbindung des Lernprozesses in zivilgesellschaftliche Handlungsfelder nicht nur auf die Förderung von fachlichen und methodischen Fähigkeiten fokussiert, sondern es soll auch ein Beitrag zur Entwicklung personaler Fähigkeiten und Einstellungen geleistet werden.

Während Service Learning im US-amerikanischen Raum eine breite Verankerung in unterschiedlichen institutionellen Bildungsprozessen hat, findet dieses Veranstaltungsformat im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahren zunehmend Beachtung. Dabei finden sich für einen Einsatz von Service Learning im deutschsprachigen Raum durchaus Argumente, da u. a. fachliche Problemstellungen mit Wertbezügen der Zivilgesellschaft verknüpft werden (vgl. Abschnitt 2.1). Allerdings ist zu beachten, dass im US-amerikanischen Raum traditionell eine stärkere Community-Orientierung in der Bildungstradition verankert ist (vgl. Muller 1999), in die sich das Veranstaltungsformat Service Learning passend integriert. Für die deutschsprachige Bildungslandschaft wäre näher zu analysieren, inwiefern Service Learning anschlussfähig an hiesige Bildungstraditionen ist und eine Wirksamkeit in der Gestaltung von institutionellen Lernprozessen entfalten kann.

Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, das Veranstaltungsformat Service Learning aus einer berufs- und wirtschaftspädagogischen Perspektive sowohl bildungstheoretisch wie auch didaktisch einzubetten (Abschnitt 2) und darauf basierend empirische Befunde einer Pilotstudie aus der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulbildung zu Wirkung und didaktischen Gestaltungsprinzipien von Service Learning vorzustellen (Abschnitt 3).

2 Zugänge zum Service Learning aus bildungstheoretischer, didaktischer und empirischer Perspektive

2.1 Bildungstheoretischer Zugang zum Service Learning

Aus historischer Sicht ist Service Learning in dem v. a. im US-amerikanischen Raum geführten Civic Engagement-Diskurs verankert (vgl. Schütze 2012). Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage des gesellschaftlichen Engagements von Hochschulen bzw. Bildungsorganisationen. Es ist ein polyvalent geführter Diskurs (vgl. Gerholz/Heinemann 2015, Berthold/Meyer-Guckel/Rohe 2010, Jacoby 2009), in dem es um die Sensibilisierung für und Förderung von gesellschaftlichem Engagement in Bildungsprozessen geht. Grundlegend sind u. a. die Arbeiten von Dewey. Für Dewey ist ein Ziel von Bildungsprozessen die Vorbereitung der Lernenden auf ihre Rolle als verantwortlich agierende Bürger in einer Kommune. Lernprozesse sollten daher an die Bedürfnisse der Kommune andocken, um darüber eine Teilhabe der Lernenden in der Kommune zu ermöglichen (vgl. Dewey 1915, 44 ff., auch Giles 1990). Dieses Bildungskonzept wird im Service Learning aufgenommen und findet eine breite Verankerung auf nahezu allen Stufen im US-amerikanischen Bildungssystem. Davon ausgehend ergibt sich die Fragestellung, inwiefern Service Learning auch eine Passung zu den bildungstheoretischen Zielsetzungen im deutschsprachigen Bereich aufzeigt.

Aus einer berufs- und wirtschaftspädagogischen Perspektive besteht das Bildungsziel auf der Hochschulebene in der Förderung einer wissenschaftlich basierten Handlungskompetenz. Dies umfasst eine Problemlösefähigkeit, die es Studierenden ermöglicht, in zukünftigen Handlungsfeldern Probleme zu erkennen und diese mithilfe wissenschaftlicher Verfahren und Konzepte zu bewältigen (vgl. Gerholz/Sloane 2011, 3 f.). Weiterhin wird das Element der Persönlichkeitsentwicklung mit eingeschlossen (vgl. Spoun/Wunderlich 2005, 22 ff.), welches u. a. auf die Sensibilisierung der Studierenden für ein gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln und die Förderung einer Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement zielt (vgl. Akkreditierungsrat 2010). Auf Ebene des berufsbezogenen Bereiches besteht das Leitziel in der Förderung einer beruflichen Handlungskompetenz, die sich über die Dimensionen der Fach-, Sozial- und Humankompetenz konkretisiert (vgl. KMK 2011, 15). Humankompetenz meint die Fähigkeit des Individuums, das eigene Handeln in Korrespondenz zu gesellschaftlichen Wertvorstellungen verantwortlich zu gestalten. Dies umfasst auch die Herausbildung eines Selbstbildes (vgl. u. a. Reetz 1999, 42). In Orientierung zu Roth kann die Entwicklung einer solchen Handlungsfähigkeit als Lernprozess verstanden werden, im Zuge dessen Lernende dafür sensibilisiert werden, dass Situationen Sach-, Sozial- und Wertbezüge aufzeigen, innerhalb derer eine Handlungsentscheidung zu treffen ist (vgl. Roth 1971, 383 ff.).

Ausgehend von den Bildungszielen auf beruflicher Ebene und Hochschulebene, ist Service Learning auch für den deutschsprachigen Raum erfolgsversprechend, da der Kompetenzentwicklungsprozess mit einer zivilgesellschaftlichen Dimension und deren Wertbezügen verknüpft wird. Darüber erfahren Lernende die Übernahme von zivilgesellschaftlicher Verantwortung. In Reflexion dieser Erfahrungen wird das Herausbilden einer Position zu gesellschaftlichem Engagement ermöglicht. Wir wollen dies nachfolgend aus didaktischer Perspektive aufzeigen und den Fokus dabei auf die Hochschulbildung legen.[1]

2.2 Didaktische Fundierung von Service Learning

Der Grundgedanke beim Service Learning besteht darin, den Lernprozess der Studierenden mit realen, gemeinnützigen Problemstellungen in einer Kommune zu verbinden (vgl. Bringle/Clayton 2012, 105). Die Bearbeitung der Problemstellungen stellt einerseits einen ‚Service’ für die jeweiligen kommunalen und gemeinnützigen Organisationen dar. Andererseits soll ein Lernprozess initiiert werden, indem die Studierenden curriculare Inhalte erkunden und in der Problembearbeitung anwenden sowie in Reflexion der Erfahrungen ein Verständnis für Engagement und dessen Bedeutsamkeit in der Zivilgesellschaft entwickeln. Hierbei wird ersichtlich, dass Service Learning auf erfahrungsbasierte, kooperative und problembasierte Lernformen aufbaut (vgl. Gerholz/Losch 2015, Kolb & Kolb 2005, Deeley 2010). Daran anknüpfend arbeiten Godfrey/Illes/Berry (2005, 315ff.) drei konstituierende Elemente für Service Learning-Arrangements heraus: (1) Realität, (2) Reflexion und (3) Gegenseitigkeit.

(ad 1) Realität: Die Problemstellung soll ein reales Bedürfnis der Kommune darstellen und eine Verbindung zu den curricularen Inhalten ermöglichen. Die Studierenden sollten während der Problembearbeitung mit unterschiedlichen sozialen Herausforderungen (wie z. B. Armut, Gemeinnützigkeit, Obdachlosigkeit) in Berührung kommen, um die Widersprüchlichkeiten und Vielfältigkeit von Wertefragen in der Zivilgesellschaft zu erfahren.

(2) Reflexion: Die Wirkung von Service Learning hängt in hohem Maße von der Reflexion der Erfahrungen ab. Dies beruht auf den Arbeiten von Dewey und seiner Idee der ‚reflective experience’, indem die Beziehungen zwischen dem Handeln und seinen Folgen aufzudecken und zu systematisieren sind (vgl. Dewey 1966, 144 ff.). Über Reflexionsprozesse sollen die Studierenden angeregt werden, nicht nur die Verbindungen zwischen der Service-Erfahrung und den Inhalten des Studiums herzustellen, sondern vielmehr auch zu thematisieren, inwiefern sich ihr Verständnis und ihre persönlichen Einstellungen über die Erfahrung mit den Wertefragen der Zivilgesellschaft entwickelt haben.

(3) Gegenseitigkeit: Service Learning soll eine partnerschaftliche Lernerfahrung zwischen den Studierenden und Akteuren der gemeinnützigen Organisationen ermöglichen, indem beide kooperativ an der sozialen Problemstellung arbeiten. Die Annahme ist dabei, dass die kommunalen Partner wie die Studierenden über ein unterschiedliches konzeptionelles Wissen und Erfahrungswissen verfügen und die gegenseitige Bezugnahme einen Mehrwert bei der Lösung der sozialen Problemstellung erzielt.

Für die didaktische Gestaltung von Service Learning-Arrangements sind die drei Elemente entsprechend zu berücksichtigen, angefangen von der didaktischen Aufbereitung des Serviceproblems über die Begleitung der Reflexion der Studierenden bis zur Einbindung der Akteure der gemeinnützigen Organisationen in die Problembearbeitung. In einer handlungstheoretischen Fundierung können dabei die Aspekte der Handlungssituation, des Handlungsprozesses und des Handlungsergebnisses differenziert werden (vgl. dazu Buschfeld 2003, Sloane 2007). Diese Aspekte sind jeweils aus Perspektive des Service- und Lernprozesses zu modellieren.

Abbildung 1: Didaktische Modellierung von Service Learning (vgl. Gerholz/Losch 2015, 608)Abbildung 1: Didaktische Modellierung von Service Learning (vgl. Gerholz/Losch 2015, 608)

Aus Perspektive des Serviceprozesses werden die Studierenden mit einer kommunalen, sozial relevanten Problemsituation konfrontiert. Dabei hat jede Situation ihre eigene Logik, die sich die Studierenden erschließen müssen (vgl. dazu Beck 1996, 92) und darauf basierend die Problembearbeitung durchführen. Am Ende dieses Prozesses steht ein Serviceergebnis, das möglichst einen Beitrag zur Verbesserung der Ausgangssituation leistet. Darauf bezogen ist der Lernprozess aufzunehmen, im Zuge dessen die Studierenden zunächst ein Interesse für die Serviceherausforderung entdecken, während der Problembearbeitung Konzepte und Methoden bzw. Inhalte des Studiums erkunden und auf die Problemstellung anwenden.

Das Lernergebnis ist vom Serviceergebnis zu unterscheiden (vgl. dazu Tramm 2007, 119), da es auf das generierte Wissen der Studierenden zielt und deren persönliche Einsichten, die sie hinsichtlich ihrer Wertebasen und Einstellungen zu sozialen Herausforderungen erfahren haben. Es geht um das Zusammenspiel der äußeren Serviceherausforderung und der inneren Einstellungen und Werte der Studierenden. Zusammenfassend kann Service Learning als eine problembasierte Lernform gekennzeichnet werden, in deren Rahmen Studierende soziale Herausforderungen der Kommune erkunden, dazu wissenschaftlich fundiert Lösungen erarbeiten sowie ihr Vorgehen systematisch hinsichtlich der fachlich-methodischen und personalen Kompetenzentwicklung reflektieren.

2.3 Empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit

Empirische Studien zur Wirksamkeit von Service Learning haben im US-amerikanischen Raum bereits eine längere Tradition – vor allem für die Domäne der Wirtschaftswissenschaften (vgl. u. a.Yorio/Ye 2012) – , während im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahren Forschungsarbeiten zum Service Learning – v. a. im Bereich des Psychologiestudiums und der Lehrerbildung (vgl. u. a. Reinders/Wittek 2009) – zu finden sind. Die empirischen Studien folgen dabei keinem einheitlichen Kompetenzmodell, stattdessen fungieren unterschiedliche Fähigkeiten und deren Entwicklung über den Service Learning-Prozess als Betrachtungsgegenstand. Nachfolgend werden diese Ergebnisse mit Blick auf fachliche, methodische und personale Fähigkeiten strukturiert.

In mehreren Studien wurde das Potential von Service Learning in der wirtschaftswissenschaftlichen Bildung zur Förderung von Problemlösefähigkeiten, Selbstwirksamkeit im Handeln, kritischem Denken und Schreibfähigkeiten empirisch illustriert (vgl. u. a. Govekar/Rishi 2007; Peters et al. 2006; Astin et al. 2000; Astin/Sax 1998; in einer Metaanalyse Yorio/Ye 2012). Hinsichtlich eines Effektes auf die Studienleistungen kommen die vorliegenden Studien zu unterschiedlichen Befunden: So zeigen Prentice/Robinson (2010) über verschiedene Fächergruppen hinweg, dass sich die Studienleistungen von Service Learning-Teilnehmern nicht signifikant von Nicht-Service Learning-Teilnehmern unterscheiden, während andere Studien zu gegenteiligen Ergebnissen kommen (vgl. Astin et al. 2000, zusammenfassend Hébert/Hau 2015). Der subjektive Lernerfolg wird von Service Learning-Teilnehmer aber meist höher eingeschätzt als in traditionellen Veranstaltungsformen (vgl. Reinders 2010, Peters et al. 2006), was sich u. a. in einem elaborierteren Verständnis der curricularen Inhalte und deren Anwendung auf reale Problemstellungen äußert (vgl. Simons/Cleary 2005; Eyler/Giles 1999).

Wird die Wirksamkeit von Service Learning für die Entwicklung personaler Fähigkeiten in den Blick genommen, zeigen Yorio/Ye (2012) in einer Metaanalyse auf, dass ein tieferes Verständnis für soziale Belange sowie personale Einsichten initiiert werden. In den vorliegenden Studien werden personale Fähigkeiten unterschiedlich operationalisiert und es gibt Hinweise, dass ein Bewusstsein für soziale Herausforderungen (Markus et al. 1993), eine Veränderung des Selbstbildes (vgl. u. a. Reinders/Wittek 2009) und der Empathiefähigkeit (vgl. u.a. Govekar/Rishi 2007, Brown 2011) sowie die Engagementbereitschaft (vgl. Prentice/Robinsohn 2010; Reinders/Wittek 2009) gefördert werden. Burns (2011) zeigt auf, dass, wenn Studierende ihr Serviceergebnis als nützlich für die gemeinnützige Organisation wahrnehmen, eine höhere Motivation vorliegt, sich später ehrenamtlich in der Zivilgesellschaft zu engagieren.

Die Bandbreite der Studien zeigen belastbare Ergebnisse zur Wirksamkeit des Formats Service Learning, wenngleich bisher die didaktische Gestaltung und deren Einfluss auf die Veränderung der Fähigkeiten kaum untersucht wurden. In einigen Studien wurden Moderatorenvariablen aufgenommen, auf deren Basis gezeigt werden konnte, dass eine curriculare Verankerung von Service Learning stärkere Effekte als ein extracurriculares Arrangement hat (vgl. Yorio/Ye 2012); Wahlveranstaltungen bieten hierbei die Chance, dass Studierende mit höherer Ernsthaftigkeit an das Service Learning-Arrangement herangehen (vgl. Eyler/Giles 1999). Befunde auf der mikrodidaktischen Ebene illustrieren, dass die Entwicklung der fachlichen und methodischen Fähigkeiten besser ausgeprägt ist, wenn die Studierenden ihr Service-Projekt freiwillig wählen (vgl. Yorio/Ye 2012), konkrete Ansprechpartner in den kommunalen Organisationen zur Verfügung stehen (vgl. Batcheler/Root 1994) und in den Vorlesungen die Verbindung der Studieninhalte mit dem Serviceprozess aufgezeigt werden (vgl. Prentice/Robinson 2010).

2.4 Zwischenfazit: Service Learning als passende Programmatik mit Forschungsherausforderungen

Service Learning bietet die Möglichkeit, Kompetenzentwicklungsprozesse mit zivilgesellschaftlichen Elementen zu verknüpfen und darüber fachliche und methodische Kompetenzen in Verknüpfung mit Wertbezügen der Zivilgesellschaft zu fördern. Darüber kann ein Beitrag für die personale Kompetenzentwicklung geleistet werden. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung der Verantwortungsübernahme in gemeinnützigen Handlungsfeldern, um eine Positionsbildung und Bereitschaft zu Engagement in der Zivilgesellschaft anzuregen. Das Format Service Learning kann an die berufs- und wirtschaftspädagogische Vorstellung einer ganzheitlichen Kompetenzentwicklung andocken, welche Sach-, soziale und personale Bezüge kohärent in Lernprozessen miteinander verbindet.

Die empirischen Befunde illustrieren, dass Service Learning die anvisierten Potentiale erfüllen kann, wenngleich die Belastbarkeit der empirischen Befunde unterschiedlich einzuordnen ist. Auf konzeptioneller Ebene nehmen die Studien in der Regel die Vieldimensionalität von didaktischen Arrangements nicht auf. Es kann eine hohe Variationsbreite in den untersuchten Service Learning-Arrangements (u. a. Domänenspezifizität, methodische Gestaltung, curriculare Inhalte) angenommen werden, welche in den Studien nicht näher spezifiziert werden, weshalb die Vergleichbarkeit der Befunde eingeschränkt ist. Auf methodischer Ebene ist einerseits festzuhalten, dass die untersuchten Konstrukte unterschiedlich operationalisiert werden (u. a. Einstellung zum Engagement vs. Engagementbereitschaft) und kein einheitliches Kompetenzkonzept den Untersuchungen zugrunde liegt. Andererseits sind die Messinstrumente heterogen ausgestaltet und reichen von anerkannten und geprüften Skalen (z. B. SELEB-Skala) bis zu Eigenentwicklungen. Auf kontextueller Ebene ist zu beachten, dass die überwiegende Mehrheit der Studien zum Service Learning aus dem US-amerikanischen Raum stammen, in denen eine stärkere Community-Orientierung in Bildungsprozessen strukturgebend ist, weshalb die Übertragbarkeit der Befunde auf den deutschsprachigen Kontext näher zu untersuchen ist.

Zusammenführend lassen sich somit zwei Forschungsdesiderata herausschälen: Zum einen ist die Wirkung von Service Learning für den deutschsprachigen Bildungsraum näher zu untersuchen. Zum anderen besteht ein Desiderat hinsichtlich des (fördernden) Einflusses von didaktischen Gestaltungselementen auf die Wirkung von Service Learning-Arrangements. In der folgenden Pilotstudie werden diese beiden Desiderata in der Domäne der Wirtschaftswissenschaften aufgegriffen. Dabei verfolgen wir konkret die folgenden Untersuchungsfragen: (1) Wie wirkt sich ein nach den Prinzipien des Service Learning gestaltetes Veranstaltungsformat aus auf die erlebte Fähigkeitsentwicklung der Studierenden, nämlich auf die Selbstwirksamkeit, den subjektiven Lernerfolg, die Einstellung zum zivilgesellschaftlichem Engagement und das Selbstbild? (2) Welche Rolle spielen die didaktischen Gestaltungselemente in der Wirkung des Service Learning-Arrangements?

3 Pilotstudie in den Wirtschaftswissenschaften[2]

3.1 Kontext der Studie

Den Kontext der Pilotstudie bildet ein Modul in einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengang. Der Aufbau des Moduls ist als Service Learning-Format organisiert: Die Studierenden bearbeiten in Gruppen wirtschaftswissenschaftliche Problemstellungen in gemeinnützigen Organisationen. Die Problemstellungen sind jeweils aus den Handlungsfeldern der gemeinnützigen Organisationen heraus mit sozialen Bedürfnissen verknüpft. Aus curricularer Sicht besteht das Ziel des Moduls darin, dass sich die Studierenden ein Repertoire zu Verfahren und Methoden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aneignen. Basierend auf den Problemstellungen der gemeinnützigen Organisationen bestimmen die Studierendengruppen ihr Erkenntnisinteresse, wählen entsprechende Methoden zur Bearbeitung aus, wenden diese auf die Problemstellung an, entwickeln auf Basis der Ergebnisse Lösungen für die gemeinnützigen Organisationen und reflektieren die Potentiale und Grenzen der eingesetzten Methoden. Parallel reflektieren die Studierenden ihr gemeinnütziges Handeln vor dem Hintergrund der Relevanz von zivilgesellschaftlichem Engagement. Methodisch werden die Studierendengruppen durch Inputphasen zum Aufbau von Forschungsprozessen und Methoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Beratungsphasen zur Verknüpfung der Inhalte des Moduls mit den Serviceprojekten sowie Präsentations- und angeleiteten Reflexionsphasen unterstützt. Die Input-, Beratungs- und Reflexionsphasen finden jeweils im Wechsel über das Semester verteilt statt.

Tabelle 1:     Serviceprojekte und gewählte Methoden in diesen Projekten

Serviceprojekt (Studierendengruppen) gewählte Methode der Studierenden gemeinnützige Organisation Gruppen-größe
Entwicklung einer Fundraising-Toolbox für den Caritasverband Fragebogen mit offenen Fragen Caritasverband n = 5
Sozialmarketing bei ICF: Warum für die Kirche spenden? Fragebogen mit geschlossenen Fragen International Christian Fellowship n = 5
Bedarfsanalyse für den Verein MINT-Technikum fokussierte Interviews Verein MINT Technikum n = 6
Strategiekonzept für Marktplatz für Bürger-Engagement Fragebogen mit offenen Fragen Marktplatz für Bürger-Engagement n = 7
Personalentwicklung von Lehrenden Teilnehmende Beobachtung gemeinnütziges Berufskolleg für Schüler mit Migrations-hintergrund n = 7
Sponsoring-Konzept für das AlarmTheater SWOT-Analyse/ Dokumentenanalyse AlarmTheater e.V. n = 6

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Problemstellungen, verwendeten Methoden der Studierendengruppen und involvierten gemeinnützigen Organisationen. Insgesamt haben 36 Studierende am Modul teilgenommen mit einem durchschnittlichen Alter von 24,33 Jahren. Die weiblichen Studierenden waren mit 70% in der Mehrheit.

3.2 Methodik

Methodisch wurde ein Mixed Methods-Ansatz in einem konvergent parallelen Design verwendet (vgl. Creswell/Clark 2010, 69ff.). Durch die Verbindung von quantitativen und qualitativen Datenformaten wird es ermöglicht, ein Verständnis für die erlebte didaktische Gestaltung in Zusammenhang mit der Veränderung der erhobenen Konstrukte zu generieren. Die quantitativen Datenformate wurden in einem Prä-Post-Design erhoben. Die Studierenden füllten jeweils in der ersten (t1) und nach der letzten Modulsitzung (t2) einen Fragebogen mit Likert-Skalen (von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“) aus. Dieser Fragebogen enthielt die folgenden Skalen: Selbstwirksamkeit (vgl. Schwarzer & Jerusalem 1999; 10 Items, αt1 = .87; αt2 = .90; Bsp.-Item: Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen.), der subjektive Lernerfolg (vgl. Ritzmann et al. 2014; 7 Items, αt1 = .86; αt2 = .82; Bsp.-Item: Ich habe den Eindruck, mein Wissen hat sich langfristig erweitert.), das Selbstbild (vgl. Weber & Glyptis 2000; Reinders & Wittek 2009; 5 Items, αt1 = .83; αt2 = .90 Bsp.-Item: Durch das Modul sehe ich mich selbst anders als früher.) und die Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement (vgl. Mabry 1998; 5 Items, αt1 = αt2 = .73; Bsp.-Item: Einiges meiner Zeit geben, um Menschen, die Unterstützung brauchen, zu helfen.).

Die qualitativen Datenformate wurden in Form problemzentrierter Interviews (vgl. Witzel 2000) mit jeweils zwei Studierenden aus den jeweiligen Serviceprojekten bzw. Studierendengruppen (n=10) am Ende des Moduls erhoben. Die Problemzentrierung stellten die erlebten Erfahrungen der Studierenden im Service- und Lernprozess dar und wie sie die didaktische Gestaltung dazu empfanden. Die Interviews wurden transkribiert und nach der qualitativen Inhaltsanalyse – der Strukturierung – nach Mayring ausgewertet (vgl. Mayring 2010). Das Kategoriensystem wurde deduktiv anhand der erhobenen Konstrukte in den quantitativen Datenformaten und induktiv hinsichtlich deren Ausprägungen bzw. Unterkategorien entwickelt. Insgesamt wurden 229Sinneinheiten aus den Interviews auf Basis des Kategoriensystems zugeordnet.  

3.3 Befunde aus der quantitativen Datenanalyse

Tabelle 2 enthält die deskriptiven Kennwerte, anhand derer einer Zunahme über die Zeit in allen erhobenen Konstrukten zu beobachten ist. Die Standardabweichungen relativieren dieses Bild, da die Zunahme nur ein Drittel bis die Hälfte einer Standardabweichung ausmacht.

Tabelle 2:     Beschreibung der Instrumente (5polige Likert-Skala, höhere Mittelwerte implizieren höhere Merkmalsausprägungen)

Konstrukt MW SD
t1 t2 t1 t2
Selbstwirksamkeit 4,36 4,58 0,70 0,70
subjektiver Lernerfolg 4,50 4,76 0.68 0,71
Einstellung Engagement 4,55 5,07 0,84 0,59
Selbstbild 3,04 3,68 1,11 1,15

In einer ANOVA mit Messwiederholung zeigen sich Effekte über die Zeit hinsichtlich der Selbstwirksamkeit (F (1,26) = 6.99, p < .05, η2 = .210), der Veränderung des Selbstbilds (F (1,26) = 13.40, p < .01, η2 = .340) und der Einstellung zum Engagement (F (1,26) = 5.91, p < .05, η2 = .190) – zum Teil mit moderaten bis hohen Effekten (vgl. Cohen 1992). Für den subjektiven Lernerfolg waren die Effekte nicht signifikant. Ferner zeigen sich Gruppeneffekte hinsichtlich der einzelnen Serviceprojekte (vgl. Tabelle 1) für die Selbstwirksamkeit (F (5,26) = 4.10, p < .01, η2 = .44), das Selbstbild F (5,26) = 2.86, p < .05, η2 = .36) und den subjektiven Lernerfolg (F (5,26) = 6.40, p < .001, η2 = .55). Signifikante Interaktionseffekte konnten dahingehend nicht gefunden werden.

Diese Ergebnisse illustrieren, dass das im Rahmen des Moduls umgesetzte Service Learning-Format einen Beitrag zur Förderung der Selbstwirksamkeit sowie der Veränderung des Selbstbildes und der Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement zu leisten scheint. Für die Selbstwirksamkeit und das Selbstbild fallen diese Effekte abhängig vom jeweiligen Serviceprojekt unterschiedlich aus.

3.4 Befunde der qualitativen Datenanalyse

3.4.1 Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit zielt auf die subjektive Gewissheit der Studierenden ab, neue oder schwierige Anforderungssituationen auf Grund eigener Fähigkeiten bewältigen zu können (vgl. Bandura 2006). Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse zeigen dabei zwei Hauptkategorien auf: Einerseits bewältigen die Studierenden Anforderungen im Problembearbeitungsprozess (Serviceprozess) und andererseits in der Erkundung der Inhalte (Lernprozess); die Verteilung der Nennungen illustriert, dass der Problembearbeitungsprozess stärker im Mittelpunkt steht (114 zu 36 Nennungen) (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3:     Ergebnisse qualitative Inhaltsanalyse zur Selbstwirksamkeit (SG = Servicegruppe)

Kategorie Operationali-sierung Unterkategorien
(Nennungen – prozentuale Verteilung)
Ankerbeispiele

Problem-bearbeitung 

(114 Nennungen)

Herausfor-derungen und deren Umgang bei der Problem-bearbeitung und dabei wahrgenommene soziale Unterstützung, erlebte Wirksamkeit beim Serviceergebnis Strukturierung Prozess
(16 von 114, 14 %)
„wir wussten zwischendurch überhaupt nicht: Was ist denn jetzt unser Thema? Was sollen wir denn jetzt überhaupt tun?“ SG1, 235-236
Soziale Unterstützung
(65 von 114, 57 %)
„Ja mit dem Kooperationspartner wurde es nachher (.) schwierig“ SG3, 57-63
Ergebnis Serviceprozess
(33 von 114, 29 %)
„Wir haben etwas Produktives erschaffen, was auch durchaus hilfreich sein kann.“ SG2, 110-111

Erkundung Inhalte

(36 Nennungen)

Wirksamkeit bei Erkundung und Verstehen der Inhalte, Anwendung Inhalte im Serviceprozess Inputsequenzen
(11 von 36, 30 %)
„Ja das haben wir ja hier in der Vorlesung gelernt wie man das macht.“ SG2, 155-156
Beratungssequenzen
(14 von 36, 40 %)
„also ich finde es sowieso sinnvoller das er (der Dozent, die Autoren) sich mit den Gruppen nochmal einzeln getroffen hat. Um dann wirklich auf die Probleme der einzelnen Gruppen einzugehen“ SG3, 425-426
Anwendung
(11 von 36, 30 %)
„und dann ‚learning by doing’ Wir haben es einfach einmal gemacht.“ SG2, 155-156

Aus Perspektive der Problembearbeitung differenzieren die Studierenden zwischen der Strukturierung des Prozesses und der dabei erlebten sozialen Unterstützung sowie dem Serviceergebnis. Hinsichtlich der Strukturierung des Prozesses erlebten die Studierendengruppen die größte Herausforderung in der Eingrenzung der Problemstellung und Formulierung der Zielstellung („Also am Anfang waren wir ein bisschen überfordert, da Struktur reinzubringen und im Laufe dessen hat sich das ganz gut entwickelt“ SG2, 75-76). Die Selbstwirksamkeit bei der Problembearbeitung korrespondiert stark mit der wahrgenommenen sozialen Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisation, des Dozenten und der Kommilitonen; 57 % der Nennungen fielen auf diese Unterkategorie. Werden die Ergebnisse des Serviceprozesses in den Blick genommen, so zeigen sich überwiegend Hinweise, dass sich die Gruppen als wirkungsvoll hinsichtlich der erarbeiteten Ergebnisse wahrnehmen (22 positive zu 11 negative Nennungen).

Bei der Kategorie der Erkundung der Inhalte bzw. dem Aufbau der methodischen Fähigkeiten steht die empfundene Wirksamkeit im Verhältnis zu den Beratungssequenzen und der Anwendung der Inhalte. Die Beratungssequenzen, in denen die Verknüpfung zwischen curricularen Inhalten und Anforderungen im Serviceprozess im Mittelpunkt stand, wurden von den Studierenden überwiegend positiv eingeschätzt (12 pos. vs. 3 neg. Nennungen). Weiterhin wurde durch die Anwendung der Inhalte eine Wirksamkeit im Verständnis der selbigen in den Interviews hervorgehoben (10 pos. vs. 1 neg. Nennungen; „Sondern man ist besser aufgehoben, wenn man es dann selber ausprobiert“SG 2, 211-212). Die Inputsequenzen wurden demgegenüber tendenziell als weniger hilfreich für den Wissensaufbau empfunden (4 pos. vs. 7 neg. Nennungen).

Zwischenfazit: Die Studierenden erlebten ihr Handeln v. a. dann als wirksam, wenn ihnen auch eine soziale Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisation, der Kommilitonen sowie des Dozenten zuteil wurde. Die Wirksamkeit bei der Erkundung der Inhalte wurde maßgeblich durch die Beratungsphasen und Möglichkeit der Anwendung erreicht. 

3.4.2Subjektiver Lernerfolg

Die Studierenden wurden in den Interviews gefragt, welche Fähigkeiten sie durch das Modul (weiter-)entwickelt haben. Die Studierenden berichten von Zuwächsen in den Bereichen der fachlich-methodischen und sozial-kommunikativen Fähigkeiten sowie der Organisation von kooperativen Arbeitsprozessen (vgl. Tabelle 4).

Tabelle 4:     Ergebnisse qualitative Inhaltsanalyse zum subjektiven Lernerfolg

Kategorien
(Nennungen – prozentuale Verteilung)
Operationalisierung Ankerbeispiele
Fachlich-methodische Fähigkeiten (8 von 26, 31 %) Auswahl von Methoden, Konstruktion Datenerhebung und -auswertung „Ja, wir haben gelernt, dieses methodische Vorgehen, wie man zum Beispiel eine Umfrage erstellt oder so.“ SG4, 532-533
Sozial-kommunikative Fähigkeiten (7 von 26, 27 %) Kommunikation mit Akteuren in gemeinnützigen Organisationen und mit Mitlernenden sowie Präsentationen „Dass man irgendwie, ja, auch auf die Leute zugehen muss, um Informationen zu erhalten.“ SG4, 490-491
Fähigkeiten in der Teamorganisation (11 von 26, 42 %) Organisation von Projektarbeiten und Abstimmungsprozessen, leitende Tätigkeiten in der Gruppenorganisation „Aber es war jetzt halt schon, halt, ja das ganze Organisatorische und ich glaube man hat das gut im Team untereinander durch irgendwie `WhatsApp-Nachrichten´ und organisatorisch dann auch gelöst.“ SG1, 135-138

Die Nennungen sind in allen drei Bereichen nahezu gleich verteilt, d. h. es wurde kein Fähigkeitszuwachs besonders häufig erwähnt. Hinsichtlich der fachlich-methodischen Fähigkeiten verteilen sich die Nennungen vor allem auf die Konstruktion der Datenerhebung und -auswertung. Der Zuwachs bei den sozial-kommunikativen Fähigkeiten wird sowohl auf die internen Arbeiten im Modul, u. a. Kommunikationsgestaltung in der Gruppe oder Präsentieren von Projektergebnissen („Also wir haben gelernt, wie wir das präsentieren können.“ SG1, 30-32) als auch auf den Umgang mit den Partnern in den gemeinnützigen Organisationen und externen Akteuren im Rahmen der Datenerhebung („Dass man irgendwie, ja, auch auf die Leute zugehen muss, um Informationen zu erhalten“ SG4, 490-491) bezogen. Die Nennungen zu Fähigkeiten in der Teamorganisation verteilen sich auf Elemente des Projektmanagements  („Aber wie überhaupt ein Projekt, dieses ganze Projektmanagement.“ SG1, 36-38; „Und auch das man versucht Kompromisse zu finden, klar zu kommen.“ SG5, 54-57) und der Führung von Gruppen („wir waren eigentlich die beiden bei uns, die die Methodik ausgewählt haben (...) und haben dann auch gesagt: okay wir machen das jetzt“ SG3, 129-132).

Zwischenfazit: Die subjektive Wahrnehmung der Studierenden zeigt eine Entwicklung von fachlich-methodischen und sozial-kommunikativen Fähigkeiten als auch Fähigkeiten in der Teamorganisation.

3.4.3 Veränderung Selbstbild und Einstellung zivilgesellschaftliches Engagement

Die Studierenden wurden in den Interviews gefragt, welche Veränderung sie in ihrem Selbstbild und ihrer Einstellung zu zivilgesellschaftlichem Engagement erfahren haben, was die personalen Fähigkeiten in den Blick nimmt (vgl. Tabelle 5).

Tabelle 5:     Ergebnisse qualitative Inhaltsanalyse zum Selbstbild und zur Engagementeinstellung 

Kategorie Operationali-sierung Unterkategorien
(Nennungen – prozentuale Verteilung)
Ankerbeispiele
Selbstbild  Erfahrungen bei Problem-bearbeitung und die dabei erlebte Wirksamkeit; wahr-genommene soziale Unterstützung Wahrnehmung der eigenen Bedeutsamkeit
(11 von 31, 35 %)
„Und man kann jetzt vielleicht auch sein Wissen, was man vorher dachte, dass es irgendwie nicht so groß ist, vielleicht auch sogar ein bisschen mit einbringen. Also das fand ich zum Beispiel ganz gut.“ SG3, 170-173
Personale Einsichten
(20 von 31, 65 %)
„Also im Endeffekt, mir wurden einfach nur nochmal meine Stärken und einfach mal meine Schwächen klar.“ SG5, 186-188
Einstellung zu Engagement Auseinandersetzung mit gemeinnützigem Engagement, Erfahrungen im Modul, Entwicklung von Positionen Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder
(6 von 22, 28 %)
„Ich finde es wird einem deutlich, dass es halt wirklich Menschen gibt (...) die auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind.“ SG3, 280-282
Positionsentwicklung zu gesellschaftlichem Engagement
(8 von 22, 36 %)
„Wir haben mal gesagt in der Gruppe, ohne ehrenamtliche Tätigkeit gibt es für uns keine funktionierende Gesellschaft.“ SG4, 360-362
Engagement-bereitschaft
(8 von 22, 36 %)
„Also ich war vorher schon relativ sozial engagiert und werde es auch weiterhin so bleiben wie ich es vorher war. Und Victor war vorher nicht sozial engagiert und hat gesagt, dass es nicht viel besser wird.“ SG2, 184-186

Auf Ebene des Selbstbildes berichten die Studierenden (35 % der Nennungen), dass sie durch das Modul bzw. die Arbeit mit den gemeinnützigen Organisationen ihre eigene Bedeutsamkeit wahrgenommen haben („Und da denkt man wirklich selber nach: Mensch, wir als Studenten, was weiß ich, von 22 bis 26 Jahren wir müssen denen jetzt helfen. Die haben die doppelte Lebenserfahrung und also das war für mich so völlig krass, diese Erfahrung dann zu machen.“ SG4, 300-306). Die Nennungen hinsichtlich der personalen Einsichten betonen unterschiedliche Aspekte: Von der Koexistenz unterschiedlicher Sichtweisen („Obwohl wir die Ansichten jetzt nicht so geteilt haben, aber ich meine das gehört später im Beruf mal dazu, dass man irgendwie unterschiedliche Ansichten hat“ SG3, 175-177) über die Bedeutsamkeit von Entscheidungen („Ich finde auch, dass man dann dadurch einfach (...) viel besser verdeutlicht bekommt, was wirklich Entscheidungen bedeuten können.“ SG3, 451-456) bis hin zum Umgang mit Rahmenbedingungen („Ich sage mal, auch auf so widrige Bedingungen einzugehen und ich denke das hat mir schon geholfen.“ SG4, 250-254).

Auf Ebene des zivilgesellschaftlichen Engagements berichten die Studierenden, dass sie durch das Modul Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder bekommen haben. Dies war in der Regel der Ausgangspunkt für eine Positionsentwicklung zum gesellschaftlichen Engagement, die von der Erkennung von deren Relevanz („Aber ich finde, es wird einem deutlich, dass es halt wirklich Menschen gibt oder halt Organisationen, die halt auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind.“ SG3, 280-282) bis hin zu normativen Positionen („Ich find das sehr wichtig, dass sich eigentlich der Einzelne gesellschaftlich einbringt.“ SG1, 442-444) reicht. Bezüglich der Engagementbereitschaft fühlten sich einerseits diejenigen Studierenden, welche bereits engagiert sind, bestätigt und andererseits spiegelt sich in dieser Nennung eine erhöhte Engagementbereitschaft durch die Modulerfahrung wider („dass ich auch versuchen werde jetzt, wenn ich die Uni verlasse, dass ich dann mich auch irgendwo noch einsetzen werde. (...) Das hat sich durch das Modul echt grundlegend geändert.“ SG4, 49-54).

Zwischenfazit: Die Veränderung des Selbstbildes gestaltet sich individuell unterschiedlich aus. Die Veränderung der Engagementeinstellung reicht von Einblicken in über eine Positionsentwicklung zu bis zur Engagementbereitschaft in gemeinnützigen Handlungsfeldern. 

3.5 Kontrastierung der Datenformate: Rekonstruktion der gruppenspezifischen Phänomene

Die Ergebnisse der ANOVA mit Messwiederholung zeigen auf, dass die Selbstwirksamkeit und die Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement über die Zeit steigen und dass sich das Selbstbild verändert. Dies sind erste Hinweise auf die Wirkung des Formats Service Learning. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse verdeutlichen, dass die Erlebnisse im Rahmen des Service- wie auch Lernprozesses auf individueller Ebene und Gruppenebene unterschiedlich wahrgenommen werden. Es zeigen sich somit Hinweise, dass die Wirkung von Service Learning abhängig von den wahrgenommenen Bedingungen sowie deren didaktischer Gestaltung ist. Beim verwendeten Mixed Methods-Ansatz geht es dabei weniger um die Aufdeckung von Kausalitäten im Sinne der Erklärung der quantitativen Effekte über die qualitativen Datenformate, da die Erhebungskontexte und methodologischen Annahmen in den Zugängen – quantitativ und qualitativ – unterschiedlich sind. Vielmehr besteht das Potential, über die Kontrastierung der Daten zu einem tiefen Verständnis der Beziehung zwischen didaktischer Gestaltung und der erlebten Fähigkeitsentwicklung zu kommen. In Tabelle 6 sind die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse verdichtet zusammengestellt. Quergelesen zeigt sich dabei, dass die Verlaufsmerkmale in den Gruppen unterschiedlich akzentuiert sind.

Die Ausprägung der Selbstwirksamkeit in der Problembearbeitung und Erkundung der Inhalte, wird mehrheitlich auf die Problembearbeitung und den damit im Zusammenhang stehenden Serviceprozess rekurriert (vgl. Servicegruppe 2, 4, 5). Servicegruppe 3 erlebte sich dagegen v. a. wirksam im Lernprozess. Weiterhin steht die Selbstwirksamkeit im Zusammenhang mit der sozialen Unterstützung: So gibt es Gruppen, die sich vor allem durch die Unterstützung der Kommilitonen (vgl. Servicegruppen 2, 5) und/oder des Dozenten (vgl. Servicegruppe 1, 3) wirksam im Handeln gefühlt haben, während eine andere Gruppe die fehlende Unterstützung der gemeinnützigen Organisation durch die gute Kooperation mit den Kommilitonen und die Beratungsleistung vom Dozenten kompensiert hat (vgl. Servicegruppe 4). Insgesamt zeigt sich in den vorliegenden Daten, dass gruppenübergreifend das Element der Beratungsphasen und die damit verbundene Unterstützung bei der Verknüpfung der Inhalte des Moduls mit dem Serviceprozess positiv hervorgehoben wird (vgl. Servicegruppen 1, 3, 4, 5).

Der Lernerfolg wird eher – bis auf eine Ausnahme (Servicegruppe 1) – im Bereich der fachlich-methodischen Fähigkeiten und Fähigkeiten in der Teamorganisation und vereinzelt zwischen den Gruppen hinsichtlich der sozial-kommunikativen Fähigkeiten (vgl. Servicegruppe 1 und 4) erlebt. Servicegruppe 3 erwähnt nur den fachlich-methodischen Bereich, was damit zusammenhängen kann, dass sie sich nur vom Dozenten sozial unterstützt gefühlt hat. Die Servicegruppen 2 und 5 haben sich im Verlauf eher auf den fachlichen Bereich konzentriert und dabei u. a. den Dozenten als Unterstützung erlebt.

Die Veränderung des Selbstbildes zeigt sich einerseits in der durch das Modul empfundenen Bedeutsamkeit bezüglich der eigenen Fähigkeiten und andererseits in den unterschiedlichen personalen Einsichten, die sich gruppenspezifisch verschieden ausgestalten (vgl. Tabelle 6). Die Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement kann v. a. darin festgemacht werden, dass die Gruppen Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder über das Modul erhalten haben (vgl. Servicegruppen 1, 2, 3, 4). Drei Gruppen betonen dabei, dass ihnen durch die Einblicke die Bedeutsamkeit von zivilgesellschaftlichem Engagement bewusst geworden ist (vgl. Servicegruppen 1, 3, 4), während zwei Gruppen dahingehend keine größere Veränderung wahrgenommen haben (vgl. Servicegruppen 2 und 5).

Tabelle 6:     Verdichtung der Ergebnisse der Inhaltsanalyse

Gruppe Selbstwirksamkeit Subjektiver Lernerfolg Selbstbild Einstellung Engagement
Service-gruppe 1 Die Gruppe berichtet von Höhen und Tiefen im Bearbeitungsprozess; die Problemeingrenzung und Zielfindung wurde am schwierigsten empfunden. Das Serviceergebnis wird positiv beschrieben. Sozial unterstützt fühlte sich die Gruppe am stärksten durch die Beratung vom Dozenten und weniger durch Kommilitonen oder die gemeinnützige Organisation. Die Gruppe nimmt Lernerfolg stärker bei sozial-kommunikativen Fähigkeiten und Fähigkeiten in der Teamorganisation wahr. Die Bedeutsamkeit der eigenen Fähigkeiten wurde von der Gruppe z. T. im Prozess wahrgenommen. Personale Einsichten wurden im Prozess gewonnen, wie z.B. die Bedeutungsvielfalt von Ehrenamt. Die Gruppe berichtet von Einblicken in gemeinnützige Handlungsfelder und der Erkenntnis, welche Bedeutsamkeit Engagement in der Gesellschaft hat. Die Engagementbereitschaft hat sich nicht verändert.
Service-gruppe 2 Die Gruppe erlebte bis auf die Eingrenzung der Problemstellung eine hohe Wirksamkeit, v. a. in der Anwendung der Inhalte des Moduls im Serviceprozess. Die Wirksamkeit wird von der Gruppe am guten Gruppenzusammenhalt und z.T. den Beratungsleistungen des Dozenten festgemacht. Das Serviceergebnis wird von der Gruppe als sehr hilfreich für die gemeinnützige Organisation beschrieben. Der Lernerfolg wird von der Gruppe v. a. im Bereich fachlich-methodischer Fähigkeiten und der Teamorganisation wahrgenommen. Die Gruppe berichtet von der Erkenntnis, dass eigene Fähigkeiten bedeutsam für die Gesellschaft sein können, deren Entfaltung  aber auch abhängig von gegebenen Freiräumen ist. Die Gruppe erzählt, dass sie die Wichtigkeit von gesellschaftlichem Engagement über die Serviceerfahrung erkannt hat. Von einer Veränderung der Engagementbereitschaft wurde nicht berichtet.
Service-gruppe 3 Die Gruppe hat die eigene Wirksamkeit im fachlich-methodischen Bereich wahrgenommen, jedoch nicht im Serviceprozess selbst; das Serviceergebnis wird als nicht hilfreich für die gemeinnützige Organisation gesehen. Die soziale Unterstützung wurde durch Dozenten und weniger durch Kommilitonen und die gemeinnützige Organisation erlebt. Die Gruppe macht ihren Lernerfolg im Bereich der fachlich-methodischen Fähigkeiten fest. Die Gruppe gewann die Einsichten, dass einerseits die eigenen Fähigkeiten etwas für die Gesellschaft bewirken können und andererseits, dass divergierende Ansichten in einer Gesellschaft vorhanden sind. Die Gruppe berichtet von Einblicken in gemeinnützige Handlungsfelder und Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Ehrenamt (u.a. Dauer, Intensivität). Von einer Veränderung der Engagementbereitschaft wird nicht berichtet, was u. a. daran festgemacht wird, dass alle Gruppenteilnehmer schon vorher gemeinnützig engagiert gewesen sind.
Service-gruppe 4 Die Gruppe berichtet von einer hohen Wirksamkeit im Serviceprozess, was auch zu einem gutem Serviceergebnis für die gemeinnützige Organisation führte. Die soziale Unterstützung wird v. a. bei Kommilitonen und z.T. beim Dozenten über die Beratung wahrgenommen und weniger bei der gemeinnützigen Organisation. Die Inputphasen wurden von der Gruppe als nicht hilfreich wahrgenommen, da erst die Anwendung der Inhalte das Verständnis dafür förderte. Der Lernerfolg der Gruppe wird v.a. bei den sozial-kommunikativen Fähigkeiten und z. T. bei den fachlich-methodischen Fähigkeiten fest gemacht. Die eigenen Fähigkeiten wurden als sehr bedeutsam bei der Unterstützung der gemeinnützigen Organisation erlebt, wenngleich die komplette Entfaltung durch die gemeinnützige Organisation gebremst wurde, was auch zur Einsicht führte, dass das Ehrenamt manchmal mehr ‚Schein als Sein’ ist. Die Gruppe berichtet von Einblicken in gemeinnützige Handlungsfelder und der Positionsentwicklung, dass das zivilgesellschaftliche Engagement arbeitsintensiv aber bedeutsam für die Gesellschaft ist. Eine Veränderung der Engagementbereitschaft wird nicht wahrgenommen.
Service-gruppe 5 Die Gruppe hat sich selbst im Serviceprozess als sehr wirksam erlebt. Punktuell gab es Herausforderungen in der Teamorganisation. Das Serviceergebnis wird als ordentlich und relevant für die gemeinnützige Organisation beschrieben. Soziale Unterstützung hat die Gruppe von der gemeinnützigen Organisation und den Kommilitonen erfahren. Die Beratung des Dozenten war laut Gruppe bei der Verbindung von Modulinhalten und Serviceprozess hilfreich. Auch die Inputphasen und die Anwendung der Methoden waren beim Verständnisaufbau wichtig. Die Gruppe sieht den Lernzuwachs im Bereich der Teamorganisation und den fachlich-methodischen Fähigkeiten. Die eigenen Stärken und Schwächen wurden durch die Arbeit im Modul bestätigt. Es wurden aber keine neuen Einsichten zum Selbstbild erlebt. Von Einblicken in gemeinnützige Handlungsfelder wurde nicht berichtet. Es erfolgte laut Gruppe keine Veränderung der Engagementbereitschaft durch das Modul.

 

4 Zusammenführung und Ausblick

Die vorgestellte Pilotstudie befasste sich mit den Fragen, wie sich Service Learning auf die Fähigkeitsentwicklung der Studierenden auswirkt und welche Rolle dabei die didaktischen Gestaltungsparameter spielen. Die Ergebnisse illustrieren, dass das umgesetzte Service Learning-Format einen Beitrag zur Förderung der Selbstwirksamkeit sowie der Veränderung des Selbstbildes und der Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement leisten kann. Die Akzentuierung ist gruppenspezifisch unterschiedlich ausgeprägt. Die vorliegenden Daten geben dabei Hinweise, dass die Wirkung anscheinend zum einen im Zusammenhang mit der Verknüpfung der service- und lernorientierten Aktivitäten steht, d. h. inwiefern es aus Sicht der didaktischen Gestaltung gelingt, die Lerninhalte prozessual mit dem Serviceprozess zu verknüpfen, damit die Studierenden diese dann auch anwenden. Zum anderen gibt es Hinweise, dass die wahrgenommene soziale Unterstützung mit der Wahrnehmung der Veränderung des Selbstwirksamkeitsempfinden korrespondiert. Hierbei wurde die Bedeutsamkeit des Zusammenspiels zwischen gemeinnütziger Organisation, der Mitlernenden und der Lehrenden zueinander herausgearbeitet. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass eine gering wahrgenommene Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisationen nicht unbedingt die Entwicklung fachlich-methodischer und personaler Fähigkeiten verhindert. Den Charakter einer Pilotstudie in Kauf nehmend muss dabei offen bleiben, ob die Entwicklungsprozesse der Studierenden auf den Service Learning-Charakter oder der Projektförmigkeit des Moduls zurückzuführen sind. Hinsichtlich der Sensibilisierung für zivilgesellschaftliches Engagement zeigen die Ergebnisse der Pilotstudie, dass die Studierenden in erster Linie Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder erhalten. Darüber scheint eine Einstellungs- und Positionsänderung angestoßen zu werden.

Die vorgestellten Ergebnisse unterliegen in ihrer Aussagekraft Grenzen, welche zumeist im Charakter einer Pilotstudie und der damit einhergehenden geringen Fallanzahl sowie in der Erhebung der Konstrukte durch Selbstauskünfte der Studierenden liegen. Insgesamt geben die Ergebnisse der Studie jedoch Anlass zu der Annahme, dass das Veranstaltungsformat Service Learning Potentiale entfalten kann, eine integrierte Kompetenzentwicklung auf fachlich-methodischer wie personaler Ebene zu fördern, indem ein ganzheitlicher Zugang von Sach-, Sozial- und Wertbezügen über gemeinnützige Handlungsfelder erreicht werden kann. Damit kann die Pilotstudie eine Grundlage für zukünftige Forschung zur Wirkung und zu didaktischen Aspekten von Service Learning darstellen. Dabei ist von Bedeutung, zukünftig die Selbstwirksamkeit – der Tradition von Bandura folgend (vgl. Bandura 2006) – kontextspezifisch zu operationalisieren; die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen Hinweise, dass v. a. die Ebenen Service- und Lernprozess zu differenzieren sind. Dieses Zusammenspiel sollte zukünftig differenziert werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Service Learning stärker auf den Serviceprozess reduziert wird – was sich z. B. in den qualitativen Daten zeigt (vgl. Abschnitt 3.4.1.) – und weniger die Potentiale in der Gestaltung von Lernprozessen gesehen werden. Weiterhin erscheint es sinnvoll, zukünftig die wahrgenommene soziale Unterstützung in Service Learning-Arrangements zu untersuchen und der Frage nachzugehen, welche Effekte hier zu der erlebten Kompetenzentwicklung bestehen.

Auf Basis der Ergebnisse können erste – nicht im Sinne einer Generalisierung – Orientierungen zur didaktischen Gestaltung von Service Learning aufgezeigt werden. So weisen die Ergebnisse Ansatzpunkte in den Bereichen der Problemkonstruktion, der Verknüpfung von Service- und Lernprozess und der Gestaltung der sozialen Unterstützung auf. Die Problemeingrenzung und Formulierung des Erkenntnisinteresses wurde von allen Servicegruppen als schwierig empfunden. Dies kann damit zusammenhängen, dass einerseits Studierende auf Bachelor-Ebene nur geringe Erfahrungen mit der selbstständigen Problembearbeitung haben und ihnen andererseits mentale Lernmodelle fehlen, in denen die Bearbeitung realer Probleme im Vordergrund steht (vgl. dazu Loyen/Remy/Schmidt 2008, 458 ff.). Zielführend kann es an dieser Stelle sein, dass in Vorbereitung von Service Learning-Formaten die Probleme der gemeinnützigen Organisationen stärker auf Basis von Konstruktionsprinzipien aus der problembasierten Lehr-/Lernforschung aufgenommen werden (vgl. dazu Müller 2007, 71 ff.). Die vorgestellten Ergebnisse illustrieren, dass bei der Verknüpfung von Service- und Lernprozess beratungsorientierte Lernformen eine positive Wirkung entfalten können. Im Zusammenhang mit der sozialen Unterstützung erscheint es relevant, die unterschiedlichen Rollen der Partner – gemeinnützige Organisationen, Studierende und Lehrende – zu Beginn stärker zu explizieren, u. a. dahingehend, welche Unterstützung leistbar und möglich ist. So wird in den Interviews von den Studierenden die gering wahrgenommene Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisationen z. T. erwähnt, gleichzeitig aber nicht formuliert, welche Unterstützung sich die Studierenden gewünscht hätten. Hierbei kann auf das konstituierende Element der Gegenseitigkeit verwiesen werden (vgl. Abschnitt 2.2),indem vor allem die partnerschaftliche Lernerfahrung zwischen gemeinnütziger Organisation und Lernenden im Vordergrund steht.

Das Veranstaltungsformat Service Learning im Bereich der Hochschulbildung – wie auch der beruflichen Bildung – befindet sich bezogen auf den deutschsprachigen Raum in der Entwicklung. Die vorliegende Pilotstudie möchte dazu einen Referenzpunkt anbieten, v. a. hinsichtlich der Bedeutung der didaktischen Gestaltungsparameter. Dabei geht es nicht darum, eine Überlegenheit zu anderen didaktischen Formaten zu untersuchen, sondern vielmehr die Potentiale der Verknüpfung von Lernprozessen mit zivilgesellschaftlichen Handlungsfeldern im Sinne einer Erweiterung von didaktischen Möglichkeiten aufzuzeigen.

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[1] Dies bedeutet auch, dass Service Learning hinsichtlich der didaktischen Potentiale für die berufliche Bildung näher zu untersuchen und erforschen wäre.

[2] Die Untersuchung basiert auf Arbeiten des Teilprojektes 3 ‚Service Learning’ im Bildungscluster OWL, welches vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft gefördert wird.

Zitieren des Beitrags

Gerholz, K.-H./Liszt, V./Klingsieck, K. B. (2015): Didaktische Gestaltung von Service Learning – Ergebnisse einer Mixed Methods-Studie aus der Domäne der Wirtschaftswissenschaften.In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 28, 1-23. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe28/gerholz_etal_bwpat28.pdf (22-06-2015).