bwp@ 45 - Dezember 2023

Veränderungen der Arbeitswelt: Anforderungen, Gestaltungsfelder und Zukunftsfragen für die berufliche Bildung

Hrsg.: Nicole Naeve-Stoß, Lars Windelband, Matthias Kohl & Anja Walter

Übergang Schule-Beruf als Chancenverbesserungssystem – Zur Gestaltung von Lebensräumen und Entwicklung von Praktiken für den Übergang

Beitrag von H.-Hugo Kremer & Franziska Otto
bwp@-Format: Diskussionsbeiträge
Schlüsselwörter: Übergangssystem, Selbstinszenierung, Chancenverbesserung, Subjektorientierung, Übergang Schule-Ausbildung

Sich wandelnde Bedingungen auf dem Ausbildungsmarkt, die daraus resultierenden veränderten Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen sowie Anforderungen an eine lebensbegleitende berufliche Orientierung treffen insb. als (ausbildungs-)benachteiligt gekennzeichnete Jugendliche am Übergang Schule-Beruf. Jene Jugendliche münden in Maßnahmen des Übergangssystems wie die Ausbildungsvorbereitung (AV), wobei die konkreten Auswirkungen dieser Transformationsprozesse für diese Zielgruppe weitgehend unklar bleiben. In unserem Beitrag greifen wir die Überlegungen der Arbeitsgruppe 9+1 zum Übergangssystem verstanden als Chancenverbesserungssystem auf und diskutieren, was hierunter verstanden werden kann. Schließlich führen wir konkrete Anforderungen an das Chancenverbesserungssystem mit den Handlungsmöglichkeiten der Jugendlichen zusammen. Grundlegend verfolgen wir dabei nicht die Perspektive einer Anpassung der Jugendlichen an die Arbeitswelt, sondern fragen vielmehr danach, was Bildung leisten muss. Hierfür nehmen wir über qualitative Fallstudien die Perspektive der Jugendlichen sowie die Sichtweise des Bildungspersonals auf. In diesem Rahmen führen wir eine anforderungs- und subjektorientierte Perspektive zusammen und diskutieren u. a. anhand von Perspektiven auf das System, die curriculare Ebene, die Haltung der Bildungsakteur*innen, etc., was mit einer Gestaltung des Übergangssystems als Chancenverbesserungssystem konkret verbunden wäre.

The transition between school and work as a system for improving life chances – Developing practices and opportunities for this transition within the framework of individual life contexts

English Abstract

Ongoing changes on the training market, as well as the ensuing changes in competence and qualification requirements and demands for lifelong vocational orientation, particularly affect (educationally) disadvantaged young people at the transition from school to work. These young people then go on to a phase of pre-vocational preparation. However, the concrete effects of these transformation processes for this target group are mostly unclear. In this paper, we take up the discussion of the working group 9+1 on the transition system, seen as a system for improving life chances (‘Chancenverbesserungssystem’). We will discuss what is meant by such a system and combine concrete requirements with the young people's options. Generally, we do not follow the perspective of how young people should fit into the world of work, but rather ask what education should provide. Therefore, we take up the perspective of the young people, as well as the perspective of actors in the educational context (including teachers, trainers, social workers and SEN (Special Educational Needs) specialists), through qualitative case studies. In this context, we combine a requirement-oriented and subject-oriented perspective. On this basis we will discuss various different aspects that would be involved in transforming the vocational preparation system into a system for improving life chances. 

1 Vom Übergangssystem zum Chancenverbesserungssystem?

Die Arbeitsgruppe 9+1 nimmt in ihrem Thesenpapier Zukunftsfähig bleiben! 9 + 1 Thesen für eine bessere Berufsbildung „besonders bedeutsamen Baustellen“ (AG 9+1 2022, 7) der beruflichen Bildung auf, für die Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige Berufsbildung aufgezeigt werden sollen. Einen Schwerpunkt bildet hier die berufliche Bildung im Übergangssystem (These III), was u. a. dadurch motiviert ist, dass für einen Großteil der Jugendlichen der direkte Übergang in eine berufliche Ausbildung verschlossen bleibt (vgl. AG 9+1 2022, 21). So verzeichnete das Übergangssystem im Jahr 2022 239.100 Neuzugänge, was einen Zuwachs von 14.200 jungen Menschen zum Vorjahr bedeutet (vgl. BMBF 2023, 30). Diese Jugendlichen münden dann in Maßnahmen des Übergangssystems, die den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung ermöglichen sollen (vgl. AG 9+1 2022, 21; Frehe/Kremer 2016, 1). Gleichsam sind die Berufsbiografien dieser jungen Menschen – insb. trifft das Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder ohne allgemeinbildenden Abschluss, schlechteren Leistungen und/oder aus sozial ärmeren Bedingungen (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 2013, 43; Eickhoff/Kremer/Zoyke 2016, 37; Geier 2013, 33; Kleinert/Jacob 2012, 213) – von zahlreichen Überbrückungsphasen gekennzeichnet (vgl. Frehe/Kremer 2015, 3). Somit verläuft für eine beträchtliche Anzahl Jugendlicher der Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt nicht reibungslos.[1] Ebenfalls zeichnen sich die Auswirkungen besonderer gesellschaftlicher Situationen, Veränderungen sowie demografischer und/oder wirtschaftlicher Faktoren stärker als in anderen Sektoren der beruflichen Bildung durch Schwankungen an Neuzugängen im Übergangssystem ab (vgl. AG 9+1 2022, 21; Konsortium Bildungsberichterstattung 2020, 152, 154). Im fortwährenden Diskurs wird das Übergangssystem unter anderem vor dem Hintergrund von Zuschreibungen als ‚Maßnahmendschungel‘ oder ‚Warteschleife‘ kritisch betrachtet, dessen Wirksamkeit diskutiert sowie auf die mitgeführte defizitorientierte Perspektive verwiesen, die sich dann u. a. auch in den Bildungsplänen niederschlägt (vgl. Braun/Geier 2013, 55; Frehe/Kremer 2015, 10; 2016, 6; Kremer 2020, 173f.; Kremer/Kallenbach/Sprey 2014, 121). Die Bestandsaufnahme seitens der Arbeitsgruppe zu Handlungserfordernissen im Übergangssystem ist dann durchaus nachvollziehbar, wenn auch nicht überraschend: So wird u. a. hervorgehoben, dass die Funktion des Übergangssystems unterschiedlich verstanden wird, die Bewertung der Wirkung dieser Maßnahmen problematisch, das System durch die Vielfalt der Maßnahmen unübersichtlich und das Übergangssystem negativ konnotiert ist, wodurch Chancenverbesserungen weniger in den Fokus rücken (vgl. AG 9+1 2022, 21ff.). Die Defizitorientierung wird auch über jene Zuschreibungen deutlich, die als Begründung herangezogen werden, warum Jugendliche in das Übergangssystem münden. Hier wird den jungen Menschen zugesprochen, dass sie keinen Anschluss auf dem Arbeitsmarkt gefunden haben, weil ihnen die notwendige Ausbildungsreife fehlt und sie somit den Anforderungen der Arbeitswelt nicht gerecht werden (vgl. Kohlrausch/Solga 2012, 753). Hierdurch wird ein gescheiterter Übergang als ein individuelles Defizit ausgelegt, was letztlich die jungen Menschen für die Folgen i. S. eines ‚persönlichen Scheiterns‘ verantwortlich macht (vgl. Fasching/Tanzer 2022, 46). Das verkennt dann jedoch auch den Blick auf strukturelle Defizite des Übergangssystems bzw. vielmehr des Berufsbildungssystems, da es bisher nicht gelungen ist, entsprechende Angebote für alle Jugendlichen zu schaffen. Dagegen hat sich schrittweise neben den Ausbildungsstrukturen ein Sektor in Form des Übergangssystems etabliert (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, 79).

Die Arbeitsgruppe 9+1 plädiert dafür, dass das Übergangssystem als Chancenverbesserungssystem zu verstehen ist. Ein Übergangssystem gefasst als Chancenverbesserungssystem setzt dann „an den individuellen Potenzialen an, ist dualisiert, macht Lernfortschritte sichtbar und ist durch regionale Zusammenarbeit geprägt.“ (AG 9+1 2022, 24). Dies ist mit der Forderung verbunden, die Akzeptanz des Übergangssystems zu verbessern (vgl. AG 9+1 2022, 24f.). Offen bleibt hier, auf was sich die Chancenverbesserung bezieht, d. h. inwieweit und wofür bzw. für welche Zielperspektive Chancen verbessert werden sollen. Soll damit eine eigenständige Funktion eines Übergangssektors gestärkt und differenziert werden oder steht weiterhin die ergänzende Funktion zwischen den Systemen im Vordergrund? Zudem ist zu fragen, wie sich einzelne Maßnahmen ausgestalten sollen. Hier besteht bspw. der Bedarf ein systematisches Übergangsmanagement aufzubauen (siehe zur Bedeutung des Übergangsmanagements u. a. Oehme 2018). Hier ist zu fragen, ob hierüber nicht eher eine funktionalistische und weniger eine auf das Individuum ausgerichtete Perspektive zum Ausdruck kommt. Unklar ist zudem, welche Anforderungen berufliche Lebenswelten stellen, inwiefern Jugendliche Teilhabe erfahren können und wie dies zu bewältigen ist. Zu fragen wäre dann, wie ein Chancenverbesserungssystem gestaltet sein kann, welchen Stellenwert hier Beruflichkeit erfährt und wo konkret anzusetzen wäre.

In unserem Beitrag stellen wir daher zunächst theoretisch-konzeptionelle Überlegungen dahingehend an, welche Zielsetzungen an ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge herangetragen werden. Hier wird exemplarisch der Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung (AV) in NRW als berufsvorbereitende Maßnahme aufgenommen und u. a. die curricularen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen aufgearbeitet. Somit liegt der Fokus auf einem konkreten berufsvorbereitenden Bildungsgang, wodurch wir hier nicht anstreben, übergreifend für alle Maßnahmen des Übergangssystems Aussagen zu treffen, sondern exemplarische Anknüpfungspunkte aufzuzeigen, die aus unserer Sicht durchaus eine übergreifende Bedeutung besitzen. Anschließend werden Anforderungen und Veränderungen der Arbeit mit Fokus auf die Berufsausbildung betrachtet. Damit wird nicht der Anspruch verfolgt, alle Anforderungen der Arbeitswelt aufzunehmen, sondern über die darauf bezogenen Veränderungen in der Ausbildung eine Annäherung vorzunehmen. Diese Überlegungen führen wir zusammen und gehen der Frage nach, was Bildung vor dem Hintergrund beruflicher Teilhabe leisten muss bzw. vor welchen Herausforderungen die Ausrichtung als Chancenverbesserungssystem steht. Dem folgt ein Perspektivwechsel aus einer anforderungsorientierten Betrachtungsweise hin zu der Sichtweise auf die Jugendlichen der AV. Wir werden hier den Blick auf Selbstinszenierungspraktiken der Jugendlichen richten und über diesen Zugang grundlegende Handlungsformen, aber auch Herausforderungen von Jugendlichen aufnehmen. Dafür skizzieren wir, welche Relevanz hier Selbstinszenierung einnimmt und was es bedeutet, wenn der Blick auf die Praktiken der Jugendlichen gelegt wird. Über die Arbeit an Fallbeispielen aus qualitativen Interviewstudien mit Schüler*innen und Bildungsakteur*innen der AV wird vor diesem Hintergrund eine Perspektive auf die Jugendlichen des Übergangssystems eröffnet und ein Referenzpunkt zur weiterführenden Diskussion von Lern- und Handlungsmöglichkeiten in ausbildungsvorbereitenden Bildungsgängen geschaffen. Abschließend diskutieren wir unter Rückgriff auf diese Bezugspunkte eine Ausrichtung ausbildungsvorbereitender Bildungsgänge als Chancenverbesserungssystem.

2 Ausbildungsvorbereitung und Anforderungen der Arbeitswelt

Den Kontext bildet hier der Bildungsgang der AV in NRW, welcher nachfolgend mit Blick auf die curricularen, bildungspolitischen und didaktischen Rahmenbedingungen sowie gestellten Anforderungen an die Zielgruppe bestimmt wird. Als mögliche Zielperspektive wird hier der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung betrachtet, weswegen der Blick auf (sich verändernde) Anforderungen im Rahmen der Berufsausbildung für die Jugendlichen gelegt wird. Zu fragen ist dann, welche Anforderungen hieraus konkret für den Bildungsgang der AV und für dessen Schüler*innen resultieren. Hier wird somit zunächst eine anforderungsorientierte Perspektive mit Blick auf den Bildungsgang, den Berufsausbildungsmarkt und die Zielgruppe aufgenommen.

2.1 Bildungsauftrag der Ausbildungsvorbereitung in NRW

Die aus der Neuordnung des Übergangssektors im Schuljahr 2015/16 entstandene Konzeption der AV ist als landesweites Konzept in NRW zu kennzeichnen, welches der Anlage A nach Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg (APO-BK) zuzuordnen ist (vgl. APO-BK 2021, 9; Kremer 2020, 173; Lengersdorf/Hagemann 2021, 85). Maßnahmen und Bildungsgänge wie die AV sollen dabei u. a. auf die Aufnahme einer regulären Ausbildung vorbereiten (vgl. Kleinert/Jacob 2012, 214). Die Bildungspläne richten sich an bestimmten Berufsfeldern wie Wirtschaft und Verwaltung oder Technik/Naturwissenschaft aus und sollen die Jugendlichen konkret für entsprechende Berufe befähigen (vgl. Frehe/Kremer 2015, 6ff.; Kremer 2020, 174). In der Zielsetzung des Bildungsganges heißt es dementsprechend: „Ziel der Bildungsgänge der Ausbildungsvorbereitung [...] ist der Erwerb von Kompetenzen, die zur Erfüllung fachlicher Anforderungen in einem überschaubaren, klar strukturierten Tätigkeitsbereich führen.“ (MSW 2015, 8). Als Intention lässt sich festhalten, dass den jungen Menschen unter Berücksichtigung ihrer Stärken und Schwächen über die Aufnahme einer Ausbildung der Einstieg in die Berufswelt ermöglicht werden soll (vgl. Buschfeld/Dilger/Fütterer 2016, 5). Hier wird somit einerseits deutlich, dass die jeweiligen Klassen der AV einem bestimmten Berufsfeld zugeordnet werden und andererseits gleichsam auf die Förderung einer grundlegenden beruflichen Orientierung ausgerichtet sind. Über die Reduktion komplexerer beruflicher Anforderungen im Zuge eines überschaubaren Tätigkeitsbereiches wird darauf gezielt, dass die Jugendlichen auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet werden und hierüber der Übergang in die Ausbildung gelingt. Die AV bildet dabei als Bildungsgang am Berufskolleg eine eigenständige Organisationseinheit, welche über Klassen weiter ausdifferenziert werden kann, über die Dauer eines Schuljahres angelegt ist und der Zielsetzung in Form der Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten folgt (vgl. APO-BK 2021, 1; Ciociola/Roos/Oliveira Käppler 2021, 116; Frehe/Kremer 2016, 2; 2018, 239). Übergreifend adressiert die AV somit die Vermittlung berufsbezogener Kompetenzen bei den Schüler*innen zur Aufnahme einer Berufsausbildung, die Ermöglichung einer beruflichen Orientierung sowie den Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschlusses (vgl. Frehe/Kremer 2015, 9). Des Weiteren verweist die Bezeichnung „dualisierte Ausbildungsvorbereitung“ (MSW 2015, 9) auf die Ausrichtung am dualen System der Berufsausbildung, was sich in der Orientierung an Anforderungssituationen und dem zugrundeliegenden Kompetenzverständnis widerspiegelt (vgl. Kremer 2020, 174). Mit Blick auf die curriculare Struktur im Bildungsplan der AV heißt es weiterhin: „Der Unterricht in den Bildungsgängen der Ausbildungsvorbereitung ist nach Lernfeldern und Fächern organisiert, die einem berufsbezogenen Lernbereich, einem berufsübergreifenden Lernbereich und einem Differenzierungsbereich zugeordnet sind.“ (MSW 2015, 9). Dem ist zu entnehmen, dass sich hier Ansätze des Lernfeldkonzeptes wiederfinden. Die Ausrichtung nach Lernfeldern ist dabei aus dem dualen System heraus motiviert, wobei in der AV über eine Angleichung der Anforderungssituationen die Komplexität reduziert wird (vgl. Kremer/Kallenbach/Sprey 2014, 127). Übergreifend ist hier somit u. a. auf Ebene der Bildungspläne eine starke Ausrichtung am dualen System erkennbar.

Mit Blick auf die Zielgruppe der AV wird weiter festgehalten, dass hier Schüler*innen adressiert werden, „die in der Regel ihre Schulzeit in der Sekundarstufe I beendet haben und noch nicht über die erforderlichen Kompetenzen zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung verfügen“ (MSW 2015, 9). Letzteres bezieht sich auf die bereits angesprochene ‚fehlende‘ Ausbildungsreife, die neben den Defiziten in den Basiskompetenzen und einer nicht hinreichenden Berufsorientierung bei den Schüler*innen der AV angenommen wird. Ausbildungsreife meint das Vorhandensein grundlegender Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit einer Person sowie das Erfüllen der Mindestkriterien für den Einstieg in eine Berufsausbildung, wobei der problemhafte Charakter des Begriffes darüber deutlich wird, dass weder ein konkreter Bezug zu einem Berufsfeld noch eine Konkretisierung dieser Mindestanforderungen erfolgt (vgl. Neß 2007, 96). Ziel der Didaktik der AV wäre vor diesem Hintergrund dann nicht mehr in erster Linie Bildung, sondern Employability (vgl. Tafner 2018, 56). Auch bei der Forderung des Nachholens fehlender Basiskompetenzen durch die Jugendlichen bleibt unklar, was genau der Bezugspunkt für dieses Mindestmaß an Kompetenzen darstellt (vgl. Frehe/Kremer 2015, 20). Allgemein bezieht sich die Förderung der Basiskompetenzen auf formale Anforderungen im Rahmen sprachlicher und mathematischer Fähigkeiten sowie auf den Ausbau sozialer Bezugsnormen wie bspw. Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit bei den Schüler*innen (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 2012, 55; Frehe/Kremer 2016, 12). Mit Blick auf die Berufsorientierung ist bedeutend, dass der dahinterliegende Prozess als lebenslange Aufgabe der immer wiederkehrenden Neu- und Umorientierung verstanden wird und für die Jugendlichen selbst als Entwicklungschance aufzufassen sowie didaktisch aufzubereiten ist (vgl. Eckert 2006, 153; Kremer/Rüschen 2010, 164). Fehlende Berufsorientierung wird dann u. a. darüber proklamiert, dass die Schüler*innen den Bildungsakteur*innen gegenüber unrealistische Berufswünsche äußern (vgl. Frehe/Kremer 2015, 15; 2018, 246; Kremer 2020, 175). Diese Faktoren stellen exemplarische Anforderungen dar, die an die Jugendlichen gestellt werden und sind im gleichen Zug Schwerpunktthemen, die in der Bildungsgangarbeit aufgenommen werden. Überlegungen zur Didaktik der AV verweisen darauf, dass die Jugendlichen bei der Gestaltung der Lernumgebung und im Gesamten bei Fragen der Bildungsgangarbeit in das Zentrum zu rücken sind, was die individuellen Bedürfnisse sowie Voraussetzungen der Lernenden zum Ausgangspunkt macht (vgl. Frehe/Kremer 2015, 3). Das schließt das Verfolgen von Prinzipien und Ansätzen wie einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung, der Stärkenorientierung und der Selbstbestimmung der Schüler*innen ein (vgl. Frehe-Halliwell/Kremer 2019, 151; Frehe/Kremer 2015, 16).

Insgesamt wird hierüber deutlich, dass eine überwiegend defizitorientierte Sichtweise auf die Zielgruppe in Bezug auf deren berufliche Ausbildung vorliegt und der Fokus darauf verkürzt wird. Es wurde bereits einführend darauf verwiesen, dass die AV damit den Veränderungsdruck aus dem beruflichen Ausbildungssystem nimmt. Der Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung zielt damit insgesamt auf eine Stärkung einer beruflichen Teilhabe und Integration in berufliche Ausbildung, gleichermaßen ist er mit der Gefahr verbunden, dass über die AV Jugendliche in einem exkludierenden Format zusammengeführt werden und eine Inklusion über diese Strukturen genau verhindert wird. Auch zeigt sich dann mit Blick auf die formalen Anforderungen in Form des Erlangens von Basiskompetenzen und Ausbildungsreife und den Prinzipien für eine Didaktik der AV ein Spannungsverhältnis zwischen Individualisierung und Standardisierung. Eine zentrale Perspektive für die Jugendlichen stellt dabei der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung dar. Nachfolgend wird daher betrachtet, welche Veränderungen und Einflüsse auf die Berufsausbildung vor dem Hintergrund der sich wandelnden Gesellschaft und dynamischer Veränderungsprozesse für den Übergang Schule-Beruf, das Übergangssystem und die Zielgruppe eine Bedeutung entfalten.

2.2 Anforderungen der Arbeitswelt: Veränderung der Ausbildung?! 

Das Duale System der beruflichen Ausbildung bildet den quantitativ größten Sektor des beruflichen Bildungssystems (vgl. Kleinert/Jacob 2012, 214). Dieses System gibt somit die Rahmenbedingungen für insgesamt 324 anerkannte Ausbildungsberufe in den Bereichen Industrie, Handwerk, öffentlichen Dienst, Hauswirtschaft, Landwirtschaft, Seeschifffahrt und in ‚Freien Berufen‘ in Deutschland vor, wobei der Industrie- und Handelssektor die meisten abgeschlossenen Ausbildungsverträge verzeichnet (vgl. BIBB 2021; Christ et al. 2022, 21). Seit den 80er- und 90er-Jahren ist dabei der Trend zu erkennen, dass die Chancen auf einen Ausbildungsplatz für Schüler*innen mit Hauptschul- und Realschulabschluss im Vergleich bspw. zu Abiturienten sinken (vgl. Kleinert/Jacob 2012, 223). Überraschend ist dabei nicht, dass neben dem erworbenen Abschluss auch Ungleichheiten auf Ebene regionaler, ethnischer und sozialer Herkunft für den Zugang zum Ausbildungsmarkt eine Rolle spielen (vgl. Ulrich 2011, 4). Dabei sind berufliche Ordnungen fortlaufend in Bewegung und im Zuge des wirtschaftlichen Wandels verschwinden Berufe, werden weniger nachgefragt oder entstehen neu (vgl. Schicke 2014, 88), wobei sich bei einzelnen Berufen innerhalb aufeinanderfolgender Berichtsjahre große Nachfrageschwankungen zeigen können (vgl. BMBF 2023, 52). Seit 2009 ist bspw. die Anzahl der anerkannten Ausbildungsberufe von 349 auf 325 gesunken, wobei bspw. vorwiegend Berufe mit einer Ausbildungsdauer von 2 Jahren weggefallen sind (vgl. BIBB 2019, 79, 82; 2022, 61). Dagegen ist die Anzahl der Ausbildungsberufe mit Zusatzqualifikationen – vorrangig im Bereich der Metall- und Elektroberufe – im Jahr 2018 stark gestiegen, um den veränderten Ausbildungsbedarfen aufgrund der Digitalisierung gerecht zu werden (vgl. BIBB 2019, 80). Der Anpassungsdruck durch die Digitalisierung zeigt sich u. a. auch darin, dass zwischen 2009 und 2021 147 Berufe modernisiert und 7 neue Berufe geschaffen wurden (vgl. BIBB 2019, 83; BIBB 2022, 63). Das ist eine Entwicklung, die allerdings für die berufliche Bildung nicht vollständig neu ist. Inwieweit auch besondere gesellschaftliche Situationen einen Einfluss auf den Ausbildungsmarkt haben, wird bspw. im Jahr 2020 deutlich, welches nicht nur von dem Beginn der Corona-Pandemie geprägt ist, sondern sich daraus folgend auch ein Einbruch im Ausbildungsmarkt abzeichnet (vgl. Christ et al. 2022, 6). Das zeigt sich u. a. in der steigenden Anzahl an unbesetzten Ausbildungsstellen: So verzeichnete der Berufsbildungsbericht 2013 noch 33.275 offene Ausbildungsstellen (vgl. BMBF 2013, 10). Dahingegeben sind es 2019 bereits 53.137 und 2022 sogar 68.868 unbesetzte Stellen, was hier einen ansteigenden Trend erkennen lässt (vgl. BMBF 2023, 46; 2022, 44). Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Ausbildungssuchenden in diesem Zuge auch einen Platz auf den Ausbildungsmarkt erhalten haben. Dabei ist es auch wenig überraschend, dass ein Großteil der ‚erfolglosen‘ Bewerber*innen über einen mittleren Abschluss (37,4%) oder einen Hauptschulabschluss (30,1%) verfügen (vgl. Christ et al. 2022, 13). Bewerber*innen ohne einen Abschluss nehmen hier mit etwa 2% augenscheinlich nur einen geringen Anteil an der Grundgesamtheit ein, wobei das darauf zurückzuführen ist, dass viele dieser Jugendlichen direkt in berufsvorbereitende Bildungsgänge wie die AV mit dem Ziel der Förderung der Ausbildungsreife münden (vgl. BA 2022, 13).

Gleichsam wird deutlich, dass der Ausbildungsmarkt von steigenden Passungsproblemen zwischen Jugendlichen und den Betrieben bedingt wird. Die einzelnen Sektoren sind dabei unterschiedlich stark von Besetzungsproblemen mit Blick auf die jeweiligen Ausbildungsberufe betroffen. Seit den 1980er-Jahren nimmt dabei in Deutschland der Dienstleistungssektor zwar im Rahmen des Beschäftigungs- und Ausbildungssystems vermehrt eine dominierende Rolle ein, jedoch zeigt sich derzeit insb. bei den primären Dienstleistungen (u. a. bewirten, lagern, reinigen, transportieren) ein Rückgang an besetzten Ausbildungsstellen (vgl. BIBB 2019, 128f.). „Die stärksten Rückgänge an Arbeitsplätzen […] [werden] in den Berufshauptgruppen ‚(62) Verkaufsberufe‘, ‚(51) Verkehr und Logistik‘, ‚(52) Führer von Fahrzeug und Transportgeräten‘ sowie bei den ‚(54) Reinigungsberufen‘“ erwartet (BIBB 2019, 426), was somit den primären Dienstleistungssektor betrifft. Diese Berufsgruppen weisen zudem aufgrund der vorwiegend monotonen Tätigkeiten ein hohes Ersetzungspotenzial durch digitale Technologien auf (vgl. BIBB 2019, 426). Ergänzend hierzu ist es dann auch naheliegend, dass im Bereich Verkauf im Lebensmittelhandwerk (40,6%) die höchsten Anteile an unbesetzten Ausbildungsstellen vorliegen (vgl. BMBF 2019, 36) – 2012 lag dieser Beruf immerhin noch auf Platz 9 von 25 der am häufigsten von jungen Frauen besetzten Berufe und der Anteil unbesetzter Ausbildungsplätze lag bei 22,1% (vgl. BMBF 2013, 19). Daneben sind in einigen Regionen Versorgungsprobleme in Bezug auf bestimmte Ausbildungsberufe ausgeprägter, was ebenfalls Passungsprobleme zur Folge hat. Passungsprobleme könnten hier durch ein gesteigertes Mobilitätsverhalten der Jugendlichen überwunden werden, wobei eher Potenziale für jene Jugendlichen vorliegen, die bereits höhere Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufweisen und eher Grenzen für jene Jugendlichen entstehen, die bislang keinen Anschluss auf dem Arbeitsmarkt finden konnten (vgl. Christ et al. 2022, 16). So kann für Jugendliche mit sozial wie finanziell schwächeren Bedingungen und/oder geringeren Qualifikationen ein Ortswechsel für die Aufnahme einer Ausbildung mit größeren Herausforderungen verbunden oder schlichtweg nicht zu leisten sein.

Insgesamt zeigt sich eine scheinbar widersprüchliche Entwicklung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt: Betriebe stehen zunehmend vor der Herausforderung Ausbildungsplätze zu besetzen und gleichwohl gelingt vielen Jugendlichen der Übergang von der Schule in die Ausbildung nicht, was auf die Problematik einer notwendigen Annäherung von Angebots- und Nachfrageseite hindeutet (vgl. BMBF 2019, 29). Daneben führt die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft dazu, dass der Strukturwandel verstärkt wird, was wiederum bewirkt, dass repetitive Tätigkeiten automatisiert werden, Flexibilität und Spontanität in der Arbeitswelt an Bedeutung gewinnen und jene Arbeitsstellen wegfallen, die von Maschinen übernommen werden können (vgl. BMBF 2019, 27ff.). Hiermit gehen dann auch veränderte Anforderungen an Ausbildungsinhalte, an das Lehrpersonal und an die Schüler*innen einher (vgl. BMBF 2019, 27ff.). Jugendliche stehen damit zunehmend vor veränderten Anforderungen der Arbeitswelt, sind auf Veränderungen in Karriere-, Ausbildungs- und Arbeitsverläufen vorzubereiten und hier aufgefordert, derartige Prozesse selbsttätig und -bestimmt vorzunehmen. Handeln können zeigt sich im Kontext der Transformation beruflicher Lebenswelten dann als eine grundlegende Fähigkeit.

2.3 Kritische Diskussion: Einschätzung des Übergangssystems

Krisen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen somit auf unterschiedlichen Ebenen auch das System der Berufsausbildung, das Angebot an Ausbildungsplätzen und nicht zuletzt auch den Übergang von der Schule in den Beruf (vgl. Pätzold 2004, 593). Die Integration von Jugendlichen in das Ausbildungssystem zeigt sich anhaltend als herausfordernd und kann aktuell kaum über Anpassungen im Ausbildungssystem bewältigt werden. Die Etablierung und Institutionalisierung eines Übergangsbereichs resp. ausbildungsvorbereitenden Sektors federt notwendige Veränderungen und Reformen in den angrenzenden Systemen ab. Berufsbildende Schulen und Bildungsgänge wie die AV im Speziellen sollen dabei „die Integration von (benachteiligten / zeitweise und permanent förderbedürftigen /‚normalen‘ / hochbegabten,...) Jugendlichen in den Arbeitsmarkt sowie ihre Weiterqualifizierung und Akademisierung […] fördern.“ (Göttsche 2016, 2). Hiermit wird demnach ein zentraler Bildungsauftrag im Rahmen gesellschaftlicher Teilhabe adressiert und aus dem Berufsausbildungssystem herausgenommen (auch wenn die AV formal dem Bereich der schulischen Berufsbildung zugeordnet wird). Eine Zielperspektive gesellschaftlicher Teilhabe und Subjektentfaltung kann dabei in der Wahl und Ausübung eines Berufes gesehen werden. Sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt u. a. durch Anforderungen an höhere Bildungsabschlüsse und den Wegfall theoriereduzierter zweijähriger Ausbildungen können dabei jedoch insb. die Jugendlichen in Maßnahmen des Übergangssystems treffen, was Selektions- und Exklusionsrisiken verstärken kann. Die aufgeführten Veränderungen im Ausbildungsmarkt zeigen somit, dass eine nicht unbedeutende Gruppe der Ausbildungsplatzsuchenden von regionalen, branchenspezifischen und/oder anforderungsbezogenen Passungsproblemen betroffen ist und sich gleichsam der in letzter Zeit viel diskutierte Fachkräftemangel als eine Folge dieser Entwicklungen zeigt. Hier kann die Angst gesellschaftlich nicht mehr einbezogen oder gebraucht zu werden, u. a. dazu führen, dass sich Menschen an für sie ungeeignete Bedingungen anpassen (vgl. Keupp 2013, 55). Wenig überraschend ist an dieser Stelle, dass das Spannungsfeld zwischen funktioneller Anpassung des Individuums und seiner Subjektentfaltung für die Berufsbildung und insb. für den Übergang Schule-Beruf bezeichnend ist (vgl. Schapfel-Kaiser 1998, 128). Walther/Stauber (2018) halten hierzu fest: „Adressaten und Adressatinnen sollen wollen, was sie sollen. Jugendliche sollen Berufswünsche entwickeln, die auf lokalen Ausbildungsmärkten verfügbar sind und für die es keine Bewerber mit höheren Bildungsabschlüssen gibt. Sie sollen akzeptieren, dass das, was sie sollen, gut und realistisch für sie ist, weil es zu ihnen passt – bzw. zu ihrem im Bildungssystem her- und festgestellten Leistungsvermögen“ (914). Folgen sie diesem Anspruch nicht, so gilt dies – überspitzt gesprochen – als Scheitern in ihrer Lebens- und Berufsbiografie. Hier wird ein funktionalistischer Anpassungscharakter deutlich, wobei nicht die Bedürfnisse des Individuums im Fokus stehen, sondern die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitsmarktes den Ausgangspunkt bilden. Auch zeigt sich bei der Betrachtung der AV ein scheinbarer Widerspruch, indem bei den Jugendlichen eine fehlende berufliche Orientierung angenommen und demnach über den Besuch des Bildungsganges erlangt werden soll, gleichsam aber ein Mindestmaß an beruflicher Orientierung zur Wahl der jeweiligen beruflichen Fachrichtung (bspw. Gesundheit und Soziales, Wirtschaft und Verwaltung, etc.) vorausgesetzt wird. Vor dem Hintergrund des andauernden Wandels der Arbeit kann durchaus die Frage aufgeworfen werden, ob das Festhalten an tradierten Mustern einer Normalbiografie – Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung gefolgt von langjähriger Berufstätigkeit im erlernten Beruf – als Maßstab für heutige Übergangsprozesse immer noch geeignet erscheint (vgl. Rademacker 2012, 368). Gleichsam verkennt diese Ausrichtung, dass die unterschiedlichen Phasen vielmehr iterativen denn linearen Abläufen folgen und der Wechsel von der schulischen zur beruflichen Lebenswelt eine hohe Komplexität aufweist (vgl. Fasching/Tanzer 2022, 30). Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und die Integration dieser in Lernprozesse bietet dabei Potenziale für die Heranwachsenden zur Aufrechterhaltung individueller Handlungsfähigkeit in Übergangssituationen, in denen die subjektive Orientierungsfähigkeit bedroht und gleichsam gefordert wird (vgl. Schapfel-Kaiser 1998, 130). Hier wird auf die Bedeutung der bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebens- und Berufsweg sowie dem Selbst für die individuelle Orientierungsfähigkeit in der Gesellschaft hingewiesen. Auf Grundlage dieser Überlegungen sind zunächst folgende kritische Punkte festzuhalten:

3. Die individuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie wird zur Farce: Diese individuellen Auseinandersetzungen können dabei nicht wirklich eine Auswirkung für die Jugendlichen haben, da das System nach der Fachkräftesicherung und nicht nach der individuellen Entwicklung eingestuft wird.

Weiterhin gelten „Veränderungsbereitschaft, Individualität und Lernfähigkeit […] [als] die neuen Tugenden postindustrieller Gesellschaften“ (Schicke 2014, 86), welche dann von jenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gefordert werden, die ihren Platz auf dem Ausbildungsmarkt suchen. Resultierende Anforderungen der Veränderungen und digitalen Transformationsprozesse fordern zudem vermehrt Selbstständigkeit in Entscheidungen, Orientierungen und Handlungen bei Individuen (vgl. Kremer 2020, 172). Handeln können bedeutet dann, dass junge Menschen in der Lage sind, eigene „Vorstellungen und Perspektiven mit den Anforderungen und Möglichkeiten sich wandelnder beruflicher Handlungsfelder“ (Kremer 2020, 172) zusammenzuführen. Berufliche Bildung hat dabei die Aufgabe die Lernenden auf berufliche Anforderungen und deren Bewältigung vorzubereiten. Wenn das Verfolgen dieser Zielsetzung u. a. über den Unterricht in Lernfeldern und somit über die Ausrichtung dieser an „ausbildungsrelevante[n] berufliche[n], gesellschaftliche[n] und individuelle[n] Zusammenhänge[n] unter dem Aspekt der Entwicklung [...] [umfassender beruflicher] Handlungskompetenz“ (KMK 2021, 32) ernst genommen wird, dann ist durchaus zu fragen, inwieweit diese Anforderungen hierüber hinreichend aufgenommen, adressiert und vermittelt werden können.

Der Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt stellt neben einer existenziell entscheidenden Risikosituation eine Herausforderung für die Individuen dar, in denen sie das individuelle Selbstkonzept, etablierte Rollen, biografische Muster, bestehende Beziehungen, usw. verlassen, hinterfragen, verändern und/oder neu aufbauen müssen (vgl. Fasching/Tanzer 2022, 27; Winkler 2008, 71f.). Das weist auf den individuellen Charakter dieser Übergangsphasen und die Bedeutung als persönlichen Entwicklungsprozess für das Individuum hin. Die Übergangsphase kann dabei für die jungen Menschen in jedem Fall als riskant angesehen werden und erfordert vielfältige Bedarfe an Unterstützung, wobei auch die Sinnhaftigkeit dieses Übergangs eine zentrale Rolle einnimmt (vgl. Winkler 2008, 72.). So erscheint es bspw. für Jugendliche wenig sinnvoll, irgendeine berufliche Schule zu besuchen und irgendeinen Übergang in eine beliebige Ausbildung zu machen – insb. dann, wenn sich die jeweilige Schule selbst nur als ‚Auffangbecken‘ versteht (vgl. Eckert 2006, 156). Auch scheint die vermehrt defizitorientierte Sichtweise insb. vor dem Hintergrund der geforderten Subjektorientierung wenig zielführend. So sorgt das Verständnis des Besuches der AV im Rahmen einer Nachqualifizierungsfunktion und die Defizitorientierung mit Blick auf die Zielgruppe u. a. dafür, dass die Ausrichtung am Individuum aus dem Blick gerät. Demnach können ergänzend folgende Aussagen aufgenommen werden:

4. Jugendliche und junge Erwachsene im Übergangssystem sind auf selbsttätiges ‚Handeln können‘ vorzubereiten: Zukünftige Anforderungen fordern vermehrt, dass Individuen in der Lage sind, selbstständig und flexibel zu handeln. Das Berufsbildungssystem hat die Aufgabe, die Schüler*innen darauf vorzubereiten, wodurch es notwendig ist, die Strukturen u. a. dahingehend zu befragen, inwieweit diese hinreichend sind, um künftige Anforderungssituationen aufzunehmen und auf diese vorzubereiten. 

5. Übergänge sind nicht als funktionell, sondern als individuell zu verstehen: Bislang werden der individuelle Charakter von Übergängen und damit die Bedeutung als persönliche Entwicklungsprozesse nicht hinreichend aufgenommen. Die Wahrnehmung der AV als ‚Auffangbecken‘ und die transportierte Defizitorientierung verstärken diesen Effekt.

3 Selbstinszenierung und Einblicke in Perspektiven der Akteur*innen

Nachfolgend wird zunächst die Bedeutung von Selbstinszenierung für den Übergang Schule-Beruf herausgestellt. Der Blick wird hier auf die Praktiken der Jugendlichen im Zuge ihrer individuellen Selbstinszenierung gelegt, wobei wir die Potenziale dieser speziellen Perspektive kurz skizzieren werden. Anschließend eröffnen wir über qualitative Fallstudien Einblicke darin, wie Schüler*innen der AV sich selbst bzw. ihr Selbstkonzept wahrnehmen und welchen Eindruck Bildungsakteur*innen zu vermittelten Selbstbildern und Formen der Selbstinszenierung äußern.[2]

3.1 Zur Bedeutung von (Praktiken der) Selbstinszenierung

Überlegungen zur Didaktik der AV – wie bereits in Kapitel 2.1 kurz angerissen – heben die Bedeutung des Verfolgens von Prinzipien der Stärkenorientierung sowie von Verfahren der entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung und der Ermöglichung der Selbstbestimmung der Lernenden hervor. Im laufenden Projekt SeiP (Selbstinszenierungspraktiken als Zugang zu einer selbstbestimmten, multimodalen Kompetenzfeststellung für (aus-) bildungsbenachteiligte Jugendliche) sollen die Jugendlichen durch den Zugang über Selbstinszenierungspraktiken im Zuge offener und kreativer Selbstdarstellungs- und Erhebungsformate dabei unterstützt werden, ihre individuellen Stärken zu entdecken, zu dokumentieren und nutzbar zu machen (vgl. Cevet SeiP, o. J.). Maßnahmen im Rahmen dieser entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung, die selbst zum Lern- und Entwicklungsprozess werden soll, zielen u. a. darauf ab, hierüber Jugendliche der AV für den Übergang in die Berufs- und Arbeitswelt zu stärken (vgl. Cevet SeiP, o. J.).

Wie bereits angedeutet, sind Übergangsprozesse dabei für die Jugendlichen auch gleichsam als riskante Phasen zu kennzeichnen, wobei Selbstinszenierung in diesen komplexen Situationen sozialen, kulturellen und ästhetischen Halt bieten kann, indem hierüber u. a. Ressourcen wie Handlungsfähigkeit generiert werden können (vgl. Stauber 2004, 53; 2001, 123). Selbstinszenierungen sind dabei zunächst als Ausdrucksformen auf Ebene der Selbstdarstellung in Bezug bspw. auf den realen Körper und/oder auf virtuelle Medien zu charakterisieren, die die individuelle und/oder kollektive Darstellung des Selbst adressieren (vgl. Stauber 2004, 52; 2001, 119). Als Medien der Selbstdarstellung können der Körper, die Kleidung, die Sprache sowie text-, bild- und audiobasierte digitale soziale Medien gefasst werden (vgl. Schwabl 2020, 91-97). Entgegen einer alltagssprachlichen Bedeutung von Inszenierung i. S. einer Verzerrung der Wirklichkeit – bspw. in sozialen Medien (s. hierzu Kürzinger 2016, 110) – heben wir den authentischen Charakter von Selbstinszenierung hervor. Demnach geht es bei Selbstinszenierung grundlegend um eine Darstellung gegenüber dem sozialen Umfeld, was gleichsam die Vermittlung eines bestimmten Selbstausdruckes in Verknüpfung mit u. a. Rollen, Attributen, Berufskontexten, usw. einschließt (vgl. Villa 2007, 14). Für die Jugendlichen wären hier bspw. folgende Fragen zentral: Wer bin ich? Was sind meine Interessen und Stärken? Wie möchte ich diese gegenüber anderen (kreativ) darstellen? Was möchte ich von mir preisgeben? Wie nehmen andere meine Selbstinszenierung wahr? Wie möchte ich wahrgenommen werden?

Selbstinszenierung kann vor diesem Hintergrund als Möglichkeit zur Aufschlüsselung unterschiedlicher Selbstentwürfe aufgefasst werden, die im Zuge individueller Lebenswelten die Erprobung des Möglichen und Anders-sein-Könnens eröffnet (vgl. Schachtner 2018, 4). Hier wird u. a. deutlich, dass Selbstinszenierung nicht als isolierte Handlungsform verstanden wird, sondern eng mit den Handlungspraktiken der Jugendlichen verbunden ist, was bedeutet, dass auch die Art, wie Selbstinszenierungen vom Umfeld rezipiert werden, eine bedeutende Rolle einnimmt. Hier geht es – entgegen der in Kapitel 2 angedeuteten funktionalistischen Perspektive – darum, dass Rezeptionsformen der Umwelt mitgedacht und Entwicklungsprozesse angeregt werden. Unter Selbstinszenierung und deren Praktiken werden somit u. a. die Erkundung sowie das Aufdecken von Stärken, Potenzialen, Zielen und Interessen sowie deren Verankerung in möglichen Lebensweltkontexten gefasst, was letztlich auch den Einbezug informeller Kontexte zur Ermöglichung der Erkundung eigener Lebenswelten einschließt (vgl. Frehe 2009, 1f.; Lippegaus-Grünau/Voigt 2013, 71). Wir verstehen hier Selbstinszenierungspraktiken in erster Instanz als soziale Praktiken (zur Theorie sozialer Praktiken siehe u. a. Reckwitz 2003) und richten damit bewusst den Blick auf diese. Die Perspektive auf Praktiken bedeutet dann, dass einerseits eine defizitorientierte Sichtweise vermieden wird, indem der Blick auf die Handlungspotenziale sowie Stärken der Lernenden gerichtet wird, und andererseits eine praxeologische Perspektive eben jenen Zugang zu den Lebenswelten der Jugendlichen eröffnen kann (vgl. Budde/Rißler 2022, 144; Kremer 2020, 179). Praktiken können dabei – u. a. aufgrund des Verständnisses als fundamental sozial (vgl. Schatzki 2016, 30) – nicht losgelöst von den Umgebungsbedingungen betrachtet werden. Überlegungen zur inklusiven Gestaltung des Übergangs müssen demnach ebenfalls die Einflussnahme auf die Veränderung dieser Bedingungen in den Blick nehmen, um kein funktionalistisches Verständnis von Selbstinszenierung – d. h. die Anpassung von Jugendlichen mit Herausforderungen am Übergang Schule-Beruf – zu befördern. Jugendliche der AV sollen vielmehr die Gelegenheit erhalten, Praktiken der Selbstinszenierung zu gestalten, und hierüber Selbstbestimmung in den Übergangsprozessen erfahren. Pointiert kann hier festgehalten werden, dass der Zugriff über Selbstinszenierungspraktiken verdeutlicht, dass nicht nur die Entwicklung der Jugendlichen im Zentrum steht, sondern Praktiken auch sozial verankert sind und in gewisser Weise zugelassen werden müssen, was dann dementsprechend auch eine Entwicklung der Umgebungsbedingungen erfordert. Genau hier zeigen sich aktuell deutlich Gestaltungsgrenzen von Bildungsmaßnahmen zur AV. Die folgenden Perspektiven der Jugendlichen lassen hier erkennen, dass die Ermöglichung entsprechender realisierbarer Praktiken erforderlich erscheint.

3.2 Perspektive der Jugendlichen: Selbst und Beruf 

Zunächst wird ein Einblick in die Sichtweise der Jugendlichen geboten. Die Studie, die die Sichtweise der Jugendlichen aufgenommen hat, wurde im Rahmen einer Masterarbeit (s. Otto 2022) durchgeführt. Diese folgte der Motivation, entgegen der zumeist aus Fremdperspektive versuchten Klassifizierung der Zielgruppe (vgl. Schwabl 2020, 33) eine subjektive Perspektive durch die Schüler*innen zu erheben. Hierfür wurden 7 leitfadengestützte qualitative Tiefeninterviews (vgl. Bock 1992, 90) (Dauer: 40-67 Minuten) mit Jugendlichen aus einer AV an einem Berufskolleg in NRW im November 2021 geführt, die um visuelle Impulse in Form von Sketchnotes (s. hierzu Kückmann/Kundisch 2021a; b) ergänzt wurden, um einen anderen Zugang zum Selbstausdruck zu eröffnen. Über diese visuell gestützten Interviews konnten so Einsichten in die Innensicht der Jugendlichen erhoben werden. Gleichsam konnte auf die Ergebnisse dieser Studie auch im Projekt SeiP – u. a. in Diskursen mit Praxisakteur*innen – Rückgriff genommen werden, um eine andere Perspektive auf die Zielgruppe zu eröffnen und diese Einsichten im Kontext der jeweiligen Praxiserfahrungen zu diskutieren. Auf dieser Grundlage wurden für diesen Beitrag Fallvignetten entwickelt, wobei hier ausgewählte Fälle vorgestellt werden sollen. Die nachfolgenden Auszüge aus Fallvignetten von 3 Schüler*innen der AV wurden danach ausgewählt, inwieweit in den Selbstbeschreibungen bereits Schilderungen zu ersten berufliche Erfahrungen identifiziert werden konnten. Hier sind demnach Aspekte u. a. auf Grundlage vorheriger beruflicher Erfahrungen präsent, über die sequenzielle Einsichten in die individuelle Sichtweise der Schüler*innen auf sich selbst und ihre Beruflichkeit eröffnet werden können.

Carla – 18 Jahre: sagt von sich selbst, dass sie oft ein schlechtes Gewissen, eine Tendenz zum Ja-Sagen und, wenn sie etwas falsch macht, negative Gefühle hat. In Anlehnung an das Bild der Sonne, die „immer strahlt […] [e]gal ob Regen oder sowas“, findet Carla, dass sie ein sehr fröhlicher Mensch ist. Auch Traurigkeit spielt in Carlas Leben eine Rolle.

Neben dem Verweis auf Traurigkeit, die in ihrem Leben eine Rolle spielt, sieht sich Carla als fröhlicher Mensch, was sie symbolhaft über die Sonne verdeutlicht. Mit Blick auf ihre Stärken gibt Carla an, stark zu sein, wobei sie hierzu festhält: „Stark bin ich. Das muss ich auch sein! Das muss jeder sein! Vor allem, wenn man […] es schwer hat im Leben, muss man einfach stark sein“. Carla macht hier über das Gegenpaar Fröhlichkeit und Traurigkeit zwei Facetten auf, die ihr Leben prägen, und verweist gleichsam im Zuge ihrer Stärken auf ihre Lebenswelt, die es aus ihrer Sicht erfordert, stark zu sein. Der berufliche Kontext nimmt für Carla – sie arbeitet nebenbei in einem Getränkemarkt – eine bedeutende Rolle in ihrem Leben ein. So sind für sie ihre Kolleg*innen und ihre Chefin schon wie eine Familie geworden. Obwohl sie am ersten Tag verschlafen hat, hat ihre Chefin ihr noch eine Chance gegeben, was dann ihr „Einstieg in die Arbeit“ war. Stolz empfindet sie auch vor allem im beruflichen Kontext. Hier hat sie sich bislang in ihren Fähigkeiten im Auswendiglernen, in ihrer Teamfähigkeit, im Umgang mit Kund*innen und im selbstständigen Arbeiten weiterentwickeln können. Demnach wird hier die persönlich geprägte Bedeutung des Berufsumfeldes für Carla deutlich und ein Beispiel dafür bereitgestellt, wie relevant es sein kann, wenn potenzielle Arbeitgeber*innen sich für diese Zielgruppe öffnen, Potenziale erkennen und Möglichkeiten schaffen.

Florian – 16 Jahre: versteht sich selbst als positiv denkender Mensch. Das macht er daran deutlich, dass wenn jemand sagt, dass etwas nicht zu schaffen ist, er dann sagt: „Doch das schaffen wir jetzt. Wenn wir weiter machen, dann schaffen wir das“. Er ist dabei der Meinung, dass er etwas auch schafft, wenn er es wirklich will. Florian ist zudem für alles, die ganze Welt und den Umstand, dass er hier sein kann, dankbar.

Florian schildert hier seine eigenen Überzeugungen und deckt zudem auf, wie er sein Umfeld bestärken und bei der Bewältigung jeweiliger Anforderungen unterstützen kann. Auch für Florian nimmt der berufliche Kontext – er arbeitet nebenbei in einer Kfz-Werkstatt – eine zentrale Bedeutung ein. Sein Chef vermittelt Florian das Gefühl, wie ein kleiner Sohn zu sein. Hierzu hält Florian fest: „Der will mich auf jeden Fall auch dabehalten. Das finde ich auch toll. Und der gibt sich auch Mühe darum“. Auch hier wird eine persönliche fast familiäre Bedeutung des Berufsumfeldes hervorgehoben, was eine gewisse Bindung zu diesem verdeutlicht, und zudem die Relevanz von Anerkennung im beruflichen Kontext unterstreicht. Für Florian scheint in diesem Zuge zudem nicht unwesentlich, dass sein Chef sich darum bemüht, dass er ihm als Arbeitskraft erhalten bleibt. Seine Stärken begründet er dabei über den beruflichen Kontext. So hält Florian sich u. a. für geduldig, was er beim Schrauben auch braucht, weil es sonst „keinen Sinn“ macht. Seine Zuverlässigkeit macht er über seine Pünktlichkeit auf der Arbeit und die Bereitschaft kurzfristig einzuspringen sowie dann auch verbindlich am Arbeitsplatz zu erscheinen deutlich. Hier kommt u. a. ein starkes Verantwortungsbewusstsein zum Ausdruck. Seine berufliche Zukunft fasst Florian dabei recht flexibel auf: „Ich sag mal, ich mach jetzt Kfz-Mechatroniker. Dann möchte ich das doch nicht mehr werden, dann mach ich das, dann mach ich das“. Hier ist anzunehmen, dass dieser Auffassung nicht unbedingt das Verständnis des Berufs als Lebensberuf oder das Festhalten an einer Normalbiografie zu Grunde liegt.

Giulia – 17 Jahre: sagt von sich, dass sie glücklich ist und verbindet Offenheit gegenüber Menschen damit, dass man für diese da ist. Giulia ergänzt ihre Selbstbeschreibung um folgendes: „Ich bin glücklich und ich ähm (.) kümmere mich gerne um Menschen.“ und weiter „Ich mag es generell mit Menschen. Mit jungen mit alten Menschen. So zu helfen. Das macht mir halt Spaß.“

Hier wird das eigene Verständnis der persönlichen Charaktereigenschaften artikuliert, was zunächst einen Einblick in Giulias Vorstellung davon eröffnet. Zudem geht sie auf ihre persönlichen Interessen ein, auf die hier sicherlich auch eine Referenz im Rahmen der beruflichen Orientierung erfolgen kann. Mit Blick auf ihre Stärken hält Giulia sich für stark, weil sie über den Verlust ihrer „Familie hinweggekommen“ ist. Auch hier wird ein Bezug zu konkreten Bewältigungssituationen in der eigenen Lebenswelt vorgenommen, die das Wissen aber auch das Bewusstsein über die eigenen Stärken prägen. Die Stärke Ehrgeiz macht Giulia hierüber deutlich: „[H]ier bin ich ehrgeizig, weil ich will wirklich meinen Hauptschulabschluss haben. Und ähm (...) hier bin ich – das nenn ich ehrgeizig“. Hier wird somit u. a. die Bedeutung des Besuchs der AV und des angestrebten Abschlusses adressiert. Es könnte hier angenommen werden, dass Giulia den Besuch der AV für sich selbst auch als echten Chancenraum versteht. Über ihre beruflichen Erfahrungen, die sie in einem Geschäft für Tierbedarf machen konnte, hat Giulia festgestellt, dass die Arbeitskolleg*innen anders als die Leute in der Schule sind. Im Gegensatz zur Schule sind „Erwachsene um dich herum [und] die wissen halt mehr“. Im beruflichen Kontext fällt ihr dabei der Umgang mit stressigen Situationen schwer, was auch auf der körperlichen Ebene zum Ausdruck kommt. Für die Zukunft hat Giulia sich vorgenommen noch bessere schulische Leistungen zu erzielen, um ihre Mutter stolz zu machen. Auch ist es ihr wichtig, dass sie lernt, offener im Umgang mit Menschen zu werden.

Die Inhalte der Selbstbeschreibung geben einen exemplarischen Einblick darin, was mögliche Inhalte von Selbstinszenierungen sein können. Über den Einblick in die Fälle wird u. a. deutlich, welche persönliche Bedeutung das berufliche Umfeld und hier auch die Bezugspersonen für die Jugendlichen einnehmen können. Gleichzeitig zeichnet sich teilweise ab, dass die eigenen Stärke nicht nur im beruflichen Umfeld und über die praktischen Erfahrungen weiterentwickelt werden, sondern diese beruflichen Prozesse auch selbst als Erfahrungsraum für das Entdecken persönlicher (beruflicher) Interessen und Stärken dienen. Zudem können hierüber zentrale Anknüpfungspunkte und Bezugsgrößen beruflicher Orientierung bei den Jugendlichen identifiziert werden, wobei hier durch das Aufdecken individueller Verständnisse ein Einblick in die Lebensrealität dieser eröffnet wird. Die Einsicht in die Perspektive der Jugendlichen ist dann vor dem Hintergrund der angeführten Überlegungen insofern bedeutend, als hierüber zentrale Anknüpfungspunkte für die didaktische Gestaltung der AV und der Übergangsprozesse aufgedeckt werden können – insb. dann, wenn Maßnahmen wie die AV an den Bedürfnissen der Jugendlichen ansetzen und diese als Ausgangspunkt der Gestaltung nehmen sollen. Nachfolgend wird eine weitere Perspektive über Bildungsakteur*innen aufgenommen.

3.3 Perspektive des Bildungspersonals: Selbstbilder und Selbstinszenierung

Im vorangegangenen Kapitel konnte anhand exemplarischer Fälle ein Einblick darin ermöglicht werden, wie Schüler*innen der AV ihr Selbst wahrnehmen bzw. was Bestandteile dieser Wahrnehmung sein können. Unabhängig von dieser Studie wurde im Rahmen des Projekts SeiP eine Interviewstudie an teilnehmenden Berufskollegs (BK) in NRW durchgeführt. Diese verfolgte das Ziel, einen Einblick darin zu eröffnen, wie seitens der Bildungsakteur*innen Selbstinszenierung verstanden und was auf dieser Grundlage unter Formen der Selbstinszenierung gefasst wird. Zudem sollte hierüber das Verständnis für die Zielgruppe im Projekt weiter geschärft werden. Die Interviews wurden von Ende Mai bis Anfang Juni 2022 an drei Berufskollegs in NRW durchgeführt. Die Bildungsakteur*innen bilden dabei gleichsam die multiprofessionellen Teams in der AV ab. Vor dem Hintergrund der angesprochenen Zielsetzung wurde hier ein qualitativer Forschungszugang gewählt, um einerseits die grundlegende Offenheit für die Perspektiven der Befragten mitzuführen und andererseits hierüber die Erkundung eines ‚neuen‘ Untersuchungsgegenstandes in Form von Selbstinszenierung am Übergang Schule-Beruf zu erkunden (vgl. Döring/Bortz 2016, 185; Reinders/Ditton 2011, 50). In diesem Zuge wurden halbstrukturierte-leitfadenorientierte Tiefeninterviews (vgl. Bock 1992, S. 90) mit 11 Bildungsakteur*innen (Dauer: 64-101 Minuten) durchgeführt. Hier soll über den Rückgriff auf erste Ergebnisse dieser qualitativen Interviewstudie ein Eindruck eröffnet werden, welche Selbstbilder sie von den Jugendlichen vermittelt bekommen und welche Formen der Selbstinszenierung sie hier wahrnehmen.[3] Im Folgenden werden die Befragten über BA1-B11 abgekürzt (BA1-BA3 = BK1; BA4-BA7 = BK2; BA8-BA11 = BK3).

Im Hinblick auf den Ausdruck von Selbstbildern werden von den Bildungsakteur*innen unterschiedliche Typen beschrieben: So zeigt sich bei den Schüler*innen zunächst eine „Riesenmischung zwischen Selbstdarstellern, [und] zwischen (--) ja wirklich Einzelgängern, so zurückhaltende Einzelgänger, die so ein bisschen in ihrer Welt leben.“ (BA2), was bereits auf ein sehr vielschichtiges Bild verweist. Von BA1 wird wahrgenommen, dass von Schüler*innen der Wunsch „Ich will das Alphatier sein“ ausgedrückt sowie mit allen Mitteln umzusetzen versucht wird oder hierüber eine dahinterliegende Unsicherheit zum Ausdruck kommt (vgl. BA1). Zudem wird auch die Wahrnehmung geäußert, dass die Schüler*innen eher ein negatives Selbstbild von sich haben. Das wird damit begründet, dass die Schüler*innen nicht glauben können, dass jemand sie gerne unterrichtet sowie wertschätzt, und sie daneben vermutlich immer wieder von vielen Menschen gesagt bekommen haben, dass sie ‚Problemkinder‘ seien oder bestimmte Dinge nicht können, wodurch sich diese Selbstbilder manifestiert haben (vgl. BA5; BA6; BA7). Der Selbstwert der Jugendlichen wird seitens der Bildungsakteur*innen somit als sehr niedrig eingestuft. Die Jugendlichen würden sich demnach „überhaupt nicht trauen (-) in die […] Welt zu gehen“ (BA4), nicht an ihre eigenen Fähigkeiten und insgesamt auch nicht an ihr Selbstbild glauben bzw. hier auch keine genaue Vorstellung davon haben, woran sie glauben können (vgl. BA1; BA5). BA11 glaubt, dass hier auch die eigene Erfahrungswelt der Schüler*innen zum Ausdruck kommt, in der sie wissen wie ‚es läuft‘, wodurch es schwierig ist, die Jugendlichen davon zu überzeugen, dass sie entgegen dieser Auffassung sehr wohl etwas schaffen können. Hier wird u. a. die Bedeutung der Einbindung in die jeweiligen Lebensweltkontexte sowie die Anbindung an die Handlungspraktiken der Jugendlichen deutlich. BA7 sieht in dieser negativen Einstellung zum eigenen Selbst, die den Jugendlichen von klein auf vermittelt wurde, den Ursprung „allen Übels“ (BA7), wobei die Schüler*innen sich dann eigene Strategien entwickelt haben, um damit zurecht zu kommen (vgl. BA7): „Bei dem einen ist das entweder (--) die permanente Suche […] bei Freunden um Anerkennung oder eben auch ähm (--) bei Lehrern […]. Diese ständige Suche nach Anerkennung irgendwo“ (BA7). BA8 hält auch fest: „Also das, was die nach außen hin darstellen, ist erstmal so wir sind, ich bin der Coole äh ich schaffe – äh ich kann alles, ist mir sowieso alles egal, ne. Und wenn man so hinter die Fassade guckt, dass was sie eigentlich ausmachen und was sie dann irgendwann von sich preisgeben, was sie eigentlich für ein Bild von sich haben, ist schon häufig das einer gescheiterten Existenz.“ (BA8). In persönlichen Gesprächen fällt dann die Schranke bzw. kippt das vermeintlich große Ego und es kommt ein ganz anderes Bild zum Vorschein (vgl. BA7; BA9). Die Vermittlung der Selbstbilder variiert demnach in der Wahrnehmung der Befragten in Bezug zum jeweiligen Kontext und zugleich wird die Wahrhaftigkeit dieser Selbstbilder hinterfragt bzw. eine Differenzerfahrung geschildert. BA9 nimmt hier ein sehr vielschichtiges Bild wahr, in welchem auch viel Traurigkeit aufgrund der vorherigen Erlebnisse zum Ausdruck kommt, was sich dann darin zeigt, dass die Schüler*innen aufsässig bis hin zu gleichgültig sind, woraus sie insgesamt nur schwer rausgeholt werden können (BA9). BA4 hält in Hinblick auf die Vermittlung von Selbstbildern mit Fokus auf die Selbstdarstellung fest: „Aber unsere Schüler haben extreme Schwierigkeiten (-) sich (---) darzustellen. (--) Also, wenn (--) – das geht schon damit los irgendwie ein Telefonat zu führen (--) mit einem potentiellen Praktikumsbetrieb (---) ähm ist schwierig.“ (BA4). Schwierig ist es insofern, als die Schüler*innen, „wenn der Gegenpart nicht […] super emphatisch“ (BA4) ist, erst gar nicht zu dem Praktikumsbetrieb hingehen. Hier wird insgesamt die Bedeutung von Selbstdarstellung und -inszenierung für den beruflichen Kontext und zudem ein gewisser Unterstützungsbedarf bei den Jugendlichen anerkannt. In den Interviews wurde auch deutlich, dass der Aspekt der Selbst- und Fremdwahrnehmung in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung einnimmt. Aus Sicht der Befragten unterscheiden sich Selbst- und Fremdbild massiv, liegen Differenzen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung vor sowie widersprechen sich Selbstbild und tatsächliches Verhalten der Schüler*innen (vgl. BA1; BA3; BA4; BA6). BA6 ist hier wichtig, den Schüler*innen die notwendige Aufmerksamkeit zu geben und zu einer Auseinandersetzung mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung hinzuführen, wobei es für sie auf dieser Grundlage dann die „klassische negative Inszenierung im Klassenraum“ (BA6) nicht gibt. Den Schüler*innen die eigene Wahrnehmung zu spiegeln und der Aspekt, dass die Schüler*innen sich mit der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinandersetzen, werden als wichtig erachtet (vgl. BA6; BA9). Der Abgleich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung nimmt zudem eine Bedeutung dafür ein, dass die Jugendlichen ihre eigene Wahrnehmung verbessern sowie das als Lerngelegenheit wahrnehmen können, um einen individuellen Weg zu finden, um mit dem eigenen Charakter und den Anforderungen der Gesellschaft zurecht zu kommen (vgl. BA6).

Mit Blick auf Formen der Selbstinszenierung nimmt u. a. Materialität (u. a. Handys als die „modernen Insignien der Macht“ (BA1)), die (bewusste Auswahl von) Kleidung und das äußerliche Erscheinungsbild (Verwendung von Schminke, auffällige Frisuren, Tätowierungen) eine Relevanz ein (vgl. BA1; BA2; BA7; BA8; BA10; BA11). BA11 hält zum Tragen von Cappies fest: „Aber ich (-) glaube also in meinem Kopf ist bei Selbstinszenierung eigentlich ja auch, dass […] ich das eher mit ‚sich zur Schau stellen‘ verbinde, während dieses Kapuzen und Mützen und Cappies tragen eher ‚ich verstecke mich‘ [bedeutet]“ (BA11). Die Einordnung der Bildungsakteur*innen muss dabei nicht zwangsläufig der Intention – sofern vorhanden – der Jugendlichen entsprechen, gibt aber einen Einblick, wie Formen der Selbstinszenierung vom Umfeld rezipiert werden können. Als Funktionen der Inszenierung über das äußere Erscheinungsbild werden von den Befragten u. a. das Schaffen von Sicherheit und der Ausdruck von Zugehörigkeit angenommen (vgl. BA9; BA10; BA11). Den Wert, den die Schüler*innen auf ihr Äußeres legen, kann dabei auch folgendes zeigen „Leute mir gehts gut, auch wenn ich weiß mir gehts natürlich scheiße“ (BA9). Generell vermitteln die Schüler*innen den Bildungsakteur*innen viel über das Verbale: So teilen sie bspw. ihre persönlichen Erfolge mit, erzählen von Erfahrungen in ihrem Praktikum oder bringen ehrlich ihre Einstellung zur Schule zum Ausdruck („Ich hab einfach keine Lust mehr auf Schule“ (BA10)) (vgl. BA2; BA5). Bspw. nennt BA9 hier folgendes Beispiel: „Über (--) äh n Intensivtäter, der dann plötzlich vollkommen authentisch […] in der Praktikumsrunde dann in der Schule erzählt: ‚Ja und dann war die alte Frau (--) und dann hab ich der geholfen, und dann hat sie plötzlich meine Hand genommen und hat gesagt: Danke. Und dann hat sie mich angeguckt und hat gesagt: Sie haben ja ne ganz kalte Hand (--) aber ein warmes Herz.‘ (--) Und dann hat der Junge da (--) gestanden, hat: ‚N warmes Herz‘ ja. Und der war sowas von (--) ich (-) – ich also das […] wie gesagt Intensivstraftäter, der auch mit Sicherheit Raub und ähnliches auf seinem Konto hat ja. Und dass der sich darauf eingelassen hat, weil in seiner Familie irgendjemand (--) Krankenpflege macht, schulisch wird der das (--) nicht (-) hinkriegen, aber (-) im Praktischen hat er da so viel mitgenommen“ (BA9).

Dieses Beispiel unterstreicht – ähnlich wie die Einblicke zu den Sichtweisen der Jugendlichen in Kapitel 3.2 – die Bedeutung praktischer Erfahrung und Anerkennung im beruflichen Kontext und zeigt zugleich eine beispielhafte Erfahrung auf, die im Rahmen von Selbstinszenierung genutzt werden kann. Formen der Selbstinszenierung finden sich aus Sicht der Befragten auch in digitalen und sozialen Medien. So hat ein Schüler, der relativ unauffällig in der Klasse ist, es für sich geschafft, sich über TikTok zu inszenieren, wobei besagter Schüler auf sein Video, was 200.000 Likes hat, sehr stolz ist (vgl. BA2). Formen der Selbstinszenierung können sich demnach nicht nur unterschiedlich in verschiedenen Kontexten zeigen, sondern die Fähigkeit bzw. besser Bereitschaft zur Selbstinszenierung könnte auch an bestimmte Kontexte gebunden sein. Daneben wird sowohl negativ gewertetes Verhalten (u. a. Inszenierung des ‚Coolseins‘ über Unterrichtsstörungen, demonstratives Zuspätkommen, etc. (vgl. BA2; BA5; BA8; BA9; BA10)) als auch positiv gewertetes Verhalten (u. a. das Zeigen von sozialen Fähigkeiten im praktischen Tun (vgl. BA8)) als Formen der Selbstinszenierung gewertet. BA9 hält zudem fest: „[E]s gibt so viele Formen der Selbstinszenierung und unsere Schüler sind Profis da drin“ (BA9). Grundsätzlich werden hier unterschiedliche Formen, Kontexte und Bezugsgrößen für Selbstinszenierung ersichtlich und im gleichen Zuge eine Vielzahl an Möglichkeiten zum Einbezug dieser in die didaktische Gestaltung angedeutet. Praktiken der Selbstinszenierung werden zudem vom Umfeld in unterschiedlicher Weise rezipiert, was die Einblicke in diesem Kapitel sehr gut zeigen konnten. Vor dem Hintergrund der angesprochen didaktischen Prinzipien, der Ermöglichung individueller Erfahrungs- und Entwicklungsräume und der Unterstützung eines gemeinsamen Verstehensprozesses, wäre zu prüfen, wie diese Auseinandersetzung – u. a. im Speziellen Feedback- sowie Rückmeldephasen – zu gestalten wären.

4 Übergangssystem als Chancenverbesserungssystems – erste Annäherungen

Mit dem vorliegenden Beitrag haben wir den Diskussionsvorschlag der Arbeitsgruppe 9+1 aufgenommen, dass Übergangssystem als Chancenverbesserungssystem zu gestalten. Einführend haben wir festgestellt, dass nur sehr begrenzt greifbar ist, was unter einem Chancenverbesserungssystem zu fassen ist. Wir haben hier weit gefasste Standortbestimmungen und die damit verbundenen Handlungsempfehlungen als Ausgangspunkt gewählt und haben dann am Beispiel der Konzeption der AV als Bildungsmaßnahme am Berufskolleg in NRW Überlegungen zur grundlegenden Ausrichtung aufgezeigt. Dabei konnte verdeutlicht werden, dass der Bildungsgang der AV sich über die Herausforderungen und Probleme in anderen Bildungssystemen bestimmt und hier vornehmlich darauf ausgerichtet ist, Jugendliche für diese Strukturen vorzubereiten. Damit wird systematisch eine defizitorientierte Perspektive aufgenommen und das bestehende Ausbildungssystem kann sich darüber legitimieren, obwohl die Integrationsfunktion für eine relativ stabile Gruppe junger Menschen nur begrenzt funktioniert. Das zeigt sich dann mitunter auch in der hier vorgenommen Betrachtung der Veränderungen auf Ebene der dualen Ausbildung und deren Einfluss auf die Jugendlichen am Übergang Schule-Beruf. So zeichnet sich hier eine entgegengesetzte Entwicklung ab, indem die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt eben für jene Jugendlichen aufgrund der geforderten formalen Qualifikationen, sozialen, regionalen und ethnischen Benachteiligungen sinken und in Verbindung damit über eine auf die Beseitigung von Defiziten ausgerichtete ausbildungsvorbereitende Maßnahme die Zugangs- und Ausbildungsformen bestehen bleiben. Chancenverbesserung steht damit in einer engen Verbindung zur Bewältigung der bestehenden Eingangsbarrieren und Anforderungen in den Ausbildungsstrukturen.

In gleicher Instanz verstärkt sich hier ein Passungsproblem auf dem Ausbildungsmarkt, was sich u. a. darüber zeigt, dass vermehrt Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben, was wiederum bestimmte Bereiche in besonderer Form trifft, wie z. B. den primären Dienstleistungssektor. Letztlich wurde in diesem Zusammenhang dann hervorgehoben, dass wiederum diese Gruppe von Jugendlichen verstärkt von diesen Passungsproblemen betroffen ist, welche kaum über die doch zumeist eher gering ausfallenden Ressourcen von diesen jungen Menschen (bspw. durch die angesprochene Erhöhung des Mobilitätsverhaltens) selbst überwunden werden können. Langfristig und unter Berücksichtigung der dargelegten Veränderungsprozesse wäre dann zu vermuten, dass sich die Passungsprobleme in der derzeitigen Systematik und der Konzeption des Übergangssystems mit Blick auf den Übergang in die Ausbildung für diese Jugendlichen eher noch verstärken würden. Eine derartige Ausrichtung läuft zudem Gefahr, das Chancenverbesserungssystem in der Form zu verstehen, auf die bestehenden Ausbildungssysteme vorzubereiten und eine Integration in diese Systeme zu verlagern. Der Anpassungsdruck wird damit den Jugendlichen zugewiesen und die Einrichtung ausbildungsvorbereitender Maßnahmen stärkt hier das Beharrungsvermögen beruflicher Ausbildungswege. Zumindest kann hier zur Diskussion gestellt werden, inwiefern die Bildungsmaßnahmen des Übergangssystems im Allgemeinen und in der AV im Besonderen eine Eigenständigkeit haben und in gewisser Weise aus den Gestaltungsmöglichkeiten der AV wiederum auch Übergangsformate in Ausbildung und Beruf zu diskutieren wären. Gerade der Blick auf Selbstinszenierungspraktiken lässt hier erkennen, dass die (funktionalistische) Vorbereitung auf Ausbildung Grenzen hat und die Handlungspraktiken und damit auch Möglichkeiten der Jugendlichen eine Berücksichtigung in den Ausbildungs- und auch Arbeitsstrukturen erfahren müssen. So kann hier sowohl aus der Perspektive der Jugendlichen als auch der Bildungsakteur*innen abgeleitet werden, dass die persönliche Interaktion sowie eine Subjekt- wie Stärkenorientierungen für die Gestaltung wie auch insb. Begleitung der Übergangsprozesse eine zentrale Bedeutung erfahren. Das Agieren im Beruf bzw. konkrete berufliche Erfahrungen bilden dann einen Erfahrungsraum für die Jugendlichen, über den sie Anerkennung und Bestärkung erfahren und Vorstellungen über eigene Stärken sowie persönliche Ziele entwickeln können, wobei es auch hier einer Begleitung dieser Übergänge bedarf. Diese Aspekte unterstreichen u. a. die Bedeutung der Aufnahme der Perspektive und jeweiligen Handlungspraktiken der Jugendlichen für die Gestaltung von Bildungsprozessen, wie wir in Kapitel 3.2 exemplarisch anhand der Fallvignetten von Jugendlichen der AV verdeutlicht haben. Genau dies würde im Übergangssystem die Möglichkeiten eröffnen, curriculare und didaktisch-methodische Strukturen zu schaffen, die Entwicklungen und Kompetenzentwicklungswege der Jugendlichen sehr konsequent ins Zentrum zu rücken, darauf bezogen eine Ausrichtung der Maßnahmen vorzunehmen sowie eine entwicklungsförderliche Didaktik auf systemischer, curricularer und didaktisch-methodischer Ebene zu verankern (vgl. Frehe-Halliwell/Kremer 2018; Kremer 2015). Dies würde auf curricularer Ebene bedeuten, dass die Lern- und Entwicklungspotenziale von komplexitätsreduzierten Lernsituationen in Frage gestellt werden und das Situationsprinzip über eine Ausrichtung am Individuum verstärkt wird. Die Praxis der Bildungsarbeit in ausbildungsvorbereitenden Bildungsgängen lässt hier vielfältige Beispiele erkennen. Interessant erscheint hier z. B. die Konzeption und Entwicklung von Tageslernsituationen als Praxisinnovationen in beruflichen Ausbildungsgängen (vgl. Beutner/Kranert/Kremer 2015; Frehe/Kranert/Kremer 2015; Kremer/Beutner/Kranert 2015; Kückmann./Kundisch 2018; Rose/Kranert/Kremer 2015). Ebenso wären allgemeine Forderungen an ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge zu konkretisieren. Eine allgemeine Forderung einer dualisierten AV erscheint hier kaum ausreichend: Lernen in Praxiszusammenhängen kann in bestimmten Formaten Jugendliche überfordern und Defizite hervorheben. Dementsprechend ist es nicht ausreichend, die dualen Strukturen aus dem Ausbildungssystem zu übertragen, sondern es müssen Dualisierungsformen angeboten werden, die Jugendlichen individuelle Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten anbieten. Dies kann – wie aufgezeigt – in vielen Fällen deutlich engere Begleitung und Reflexion der praktischen Erfahrungen von Jugendlichen erfordern.

Abschließend möchten wir zusammenführend nochmals Fragen und Konturen andeuten, die mit der Ausrichtung des Übergangssystems als Chancenverbesserungssystem verbunden sein können. Die Berücksichtigung des Übergangssystems als Bestandteil des Berufsbildungssystems trägt den vorliegenden Realitäten Rechnung. Gleichermaßen kann festgestellt werden, dass dieser Sektor zwischen den Systemen entstanden ist und eine institutionelle Verankerung, die Funktion und Stellung dieses Sektors zu befragen wäre. Es kann hier festgestellt werden, dass die vornehmliche Vorbereitung und Hinführung in berufliche Ausbildung nur begrenzt gelingt. Chancenverbesserung kann dann kaum hierauf verkürzt werden und sollte deutlich stärker auf eine Chancenverbesserung der Individuen in den Bildungsmaßnahmen des Übergangssystems ausgerichtet werden. In einem ersten Zugang rückt damit in den Blick, welche Entwicklungserfordernisse, -vorstellungen und -möglichkeiten Jugendliche in den Bildungsgängen des Übergangssystems haben und wie diese berücksichtigt werden können. Es gelingt bisher kaum, die unzweifelhaft vorliegenden Potenziale und Ressourcen von Jugendlichen im Übergangssystem aufzudecken und einzubinden. Es ist durchaus fraglich, ob die auf die Vorbereitung auf berufliche Ausbildung ausgerichtete Bildungsgänge einen passenden Rahmen anbieten. In vielen Fällen scheint es auch so zu sein, dass die besondere Lebensphase und der Orientierungsbedarf von jungen Menschen deutlich stärker zu berücksichtigen sind. Gegebenenfalls gilt es hier einen Bildungsraum zu schaffen, der jungen Menschen – auch über einen Zeitraum von deutlich über einem Jahr – die Möglichkeit zur Orientierung und eigenen Entwicklung anbietet. Dies bedeutet nicht, dass keinerlei Ziele und Anforderungen an diese Bildungsgänge gesetzt werden, ebenso möchten wir nicht zum Ausdruck bringen, dass berufliche Ausbildung keine Zielperspektive sein soll. Vielmehr muss Jugendlichen die Möglichkeit geboten werden, selbstbestimmt und eigentätig Perspektiven zu entwickeln. Es kann kaum erwartet werden, dass junge Menschen mit sehr unterschiedlichen Bildungsbenachteiligungen klare berufliche Aspirationen, Vorstellungen und Pläne haben und diese auch realisieren können. Gerade hier könnte eine veränderte Ausrichtung als Chancenverbesserungssystem jungen Menschen die Möglichkeit zur Orientierung und Entwicklung anbieten und Wege zu einer verbesserten gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.

Hier stellen wir uns die Frage, ob die bestehenden Strukturen, die zumindest partiell auf eine Homogenisierung der Zielgruppen ausgerichtet sind, im Vorfeld häufig sehr grundlegende Entscheidungen in Bezug auf berufliche Tätigkeitsfelder oder anschließende Qualifizierungsformate erfordern, diesen Herausforderungen gerecht werden können und nicht noch deutlich stärker individuelle Förderkonzepte auf curricularer Ebene berücksichtigt werden müssen sowie die Perspektive der individuellen Entwicklung als leitendes Prinzip für die curriculare Entwicklung zu betrachten ist. Dies würde zumindest für die hier betrachteten ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge eine durchaus grundlegende curriculare Ausrichtung bedeuten und keinesfalls damit einhergehen, dass berufliche Kontexte keine Bedeutung haben. Vielmehr würden individuelle Bedarfe zur Bereitschaft zu eigenen Lern- und Entwicklungsprozessen, zur beruflichen Orientierung oder beruflicher Qualifizierung Berücksichtigung finden und über individuelle Förderkonzepte, soziale Integration und Wege zu inklusiven Bildungskonzepten ermöglichen. Die Aufnahme der Thesen der Arbeitsgruppe 9+1 adressiert Veränderungen der Arbeitswelt und die Betrachtung der Einflüsse dieser auf die AV, wobei letztlich zentral erscheint, dass den Jugendlichen die Möglichkeit zum ‚handeln können‘ eröffnet wird.

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[1]     Immer noch kann hier proklamiert werden, dass der Übergang Schule-Beruf von der Problematik schulischer Warteschleifen gekennzeichnet ist (vgl. Schlemmer 2008, 18). Verstärkt wird diese Situation noch durch ein Passungsproblem zwischen den Bedarfen und Voraussetzungen der Jugendlichen und den Anforderungen des Berufsausbildungsmarktes. 

[2]    Es handelt sich hierbei um zwei orts- und zeitunabhängige Untersuchungen und somit um nicht verbundene qualitative Studien. Es wird hier demnach nicht angestrebt einen Wahrnehmungsabgleich aus Schüler*innen- und Bildungsakteur*innen-Perspektive vorzunehmen, sondern exemplarische Einblicke zu eröffnen.

[3]    Das bildet lediglich einen sequenziellen Einblick in die Daten und somit die Gesamtauswertung ab.

Zitieren des Beitrags

Kremer, H.-H./Otto, F. (2023): Übergang Schule-Beruf als Chancenverbesserungssystem – Zur Gestaltung von Lebensräumen und Entwicklung von Praktiken für den Übergang. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 45, 1-27. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe45/kremer_otto_bwpat45.pdf (18.12.2023).