bwp@ 45 - Dezember 2023

Veränderungen der Arbeitswelt: Anforderungen, Gestaltungsfelder und Zukunftsfragen für die berufliche Bildung

Hrsg.: Nicole Naeve-Stoß, Lars Windelband, Matthias Kohl & Anja Walter

Beruflichkeit – nur ein Mythos?

Beitrag von Matthias Becker, Georg Spöttl & Lars Windelband
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Beruf, Beruflichkeit, Könnerschaft, Digitalisierung, Disziplinen

Debatten über den Stellenwert von Berufen und Beruflichkeit finden schon länger statt, werden aber durch die Einflüsse der Digitalisierung, Automatisierung und künstlichen Intelligenz verstärkt. Der Beitrag wertet diese Debatten aus, überführt identifizierbare Merkmale in ein Referenzsystem für eine neue Beruflichkeit und überprüft mit diesem „Instrument“ in Unternehmen vorfindbare Facharbeit und Qualifikationen empirisch. Es wird herausgearbeitet, dass ein Modell für Beruflichkeit auflösend wirkende Einflüsse selbst mit aufnehmen muss. Dann erweist sich Beruflichkeit und eine in Berufen organisierte Arbeit nicht als Mythos, sondern als weiterhin tragende Struktur für Individuen, Erwerbsarbeit und Gesellschaft.

Professionalism – just a myth?

English Abstract

Debates about the status of occupations and professionalism have been going on for a long time, but are being intensified by the influences of digitalisation, automation and artificial intelligence. The article evaluates these debates, transfers identifiable characteristics into a reference system for a new professionalism and uses this “instrument” to examine empirically found skilled work and qualifications at the shopfloor. It is worked out that a model for professionalism must itself include influences of deprofessionalisation. Then, professionalism and work organised in professions will not prove to be a myth, but a structure that continues to support individuals, gainful employment and society.

1 Einleitung

Angesichts der Digitalisierung und Automatisierung industrieller und handwerklicher Arbeitsprozesse verschärft sich die wiederholt diskutierte Frage, ob der Beruf – in welcher Form auch immer – noch eine zukunftsfähige Referenzgröße und Ordnungskategorie für Wirtschaft, Gesellschaft, Individuum und Bildungssystem (vgl. Kutscha 2023, Rosendahl/Wahl 2017, 190) darstellt. Damit verbunden ist auch die Frage, ob der Beruf noch fundamentaler Gegenstand für Theorie und Forschung auf dem Gebiet der beruflichen Bildung sein kann. Rita Meyer hat 2022 einen Artikel veröffentlicht mit einem Titel aus zwei Halbsätzen (vgl. Meyer 2022, 42), wobei der erste Haupthalbsatz feststellt: „Der Beruf ist tot“. In den Erläuterungen zu diesem Statement stellt sie fest, dass „traditionelle Elemente des Berufs einer Erosion unterliegen“, was auch durch reale Entwicklungen wie beispielsweise der digitalen Transformation belegt wird. Zugleich führt sie aus, dass damit das Prinzip „der Beruflichkeit“ (ebd.) nicht infrage zu stellen ist. Etwas abstrakt formuliert sie unter Rückgriff auf Seifried et al. (2019): „Es besteht in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskussion weitgehend Einigkeit darüber, dass der Begriff ‚Beruflichkeit‘ von konkreten Berufsstrukturen abstrahiert und die dahinterliegenden Organisationsprinzipien kennzeichnet“ (Meyer 2022, 42). Auffallend bei dieser Aussage ist, dass der Versuch unternommen wird, mit einem neuen Begriff die Komplexität hinter dem Berufsbegriff zu klären. Ob der Blick auf den Begriff „Beruflichkeit" hilfreich ist, die Entwicklungen und Veränderungen in der Arbeitswelt zu diskutieren und Rückschlüsse auf die weitere Relevanz des Berufes und dessen Organisationsprinzipien zu ziehen, wird in diesem Beitrag diskutiert.

Für und wider den Beruf sind zahlreiche Argumentationsrichtungen auszumachen, die die Wechselbeziehungen zwischen Beruf, arbeitsplatzgebundenen Anforderungen, Arbeitsorganisation und personengebundenen Qualifikationen im Blickfeld haben. Die Tatsache, dass sich Investitionen in Humanressourcen vielfach erst auf mittlere Sicht auszahlen, stärkt einerseits aus gesellschaftlicher Sicht die Bedeutung des Berufs, andererseits wird aus wirtschaftlicher Sicht dadurch tendenziell der Beruf für die heutige, sich rasch verändernde gesellschaftliche und industrielle Entwicklung in Frage stellt. Der amerikanische Soziologe Sennet beschreibt einen Menschen, der ohne soziale Bindungen durch das Leben driftet, der zwar Arbeit, aber keinen Arbeitsplatz und damit keine Sicherheit mehr hat. Verpflichtung ist für den neuen Mitarbeiter nur noch eine abstrakte Tugend (Sennet 1998, 67): „The character of work was expressed at work in acting honorably, working cooperatively and fairly with other bakers because they belonged to the same community. “

Es bleibt festzuhalten, dass die Funktionsfähigkeit des betrieblichen Sozialsystems und die Entwicklung von Wirtschaft, Technik und Gesellschaft mehr denn je rückgebunden bleiben an Handlungssubjekte, die zum einen fähig sein müssen, selbstständig handeln zu können als auch bereit sind, selbstständig handeln zu wollen und für die Folgen ihres Handelns Verantwortung übernehmen (vgl. Kutscha 2023). Grundsätzlich gilt, dass sich alle Entwicklungen „am Menschen“ orientieren müssen und dieser deshalb einen zentralen Stellenwert einnimmt, unabhängig ob im deutschen Berufsbildungssystem oder nach anderen Prinzipien in anderen Gesellschaftsformen.

Im deutschsprachigen Raum ist das Konstrukt Beruf eng verknüpft mit der „Funktion des formalen Systems der beruflichen Aus- und Weiterbildung, denn dieses gilt als ‚Produzent‘ von Beruf und Beruflichkeit“ (Rosendahl/Wahl 2017, 189). Der enge „Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher, individueller und wirtschaftlicher Bedeutung von Beruf und Berufsbildung hat zur Folge, dass berufs- und wirtschaftspädagogische Debatten zur Funktionalität von Beruf und Berufsbildung und darauf reagierende, Berufsbildungsreformen“ (ebd.) stets weitergehende Wirkungen haben, weil immer gesellschaftliche, biografische, betriebliche und arbeitsmarktspezifische Fragen und Veränderungen mitdiskutiert werden. Weil die Debatten zu Beruf und Beruflichkeit und deren Funktion von mehreren Disziplinen geführt werden – wie beispielsweise der Berufs- und Arbeitsmarktsoziologie, der Industriesoziologie und der Berufs- und Wirtschaftspädagogik –, kommt es auch zu unterschiedlichen Bewertungen des Status der Entwicklung des Konstrukts Beruf und Beruflichkeit. Beherrscht wird die Debatte seit den 1970er Jahren von der These vom „Ende des Berufs“ (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 1998). Trotz der traditionell hohen Bedeutung von Beruf und Beruflichkeit (vgl. Kurtz 2005) für Individuen, Arbeitsmarkt und Gesellschaft zieht der schnelle Wandel der Arbeitswelt nach sich, dass eine Dynamisierung des Erwerbslebens zu diskutieren ist, die auch die Funktion von Berufen einschließt. Diese Diskussion ist zum einen schon sehr alt und wird geführt, seit es um eine Verberuflichung der Arbeit geht. Schon immer gab es kontroverse Debatten um Beruf, Berufsstrukturen, Funktion von Berufen und Beruflichkeit (vgl. Rosendahl/Wahl 1917, 189) und aktuell nimmt diese Debatte in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und der Industriesoziologie wieder Fahrt auf. Der Artikeltitel von Meyer postuliert im zweiten Halbsatz: "es lebe die Beruflichkeit!" (Meyer 2022, 42) und die Autorin stellt mit Bezug zur aktuellen Diskussion fest: Es besteht Konsens in der Annahme, dass "traditionelle Elemente des Berufes einer Erosion unterliegen" (ebd.) und dies durch die aktuelle digitale Transformation belegt wird. Empirische Belege dazu bleiben aus. Gleichzeitig stellt sie aber fest, dass „nicht zugleich das Prinzip der 'Beruflichkeit' grundsätzlich infrage zu stellen" (ebd.) ist (siehe oben). Ob diese Entkopplung von „Beruf“ und „Beruflichkeit“ akzeptabel ist, wäre noch genauer zu untersuchen, denn der Begriff der Beruflichkeit ist eng mit der Existenz des Berufs verbunden. Als vorsichtige Gegenthese sei formuliert, dass Beruf und Beruflichkeit eng miteinander verbunden sind und eine Entkoppelung mit dem Risiko einhergeht, dass die Beruflichkeitsmerkmale beliebig nach den Interessen und Notwendigkeiten des Arbeitsmarktes gestaltet werden und letztlich jegliche subjektive und gesellschaftliche Komponente verloren geht.

Auffällig ist, dass in aktuellen Debatten „Beruflichkeit“ an Bedeutung gewinnt und der „Beruf“ infrage gestellt oder wenigstens abgewertet wird. Weil die Merkmale, die Beruflichkeit ausmachen, sehr vielfältig gestaltet werden können, sind hier Parallelen zur Diskussion um das Patchwork-Lernen feststellbar, wonach durch individualisierte und kurzfristig anpassbare Qualifikations- und Kompetenzprofile Lernen stattfinden soll. Dieser Argumentation muss entgegengehalten werden, dass sich auf diesem Wege kaum berufliche Grundqualifikationen aufbauen lassen, die sowohl berufsfachlich als auch arbeitsmarktpolitisch, sozial und gesellschaftlich und letztlich für die einzelne Person von Bedeutung sind. Ob das „Prinzip Beruflichkeit“ ein Problemlöser sein kann, Beruflichkeit nicht nur ein Mythos ist, der herhalten muss, um zu Lösungen zu kommen, wird in diesem Artikel näher betrachtet. Im Mittelpunkt steht dabei eine Analyse der Veränderung der Arbeitswelt im produzierenden Gewerbe der Metall- und Elektroindustrie, um herauszuarbeiten, welche Bedeutung Beruflichkeit und die Berufe in dieser Domäne überhaupt noch haben.

2 Forschungsmethodischer Zugang

Wie in der Einleitung bereits benannt, soll folgenden Fragen nachgegangen werden:

  • Welche Rolle spielt Beruflichkeit aufgrund der Veränderungen in der Arbeitswelt im Rahmen der Gestaltung von Berufen?
  • Handelt es sich bei der verstärkten Nutzung des Beruflichkeits-Begriffs eher um einen nicht klar umrissenen Mythos, der als Rettungsanker für den Beruf herhalten soll?
  • Wie entwickelt sich die Beziehung von Beruf und Beruflichkeit in Anbetracht der sich verändernden Arbeitswelt?
  • Soll der Begriff Beruflichkeit von den konkreten Berufsstrukturen abstrahiert werden, um Gestaltungsfreiheit für eine vom Arbeitsmarkt gesteuerte Kompetenzentwicklung zu ermöglichen?
  • Welche Bedeutung wird dem Beruf in der unter dem Einfluss der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz (KI) veränderten Arbeitspraxis beigemessen?

Für die Bearbeitung der Fragestellung ist das Verständnis von Beruf und Beruflichkeit zu klären. Der Begriff Beruf ist jeweils spezifisch gefasst und im Konsens der Sozialpartner beschrieben. Soweit es um die berufliche Erstausbildung geht, manifestiert sich das Ergebnis in den Ausbildungsordnungen. Die insgesamt wesentlich umfangreicheren Funktionen, die ein Beruf erfüllt, sind aussagekräftig zusammengefasst in Seifried et al. (2019, 10) und zeigen ein breites Bündel an Kompetenzen auf, das über das Verständnis des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) hinausgeht. Der Begriff Beruflichkeit ist umfassender angelegt als der des Berufs und kann nach heutigem Verständnis mit folgenden Merkmalen beschrieben werden:

  • es besteht ein Bezug zu Bildungsprozessen und zur Arbeitsgestaltung,
  • es gelten Qualitätsmaßstäbe für Lernen und Arbeiten,
  • es erfolgt eine Orientierung an Berufsfeldern und Arbeits- und Geschäftsprozessen,
  • es gilt die Entwicklung einer reflexiven Handlungskompetenz,
  • es geht um die Klärung des Verhältnisses von Wissenschafts- und Erfahrungsorientierung,
  • es geht darum, die Interessen der Lernenden und Arbeitenden zu berücksichtigen,
  • es geht um eine breit angelegte Grundbildung und um spezifische fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten,
  • es geht um den Erwerb von Berufserfahrung,
  • es geht um soziale Absicherung der Individuen.

Die hier genannten Merkmale von Beruflichkeit gehen über ausschließliche Anforderungen der Arbeitsmärkte hinaus. Sie reichen aber nicht, um die Fragestellung zu beantworten. Dafür sind weitere Schritte notwendig. Im ersten Schritt (Kapitel 3) wird die Problemlage ergänzend zur Hinführung in der Einleitung beschrieben und es wird geklärt, ob Beruflichkeit das "Problem oder die Lösung“ ist. Dazu findet eine Analyse der in der Literatur präsenten Diskussion zur Frage der „Erosion von Berufen“ statt, weil sich aus dieser Diskussion wichtige Schlüsse zur Fragestellung ziehen lassen. Im nächsten Schritt (Kapitel 4) erfolgt ebenfalls eine Analyse des Erkenntnisstands zu Beruf und Beruflichkeit, um die Strukturmerkmale des Konzeptes „Beruflichkeit“ zu identifizieren, die für die spätere Analyse und Bewertung der Arbeitswelt und deren Veränderungen relevant sind. Dazu ist es erforderlich, die Entberuflichkeitsdiskussion knapp darzustellen und zu klären, was dann unter „moderner“ Beruflichkeit zu verstehen ist. Das Kapitel schließt mit der Gestaltung von Strukturmerkmalen für ein Konzept neuer „Beruflichkeit“ ab. Diese Merkmale werden bei der späteren Untersuchung der Veränderung der Arbeitsstrukturen als Instrument für Veränderungsprozesse genutzt. Im darauffolgenden Kapitel 5 wird ein Referenzsystem für eine moderne Beruflichkeit entwickelt, welches die Strukturmerkmale aus Kapitel 4 aufgreift und mit erforderlichen neuen und erweiterten Kriterien verschmilzt. Damit wird in Form von Sekundäranalysen im Folgekapitel geprüft, ob sich Merkmale einer Beruflichkeit auffinden lassen. Dabei geht es auch um eine genauere Analyse der Veränderung der Arbeitsstrukturen in ihrer Bedeutung für Beruf und Beruflichkeit. Dies geschieht wiederum auf der Basis von Literatur und durch die Analyse von Untersuchungen der Autoren zu den Konsequenzen digitalisierter Arbeit in der Metall- und Elektroindustrie.

Mittels Sekundäranalysen werden exemplarisch Merkmale der Beruflichkeit herangezogen und empirisch überprüft. Hintergrund ist die EVA-M+E-Studie der Autoren (Becker et al. 2022). Dort haben die Autoren die Anforderungen an Facharbeit auf der Shopfloor-Ebene genauer untersucht. Auf der Grundlage von 15 berufswissenschaftlichen Fallstudien wurde die durch die digitale Transformation veränderte berufliche Facharbeit in der Metall- und Elektroindustrie analysiert. Eine Sekundäranalyse von sieben in Frage stehenden Fallstudienberichten wird herangezogen, um die Rolle beruflicher Kompetenzen bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben in der (hochautomatisierten) Produktion aufzuzeigen. Herausgearbeitet wird auch die Bedeutung dieser Kompetenzen für Unternehmen und die Berufe selbst.

Im Kern zeigen die Fallstudien auf, wie sich die digitalisierte „Arbeitswelt“ in den Unternehmen der M+E Industrie darstellt.[1] Das Forschungsdesign der Studie ist in Tabelle 1 dargestellt. Für den hier vorliegenden Artikel wurde eine Auswahl der berufswissenschaftlichen Fallstudien erneut mit Blick auf den Komplex Beruflichkeit ausgewertet.

Methodisch sind die Fallstudien als berufswissenschaftliche Fallstudien (vgl. Becker/Spöttl, 2015, 88 ff.) angelegt, wobei insbesondere leitfadengestützte Interviews im Einsatz waren. Alle Fallstudien fanden in Betrieben und dort in verschiedenen Arbeitsgebieten statt. Besucht und befragt wurden die Ebenen der Produktionsplanung und -organisation, der Produktionsumsetzung sowie der Ausbildungsbereich. Dabei waren folgende Zielgruppen im Fokus: Geschäftsführung/Produktionsleitung, Fachabteilungen/Fachbereiche, Ausbildungsverantwortliche/Ausbildungspersonal und Facharbeitsebene. Durch die Befragung der leitenden Ebene, von Fachkräften auf der mittleren Beschäftigungsebene, Fachkräften auf der produktiven Ebene (Facharbeiter, Techniker, Meister) sowie Ausbildungsverantwortlichen wurde sichergestellt, dass Einzelaussagen nicht das Erhebungszentrum darstellten. Es wurde vielmehr großer Wert auf mehrere Blickwinkel gelegt, um Selbst- und Fremdeinschätzung zu den Auswirkungen und Umsetzungen der Technologien sowie zum Stand und der Akzeptanz der Novellierung mit unterschiedlichem Kontextbezug zu erhalten. Insgesamt wurden 68 Personen in den 15 Fallstudien befragt.

Tabelle 1: Forschungsdesign der EVA M+E Studie (Becker et al. 2022, 23)

Instrument

Konzept

Literaturanalyse

Unternehmens-befragung

Fallstudien/
Expertenbefragungen

Experten-Workshop

Ziel

Stand des Wissens zur Digitalisierung in der Industrie und zu Entwicklungen in der Arbeit und Ausbildung

Einschätzungen der Unternehmen zur Digitalisierung, zur Ausbildung und zur Teilnovellierung der M+E-Berufe

Erfassen der Aufgaben und Kompetenzen in Unternehmen / Einschätzungen von Expertinnen und Experten zu Digitalisierungs­technologien, Ausbildung und Facharbeit

Validieren und Ergänzen vorläufiger Ergebnisse zur Digitalisierung, zur Facharbeit und zur Ausbildung (Technologie, Aufgaben, Prozesse)

Methoden

Dokumenten-analyse: Literatur, Studien, Internet

Onlinebefragung Personal-verantwortliche

leitfadengestützte Interviews, Arbeitsbeobachtungen, Unternehmens-besichtigungen

Leitfragen, Kartenabfragen oder Blitzlichtrunden

Auswahl

wissenschaftliche Veröffentlichun­gen und Sektor-informationen

IW-Personalpanels mit Unternehmen der Industrie und aller Dienstleistungs­branchen, die in M+E-Berufen ausbilden

Innovative Unternehmen im Kontext der Digitalisierung/ Ausbildung sowie Expertinnen und Experten beruflicher Bildung, Verbands- u. Technologieexperten

Expertinnen und Experten aus qualitativer Befragung, innovative Unternehmen, Berufsbildungs-experten, Wissenschafts-vertreter

Anzahl

Veröffentlichungen im Zeitraum 2015-2022

N=1.042 Unternehmen

15 Fallstudien des M+E-Sektors mit 68 Interviews – 17 Expertengespräche

31 Expertinnen und Experten

Tabelle 2: Ausgewählte Fallstudien der EVA M+E Studie

Fall

Branche

Unternehmensgröße

Unternehmensschwerpunkt
Produktionsbereich

06

Sondermaschinenbau

1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort

Konstruktionstechnik/Anlagen­bau, Fertigung, Montage

08

Maschinenbau/ Energietechnik

3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (weltweit)

Energietechnik/Fertigung

09

Anlagenbau

250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
am Standort

Industrie- und Leicht­baurobotik, Systemlösungen und -integration

12

Automobilindustrie

44.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
am Standort

Karosseriebau/Montage/ Automatisierungstechnik /Instandhaltung

13

Maschinenbau

4.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
am Standort

Produktion von Komponenten
für Antriebe aller Art

14

Maschinenbau und Sondermaschinenbau

18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
am Standort

Produkte rund um Garten-
und Forstarbeiten/Produktion

15

Maschinenbau

220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
am Standort

CNC-Bearbeitungszentren/ Produktion

Die Studie wurde im Zeitraum zwischen 2020-2022 umgesetzt. Die Befragungen fanden vor Ort in den Unternehmen statt. Teilweise fanden Vorgespräche oder einzelne Interviews per Video über das Internet statt, jedoch wurde jedes Unternehmen von einem Zweier-Forscherteam besucht, um auch die Veränderungen in den Arbeitsprozessen vor Ort zu sehen und zu erfassen. Die ausgewählten Fallbeispiele (vgl. Tabelle 2) sollen die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Beruflichkeit zeigen. Fälle, die für diese Fragestellung keine Auskunft geben können, bleiben unberücksichtigt.

Neben den empirischen Ergebnissen der EVA-M+E-Studie und anderer Studien werden die in der Literatur vorfindlichen theoretischen Modelle von Beruflichkeit sowie Entwicklungen rund um die „künstliche Intelligenz“ (KI) im Kontext von Beruflichkeit analysiert (vgl. Seufert et al. 2021; Becker et al. 2021) - etwa hinsichtlich der Bedeutung digitaler Zwillinge -oder der zur Zeit besonders sichtbaren und diskutierten Erscheinungsformen der KI in Form von Chat GPT u. a., um entscheiden zu können, ob sich Beruflichkeitsstrukturen verändern oder aber gar bedeutungslos werden und es deshalb gerechtfertigt sein kann, von einem Mythos zu sprechen.

Im Kern konzentriert sich die Sekundäranalyse auf die

  1. Relevanz der Beruflichkeitsmerkmale und
  2. feststellbaren Veränderungsprozesse, insbesondere in Hinblick auf die Bedeutung konkreter M+E-Berufe für die Bewältigung der neuen Arbeitsanforderungen.

In einem abschließenden Kapitel werden die Erkenntnisse aus den verschiedenen Analysen zusammengefasst, um die Fragestellung zu beantworten.

3 Beruflichkeit: Problem oder Lösung?

Vor dem Hintergrund des Einflusses der Technologie, Automatisierung und Digitalisierung der letzten zwei Jahrzehnte, aber auch längerfristig unter verschiedensten Einflüssen, wird dem Berufskonzept vielfach eine Auflösungstendenz unterstellt (vgl. Dostal et al. 1998; Rosendahl/Wahle 2017). Zugleich wird als Ergebnis von Analysen und empirischen Studien immer wieder herausgearbeitet, dass der Beruf einen individuellen, systemischen und gesellschaftlichen Wert hat, der sich kaum durch andere Konzepte ersetzen lässt. Jedoch verschiebt sich der unter Druck stehende Ausbildungsmarkt hin zu mehr akademischer Bildung. Ein Trend zur Höherqualifizierung ist abzulesen. Deshalb muss der Wert von „Facharbeit“ in einer Dienstleistungs- oder gar Freizeitgesellschaft neu bewertet werden. Bleibt also zumindest eine Beruflichkeit als rudimentäre und formale Form der Arbeitsteilung bestehen, verliert jedoch ihre vielfältigen Funktionen und Wirkungen (vgl. Beck 2018) oder verändert sich in ihrem Wesen und erscheint wiederbelebt als eine erweiterte moderne Beruflichkeit (IG Metall 2014)?

Derzeit wird wieder intensiv über die zukünftige Rolle der menschlichen Arbeit im Rahmen der digitalen Transformation diskutiert und wie in der Einleitung festgestellt, von Rita Meyer (2022) folgende gewagte These aufgestellt: „Der Beruf ist tot, es lebe die Beruflichkeit“! Hintergrund solcher Thesen ist der Blick auf die Automatisierbarkeit und die Ersetzbarkeit von Arbeit und Facharbeit durch intelligente technische Systeme (vgl. Dengler/Matthes 2015).

In der wissenschaftlichen Diskussion und in Forschungsdisziplinen wie der Arbeitssoziologie, der Industriesoziologie und der sozialwissenschaftlichen Forschung besteht Konsens, dass sich zwar das Berufskonzept abhängig von historischen Kontexten verändert, jedoch weniger die modernen Formen der Beruflichkeit. Die strukturierende Wirkung der Beruflichkeit sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für das Berufsbildungssystem ist unumstritten. Eine der Argumentationslinien verweist darauf, dass die Infragestellung der Berufe die Bedeutung erfahrungsbasierter, informeller Fähigkeiten der Beschäftigten im Zuge der Digitalisierung negiert. Eine andere Argumentation verweist auf die Bedeutung erheblich veränderter Qualifikationsprofile im Vergleich zur Arbeitsgestaltung vor dem Zeitalter einer disruptiven Wirtschaft 4.0 (vgl. Neumer et al. 2022, Pfeiffer 2015, 40 ff.).

Die aufgeworfene Frage, ob Beruflichkeit inzwischen zu einem Mythos verkommen ist, der unter anderem die strukturierende Wirkung von Arbeit abhandengekommen ist, ist nach wie vor relevant. Als Gegenposition lässt sich auch fragen, ob Beruflichkeit an Bedeutung gewinnt (vgl. Seifried et al. 2019). Bei Untersuchungen der Arbeitsanforderungen und Analysen der Arbeitsprozesse in Betrieben lassen sich stets berufliche Kompetenzen und Fähigkeiten bei Fachkräften identifizieren, ohne diese sich heutige Arbeitsanforderungen nicht bewältigen lassen. Umso komplexer die Arbeit wird, desto erfahrungsgesättigter, reflektierter, tiefgehender und vernetzter sind die Qualifikationsanforderungen (vgl. Neumer et al. 2022), alles Merkmale, die der Beruflichkeit zugewiesen werden.

Insofern ergeben sich erste Anhaltspunkte dafür, dass sicher nicht alle Merkmale von Beruflichkeit entwertet werden und auch Berufe einen Stellenwert haben und insofern ein Teil der Lösung für die veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen darstellen. Ebenso sicher scheint aber, dass Verständnisse eines allein über die Traditionen definierten Berufsbegriffs nicht geeignet erscheinen, um langfristig Bestand haben zu können.

4 Theoretische Modelle von Beruflichkeit

4.1 Strukturmerkmale des Konzepts „Beruflichkeit“

Strukturmerkmale von Beruflichkeit können am Individuum, am Erwerbssystem, am Ausbildungssystem oder am Gesellschaftssystem festgemacht sein. Beck (2018, 26 ff.) beschreibt sechs Dimensionen von Beruflichkeit ausgehend von „Kognitionen“ im Sinne von Bedeutungsmustern für das Individuum:

  • Sinnkognition („Erfüllung und Befriedigung / Tätigkeitsmotivation“)
  • Relevanzkognition („als gesellschaftlich bedeutsam wahrnehmbar und nachgefragt“)
  • Zeitkognition („Bedeutsam hinsichtlich der Lebenszeit“)
  • Kompetenzkognition („Leistungsvermögen“)
  • Idealitätskognition („Einschätzung des Grades an Expertise und Verantwortung“) und
  • Statuskognition („Ansehen und Prestige“).

Ein jeweiliger empirisch ermittelter Grad der Erfüllung dieser Bedeutungen zeigt nach Beck den Beruflichkeitsstatus einer Person an. Eine hohe Merkmalsausprägung würde zugleich nicht automatisch bedeuten, dass es einen zu dieser Beruflichkeit gehörenden Beruf geben muss (ebd., 32); vielmehr könnte hieraus die berufspädagogische Notwendigkeit der Einrichtung oder Veränderung von (Ausbildungs-)Berufen abgeleitet werden. Offen bleibt die Frage, ob bei diesem Verständnis noch Interesse besteht, einen korrespondierenden Beruf zu definieren, weil aus der Perspektive von Beruflichkeit bereits alle wichtigen Gegenstände definiert sind: Bezug zum Individuum, Beteiligung am Erwerbssystem und am Ausbildungssystem und Akzeptanz des Gesellschaftssystems.

Nach Deißinger (2001) erfolgt die Eingrenzung zentraler Aspekte von Beruflichkeit auf den Ordnungscharakter des Ausbildungswesens und darüber hinaus erfolgt eine Orientierung an den ausbildenden Institutionen nach einem „organisierenden Prinzip“. Damit entfaltet sich (ebd., 4) die Deutung von Beruflichkeit nach den gesellschaftsbedeutsamen Strukturen des Berufs und nicht aus „Sachlogiken“. Es dominieren die „Soziallogiken des Handelns“ (vgl. Harney 1993, 75). Die Rolle der ausbildenden Betriebe ist demnach sehr entscheidend dafür, ob die berufliche Erstausbildung ausschließlich oder vorrangig nach deren eigenen Reproduktionsbedingungen organisiert ist. Von der Intensität dieser Situation hängt letztlich die Orientierung der Beruflichkeit am Beruf ab. Nach Deißinger lässt die Intensität der beruflichen Orientierung nach, so dass Beruflichkeit zum dominierenden Faktor wird.

Beruflichkeit in einer subjektiven Perspektive steht immer in Verbindung mit Veränderung: „Neues erwerben und in berufliches Handeln integrieren, Erfahrungen machen und sich mit diesen auseinandersetzen sowie ethische oder berufsbiographische Fragen im sozial-interaktiven respektive organisationalen Rahmen reflektieren“ (Kraus 2022, 56) wird zum Kern von Beruflichkeit. In diesem Sinne kann man Beruflichkeit als einen „biographischen Prozess“ (vgl. Spöttl/Ahrens 2012) verstehen. Spöttl und Ahrens (2012) zeigen den „zentralen Stellenwert beruflicher Ausbildung für die persönliche Entwicklung“ (ebd., 88), „die individuelle Lebensführung und die gesellschaftliche Positionierung des Einzelnen“ (ebd.) auch bei diskontinuierlichen Erwerbsverläufen. Sich den Veränderungen gestaltend stellen zu können wird auch in fachlicher Hinsicht zu einem Beruflichkeitsmerkmal, welches nicht allein durch eine Kompetenzkognition – also ein Leistungsvermögen – abgedeckt ist. Vielmehr ist es der entstehende Lösungsraum für fachliche Problemstellungen, der es Personen mit Beruf erlaubt, auch komplexe Arbeitsanforderungen für die eigene Person wie auch für die Gesellschaft befriedigend zu bewältigen. Die Frage wäre hier: Geht das auch ohne einen Beruf? Und: Welches Rollenverständnis läge dann ohne Beruf zugrunde? Studien zur Ausbildung zum Beruf (vgl. Becker et al. 2017) wie auch zum Übergangssystem legen hier eher nahe, dass eine Ausbildung zu einem allein über die Bildungsabsicht legitimierten Beruf wie auch eine Ausbildung ohne Berufsbezug weder auf der individuellen noch auf der unternehmerischen oder gesellschaftlichen Ebene Akzeptanz finden.

Maßstab zur Modernisierung der beruflichen Bildung sollte nach Kutscha (1992) eine „neue Beruflichkeit“ sein, die Fachkräfte zum selbstständigen Problemlösen befähigen und damit geeignet sei, auf den flexiblen Umgang mit der ungewissen, differenzierten Entwicklung im Beschäftigungssystem vorzubereiten und jedem zu jeder Zeit eine Teilhabe zu ermöglichen. In einer Veröffentlichung stellt Kutscha fest, dass der Beruf „bisher immer primär Fachberuf“ (Kutscha 2017, 38) war, sich dieses jedoch im Zeitalter der Digitalisierung ändern könnte. „Hierbei geht es nicht um das ‚Ende‘ von Beruflichkeit, wie es vielfach vermutet oder behauptet wurde, sondern das nuancenreiche Auslaufen eines historischen Modells von Beruf, genauer: um die Überwindung des Berufs als einer starren und dauerhaft standardisierten Sozialform“. (ebd.) Die Berufsbildung hat sich auf neuere Entwicklungen einzustellen und benötigt „ein ‚Leitbild‘ im Sinne einer ‚erweiterten modernen Beruflichkeit‘, die sich sowohl auf die betriebliche und schulische Aus- und Weiterbildung als auch auf das Hochschulstudium bezieht und Optionen für eine stärkere Vernetzung der unterschiedlichen Bildungsbereiche ermöglicht“. (ebd.; IG Metall 2014) Kutscha verfolgt mit seiner Aussage ein „Bildungskonzept“, welches „durch Qualitätsmaßstäbe statt durch starre Strukturen voneinander abgegrenzter Bildungs- und Studiengänge“ organisiert ist. Bei den Qualitätsmaßstäben zur „Einlösung“ des Leitbildes greift Kutscha (2017, 38 f.) auf die IG Metall (vgl. IG Metall 2014, 20 ff.) zurück und selektiert nachstehende Kriterien. Berufliches Lernen

  • ist Bildung und fördert Identität,
  • erfordert eine fachlich breite Qualifikation,
  • vermittelt Wissen, Handlungsfähigkeit und ermöglicht praktische Erfahrung,
  • orientiert sich an Arbeits- und Geschäftsprozessen,
  • zielt auf Reflexion und Gestaltung von Arbeit,
  • ist soziales Lernen,
  • ist entdeckendes und forschendes Lernen,
  • verknüpft Erfahrung- und Wissenschaftsorientierung,
  • hat unterschiedliche Lernorte,
  • schließt niemanden aus.

Von der IG Metall werden noch weitere interessante Merkmale genannt (ebd.). Berufliches Lernen

  • bereitet auf die Berufsrolle vor,
  • geschieht durch die Bewältigung von berufstypischen Aufgaben,
  • zielt auf die Reflexion und Gestaltung von Arbeit,
  • umfasst Reflexion und Gestaltung von Lern- und Berufswegen.

Die Ausführungen von Kutscha sind wichtig für die genauere Betrachtung von Berufen und Beruflichkeit, gehen jedoch deutlich darüber hinaus und haben ein umfassendes Bildungskonzept im Auge. Die genannten Qualitätsmaßstäbe sind hilfreich für die Analyse von Berufs- und Beruflichkeitskonzepten.

Greinert sieht zunächst den Beruf durch das vermittelnde Moment des Berufsbildungssystems gefestigt. Er stellt fest, dass „Berufe erwartetes Handeln strukturieren, das in Betrieben, Familien, Schulen, der politischen Öffentlichkeit allerdings nicht identisch sein muß, aber doch über die Berufe sinnhaft vermittelt wird“ (Greinert 2004, 18). Er sieht dieses allerdings als einen über das duale Ausbildungssystem definierten deutschen Sonderweg an (Greinert 2013), der international eher von der Beschäftigungsfähigkeit (Employability) abgelöst wird. Mit dem Mitdenken der Berufsausbildung und seiner „Erziehungsfunktion“ wird dem Beruf ein „Sinnüberschuss“ (Greinert 2008, 11) und eine damit verbundene gesellschaftliche Verankerung gegeben. Ohne diese Funktion – also ohne das duale Ausbildungssystem – wird der Beruf daher deutlich in Frage gestellt. Dieser Zusammenhang wird stets in Phasen des Schwächelns des dualen Ausbildungssystems betont, vernachlässigt jedoch die im Arbeits- und Erwerbsleben selbst geformte und für die Individuen empfundene fachliche und persönliche Bedeutung des Berufs sowie die Nachfrage der Unternehmen nach domänenspezifischen, erfahrungs- und kompetenzgesättigten Qualifikationsprofilen.

Baethge/Baethge-Kinsky (1998) votieren wegen der prinzipiellen Leistungsfähigkeit und fehlender Alternativkonzepte für eine Beibehaltung des Berufskonzepts als Kern zur Strukturierung des dualen Ausbildungssystems. Sie merken allerdings an, dass es sich hierbei „um eine verdünnte Kategorie von Beruf handelt, die in Bezug auf spätere Arbeitsrealität, gesellschaftliche Statuszuweisung und soziale Integration immer weniger Realitätsgehalt aufweist und somit als [betriebliche, arbeitsmarktspezifische und gesellschaftliche] Orientierungskategorie gebrochen ist“ (ebd., 470). Der Hinweis am Ende des Zitates ist ein indirekter Verweis auf die von Baethge ergänzend vertretene Position, wonach eine Erosion des Berufs aufgrund der Veränderungen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft (vgl. Baethge 1996) stattfindet. Allerdings bleibt die Antwort offen, was anstelle des alten Berufs tritt.

4.2 Veränderung von Berufen – Konsequenzen

Die Debatte zur „Entberuflichung“ in der beruflichen Bildung ist eng mit der Frage der Beruflichkeit verknüpft. Dabei sind drei Diskussionsstränge deutlich zu erkennen:

  1. Flexibilisierung und Entspezialisierung: In den 1970er und 1980er Jahren wurde vordergründig die vermeintlich mit fortschreitender Technisierung der Arbeitswelt und wachsender Pluralisierung von Lebens- und Erwerbskarrieren einhergehende Notwendigkeit einer Flexibilisierung und Mobilität von Arbeitskräften aufgegriffen und mit Forderungen nach einer Entspezialisierung und Entberuflichung des Berufsbildungssystems verknüpft (Rosendahl/Wahle 2016, 16).
  2. Selbstorganisation der Arbeit: In den 1990er Jahren rückten die Diskussionen zu veränderten betrieblichen Arbeitsorganisationen (Selbstorganisation der Arbeitstätigkeit – Voß/Pongratz 1998) sowie die damit verknüpften beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen in den Fokus der Diskussion zur Entberuflichung.
  3. Substitution durch Automatisierung: Aktuell werden die Konsequenzen der digitalen Transformation für die Beruflichkeit diskutiert und mit einer Entberuflichung der Arbeitsinhalte in Zusammenhang gebracht. Dies bezieht sich darauf, dass sich die beruflichen Aufgaben in bestimmten Berufen verändern oder an Bedeutung verlieren. Wenn die für den Beruf wesentlichen Aufgaben durch die Automatisierung und die Vernetzung ganzer Wertschöpfungsprozesse übernommen werden können, fallen einige Berufsinhalte weg oder es werden gar ganze Berufe bedeutungslos (Substituierbarkeitspotenziale – Dengler/Matthes 2015). Gleichzeitig entstehen möglicherweise neue Aufgabenfelder, die sich nicht eindeutig in herkömmliche Berufsfelder einordnen lassen.

Entwertende Wirkungen können in allen drei Diskussionssträngen abgelesen werden. Ebenso lassen sich aus den bereits seit den 1970er bis 1990er-Jahren laufenden Entwicklungen die Folgen für Berufe zumindest in Teilen darstellen. Die Anzahl der Berufe ist von über 600 im Jahr 1970 bis 2013 auf 329 Berufe gesunken und seitdem stabil (vgl. BiBB 2023, 417), wenn auch die Zahl der neuen Ausbildungsverträge von über 600.000 kontinuierlich sinkt und nunmehr im Jahr 2022 bei 468.900 liegt (Destatis 2023). Die Ausbildungsberufe wurden jeweils auf die neuen gesellschaftlichen, industriellen und handwerklichen Anforderungen hin angepasst, indem diese prozessorientierter, weniger spezialisiert (z. B. bei den M+E-Berufen mit gemeinsamen Kernqualifikationen und ohne Fachrichtungen) und auf neue Anforderungen ausgerichtet (z. B. hybride Technologien wie Mechatronik) aufgestellt wurden. In Abb. 1 sind diese vier Entwicklungsetappen prägnant zusammengefasst.

Abbildung 1: Schwerpunktsetzungen bei den Ausbildungsberufen in der M+E-Industrie (Becker et al. 2022, 99)Abbildung 1: Schwerpunktsetzungen bei den Ausbildungsberufen in der M+E-Industrie (Becker et al. 2022, 99)

Diese Entwicklungen zeigen, dass Ausbildungsberufe durch Modernisierung und Neuordnung bislang erfolgreich dem Beruflichkeitsprinzip gerecht werden – allerdings nicht ohne teilweise massive Veränderungen der fachlichen Ausrichtung erfahren zu haben. Für neu entstandene Aufgabenfelder wie der Informationstechnik sind ebenso neue Berufe und gar ein eigenständiges Berufsfeld Informationstechnik entstanden, welches quantitativ teils stark zunehmende Beliebtheit erfährt (z. B. bei Fachinformatikerinnen und Fachinformatiker von unter 10.000 neuen Ausbildungsverträgen im Jahr 2013 auf rund 16.000 neue Ausbildungsverträge im Jahr 2022). Dies sind alles Indikatoren, aus denen eher das Gegenteil einer Entberuflichung abgelesen werden kann.

Die Automatisierung als Einflussfaktor hat aus langfristiger Perspektive seit Beginn der industriellen Revolutionen ebenfalls eher zur Stabilisierung der Beruflichkeit und Berufe beigetragen. Im gewerblich-technischen Bereich sind die industriellen Metallberufe aus den „Schlossern“ und die industriellen Elektroberufe überhaupt erst entstanden.

Die im jetzigen Jahrzehnt stattfindende Entwicklung der Substitution kognitiver Kompetenzen durch die Künstliche Intelligenz (KI) hat eine neue Automatisierungsdebatte hervorgebracht. Hier sind die Auswirkungen auf Berufe und Beruflichkeit noch wenig absehbar, jedoch gilt in zunehmendem Maße, dass der Umgang mit der KI zu einer Querschnittsanforderung für alle Berufe wird. Hat die Automatisierung der Fertigkeiten die Berufe in der Weise verändert, dass diese jene Automatisierung zum berufsförmigen Arbeitsgegenstand als Informatisierung hat (vgl. Baukrowitz et al. 2006), so kristallisiert sich der Umgang mit der KI selbst zu einer Qualifikationsanforderung heraus. Diese wird sich in Beruflichkeit und in Berufen ausformen, falls beim Einsatz intensiver Informationsverarbeitung die Aufgabenstellungen nicht algorithmisch bearbeitbar sein werden, so die Hypothese der Autoren (vgl. Becker et al. 2021, 50; Felder II und IV in Abbildung 2).

Abbildung 2: Bedeutung von Beruflichkeit durch den Einfluss von KIAbbildung 2: Bedeutung von Beruflichkeit durch den Einfluss von KI

Die Verschiebungen bei den fachlichen Berufsanforderungen führten mitunter zur These, dass die Akademisierung einen Beruflichkeit entwertenden Einfluss ausübt. Der Bedeutungsverlust in der beruflichen Bildung wurde schon frühzeitig an den steigenden Übergangsquoten in den Hochschulsektor festgemacht. Hieraus sind unterschiedliche Diskussionsstränge zum Bedeutungsverlust der beruflichen Bildung entstanden. Begründet wurde dies u. a. mit den besseren Gehalts- und Aufstiegsperspektiven von Hochschulabsolventen, so dass die traditionelle, an Beruflichkeit orientierte Fachkräfteausbildung als „Karriere-Sackgasse“ empfunden wird, womit die Erosion des Berufs letztlich mit einem sukzessiven Prestigeverlust des Dualen Systems in Wirtschaft und Gesellschaft gleichgesetzt wurde (Geißler 1994; Geißler/Geramanis 2001). Die hier vorgenommene Gleichsetzung von Beruf und Dualem System kritisiert u. a. Kutscha (1992), da hiermit eine Zwangsläufigkeit des Niedergangs suggeriert werde, die Entwicklung jedoch lediglich „die Bedeutung der Berufsausbildung im Dualen System, nicht aber die des Berufs (…) im Beschäftigungs- und Gesellschaftssystem“ in Frage stelle (ebd., 540). Zudem hat sich bislang die Verschiebung hin zur Akademisierung nicht in einer Schließung der Fachkräftelücke ausgewirkt – im Gegenteil: seit der hier angedeuteten Akademisierungstendenz bei der Wahl des Bildungsweges hat sich der Fachkräftemangel keineswegs entschärft, sondern subjektiv eher verstärkt.

Die Digitalisierung als Megatrend führt zu einer neuen Diskussion zur Hybridisierung von Berufen. Sloane et al. (2018, 43) gehen in einer These sogar so weit, von einer beruflichen Entgrenzung durch die Digitalisierung zu sprechen: „Digitalisierung führt dazu, dass Grenzen zwischen verschiedenen Arbeitsgebieten/Handlungsfeldern verschwimmen, sodass kaufmännische und fachliche (gewerblich-technische, soziale usw.) Anforderungen miteinander verzahnt werden.“ Die empirischen Ergebnisse unterschiedlicher Studien (Becker et al. 2022; Zinke 2019) verweisen auf die Notwendigkeit einer Geschäftsprozessorientierung für viele Ausbildungsberufe, die jeweils einen fachlichen Kern in einer beruflichen Domäne behalten. Letztere sind an zentralen beruflichen Handlungsfeldern festzumachen, wie der Instandhaltung, der Produktion oder dem Herstellen von Baugruppen. Seltener werden dabei gemeinsame berufliche Aufgabenstellungen zwischen verschiedenen Berufen schon in der Aus- und Weiterbildung verknüpft (vgl. Windelband 2019). Tendenzen zur Hybridisierung solcher Technologiefelder sind jedoch seit Beginn der Informatisierung deutlich sichtbar, da die Fachkräfte in einer digitalisierten Arbeit immer mehr mit digitalisierten beruflichen Aufgaben konfrontiert sind, ohne dass sich dieses bislang in einer weiterentwickelten Beruflichkeit oder veränderten Berufsstrukturen niedergeschlagen hätte. Die für den Umgang mit der Digitalisierung erforderlichen Kompetenzen beschränken sich nicht auf eine Medienkompetenz (Becker 2022), sondern verändern im Kern die beruflichen Kompetenzen in generischen Handlungsfeldern. Das führt dazu, dass eine eindeutige Disziplinorientierung – beispielsweise auf die Metalltechnik – kaum mehr möglich ist und in den Unternehmen „hybride“ Qualifikationen gefragt sind (Becker et al. 2022).

4.3 Beruf und Beruflichkeit – Verlinkung oder Entkopplung?

Wie dargelegt, wird zwar in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik nicht bezweifelt, dass „Elemente des Berufs einer Erosion unterliegen“ (Meyer 2022, 42), jedoch – so die Bewertung – wird damit nicht zugleich das Prinzip der Beruflichkeit in Frage gestellt. Zu klären ist also wenigstens zweierlei:

  1. Was verbirgt sich hinter Beruflichkeit? und
  2. Warum ist Beruflichkeit von der Erosion nicht betroffen?

Meyer (2019) betont einerseits das Berufsprinzip als eine enge Kopplung von Individuum, Organisation und Gesellschaft und ordnet dem Beruf eine Schlüsselfunktion in der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften zu, der in seiner Form unterschiedliche soziale Systeme – Wirtschaft, Erziehung, Person, Sozialsystem – miteinander verbindet. Wenn das „Scharnier“ nicht funktioniert, entstehen Strukturprobleme, die zur Exklusion aus den Teilsystemen der Gesellschaft führen (vgl. Meyer 2022, 43). Diesen Mangel sieht Bosch (2017) durch das Prinzip der Beruflichkeit als kompensierbar an, weil dadurch eine Kopplung zwischen Ausbildungssystem und Arbeitsmarkt stattfindet, mit der Konsequenz, dass Arbeitsmärkte berufsfachlich organisiert sind und Beruflichkeit auch eine Schnittstelle zwischen Organisation und Individuum (die Beschäftigten) bildet. Die berufsförmige Organisation der Arbeit sichert einen Qualifikationsüberschuss, der eine Selbststeuerung und Selbstkontrolle ermöglicht, was den Unternehmen eine flexible Einsetzbarkeit von Personal bietet (ebd.). Diese Argumentationslinie weist in die Richtung, dass das Verständnis von Beruflichkeit breiter und umfassender angelegt ist, als das beim Beruf der Fall ist. Inwiefern solche Überlegungen bei der Diskussion um den Beruf eine Rolle spielen, wird weiter unten diskutiert.

Der Begriff der Beruflichkeit ist nicht auf eine bestimmte Form des Berufes – zum Beispiel auf den Ausbildungsberuf – eingeengt. „Vielmehr sind damit Qualitätsmaßstäbe gemeint, denen berufliche Lehr- und Lernprozesse bei aller Unterschiedlichkeit der Bildungsgänge und Lernende genügen sollen“ (Kutscha 2016, 5). Beruflichkeit zielt damit auf übergreifende Qualitätsprinzipien, auf Bildungsprozesse und Arbeitsgestaltung ab (vgl. Kaßebaum 2017, 195 ff.) und schließt eine Orientierung an Berufsfeldern und ein an Geschäfts- und Arbeitsprozessen ausgerichtetes Konzept der umfassenden und reflexiven beruflichen Handlungskompetenz ein.

Kraus (2022) argumentiert in eine ähnliche Richtung und bezeichnet Beruflichkeit als eine „spezifische Form der Erwerbsarbeit und darauf bezogener Bildungsprozesse“ (ebd.). Sie fasst Elemente von Beruflichkeit wie folgt zusammen:

  • „… umfasst fachliches Wissen und Können, überfachliche Kompetenzen, Allgemeinbildung sowie biografische und ethische Aspekte,
  • … entwickelt sich über pädagogische Settings der beruflichen Aus- und Weiterbildung, berufliche Sozialisation und (reflektierte) Berufserfahrung,
  • … zielt auf berufliche Handlungsfähigkeit und erwerbsbiografischer Gestaltungskompetenz“ (ebd., 55).

Mit diesem Profil von Beruflichkeit wird die Relevanz von individueller, organisationaler, sozialer und systembezogener Bedeutung untermauert „und die Funktion einer transsektoriellen Verbindung von Bildung und Arbeitswelt“ (ebd., 51) hergestellt.

Die hier benannten Elemente von Beruflichkeit weisen deutlich über traditionelle Berufsstrukturen hinaus und scheinen durchaus erosionsresistent zu sein, weil vor allem die transsektorielle Funktion einen dynamischen Entwicklungsfaktor darstellt, „der sowohl Konzept und Strukturen betrifft, als auch die Ebene individueller Entwicklung“ (ebd.). Der Zusammenhalt der benannten Kriterien ist die daraus resultierende Verantwortung und Könnerschaft im Zusammenhang mit lebensbedeutsamen Aufgaben. Lebensbedeutsam bedeutet hier einerseits, dass entsprechend der Beruflichkeitskriterien Ansprüche der Persönlichkeit eingelöst werden, andererseits ebenso die gesellschaftlichen Anforderungen an das hochtechnisierte Leben.

Die Einlösung der in diesen Konzepten benannten Standards von Beruflichkeit – ergänzt um die oben genannten Qualitätsansprüche – dürfte erhebliche Anstrengungen nach sich ziehen und um deren Wirkung feststellen zu können, bedarf es der Formulierung operationalisierbarer Parameter. Beruflichkeit in der skizzierten Definition geht weit über das traditionelle Berufsverständnis hinaus und hat einen eigenständigen Charakter. Allerdings kann dieser mit der Definition des Berufes in Verbindung gebracht werden – jedenfalls mit einer modernen Auslegung des Berufsbegriffs. Die Eigenständigkeit des Verständnisses macht diese Art von Beruflichkeit wenig anfällig für Erosionen und ermöglicht Veränderungen in der Definition in Abhängigkeit von den Entwicklungen von Gesellschaft, Organisation und Individuum.

4.4 Moderne Beruflichkeit - was ist das?

Moderne Beruflichkeit verweist auf eine Erweiterung des in Abschnitt 4.1 dargelegten Verständnisses. Die dort genannten Vertreter nehmen an, dass sich die Eindeutigkeit von Berufsprofilen weiter verändern wird und ergänzend zum skizzierten Verständnis von Beruflichkeit der Beruf vor allem als „abstraktes Organisationsprinzip“ zu verstehen ist, das von einer räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Entgrenzung der beruflichen Bildung auszugehen hat (vgl. Meyer 2019), ohne das Berufsprinzip grundsätzlich infrage zu stellen.

Als Ausdruck moderner Beruflichkeit können nach Meyer (ebd.) folgende Merkmale formuliert werden:

  • „Eine geringere Formalisierung, die insbesondere in Bezug auf Gratifikations- und Sozialleistungen sowie bezogen auf die sozialen Abstimmungsprozesse zu verzeichnen ist.
  • Eine Entgrenzung beruflichen Lernens – damit ist eine räumliche Entgrenzung aus den Lernorten Schule und Betrieb gemeint und eine zeitliche Entgrenzung aus der Phase der Erstausbildung in die Weiterbildung, sowie eine inhaltliche Entgrenzung durch das Verschwimmen der Fachgrenzen und disziplinären Zuständigkeiten.
  • Die Verschiebung traditioneller, funktionsbedingter betrieblicher Strukturen hin zu einer Prozessorientierung – diese gilt als neues Leitbild für die Arbeitsorganisation und auch für die betrieblichen Lernprozesse.“

Eine umfassendere Version moderner Beruflichkeit wird im Leitbild der IG Metall vorgeschlagen und „erweiterte moderne Beruflichkeit“ genannt (IG Metall 2014; Kaßebaum 2020). Kern dieses Leitbildes ist, die Prinzipien und Maßstäbe sowohl für die betrieblich-duale als auch für die hochschulische (Berufs-)Bildung zu nutzen. Zugespitzt handelt es sich um eine Erweiterung des Beruflichkeitsdenkens auf die Hochschule.

In der Literatur finden sich noch weitere Hinweise auf Merkmale moderner Formen von Beruflichkeit, die aus der Dynamik von Wirtschaft und Gesellschaft resultieren:

  • ständige Veränderung von Aufgaben,
  • hohe Flexibilität bei der Aufgabenwahrnehmung,
  • Forderung zu lebenslangem Lernen,
  • Individualisierung und Selbstorganisation beim Qualifikationserwerb,
  • eigenverantwortliche Steuerung und Gestaltung von Arbeits- und Qualifizierungsprozessen,
  • Partizipation bei der Arbeitsgestaltung,
  • Aufhebung sozialer und formaler Begrenzungen, die für traditionelle Berufsformen kennzeichnend waren (vgl. Meyer 2019; Kraus 2022).

Beruflichkeit, erweitert um moderne Beruflichkeit, bildet eine breite Plattform, um auf die verschiedensten Entwicklungen in Arbeitswelt und Gesellschaft mit einem „Berufskonzept“ zu reagieren, das nicht nur die aktuellen Anforderungen auffängt, sondern auch zukunftsgerichtet im Sinne einer Mitgestaltungsfähigkeit ist. Beruflichkeit eignet sich als Anker, als Leitbild, um Fachkräfte nicht strukturell-konservativ, sondern breit - was nicht im Sinne von oberflächlich missverstanden werden darf - und innovativ aus- und weiterzubilden. So betrachtet handelt sich es bei Beruflichkeit nicht um einen Mythos, sondern um einen Gestaltungsrahmen für eine berufsbezogene Kompetenzentwicklung.

4.5 Schlussfolgerungen zur Bedeutung der Beruflichkeit

Die Ausführungen belegen sehr deutlich, dass bei den Antworten zur zukünftigen Bedeutung des Berufes bei der sich dynamisch verändernden Gesellschaft Zweifel am Stellenwert der bisherigen Berufe bestehen. Mehr oder weniger alle Forschungsdisziplinen kommen zu dem Ergebnis, dass zumindest ausgewählte Elemente des Berufes heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Konsequenz ist allerdings bislang nicht, dass deshalb über gründliche Reformprozesse des Berufes im Zusammenhang mit dem Berufsbildungssystem nachgedacht wird; Ausbildungsberufe werden eher nach tradierten Mustern modernisiert. Das Vehikel „Beruflichkeit“ wird bemüht, um durch die Nutzung von vielfältigen Merkmalen diese so zu „definieren“, dass eine berufsbezogene Qualifizierung danach stattfinden kann. Aus- und Weiterbildung – vor allem im Dualen System – soll diese Beruflichkeitsansprüche einlösen. Dieser Weg wird auch im Artikel weiterverfolgt. Die Gestaltung der Merkmale der Beruflichkeit wird im nächsten Kapitel diskutiert.

5 „Referenzsystem“ für eine moderne Beruflichkeit

Ein Referenzsystem für eine moderne Beruflichkeit muss den Status Quo, die feststellbaren Veränderungen und auch das „Neue“ von Beruf und Beruflichkeit erfassen. Insbesondere die unter dem Aspekt der Auflösungserscheinungen debattierten Einflüsse der Flexibilisierung, Digitalisierung, Automatisierung und künstlichen Intelligenz formen eine neue Beruflichkeit und auch neue Berufe, wenn auch nicht gleich zwingend neue Ausbildungsberufe. Dies wollen die Autoren auf der Basis der empirischen Untersuchungen der EVA-M+E-Studie belegen. Zuvor soll das Referenzsystem aus den zuvor dargelegten Analysen abgeleitet und dargestellt werden.

Die Digitalisierung beeinflusst die Arbeitswelt in allen Bereichen. In den Debatten um den aktuellen Wandel der Arbeitswelt und deren Strukturen (New Work, Industrie 4.0, KI – vgl. Elsholz/Klusemann 2023, 252 ff.) spielt der Aspekt der Beruflichkeit in dieser Hinsicht bislang keine hervorgehobene Rolle. Der Diskurs dreht sich vielmehr um die Rolle von Berufen bei Einführung digitaler Technologien und den Substituierungspotenzialen menschlicher Arbeit. Durch die Integration von adaptiven Systemen, wie selbstlernende Systeme, KI und Machine Learning, wird hierbei eine selbsttätige Anpassung an sich wandelnde Arbeitsumgebungen angestrebt. Die Folgen für eine Ausweitung oder Einschränkung von Arbeitsanforderungen und daraus entstehender Qualifikationsbedarfe für eine erfolgreiche Gestaltung betrieblicher Digitalisierungsprozesse sind noch nicht endgültig geklärt. Aus Sicht der Berufsbildung ist es allerdings notwendig, zu überzeugenden Antworten zu kommen und zu klären, welchen Stellenwert Berufe und Beruflichkeit zukünftig haben werden, die nicht nur den genannten Einflüssen unterliegen, sondern diese selbst integrieren.

Um feststellen zu können, welche Rolle Beruflichkeit bei den Entwicklungen rund um Digitalisierung heute schon spielt, wird ausgehend von den analysierten Merkmalen und den beschriebenen Veränderungen in vorangegangenen Kapiteln ein „Referenzsystem“ für moderne Beruflichkeit zusammengestellt. Dieses wird in einem weiteren Schritt genutzt, um Entwicklungen in der Arbeitswelt daraufhin zu analysieren, ob Beruflichkeit und Berufe empirisch fassbare Konstrukte darstellen. Das Referenzsystem (vgl. Abbildung 3)

  • nimmt den Stand der Diskussion um Merkmale von Beruflichkeit auf individueller, gesellschaftlicher und systemischer Ebene auf;
  • erfasst die Veränderungen von Berufen und Beruflichkeit;
  • fokussiert auf das „Neue“ von Berufen und Beruflichkeit.

In Anlehnung an Meyer (2019), Kraus (2022) und den vorangehenden Analysen wird bei der Detailierung in drei Ebenen differenziert:

Individuelle Ebene

  • Funktionale Dimension: Umfasst fachliches Wissen und Können, überfachliche Kompetenzen, Allgemeinbildung sowie biografische und ethische Aspekte in Form einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz.

    Spezifizierung: Geringe Formalisierung in Bezug auf Gratifikations- und Sozialleistungen sowie bezogen auf die sozialen Abstimmungsprozesse. Inhaltliche Entgrenzung durch das Verschwimmen der Fachgrenzen und disziplinären Zuständigkeiten. Höhere Bedeutung disziplinübergreifender Kompetenzen für vernetzte und prozessbezogene Aufgaben mit hoher Verantwortungsübernahme.

Abbildung 3: Referenzsystem für eine moderne Beruflichkeit und zur Kennzeichnung moderner BerufeAbbildung 3: Referenzsystem für eine moderne Beruflichkeit und zur Kennzeichnung moderner Berufe

Gesellschaftliche Ebene

  • Pädagogische Dimension: Entwickelt sich über berufspädagogische Settings der beruflichen Aus- und Weiterbildung, berufliche Sozialisation und (reflektierte) Berufserfahrung.

    Spezifizierung: Eine Entgrenzung beruflichen Lernens – räumliche Entgrenzung aus den Lernorten Schule und Betrieb und zeitliche Entgrenzung aus der Phase der Erstausbildung in die Weiterbildung sowie zwischen formalen und informellen Bildungsstrukturen. Konzentration des Lernens auf die Einbeziehung wechselseitiger Einflüsse und Wirkungen auf Arbeitsprozesse und ein damit einhergehendes Verständnis von Grundbildung als Fähigkeit zur Übernahme umfassender Aufgabenstellungen ohne Fokussierung auf bestimmte Lernorte und ‑quellen.

Systemische Ebene

  • Organisierende Dimension: Zielt auf gesellschaftlich notwendige und nachgefragte Muster eines Arbeitskräfteangebotes im Einklang mit dem Bedarf an erwerbsbiografischer und identitätsgebender Gestaltungskompetenz ab.

    Spezifizierung: Verschiebung traditioneller, funktionsbedingter betrieblicher Strukturen hin zu einer Prozessorientierung und zu einer agilen, erfahrungsgeleiteten Verantwortungsübernahme für Aufgabenbündel – das bewirkt neue Arbeitsorganisationsformen und betriebliche Lernprozesse.

Die funktionale Dimension von Beruflichkeit ist durch ein traditionelles Beruflichkeitsmuster geprägt, welches sich allerdings nicht mehr über alte disziplinäre Zugänge definiert, sondern eher über systemische Anforderungen an die Individuen. Diese wirken weiterhin berufsförmig prägend, weil umfassende berufliche Kompetenzen entwickelt und erforderlich sind. Das heißt, dass zum Beispiel bei den M+E-Berufen kaum mehr eine „Metalltechnik“ oder „Elektrotechnik“ für die neue Beruflichkeit prägend ist, sondern eine systemische und auf die Arbeit zu beziehende Mechatronik, die disziplinorientierte funktionale Bindungen grundsätzlich sprengt.

Die organisierende oder auch organisationale Dimension einer modernen Beruflichkeit nimmt Bezug auf den Beruf als zusammenhängendes Aufgabenbündel, für das Verantwortung übernommen wird, ohne jedoch die Anforderungen und Aufgaben als zeitliche Konstante zu verstehen. Vielmehr ist das neue organisierende Prinzip die Flexibilität selbst, die Personen im Sinne eines Flexibilisierungsberufes annehmen und in ihre Beruflichkeit integrieren. An die Stelle des Lebenszeitberufes tritt der Beruf als Potenzial, stets neue berufliche Anforderungen zu meistern und dazu Erfahrungen kontinuierlich weiterzuentwickeln und berufsbiografisch auszubauen.

Die berufspädagogische Dimension einer neuen Beruflichkeit nimmt das berufliche Lernen als an Aufgaben und Problemstellungen in Betrieben gebundenen Prozess lebensbegleitenden Lernens auf. Eine feste Bindung an bestimmte Lernorte wie Betrieb und Schule sowie Strukturen und festgelegte Quellen wie das Buch, die Lehrkraft und formale Lernprozesse treten in den Hintergrund. Das berufliche Lernen erfolgt allerdings nicht strukturlos, sondern ordnet sich berufsbiografisch in der Entfaltung einer sich steigernden beruflichen Könnerschaft und Expertise.

Eine so geprägte neue Beruflichkeit lässt sich als Ausschnitt aktueller Studien sowie der EVA-M+E-Studie darstellen:

  • Flexibilisierung von Produktion und Service: Die technologische Entwicklung und der weltweite Datenaustausch erlauben ein standortunabhängiges Agieren von Unternehmen. Unterstützt wird dieses durch eine zunehmend stärkere Vernetzung, die branchenübergreifend erfolgt und darauf ausgerichtet ist, Produktionsprozesse eigenständig zu initiieren. Das wiederum zieht eine Veränderung der Arbeitsteilung in den Unternehmen nach sich. Klassisch aufgebaute Unternehmenshierarchien werden flacher und interdisziplinäre Teams gewinnen an Bedeutung. Das geht zugleich einher mit einer flacher werdenden technologiebezogenen Automatisierungspyramide. Beim kollaborativen Arbeiten kooperieren Menschen sowohl stärker untereinander als auch mit Maschinen, wie beispielsweise Robotern. Die damit verbundenen Herausforderungen sind bisher erst ansatzweise erforscht (vgl. etwa Bauer et al. 2019; Schuh et al. 2020), erscheinen aber als eher umfassendere denn als spezialisierte Aufgaben, die für die punktuell erforderlichen Spezialisierungen und damit verbundenen komplexen Aufgaben die Auflösung vertikal hierarchisch geordneter Qualifikationsebenen notwendig macht.

    Der skizzierte Veränderungsprozess impliziert, dass betriebliche Strukturen erheblich in Veränderung sind. Die Nutzung von Technologien und Daten in vernetzten Umgebungen macht die Produktion hoch flexibel, was zur Folge hat, dass Fachgrenzen überwunden werden. Es werden sowohl traditionelle betriebliche Strukturen verschoben als auch mehr Verantwortung an Fachkräfte delegiert (systemische Ebene). Auch Fachgrenzen werden überschritten, was zu einem Verschwimmen derselben führt (individuelle Ebene). Berufliches Lernen wird in solchen Fällen bevorzugt an betrieblichen Aufgaben stattfinden, ohne Bindung an einen Lernort, nicht oder wenig strukturiert (vgl. Becker/Windelband 2021), sondern als beruflicher Könnerschaft (gesellschaftliche Ebene).
  • Assistenz- versus Automatisierungssysteme: Assistenzsysteme werden immer mehr in modernen Arbeitswelten in Vernetzungstechnologien eingebunden. Durch systematische Verarbeitung von Daten und Informationen über die Produktion sowie deren virtuelle Abbildung übernimmt die Virtualisierung von Produktions- und Arbeitsprozessen die Regelung sowie Organisationsfunktionen. Die Vernetzungstechnologien zielen auf eine Konnektivität unterschiedlicher Objekte und Produktionsabläufe (vgl. Jeschke et al. 2018) mit Werkzeugen (zum Beispiel Assistenzsysteme, additive Produktionssysteme) ab. Hier wird die berufliche Arbeitsaufgabe durch die Technologie unterstützt – Assistenzszenario (vgl. Windelband/Spöttl 2012). Dagegen erreicht die Automatisierung ein neues Niveau in der industriellen Produktherstellung mit dem verstärktem Einsatz kollaborativer Robotik und künstlicher Intelligenz (vgl. Becker et al. 2021; Schmitt et al. 2021), weil dadurch bestimmte berufliche Aufgaben und immer mehr Tätigkeiten substituiert werden können – Automatisierungsszenario (vgl. Windelband/Spöttl 2012; Pfeiffer/Suphan 2020). Stettes (2020) weist darauf hin, dass gerade in Berufen mit hohem Substituierungspotenzial häufig auch Fachkräfteengpässe bestehen, wonach die offenen Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitskräften besetzt werden können. Automatisierung mit Substitutionspotenzial und als Assistenz für den Umgang mit der neu entstehenden Komplexität erscheinen hier weniger als Gegensatz, sondern formen die moderne Beruflichkeit, die beide Entwicklungsrichtungen (vgl. Abbildung 2, Felder II und IV) zum Gegenstand beruflichen Handelns macht (systemische Ebene).

    Assistenzsysteme bedingen deren Einbettung in vernetzte Strukturen und ziehen damit umfassende Aufgabenstellungen für Fachkräfte nach sich (gesellschaftliche Ebene). Eine Entgrenzung beruflichen Lernens ist in diesem Falle naheliegend genauso wie ein massives Verschwimmen von Fachgrenzen (individuelle Ebene).
  • Beschäftigungsverschiebungen: Die Beschäftigungseffekte sind umstritten, vor allem, wenn es um mögliche Arbeitsplatzverluste geht. Zahlreiche Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass „kurzfristig mit Freistellungseffekten durch die neuen Technologien zu rechnen ist“ (vgl. Hirsch-Kreinsen/Wienzek 2019, 3 f.). Umstritten ist jedoch, ob dieses auch längerfristig der Fall sein wird oder ob dadurch „neu entstehende Arbeitsplätze kompensiert werden“ (ebd.). Wieder andere Positionen belegen die aktuellen Fachkräfteengpässe und weisen darauf hin, dass neue Technologien auch einen steigenden Fachkräftebedarf für deren Umsetzung und Weiterentwicklung induzieren können (vgl. Stettes 2020). Dies dürfte beispielsweise auch für den seit etlichen Jahren steigenden Bedarf an Fachkräften, Spezialisten und Experten im IT-Bereich zutreffen. Weitgehender Konsens besteht bei einschlägigen Experten, dass auf lange Sicht „Arbeitsplatzverluste vor allem im Segment geringqualifizierter und standardisierter Tätigkeiten wie in der Produktion und Logistik anfallen werden. Denn solche Tätigkeiten weisen einen strukturierten und regelorientierten Charakter auf und lassen sich daher problemlos in Algorithmen überführen“ (Hirsch-Kreinsen/Wienzek 2019, 19; Felder I und III in Abbildung 2). Neue Beruflichkeit definiert sich daher immer weniger über die Erfahrungsbildung in starren und repetitiv geprägten Arbeitsstrukturen (systemische und gesellschaftliche Ebene).

    Die angesprochenen strukturellen Verschiebungen bedingen die Überwindung von starren Berufsstrukturen und fordern eine Beruflichkeit, die sich einlässt auf die Übernahme von Verantwortung, die disziplinübergreifend agiert, sich auf verschwindende Fachgrenzen einlässt und trotzdem fachliches Können entwickelt (individuelle und systemische Ebene).
  • Aufgabenveränderungen – Formen einer modernen Arbeitswelt: Hier sind unterschiedliche Strömungen sichtbar. Auf der einen Seite werden ehemals komplexe Aufgaben, wie beispielsweise Auftragsverwaltung oder Fehlersuche, durch Modellierung und Formalisierung standardisiert und immer mehr von Assistenzsystemen durchgeführt. Neue und komplexe Tätigkeiten hingegen entstehen dadurch, „dass ein störungsfreier Einsatz digitaler Technologien zugleich neue Planungs- und Überwachungsarbeiten erfordert, die nur mehr von spezialisierten technischen Experten ausgeführt werden können“ (Hirsch-Kreinsen/Wienzek 2019, 21). Dabei spielen Aspekte der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit, Förderung von Partizipation bis hin zu agilen Projektführung eine immer größere Rolle, welche als wichtige Elemente bei den Veränderungen der Arbeitsstrukturen hin zu einer modernen Arbeitswelt („New Work“) gesehen werden (vgl. Hackel et al. 2017). Gerade die Formen der Zusammenarbeit – Kollaboration – erhalten durch die Digitalisierung noch einmal eine neue Bedeutung (vgl. Neumer et al. 2022). Im Kontext digital vernetzter Arbeit stellt Kollaboration neue Anforderungen an berufliche Kompetenzen und Fähigkeiten. Dazu zählen die Fähigkeit, über den eigenen Arbeitsbereich hinaus in Prozessen, Systemen und vernetzt zu denken und die Fähigkeit, Sichtweisen, Handlungslogiken und Bedarfe anderer Arbeits- und Fachbereiche bei der eigenen Arbeit zu berücksichtigen (ebd., 6). Damit werden die Entwicklungstendenzen, die Spöttl et al. (2016) im Jahre 2016 zu Beginn der Entwicklungen von Industrie 4.0 festgestellt haben, bestätigt: Ganzheitliches Denken in Prozesszusammenhängen und vernetzten Systemen sowie Kollaboration in vernetzten Prozessabläufen über unterschiedliche (berufliche) Domänen und Hierarchien hinweg führen zu neuen, eher höherqualifizierten beruflichen Fähigkeiten.

    Diese Ausführungen belegen, dass der Einsatz digitaler Technologien erhebliche Veränderungen in den Produktions- und Arbeitskonzepten nach sich zieht, was sowohl die Aufgaben, deren Qualität und Komplexität verändert. In dieser „neuen  Arbeitswelt“ sind alle drei Ebenen des Referenzsystems der modernen Beruflichkeit relevant. Das ist ein deutlicher Hinweis, dass die Berufsstrukturen im Sinne einer modernen Beruflichkeit massiv zu verändern sind, wenn das Berufskonzept langfristig Bestand haben soll.

Die heute immer noch häufig angeführte These mit Anlehnung an Frey/Osborne (2017) ist, dass die Informationstechnologien und die Künstliche Intelligenz vor allem Routinetätigkeiten ersetzen. Dies beinhaltet sowohl repetitive manuelle Tätigkeiten (Feld I in Abbildung 2), aber auch analytische Routinetätigkeiten (Felder II und in Teilen IV in Abbildung 2), die vor allem auf der Shopfloor-Ebene angesiedelt sind. Diese These als „routine-basierter technologischer Wandel“ wird durch zahlreiche Studien gestützt, die versuchen, Routinetätigkeiten zu messen, um Entwicklungen zu prognostizieren. Gegen diese Betrachtungsweise ist kritisch einzuwenden, dass vor allem Einzeltätigkeiten isoliert von den gesamten beruflichen Aufgaben, die einen Beruf ausmachen, betrachtet werden.

Das in diesem Kapitel dargelegte Referenzsystem lässt sich auf Ergebnisse aus empirischen Analysen anwenden, in denen berufliche Arbeitsaufgaben und nicht nur isolierte Tätigkeiten untersucht werden. Die im nächsten Kapitel untersuchten Fallstudien aus der Metall- und Elektroindustrie dokumentieren solche beruflichen Arbeitsaufgaben, die in Auszügen herangezogen werden. Die Analyse der beruflichen Arbeitsaufgaben zeigt, dass sich die drei zentralen Referenzen der funktionalen, pädagogischen und organisierenden Dimension von Beruflichkeit zur Beschreibung eignen und sich aussagekräftige Indikatoren für Beruflichkeit in den Aufgaben finden lassen.

Die im folgenden Kapitel aufgeführten Fallbeispiele stammen aus der EVA-M+E-Studie (vgl. Kapitel 2). Es lässt sich in der Mehrheit der Untersuchungen trotz einer sehr dynamischen Veränderung der Produktionsabläufe und zugehöriger Aufgabenzusammenhänge eine Charakteristik bei der Anwendung des obigen Referenzsystems ausmachen, die gegen die These einer Entberuflichung durch die Digitalisierungsprozesse sprechen.

6 Sekundäranalyse – Fallstudien zur Identifikation von Beruflichkeit

Fallbeispiel Sondermaschinenbau / Herstellen von Stahlkonstruktionen – Kranbau (Fall 06)

Im Unternehmen spielen der Stahlbau und das Schweißen größerer Anlagen eine wichtige Rolle. „Schweißen ist Handwerk, in dem Digitalisierung schwierig ist“ (Fall 6). Deshalb erfolgt keine progressive Digitalisierung in diesem Arbeitsfeld. Der vorhandene Manufakturcharakter wird noch längere Zeit eine wichtige Rolle spielen. Auch das Arbeiten nach Zeichnungen spielt hier noch eine wichtige Rolle.

Andererseits werden allerdings die ersten Schweißroboter eingesetzt. Das ist mit einer Softwareimplementierung verbunden, was eine Teilautomatisierung nach sich zieht und zugleich zur Aufgabe von Konstruktionsmechanikerinnen und Konstruktionsmechanikern macht: „Weil das Schweißen nach wie vor der Kern der Aufgaben ist, werden Anlagen ausgewählt, bei denen der Werker die Software selbst bedienen kann. Programmierer werden definitiv nicht auf Schweißanlagen gesetzt. Das wäre eine Fehlentscheidung“ (Fall 6). Die Softwarelösungen am Schweißroboter müssen die Schweißerin oder den Schweißer unterstützen. Im Unternehmen wird nach Auskunft der Befragten keine Software gewählt, die nur von Informatikerinnen und Informatikern beherrscht wird! Das „Know-how des Schweißers spielt eine wichtige Rolle, wenn Roboter zur Unterstützung eingesetzt werden“ (Fall 6).

Dieses Fallbeispiel steht für die Durchdringung IT-gestützter Abläufe in klassischen Arbeitsfeldern wie hier dem Schweißen. Eine allein an der Fügetechnik des Schweißens festgemachte Beruflichkeit hat keinen Bestand (in diesem Fall für Konstruktionsmechanikerinnen und Konstruktionsmechanikern), wird aber nicht durch informationstechnische Fähigkeiten oder gar die Automatisierung ersetzt. In solch einem Arbeitsumfeld sind auch keine Informatikerinnen und Informatiker anzutreffen (da sie nichts vom Schweißen verstehen); die neue Beruflichkeit ist systemischer Natur, bezieht sich auf die via Software zum Tragen zu bringende Umsetzung der Schweißqualität, was disziplinäre Bezüge auflöst und neue entstehen lässt, auf die sich Konstruktionsmechanikerinnen und Konstruktionsmechaniker in beruflicher Perspektive einlassen (müssen).

Fallbeispiel Automobilproduktion / Sicherstellung der Serienproduktion (Fall 12)

Es ändert sich die Qualifikationsstruktur in Richtung einer deutlich wahrnehmbaren Abnahme an mechanischen Aufgabenstellungen. Beim Bedarf wird deutlich, dass eine Aufgabenverschiebung hin zu mechatronischen Aufgaben bereits seit längerer Zeit vorhanden und umgesetzt ist. „Die Mechatronik trifft die Aufgabenverschiebung ganz gut; daher passt die Ausbildung von Mechatroniker/-innen anstatt von Industriemechaniker/-innen für die Instandhaltung auch“ (Fall 12).

Im Bereich der Störungssuche und -behebung in den vernetzten Anlagen wird dies besonders deutlich. Allein mit dem theoretischen Wissen von Ingenieurinnen und Ingenieuren sind die auftretenden Störungen nicht lokalisierbar; Durch die zunehmenden Digitalisierungstechnologien sind sie aber auch nicht allein erfahrungsbasiert bearbeitbar. „Sie benötigen für die Störungssuche eine praxisorientierte Logik. Die Störung an einem Knoten in der Produktion muss unter Berücksichtigung der vorgelagerten und nachgelagerten Prozesse analysiert werden“ (Leiter der Produktion, Fall 12).

Das Fallbeispiel ist ein Beleg dafür, dass nicht nur strukturelle Veränderungen in verschiedenen Arbeitsfeldern stattgefunden haben, sondern in der Arbeitsrealität nicht mehr zwischen verschiedenen Technologiefeldern (zum Beispiel Mechanik, Elektrik, Informatik …) differenziert wird. Beispielsweise wird bei der Störungssuche längst von der Integration der Teilsysteme und dem prozessbezogenen Datenmanagement ausgegangen. Dieser Sachverhalt macht es für die disziplingebundenen Fachkräfte (z. B. Industriemechanikerinnen und Industriemechaniker) schwierig, in den vielfältigen, komplexen Aufgabenfeldern tätig zu sein. Mechatronikerinnen und Mechatroniker (integriert mehrere Technologiefelder) werden hier als minimaler Kompromiss eines passenden Berufszuschnitts gesehen. Ein Abgleich mit den Beruflichkeitsebenen zeigt, dass bei den skizzierten Aufgaben alle drei Ebenen relevant sind. Das kann als eindeutiger Indikator dafür gewertet werden, dass Berufsstrukturen Bestand haben, Ausbildungsberufe jedoch strukturell verändert werden müssen.

Fallbeispiel Maschinenbau / hochtechnisierte Fertigung von Stahl- und Gussteilen (Fall 15)

Die modernen Wertschöpfungsketten setzen auf intelligente, digital vernetzte Systeme. Industrie 4.0 bedeutet beim Unternehmen die Verknüpfung der Bearbeitungszentren mit modernster Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Bearbeitungsmaschinen können nicht nur mühelos verkettet werden, sie sind auch bereit für die digitale Vernetzung in selbstorganisierten Produktionsprozessen. Die durchgängige Digitalisierung der Bearbeitungszentren generieren einen hohen Zusatznutzen für die Prozessoptimierung. Durch den konsequenten Einsatz von I/O-Link-Komponenten sind alle Maschinen in der Lage, per digitalem Footprint ihren gesamten Lebenszyklus zu dokumentieren und Rückschlüsse über den gegenwärtigen Maschinenzustand zu ermöglichen.

Deshalb wird es immer wichtiger für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die genauen Abläufe im Unternehmen zu verstehen – alle Materialabläufe bis hin zur Logistik. Dabei müssen die ERP[2]-Systeme bis hin zum MES[3]-System verstanden werden. Die Auszubildenden bringen hier nur wenige Grundlagen zur Vernetzung mit: Antriebstechnik und Steuerungstechnik fehlen in der Grundausbildung bzw. sind rein metalltechnisch oder elektrotechnisch und nicht anlagentechnisch ausgerichtet. Die Digitalisierung im Unternehmen schreitet jedoch weiter voran und macht diese zu einer Querschnittsanforderung. Ziel ist es, alle Arbeitsbereiche stärker miteinander zu vernetzten. Hier wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt, dass sie die prozessualen Zusammenhänge verstehen und nachvollziehen können. Die Eigenständigkeit hat in den letzten Jahren stark zugenommen; dies wird deutlich durch das Shopfloor-Management. Die Fachkräfte müssen selbständig Daten abrufen oder einsehen sowie den Zustand des jeweiligen Prozesses beschreiben (Fall 15).

In diesem Falle wird eindrucksvoll deutlich, dass die digitalisierten Herstellungsketten vollkommen anders konzipiert sind als die traditionelle Produktionslinie. Es stehen Prozesse im Mittelpunkt, die digital gesteuert und von Fachkräften verantwortet werden (systemische Ebene). Es findet eine inhaltliche Entgrenzung statt, weil fachliche Differenzierungen zugunsten vernetzter, softwaregesteuerter Anlagen aufgegeben wurden (individuelle Ebene) und weil umfassende und vielfältige Aufgabenstellungen in den Fokus rücken, die als disziplinübergreifende Auseinandersetzungen mit den Arbeitsprozessen Lern- und Kompetenzentwicklungsprozesse prägen (gesellschaftliche Ebene).

Fallbeispiel Maschinenbau / Zulieferindustrie für vielfältige Branchen (Fall 13)

Die heutige Philosophie im Unternehmen bezüglich der Aufgaben von Fachkräften unterscheidet sich zu früheren Jahren. Es wird davon ausgegangen, dass Fachkräfte an Maschinen diese nicht nur bedienen, sondern auch das Umrüsten beherrschen, die Grundeinstellungen der Maschinen durchführen können, die Nullpunkteinstellung bei CNC-Maschinen (technische), Daten bei Programmierungen verändern und bei der Modernisierung von Produktionslinien mitwirken können.

In der Produktion sind auch konkrete Veränderungen durch die Implementation von Industrie 4.0-Ansätzen bereits sichtbar. Die Nutzung von MES führt dazu, dass Fachkräfte die Auftragsplanung und Auftragssteuerung beherrschen und mit den entsprechenden Tools überprüfen können. Dazu gehört, Prozessvisualisierungen an den Maschinen zu verstehen und die Bedeutung der verschiedenen Automatisierungsebenen für die eigene Arbeit einschätzen zu können. Dies ist auch notwendig, um in automatisierte Fertigungsabläufe eingreifen zu können. Ein Beispiel ist hier etwa das in den Fertigungslinien bereits implementierte, robotergestützte Schleifen der Flanken von Lager-Außenringen mit anschließendem Vermessen. Wenn bedingt durch Auftrags- oder Zulieferänderungen beispielsweise solche Rohteile zwischengelagert werden müssen und dort Rost ansetzen, muss das hierdurch bedingte Nacharbeiten (Schleifen) bereits im Vorfeld durch ein Aufmaß berücksichtigt werden. Fachkräfte geben dieses in die Steuerungen der automatisierten Anlage ein und müssen auch in anderen Fällen in der Lage sein, Ablaufsteuerungen und Parameter fertigungsbezogen zu verändern.

Dieses Fallbeispiel belegt für eine noch nicht vollkommen als Industrie 4.0 etablierte Produktion, dass markante Veränderungen im Aufgabenspektrum von Fachkräften relevant sind. Zum einen ist es die Komplettbetreuung einer Maschine vom Umrüsten bis zur Inbetriebnahme, was die Programmierung einschließt. Zum anderen ist es die Maschinenbedienung, die es nach sich zieht, dass Fachkräfte verschiedene Maschinen und Fertigungsverfahren beherrschen müssen. Der Umgang mit MES zur Unterstützung der Produktionssteuerung und der Auftragsplanung zählt mit zum Aufgabengebiet und erfolgt weitgehend selbstständig. Basierend auf der Prozessvisualisierung müssen Fachkräfte auch in die Anlage eingreifen können. Der Eingriff in automatisierte Fertigungsabläufe und die Veränderung von Parametern bei der Steuerung ist Teil des Aufgabengebietes von Fachkräften. Das erfordert sehr viel Verantwortung (individuelle Ebene) und eine gezielte Vorbereitung auf diese Aufgaben mittels Erstausbildung und Weiterbildung (gesellschaftliche Ebene). Die Unterstützung der Produktionsplanung und der Prozessabläufe ist eine selbstverständliche Aufgabe und zählt zur systemischen Ebene, wird aber bislang in der Ausbildungsabteilung eher thematisch (Kurse) und nicht systemisch durch veränderte Ausbildungsstrukturen abgebildet.

Fallbeispiel Sondermaschinenbau / Maschinen und Geräte für die Land- und Forstwirtschaft (Fall 14)

Zur Forcierung der Digitalisierung im Unternehmen wurde ein Team „Smart Factory“ etabliert, welches unterschiedliche Projekte zur digitalen Transformation vorantreibt und initiiert. Die beruflichen Fachkräfte werden in der Planung bereits mit einbezogen, sodass bei einem Einsatz keine grundlegenden Qualifizierungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Durch diese Maßnahme besteht auch die Chance, das Prozesswissen der Fachkräfte in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich an Anlagen arbeiten, kennen die Prozessabläufe im Detail. Hier zeigt sich eine große Lücke zwischen den IT-Expertinnen und Experten und den Fachkräften aus der Produktion.

Die Anforderungen im Unternehmen gehen sehr stark in Richtung Automatisierung, Prozessbeherrschung und -vernetzung. Im laufenden Ausbildungsjahr wurden keine Industriemechanikerinnen oder Industriemechaniker eingestellt. Die Zahl der Mechatronikerinnen und Mechatroniker wurde hingegen verdoppelt, um auch an elektrischen Anlagen arbeiten zu können. In den letzten Jahren wurde deshalb die Ausrichtung hin zur Automatisierungstechnik verstärkt. In den Qualifizierungsphasen in den Abteilungen wurden Auszubildende ausgewählt, um als spätere „Prozessverantwortliche“ sicherzustellen, dass sie die Prozesse beherrschen und in der Lage sind, diese zu stabilisieren.

Auch dieser Fall stellt disziplinübergreifende und entgrenzende Einflüsse heraus, die aber zu ganzheitlichen Aufgabenbündeln führen (Systemische Ebene), die (noch) mit verfügbaren Ausbildungsberufen abgedeckt werden. Eine Entberuflichung ist nicht erkennbar und wird wegen der oben genannten Lücke der Kompetenzen zwischen IT-Fachkräften und Produktionsfachkräften auch nicht strategisch verfolgt; es bildet sich auf der Individuellen Ebene eine modernisierte, erweiterte berufliche Handlungsfähigkeit.

Fallbeispiel Energietechnik / Montage- und Fertigungstechnik (Fall 08)

Das Unternehmen hat Fertigungsbereiche mit sehr hohem Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad und zugleich auch wesentliche Bereiche, in denen einer Automatisierung und Digitalisierung enge Grenzen auferlegt sind. Die Montagevorgänge der hergestellten Produkte weisen eine Komplexität auf, die einer Automatisierung oder roboter-gestützten Handhabung nicht oder nicht sinnvoll zugänglich sind. Während also die Fertigung von einzelnen Bauteilen einen hohen Automatisierungsgrad und eine Implementation von Industrie 4.0-Konzepten aufweist, sind andere Produktionsbereiche eher durch anspruchsvolle Montageaufgaben und immer wiederkehrende Qualitäts- und Funktionskontrollen gekennzeichnet, die sich nicht automatisieren lassen.

Im Unternehmen dominieren hoch individuelle Anforderungen, weil es trotz hoher Standardisierung kaum Standardfälle gibt. Das beeinflusst die Arbeitsorganisation und die Geschäftsprozesse erheblich. Beides wird immer komplexer und führt zu immer höheren Anforderungen auch in der Berufsausbildung. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau eines „Entnahmesystems für Mitarbeiter“ in der Montage. Programmiert wurde dieses von Systemelektronikerinnen und Systemelektronikern, die in solchen Fällen Zugang zum Firmennetz haben müssen, um auch mit Partnern das Vorhaben genau abstimmen können. Dieser Vorgang bedeutet eine erhebliche Veränderung der Abläufe und eine zunehmende Komplexität der Arbeitsvorgänge. Früher waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich für die Erstellung eines Werkstücks oder Produktionsschritts; jetzt müssen viele Aufgaben im Firmennetz wahrgenommen werden, was die Nutzung von Tools für die Produktionssteuerung nach sich zieht.

In diesem Fall wird das Erfordernis des sich Hineinarbeitens in neue Aufgabenstrukturen deutlich. Die Vernetzung der Produktion erfordert nicht nur große unternehmensbezogene Veränderungen, sondern ständige Anpassungen an veränderte Arbeitsstrukturen im Alltag, bei der Berufserfahrung in der Erstausbildung aufgebaut und in der Weiterbildung ständig ausgebaut werden muss (Gesellschaftliche Ebene). Tradierte und eher thematisch ausgerichtete Ausbildungsstrukturen werden dieser Anforderung immer weniger gerecht.

Fallbeispiel Anlagenbau / Robotik (Fall 09)

Im Unternehmen war es in der Vergangenheit Aufgabe der mechanischen Konstruktion, die Funktion von Anlagen abzusichern und auch sicherzustellen, dass Roboter ohne Behinderung die erforderlichen Aufgaben verrichten konnten. Heute werden die Konstruktion und die Steuerung von Robotern zusammengeführt und per Simulation erprobt. Das macht es erforderlich, dass verschiedene Berufsgruppen wie beispielsweise Elektronikerinnen und Elektroniker für Automatisierungstechnik, Elektronikerinnen und Elektroniker für Betriebstechnik und Mechatronikerinnen und Mechatroniker eng kooperieren. Für Anlagen werden Teilsysteme in der Zwischenzeit dazugekauft oder es werden Teilsysteme im Unternehmen konstruiert, jedoch außerhalb gefertigt. Im Unternehmen selbst werden die Komponenten zusammengebaut und mit der erforderlichen Steuerungstechnik ausgestattet. Für die Implementierung der Anlagen spielen Elektromonteurinnen und Elektromonteure eine wichtige Rolle. Diese Situation hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen einzelnen Berufen immer mehr verschwimmen und in vielen Fällen unbekannt ist, welche Berufsausbildung die Einzelpersonen ursprünglich wahrgenommen haben.

Zum einen sind bei der Systemintegration und der Anlagenkonfiguration zunehmend integrierte Automatisierungslösungen zu nutzen und zum anderen ist die Nähe zu den Produktionsaufgaben der Kunden Kern der Digitalisierungsaufgaben. Das bedeutet, dass „Elektroanlagenmonteure“ die Elektrotechnik, die Programmierung der Automatisierungstechnik und die reale Produktionsaufgabe beim Kunden „zusammenbringen“ müssen. Diese drei Elemente (Elektrotechnik, Informationstechnik, Produktionstechnik) prägen alle Digitalisierungsprozesse, wobei als Aufgabe eine Systemintegration im Sinne der verlängerten Werkbank entsteht. Hier arbeiten in einem Kontinuum an konzeptionellen und Umsetzungsaufgaben Ingenieurinnen und Ingenieure, Technikerinnen und Techniker und Facharbeiterinnen und Facharbeiter zusammen.

Dieser Fall ist Beleg für die Entgrenzung alter und die Entstehung einer neuen, disziplinsprengenden, arbeitsprozessbezogenen und alte Lernmuster aufhebenden Beruflichkeit, die zurzeit noch in der Berufsausbildung durch die bestehenden Ausbildungsberufe der M+E-Berufe abgedeckt werden - sich so aber nicht mehr in der Arbeitspraxis im Unternehmen wieder finden -. Jedoch verschwimmen diese ausbildungsbezogenen Profile im Erwerbsleben und bauen sich erwerbsbiografisch und erfahrungsgesättigt neu auf.

7 Schlussfolgerungen

Aus den Fallbeispielen können in der Summe vier Entwicklungsrichtungen für Veränderungen in der beruflichen Facharbeit abgleitet werden, die gleichzeitig ein Sinnbild für eine „veränderte“ Beruflichkeit in den Metall- und Elektroberufen darstellen:

  • Die neue berufliche Fachlichkeit in der Produktionsarbeit erfordert wenigstens mechatronische und immer mehr hybride Kenntnisse und Fähigkeiten zur Problemlösung in einer vernetzten und teilweise virtualisierten Arbeitswelt. Die klassischen Fachdomänen der Metall-, Elektro- und Informationstechnik sind nur noch begrenzt relevant.
  • Ein gemeinsames Prozessverständnis zeichnet die berufliche Facharbeit aus, d. h. vor- und nachgelagerte Arbeitsprozessschritte müssen verstanden werden, um sich in einer vernetzten Arbeitswelt abzustimmen, Systemdaten analysieren, interpretieren und Aufgabenerweiterungen übernehmen zu können.
  • Eigenständigkeit und Verantwortung der Fachkräfte auf der Shopfloor-Ebene haben in Teilbereichen weiter zugenommen. Hier werden immer größere Maschinenparks/Anlagen von einzelnen Fachkräften betreut und verantwortet. Datentechnische Eingriffe sind dabei an der Tagesordnung. In anderen Bereichen wird die Zusammenarbeit und Kooperation in Teams unterschiedlicher Hierarchien und Berufsgruppen immer wichtiger. Es dominiert immer mehr ein projektorientiertes und/oder problemorientiertes Arbeiten für eine Optimierung und Weiterentwicklung der Produktion.
  • Die berufsübergreifende Zusammenarbeit nimmt in vernetzten und virtualisierten geschäfts- und Arbeitsprozessen zu, teilweise verschwimmen die Berufsgrenzen, da die Expertise und gewonnene Erfahrung im Arbeitsleben zur Problemlösung im Mittelpunkt steht und nicht die individuelle Berufsausbildung. Die Elemente der modernen Beruflichkeit dominieren den Arbeitsalltag.

Die Fallstudien widerlegen die These, dass die Informationstechnologien und die Künstliche Intelligenz vor allem repetitive manuelle Tätigkeiten, aber auch analytische Routinetätigkeiten in der Breite ersetzen. Sie zeigen deutlich, dass die Digitalisierungsprozesse in den Unternehmen mit einem sehr spezifischen, auf das jeweilige Unternehmen und dessen Produktion ausgerichteten Implementierungsprozess vonstattengehen und abhängig vom Produkt gestaltet werden. Substitutionsprozesse, die allein von Technologien vorangetrieben werden, unabhängig von allen anderen Parametern, sind nicht erkennbar (vgl. Spöttl/Windelband 2021).

Die verschiedenen Ebenen moderner Beruflichkeit (siehe Kapitel 5) lassen sich mit den mittels Fallstudien festgestellten Veränderungsprozessen in den Unternehmen zur Deckung bringen. Das heißt im Umkehrschluss, dass mittels der aus der Literatur generierten Dimensionen moderner Beruflichkeit Veränderungsprozesse auf der Arbeitsebene in den Unternehmen eindeutig identifizierbar sind. Die in diesem Artikel gestellte Leitfrage ist damit eindeutig dahingehend zu beantworten, dass Beruflichkeit kein Mythos ist, sondern ein Indikator für notwendige Veränderungen im Beruf! Diese Erkenntnis ist für die Gestaltung von Berufen außerordentlich hilfreich, weil die Anwendung des Referenzsystems aufzeigt, ob und wie Ausbildungsberufe an den qualifikatorischen Wandel angepasst werden sollten. Zudem erleichtert es das Instrument, Einschätzungen zu notwendigen Innovationen zu generieren.

Die EVA-M+E-Studie und weitere Studien zeigen zugleich, dass vorzufindende Erwerbsberufe in den Arbeitsstrukturen der Unternehmen immer weniger disziplinbezogenen (Metall-, Elektro-, Informationstechnik) Ausbildungsberufen entsprechen. Zugleich wird darauf gesetzt, für ganzheitliche Aufgabenbündel zu qualifizieren, für die Individuen in der Arbeit hohe Verantwortung tragen und für die eine auf Könnerschaft ausgerichtete Berufserfahrung notwendig ist.

In einem weiteren Schritt ist festzustellen, dass aufgrund dieser Tatsache die Dimensionen der modernen Beruflichkeit gleichzeitig Leitgedanken sein müssen, um die Berufsbilder zu modernisieren und den veränderten inhaltlichen und strukturellen Erfordernissen an Berufe anzupassen. Dabei kommt dem Dualen System der Berufsausbildung eine Schlüsselfunktion zu – heute genauso wie in der Vergangenheit. Allerdings zeigen die Analysen, dass tradierte, disziplinbezogene und starre Ansätze für die Organisation von Ausbildung und des Lernens dabei zu überwinden sind.

Das Verständnis von Beruflichkeit richtet sich immer stärker an den beruflichen Anforderungen in der Arbeitswelt aus, wenn sich die grundständige berufliche Aus- und Weiterbildung zu weit von den Kompetenzanforderungen entfernt. Schafft es die berufliche Aus- und Weiterbildung nicht, die Lücke zu schließen, d. h. die Berufe und deren Strukturen an den aktuellen und zukünftigen Aufgaben in einer vernetzten Arbeitswelt zu orientieren, dann kann die Stabilität von Beruf und Beruflichkeit in ihren alten systemischen Grenzen nicht aufrechterhalten werden. Diese Tendenz ist in den Unternehmen zu erkennen, wenn „Grenzen zwischen einzelnen Berufen immer mehr verschwimmen und in vielen Fällen unbekannt ist, welche Berufsausbildung die Einzelpersonen ursprünglich wahrgenommen haben“ (Fall 09 aus der EVA M+E Studie).

Gegen eine Entberuflichung spricht die langsame, evolutionäre Veränderung in der Facharbeit. Die Grenzen der Metall- und Elektrotechnik verschieben sich in unterschiedlichen Dimensionen eher iterativ und abhängig von der beruflichen Aufgabe hin zu einem mechatronischen Fachverständnis, welches die Beruflichkeit stärkt, da sich das Fachverständnis eher erweitert und damit weiterentwickelt. Hier würde man in Zukunft die Beruflichkeit verlieren, wenn die Berufsausbildung nicht mit Neuordnungsverfahren bei der Gestaltung von Berufsstrukturen und Berufen rechtzeitig überzeugende Antworten gibt.

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[1]    Die Untersuchung wurde im Rahmen der bundesweit angelegten Studie im Auftrag von Gesamtmetall durchgeführt. Ermittelt werden sollte die Umsetzung der Digitalisierung in Unternehmen sowie die Nutzung der mit der Teilnovellierung der industriellen M+E-Berufe 2018 eingeführten Strukturelemente.

[2] ERP: Enterprise Resource Planning.

[3] MES: Machine Execution System.

Zitieren des Beitrags

Becker, M./Spöttl, G./Windelband, L. (2023): Beruflichkeit – nur ein Mythos? In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 45, 1-35. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe45/becker_etal_bwpat45.pdf (18.12.2023).