bwp@ 27 - Dezember 2014

Berufsorientierung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer & Andrea Burda-Zoyke

Berufsorientierung im Netz. Wie rezipieren Jugendliche berufswahlrelevante Informationen im Internet?

Beitrag von Monika Müller (†) & Ingo Blaich

Der folgende Beitrag präsentiert Ergebnisse des Forschungsprojekts: Internetbasierte Informationsangebote in der Berufs- und Studienwahlorientierung in der Sekundarstufe II. Im Mittelpunkt der Studie stehen die Nutzung digitaler Medien bei der Studien- und Berufswahl und deren Bedeutung für die Studien- und Berufsorientierung. Untersucht wird, wie Schülerinnen und Schüler im Internet dargebotene Informationen zur Berufs- und Studienfachwahl rezipieren und in Hinblick auf die Berufs- und Studienwahlentscheidung beurteilen. Erste Ergebnisse zeigen, dass primär qua Internet nach Detailinformationen über Ausbildungs-und Studiengänge gesucht wird und zwar auf der Basis der Festlegung eines engeren Ausschnitts des Studien- und Berufsspektrums. Wesentlich seltener werden digitale Medien zur Orientierung und zum Aufbau eines beruflichen Selbstkonzepts genutzt. Die in direkter Kommunikation vermittelten Informationen über Studienangebote und über Abläufe im Berufsalltag werden bevorzugt. Demgegenüber werden Online-Foren, soziale Medien und Videos bei der Berufs- und Studienorientierung wenig genutzt.

Vocational orientation on the Internet: How do young people take in career choice information on the Internet?

English Abstract

The following article presents results of the research project titled “Web-based offers of information on career and course-of-study orientation at the upper secondary level.” The study focuses on the use of digital media in course-of-study and career choices and their significance for study and career orientation. It examines how students take in study and career choice information provided on the web and how they assess it with respect to their career and course-of-study decisions. Initial findings show that the Internet is used primarily to search for detailed information about apprenticeships and study courses after the overall field of career options has been narrowed down. The use of digital media for orientation purposes and to create a vocational self-concept is far less common. Young people prefer that information about course-of-study options and working life processes be conveyed by means of direct communication. In contrast, online fora, social media and videos are rarely used for vocational and course-of-study orientation.

1 Internetnutzung bei der Berufs- und Studienwahl als Forschungsgegenstand

Das Internet hat zweifelsohne die Art und Weise, wie wir heute unseren Informationsbedarf befriedigen, revolutioniert. Für die jüngeren Altersgruppen gilt schon, „dass die Informationsbeschaffung über das Internet gegenüber der Recherche in Printmedien eine herausragende Stellung einnimmt und vielfach als exklusiver Weg eingeschlagen wird“(Gapski/Tekster 2009, 30). , Die Im Internet Informationen recherchieren zu können ist damit „zu einer zentralen Kulturtechnik geworden“ (Schetsche et al. 2005. 17). Dass diese Medienrevolution nicht ohne Einfluss auf den Informationsprozess im Vorfeld einer Studien- und Berufswahlentscheidung (Berufsorientierungsprozess) geblieben ist, liegt nahe und bildet Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags. Wie greifen Jugendliche auf die online verfügbaren Informationen zu, wenn sie für sich die Frage nach dem passenden Ausbildungsberuf oder Studiengang beantworten möchten? Welche Erwartungen tragen sie an die angebotenen Informationen heran? Zeigen sich spezifische Vorteile der Informationsquelle Internet gegenüber klassischen Medien wie beispielsweise die unkomplizierte Verbreitung wichtiger Informationen über Soziale Netzwerke?

Obwohl Jugendliche seit Jahren eine stetig wachsende Zeit pro Woche online verbringen und die multimedialen Angebotsformen von berufswahlrelevanten Informationen im Internet weit verbreitet sind, lässt sich eine nachhaltige Verringerung von Orientierungsschwierigkeiten bei der Studien- und Berufswahl nicht beobachten. In Studien zum Informationsverhalten bei der Studien- und Berufswahl wird von den Studienberechtigten ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulreife das Internet als die häufigst genutzte Informationsquelle genannt (Heine/Willich/Schneider 2010). Die fortschreitende Ausdifferenzierung des digitalen Informationsangebots beheben die Informationsdefizite bei Studienanfängern aber nicht und trotz verbesserter Informationsinfrastruktur bleiben Defizite in der subjektiv empfundenen Informiertheit. „Lediglich ein gutes Drittel, nämlich 35 % der angehenden Studierenden, 37 % der Schüler_innen mit Berufsausbildungsabsicht sowie 44 % derjenigen mit Doppelqualifikationsabsicht fühlen sich umfassend auf die anstehende Entscheidung vorbereitet“ (Heine/Willich/Schneider 2010, 18). Indem der Beitrag versucht die Alltagspraktiken der Informationssuche verschiedener Schülergruppen aufzuzeigen, geht er wesentlich über diesen klaren Befund hinaus und will Ansatzpunkte liefern, diesen zu erklären. In den Blick geraten so die Problematik des Matching zwischen nachgefragten und angebotenen Informationen, der Qualität letzterer sowie der Medien- und Informationskompetenz der Schülerinnen und Schüler.

Das Nutzerverhalten von Jugendlichen und der Nutzen digitaler Medien für die Studien- und Berufsorientierung ist bereits in einigen Studien wissenschaftlich untersucht worden (vgl. Beinke 2008, Heinke/Ehrenthal/Ulrich 2003, Struwe 2010). Es zeigt sich, dass Mediennutzung und Medienkompetenz Jugendlicher in Abhängigkeit zu sozialen Merkmalen, wie Alter, Geschlecht oder Schulform stark differieren (vgl. Kommer 2010), die Verfügbarkeit und die individuelle Nutzung digitaler Medien bei jüngeren Nutzern tägliche Praxis ist und die Online-Netzwerke von Jugendlichen vorwiegend zur privaten Kommunikation genutzt werden (vgl. BITKOM 2013a). Analysen, die nach bereichsspezifischem Nutzen fragen, stehen auf der Agenda und die Effekte beruflicher Karriereplanung bei dauernder medialer Ko-Präsenz geraten stärker in den Blick (vgl. Gehrau/Jo vom Hofe 2013).

Unter Berufsorientierung wird idealtypisch der Prozess bezeichnet, in dem Jugendliche die Aufgabe der Berufswahl oder der Entscheidung für eine Ausbildung oder Studienrichtung kognitiv und biografisch antizipieren, sich um dafür relevante Informationen bemühen und ein der schlussendlichen Entscheidung zugrundeliegendes Präferenzsystem ausbilden, bzw. ein solches bereits Grundlage des Orientierungsverhaltens darstellt. „Berufsorientierung ist ein Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen und Können des Individuums auf der einen und Bedarf und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt auf der anderen Seite“ (Famulla 2007, 231). Berufsorientierung ist demnach ein „lebenslanger Prozess“ (Butz 2008, 50), in dem Berufswahl, Karriereplanung und flexible Anpassung an die Veränderungen der Arbeitswelt zur Daueraufgabe werden. Merkmale der Studien- und Berufswahl und individuelle Präferenzbildungen von SEKII­Schüler_innen sind bisher wenig untersucht (vgl. Kracke et al. 2013), aber hinsichtlich neu zu gewichtender Einflussfaktoren, wie gegenwärtigen Wertorientierungen, einer digitalisierten Berufswelt, regionale Ungleichgewichte in der Berufsausbildung, u.v.m. von besonderem Interesse.

Wie Jugendliche nun das erweiterte Angebot digital verfügbaren Informationen nutzen, ist in einer Studie der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) in den zwei Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nachgegangen worden. Wie beeinflussen Online-Angebote das Studien- und Berufswahlverhalten? Werden Entscheidungskriterien durch die Rezeption digitaler Medien entwickelt und worin bestehen eventuelle Limitierungen?

2 Methodisches Vorgehen

Obwohl Medien- und Medienkompetenz sowie die Internetnutzung Jugendlicher in den letzten Jahren Forschungsgegenstand in unterschiedlichen Disziplinen ist, bleiben eine Reihe methodischer Fragen offen, wie z.B. wo genau der Forschungsraum zu lokalisieren ist, eher online oder offline. In der genannten Studie ist der Fragestellung nach der Mediennutzung in der Berufs- und Studienorientierung von SEKII-Schüler_innen offline und mit einer Mixed-Method-Strategie nachgegangen worden. Mit Schüler_innen der SEK II sind Gruppendiskussionen durchgeführt worden, um Nutzerverhalten und Nutzerbewertung während der Berufs- und Studienwahl zu erheben. Außerdem wurden Gruppendiskussionen mit Studierenden im ersten Fachsemester unterschiedlicher Fachrichtungen an Hochschulen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt, um die Nutzungspraxis retrospektiv zu erfassen. Desweitern wurde im Zeitraum von Oktober 2013 bis Mai 2014 eine Befragung Studierender zur Nutzungspraxis digitaler Medien und des Internets bei der Studien- und Berufsorientierung online gestellt (https://www.soscisurvey.de/), an der sich insgesamt 860 Studierende unterschiedlicher Fachgruppen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern beteiligten. Ausgewählte Schüler_innen der SEK II wurden zudem mit einem paper- und pencil-Fragebogen zu ihren Nutzungsgewohnheiten befragt.

Die Auswahl der Gruppendiskussionsmethode lag nahe, da diese den Diskussionsteilnehmer_innen den Aufbau eines eigenen Bedeutungsrahmens in Abhängigkeit von den Vorgaben des Diskussionsleiters gestattet (vgl. Bohnsack 2008, Przyborski 2004, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2008). Dominante Darstellungsmodi, Diskussionsablauf, Themenbearbeitung, die Thematisierung beruflicher Zukunftsvorstellungen und die darauf bezogenen Nutzungsgewohnheiten digitaler Medien in den Gruppendiskussionen konnten so beobachtet und im Audio-Format zur Auswertung aufgezeichnet werden. Varianten der in den Diskussionen entwickelten dominanten Darstellungslinien in den Diskussionsgruppen zeigen das Entscheidungsverhalten während der Berufs- und Studienorientierung.

Die Kombination quantitativ-standardisierter und qualitativ-interpretierender Verfahren ergab einen guten Überblick über die Praxis der Handhabung digitaler Medien zur Studien- und Berufswahl. Mittels der schriftlichen Online-Befragung der Studierenden und der Schüler_innen der SEK II konnten häufig genutzte Internetplattformen identifiziert werden, die Hinweise zu alters- und geschlechtsspezifischen wie auch fachspezifischen Präferenzen enthalten. Da in der Online-Befragung immer auch gefragt wurde, welche Informationen nützlich waren, kann auf erfahrungsbasierte Haltungen rückgeschlossen werden, die in Bezug auf spezifische Merkmale auch generalisierbar sind, so z.B. der Bekanntheits- und Nutzungsgrad bestehender Online-Angebote und die Erfahrung im Umgang damit.

Die Auswertung der verbalen Daten in den Gruppendiskussionen erfolgte entsprechend der grounded theory (vgl. Strauss/Corbin 1996), d.h. die Datenauswertung begann unmittelbar nach Start des Projekts und es erfolgte eine Inhalte explizierende und ordnende Analyse (vgl. Flick 2007). Die Wissensbestände zu digitalen Medien, der praktische Umgang damit und die subjektive Bewertungen der Schüler_innen konnten so herausgearbeitet werden. Stärker selbstläufige Diskussionspassagen wurden gesondert ausgewertet, um die analytischen Kategorien zu sättigen (vgl. Bohnsack 2008, 2010a, 2010b).

Im Folgenden werden Ergebnisse aus Gruppendiskussionen mit SEK II-Schüler_innen an Berufsgymnasien in den Mittelpunkt gestellt. In dieser Untersuchungsgruppe wurden elf Gruppendiskussionen an Berufsgymnasien durchgeführt, von denen neun ausgewertet worden sind - sechs Schüler_innen-Gruppendiskussionen der Jahrgangstufen 11 und 13 (Sachsen) und drei Schüler_innen-Gruppendiskussionen der Jahrgangstufe 12 (Mecklenburg-Vorpommern). Berufsgymnasien gehören zu den Beruflichen Schulen und werden in einigen Bundesländern als berufliches Gymnasium (z.B. Sachsen), in anderen als Fachgymnasium (z.B. Mecklenburg-Vorpommern) bezeichnet. Der dreijährige vollzeitschulische Bildungsgang (Kl. 11-13) beinhaltet neben den allgemeinbildenden Fächern ein berufsbezogenes Profilfach, das die Schüler_innen auf dem Weg zum Abitur vor Beginn der 11. Klasse bereits gewählt haben (Profilfächer Gesundheit und Soziales, Pädagogik und Psychologie). Anders als Schüler_innen an gymnasialen Oberstufen an allgemeinbildenden Schulen haben diese Schüler_innen also bereits einen ersten fachlichen oder beruflichen Orientierungsprozess durchlaufen, der die Fachspezifik der gewählten Oberstufe begründet. Welche digitalen Informationsquellen nutzen diese Schüler_innen zur weiteren beruflichen Orientierung?

3 Informationsbedarf und Mediennutzung

Wenn Berufsorientierung und die folgende Berufs- und Studienwahl unter dem Blickwinkel der Informationssuche und -verarbeitung betrachtet werden, wird die Vielzahl unterschiedlicher Quellen, aus denen Jugendliche berufswahlrelevante Informationen beziehen, deutlich: Printmedien, Berufsinteressentests, Homepages, Praktika und Gespräche mit Familienangehörigen sind die am häufigsten genannten. Digitale Medien sind weder die alleinige noch die dominierende Informationsquelle, dennoch zeigen auch andere Studien, dass vor allem von den Studienberechtigten fast alle in irgendeiner Form das Internet im Rahmen der Berufsorientierung nutzen (vgl. Beinke 2008; Heine/Willich/Schneider 2010). Das Internet nimmt unter den Informationsquellen wegen seiner ubiquitären Verbreitung und leichten Zugänglichkeit eine Sonderstellung ein, auch weil Printmedien, Einzeldaten und auch personengebundene Informationen im Netz (z. B. in Foren) zur tieferen Recherche abgerufen werden können.

3.1 Das Internet als catch all-Medium

Drei Aspekte sind hinsichtlich der Einbindung des Internets in den Berufsorientierungsprozessen herauszuheben. Erstens ein quantitatives Wachstum und die Differenzierung der Informationsangebote: Es gibt nicht nur immer mehr Übersichtsseiten über Studiengänge oder Ausbildungsberufe, sondern gleiches auch für spezielle Berufsfelder und Brancheninformationen oder Seiten auf denen ausgewählte Studiengänge präsentiert werden, wie u.a. der intensiv umworbene Bereich der MINT-Berufe. Inzwischen ist jede Hochschule, auch jedes private Bildungsinstitut mit einer, die jeweiligen Aus- oder Weiterbildungsangebote aufweisenden, Homepage online vertreten. Zweitens ist das Internet ein Medium für Informationsangebote, die oftmals auch offline existieren, die dort aber nicht gebündelt zur Verfügung stehen.Im Internet sind Textinformationen, Videos, Interessentests verknüpft und per Klick abrufbar. Drittens stellt das Internet dieses Wissen zentralisiert auf jedem internetfähigen PC, Notebook, Tablet oder Smartphone jederzeit und überall zur Verfügung und bietet so die Möglichkeit zeitlich und örtlich entgrenzter Informationssuche. Effekte im Berufsorientierungsprozess ergeben sich u.a. durch die Art und Weise der Produktion und der Darbietung der Informationen sowie aus deren Auffindbarkeit mittels der genutzten Suchmaschine und durch die individuell-technische Kompetenz der Nutzer_innen, die Informationen zu strukturieren.

Über alle Altersgruppen hinweg schält sich ein deutliches Profil der Internetnutzung zur Berufs- und Studienorientierung heraus: Im Mittelpunkt steht die Suche nach Sachinformationen, d. h. die Inhalte von Studiengängen, an welchen Universitäten kann was studiert werden, wie hoch ist der Numerus Clausus. Es werden gezielt Internetseiten angesteuert, die einen breiten Überblick über Ausbildungsberufe und Studiengänge bieten, wie der Online-Auftritt der Bundesagentur für Arbeit.

Informationen zum Berufs- oder Studienalltag, welche in den Augen der Schüler_innen Einblicke in jene Alltagswirklichkeit hinter den formalen Beschreibungen von Berufsbildern und Studiengängen ermöglichen und die üblicherweise in Face-to-face-Interaktionen vermittelt werden, sind besonders geschätzt, werden aber im Internet wenig recherchiert. Um Einblicke in die Studien- und Ausbildungsrealität zu gewinnen, werden eher Bildungsmessen oder Tage der offenen Tür aufgesucht, wo persönliche Gespräche mit Berufstätigen, Auszubildenden und Studierenden über deren Erfahrungen möglich sind. Das Internet bietet eine ähnliche Informationsvermittlung in Foren, in denen persönliche Erfahrungen berichtet und konkrete Anfragen beantworten werden sowie auch mittels Videos, die Arbeitsabläufe in Werkshallen, bei der Bundeswehr oder im Handwerk zeigen. Diese Angebote werden aber selten genutzt und der Verbreitungsgrad scheint noch relativ gering zu sein. Die Foren und Informationen, die einen Blick in alltagsnahe Abläufe des Studiums und in den Betrieb bieten, werden in der Regel sehr positiv bewertet. Foren, in denen Studierende über ihre Erfahrungen in den jeweiligen Studiengängen berichten, finden sich jedoch nicht an jeder Hochschule und zu jedem Studiengang. Zudem besteht die Überzeugung, dass die Aufbereitung der Informationen durch das Medium begrenzt ist.

„Ich glaube, manche Berufe kann man auch gar nicht filmen“(GD 4:216).

Mehrfach machen die Schüler_innen deutlich, dass Internetangebote, verknüpfend und ergänzend zu Hochschultagen und Bildungsmessen oder Printmedien, wiederholt genutzt werden, mit dem entscheidenden Vorteil, diese Suchzeiten flexibel in den Alltag einbauen zu können.

„Also ich hab das immer so gemacht, dass ich am Wochenende immer abends so wenn ich im Bett liege oder so einfach mal mit dem Handy geguckt habe oder so. Einfach mal überall rum und wenn du das jedes Wochenende machst, dann kommt schon was bei raus“ (GD 13:138-140).

Das Potential des Internets, unterschiedliche Informationsarten in den jeweiligen Medienformaten gebündelt zu vermitteln und zur individuellen Nutzung anzubieten, wird als Vorteil geschätzt, obwohl systematische Suchvorgänge wenig belegt werden können - wenn dann häufig im Zuge von Bewerbungen oder vor der unmittelbaren Entscheidung für einen spezifischen Studiengang.

3.2 Handlungsleitende Orientierungen in Bezug auf digitale Medien

Die Schüler_innen unterscheiden nicht nur zwischen den Informationsformaten, sie haben auch klar artikulierte Ansprüche an die Qualität der Informationen. Aktualität wird dabei eher vorausgesetzt. Kritisch hinterfragt werden die Authentizität, die Neutralität und die Individualität der online verfügbaren Informationen.

Authentizität

Die Nutzung digitaler Medien zur Rezeption berufs- oder studienwahlrelevanter Informationen wird häufig zu einer direkten, d.h. Face-to-face-Darstellung erlebter Berufstätigkeit kontrastiert. Einen hohen Stellenwert besitzt die Authentizität der Information.

„… also es kann nach außen hin immer alles ganz schön wirken und dann geht man hin und sagt‚oh Gott, hätte ich das bloß nicht gemacht!“ (GD 1:155-156).

In den Gruppendiskussionen wird das persönliche Gespräch als besonders wichtig eingestuft, da der direkte Kontakt Urteilsmöglichkeiten über die Authentizität der berichteten Erfahrungen, wie auch konkrete Nachfragemöglichkeiten, bietet. Nicht nur aus der Werbewelt ist den Jugendlichen ganz offenbar die Divergenz zwischen medialem Schein und der Wirklichkeit vertraut; auch im Berufsorientierungsprozess selbst machen sie die Erfahrungen, dass Informationen zu einseitig und zu positiv dargestellt werden, bzw. aus den Textinformationen auf Homepages (oder auch Printmedien) nicht auf die damit beschriebene Alltagswirklichkeit in einem Studiengang oder Ausbildungsbetrieb geschlossen werden kann.

„Man weiß jetzt aber gar nicht, ob das so richtig gut ist. Also welche Seite die beste ist. (…) Ja. Und dass man da irgendwie reinfällt“(GD 13:16-20).

Mehrheitlich besteht die Auffassung, dass es zur Studien- und Berufsorientierung besser sei, durch Personen informiert zu werden, die von ihrer Tätigkeit und aus ihrem Berufsalltag berichten oder über ihre Ausbildung bzw. Studium erzählen.

„Ich finde, das hilft einem viel mehr als wenn man jetzt so vor dem Computer sitzt und der spuckt dann irgendwelche Ergebnisse aus“(GD 1:252-254).

Die Informationen aus dem Netz scheinen demgegenüber diffus und dekontextualisiert. Daher werden – neben den in Praktika gewonnenen persönlichen Erfahrungen – Einblicke in die Arbeits- und Studienwirklichkeit, die durch Dritte bezeugt werden, besonders geschätzt, wenn auch häufig vermisst.

„Ich finde auch, dass die Uni-Seiten, wo richtig die Uni vorgestellt wird, dass da auch mehr so zu jedem Studiengang sollte ma irgendwie ein Student das sagen, wie er das findet was so passiert. B: Das wäre gut“ (GD 13:71-73).

Erfahrungen aus der Arbeitswelt und Beispiele aus dem Berufs- und Studienalltag fehlen in den Studienprofilen häufig, so dass Informationen nicht nachvollzogen werden können.

Neutralität

Ein zweites wichtiges Kriterium zur Handlungsorientierung bei der Nutzung digitaler Medien ist die Neutralität der berufs- und studienwahlrelevanten Information. Ganz generell besteht zwar Interesse an den aktuellen Entwicklungen des regionalen Arbeits- und Ausbildungsmarktes, aber die Schüler_innen wünschen sich hierzu neutrale Informationen.

Ganz offenbar besitzen die Schüler_innen ein ausgeprägtes Gespür dafür, wenn Informationsangebote auch als Werbebotschaften zu dekodieren sind, d. h. es sich um intentional gesteuerte und damit auch selektive Informationsvermittlung handelt.

„Ich glaube, da wird auch viel aufgehübscht da (…) dass Vieles halt dann gestellt wird, dass es halt nicht wirklich () und ich denke, dass dann nur die schönen Seiten gezeigt werden und nicht unbedingt so das, was halt alltäglich ist und knallhart abläuft“ (GD 4:201-205).

Das gilt auch für das Online-Angebot der Bundesagentur für Arbeit. Dementsprechend werden institutionelle Vertreter_innen in Schulveranstaltungen zur Berufsorientierung und Gruppenberatungen auf ihre Neutralität hin hinterfragt. Artikuliert werden bestehende Zweifel an der Neutralität der Berater_innen dahingehend, dass in den Schulveranstaltungen und Gruppenberatungen der Bundesagentur für Arbeit die individuellen Interessen des Ratsuchenden nicht im Mittelpunkt stehen. Mit Blick auf die Informationsangebote in der Sekundarstufe Iwird der Eindruck thematisiert, bestimmte Berufe und Berufsfelder seien prioritär behandelt worden, andere nicht und das Angebot hätte sich zu stark an den als beschränkt wahrgenommenen Möglichkeiten des regionalen Arbeitsmarktes orientiert. In den Gruppendiskussionen lässt sich u.a. beobachten, dass eine positive Bewertung dieser Angebote diskursiv nicht durchsetzungsfähig ist. 

Interessanterweise wird dieses geforderte Objektivitätsgebot nicht in gleichem Maße an persönliche Erfahrungsberichte in Face-to-face-Kommunikationen herangetragen; es konzentriert sich vielmehr auf Text- und Videoformate. Offenbar bieten diese keine hinreichende Möglichkeit, Authentizität und Neutralität hinreichend zu prüfen, wie dies ersichtlich für direkte Kommunikation möglich zu sein scheint.

Individualität

Individualität der Information ist ein drittes zentrales Kriterium, an welchem die digitalen Informationen gemessen werden. Jegliche weitergehende Informationssuche in der Berufsorientierung erfolgt auf einem gegebenen Stand individueller Orientiertheit. Die Informationssuche folgt subjektiven, teils situationsspezifischen Präferenzmustern und zielt jeweils auf eine als „passend“ empfundene Informationen, die als Fortschritt, interessante Anregung etc. erfahren werden kann. Hier wird deutlich, wie wenig letztlich die Informationssuche von der Identitätsfindung innerhalb des Berufsorientierungsprozesses loszulösen ist. Der rein sachliche Informationsgehalt über Studiengänge oder Ausbildungsberufe stellt immer nur eine Ebene dar, die sich hauptsächlich auf individuelle Passung zu den wahrgenommen Fähigkeiten und Interessen bezieht. Die hohe Wertschätzung persönlich vermittelter Erfahrungen von Auszubildenden oder Studierenden ist hingegen eng mit Identitätsbildungsprozessen gekoppelt und erklärt das hohe Interesse am Einblick in das soziale Miteinander im Ausbildungsbetrieb oder an Hochschulen und den typischen Kommunikations- und Handlungsformen dort. Immer geht es um die Fragen: Passt das zu mir? Will ich auch dazugehören?

Mit antizipierten Interessen- und Fähigkeitsprofilen sind diese Überlegungen zwar eng verwoben, dennoch zeigt sich unabhängig davon, dass bei vielen Schüler_innen vor jedem spezifischen Interesse für ein Fachgebiet oder für einen Studiengang, oftmals eine apodiktische Entscheidung für oder gegen ein Hochschulstudium postuliert wird. Diese Entscheidungen sind teils bereits beim Wechsel von der Realschule auf das berufliche Gymnasium getroffen worden und werden in der Oberstufe weiterverfolgt. Von daher erschließt sich auch die zentrale Bedeutung der Authentizität und Neutralität der Informationsangebote. Von fremden (Be-)Wertungen und Vorselektionen befreit sollen sie nur Material liefern für Verarbeitungsprozesse, in denen nach subjektiven Kriterien Pläne entworfen und letztlich Entscheidungen getroffen werden, meist explizit mit dem Anspruch verbunden, durch „richtige“ Entscheidungen, Ausbildungs- oder Studienabbrüche zu vermeiden.

„Na ja, also ich hätte gerne eine richtig intensive Berufsberatung (…) ich hätte gern jemanden, der sich meinem Problem annimmt, weil das ist ja schon ein echt großes Problem (…). Und ich denke, das wäre der direkteste Weg und der hilfreichste“ (GD 5:129-135).

Besonders deutlich wird das Individualitätskriterium bei den angebotenen Interessen- oder Berufsorientierungstests, die sowohl online im Internet als auch durch die Bundesagentur für Arbeit oder in Schulen durchgeführt und in den Gruppendiskussionen häufig thematisiert werden, ohne dabei explizit zwischen Online- und offline-Interessenstest zu differenzieren. Die Erfahrungen mit Interessenstests haben eine langandauernde Wirkung und werden meist kritisch diskutiert.

„Ich hatte auch schon mal so einen Test gemacht, aber das war noch in der Mittelschule, aber da hab ich schlechte Erfahrungen damit gemacht (), ich sollte dann Maurerin werden –das ist doch ein bisschen abwegig gewesen, dass ich seit dem, also seit gut drei Jahren, sowas nicht mehr gemacht hab“ (GD 5:101-104).

Es ist interessant zu sehen, dass gerade die hohe Validität der Tests und der Anspruch der Wissenschaftlichkeit in den Testverfahren, die paradoxe Wirkung erzielt, dass die Test selten wiederholt werden, wenn die Ergebnisse als zur Person unpassend erlebt worden sind.

„Komischerweise kam bei mir immer Berufskraftfahrer raus und seitdem habe ich da ein bisschen Abstand von genommen“ (GD 4:120-121).

Die erzielten Ergebnisse der Interessentests werden in den Gruppendiskussionen auch insofern kritisch thematisiert, dass z.B. die dargebotenen Informationen dekontextualisiert erscheinen und Verknüpfungen von Interesse und Ergebnis der Tests in vereinfachender Weise vorgenommen werden

„Ich mag Tiere, will aber kein Tierarzt werden“ (GD 1:305).

Zum einen regen die Ergebnisse der Tests zu Reflexionen an, zum andere können Ergebnis mit den individuellen Präferenzen nicht in Einklang gebracht werden oder individuelle Präferenzen nicht erkannt werden.

„Weil einfach in jeder Spalte ‚geeignet‘ stand“ (GD 1:240).

Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen bereits, wie wenig von den genutzten Informationsangeboten auf Orientierungseffekte, Wissensakkumulation und Entscheidungsfindung geschlossen werden kann. Güte und Nützlichkeit aber auch die Limitierungen und Schwierigkeiten von Online-Angeboten werden an subjektiven Kriterien bzw. individuellen Voraussetzungen und Erfahrungen der Informationssuche gemessen.

4 Grenzen der Online-Berufsorientierung

Die Medienkompetenz von Schüler_innen im Berufsorientierungsprozess erfordert eine differenzierte Betrachtung.So wie Lesen nicht heißt, Buchstabenfolgen als Wörter und Sätze zu entziffern, sondern Textinhalte zu verstehen, so kann Medienkompetenz nicht auf das Einschalten des PCs und Aufrufen des Browsers reduziert werden. Aber anders als Lesen zu lernen, ist Informatik bis heute nicht deutschlandweit ein Pflichtfach in den allgemeinbildenden Schulen (ausgenommen Sachsen und Bayern). Kenntnisse von Programmiersprachen und der Umgang mit Software- und Internetanwendungen ist noch nicht in dem Maße Bestandteil des Allgemeinwissens, wie es der Branchenvertreter BITKOM angesichts steigender Bedeutung dieser Kompetenzen in Beruf und Alltag seit längerem fordert (vgl. BITKOM 2013b). Zwar gewinnt die Online-Informationssuche mehr und mehr Raum im Schulunterricht (vgl. Feierabend 2012), aber Schüler_innen aller Altersgruppen nutzen das Internet jedoch hauptsächlich zur Kommunikation (Chatten, E-Mail, Soziale Netzwerke) und zur Unterhaltung (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012).

4.1 Vom Suchen und Finden

In den Gruppendiskussionen wird der Umgang mit den online verfügbaren Informationsangeboten vielfältig thematisiert. Besonders positiv wird meist implizit zum Ausdruck gebracht, dass das Internet eine leicht handhabbare, zielführende, d. h. den individuellen Informationsbedarf hinreichende Suche ermöglicht. Als Einstiegsportal für Informationen zu Studium und Beruf wird am häufigsten der Online-Auftritt der Bundesagentur für Arbeit genannt. Die Website verfügt über einen hohen Bekanntheitsgrad.

Online-Quellen genießen einen gewissen Vertrauensvorschuss hinsichtlich der Präzision und der Aktualität der Informationen.

„Ja also die Aufnahmeprüfung ist erst mal in Köln und von da aus kann man dann halt an jede Uni wo man dann Sport studieren kann. Und das war jetzt halt übers Internet. Da gibt es so ne Seite, da sind alle Schulen aufgelistet und Unis“ (GD 12:92-94).

Der Suchvorgang kann dabei sehr unterschiedlich vor sich gehen: zum einen werden gezielt Homepages von Universitäten und Fachhochschulen aufgerufen, ebenso jene von Unternehmen, zum anderen aber auch Informationsportale, welche einen Überblick über sämtliche Studiengänge oder Ausbildungsbereiche bieten.

„Und hätte ich jetzt das Internet zum Beispiel nicht genutzt, hätte ich zum Beispiel auch gar nicht erfahren, dass bei meinen Studienfächern auch Aufnahmeprüfungen dabei notwendig sind. (…) Sowas steht in dem Studienkompass einfach nicht drin. Deswegen nutze ich eigentlich das Internet vorrangig“ (GD 5:66-70).

Die Qualität des Studiums oder das Renommee einer Hochschule oder Universität sind zumindest für die Teilnehmer_innen an diesen Gruppendiskussionen keine relevanten Suchkriterien.

Ist insgesamt die Einschätzung des Internets als Informationsmedium sehr positiv, so gibt es jedoch auch eine nicht geringe Anzahl kritischer Thematisierungen, die allerdings nur zum Teil auf das Medium selbst zurückzuführen sind. In erster Linie bezieht sich die Kritik auf die Selektion der Informationsfülle, vor allem wenn Suchmaschinen genutzt werden und diese eine lange Trefferliste generieren.

„Aber das finde ich sowieso nervig, dass es da 100 verschiedene Internetseiten gibt. Da habe ich für mich noch nicht so die perfekte gefunden, die mir da so super Auskunft gibt und die mir da am übersichtlichsten erscheint“ (GD 6:407-409).

Auch Informationsportale werden als zu überladen wahrgenommen und es werden fachbereichsspezifische Überblicksseiten gewünscht.

„Also ich würd mir halt wünschen, dass es ne Internetseite gibt, die komplett oder wenigstens ne Internetseite, wo denn wenigstens ein Abteil ist wo man wirklich speziell nach pädagogischen und psychologischen Berufen suchen kann (GD 14:238-240).

Entsprechende Angebote werden online nicht gefunden. Dahinter steht die kaum zu durchdringende Vielzahl an möglichen Studiengängen der Hochschulen in Deutschland. Eines der bekanntesten Portale, www.hochschulkompass.de, erarbeitet und betreut von der Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz, listet allein 9.642 grundständige Studiengänge auf (zusammen mit den weiterführenden sind es 17.454 unterschiedliche Studienangebote). Hier bildet das Internet die Angebotsfülle direkt ab. Zwar bieten Suchmasken und Filterfunktionen anders als vergleichbare Printmedien Möglichkeiten, die Suchanfragen zu präzisieren bzw. Suchergebnisse selektiv auszuwerten, die Grundproblematik der Unübersichtlichkeit bleibt aber bestehen. Viele Studiengänge haben bei unterschiedlicher Bezeichnung ähnliche Inhalte, die Differenzen liegen im Detail, zum Beispiel in den Kombinationsmöglichkeiten mit einer begrenzten Fächerauswahl, was von den Schüler_innen kritisch registriert wird. Offensichtlich orientiert sich die Suche sehr stark an den Bezeichnungen der Studiengänge bzw. deren Kurzbeschreibung, so dass wichtige Unterschiede nicht klar hervortreten. Die Verarbeitungsleistung medialer Informationen kann im Einzelfall nur mit Hilfe Dritter geleistet werden.

Suchmaschinen werden in den Gruppendiskussionen selten erwähnt. Welche Rolle einzelne Suchmaschinen wie Googleim Online-Informationsprozess spielen, wird insofern nicht deutlich, im Unterschied zu direkten Zugriffen auf Homepages und die Erfahrung damit. Zur erfolgreichen Suche ist eine Suchstrategie erforderlich, d. h. die Handhabung der Suchbegriffe oder die Auswahl der Art der gewünschten Informationen.

Also ich find´s auch irgendwie total den schlechten Weg einfach zu googeln. Ich google meinen Studiengang und find da, ja, da findet man halt nichts“ (GD 13:93-94).

Es kann jedoch auch nicht davon ausgegangen werden, dass unter den Schülern ein mehrheitlich geteiltes Wissen über Informationsportale existiert.Außer dem Online-Auftritt der Bundesagentur für Arbeit werden relativ wenige Portale direkt genannt. Häufig kann der Name der genutzten Internetseiten nicht erinnert werden. Dennoch stellt der Einstieg über Suchmaschinen eine Zugangsweise zum Online-Informationsangebot dar oder es wird darüber die Suche nach aus anderen Quellen gewonnenem Wissen fortgesetzt oder spezifiziert.

„Also ich hab in diesem Berufe-Buch nachgeguckt, aber ich weiß jetzt nicht wie das heißt. Und hab mir dann die Studienbezeichnungen angesehen und diese dann gegoogelt und dann halt geguckt, wo man das studieren kann und halt ja genau“ (GD 13:5-7).

Viele Schüler_innen in Mecklenburg-Vorpommerns antizipieren, für eine Ausbildung oder ein Studium die Region zu verlassen, weil entweder das gewünschte Studienfach regional nicht angeboten wird, oftmals jedoch ganz bewusst als Entscheidung für die Fremde oder unter dezidierter Abkehr von der regionalen Hochschullandschaft. Lassen sich die Studienangebote der Universitäten und Hochschulen online sehr gut recherchieren, gelingt es über Google kaum, einen ‚authentischen‘, bzw. hinreichend informativen Eindruck von den Universitätsstädten selbst zu gewinnen.

„Ich wüsste, wenn ich jetzt zum Beispiel nach Bayern gehen würde, wüsste ich gar nicht wo ich da anfangen soll zu gucken nach irgendwas. Auch Internet find ich da nicht so hilfreich“ (GD 13:86-87).

Hieran wird deutlich, dass unspezifische Informationsanfragen online nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Suchmaschinen verlangen ein ‚Wissen-Wollen‘ buchstäblich auf den Begriff zu bringen. Zusätzlich von Bedeutung ist die gezielte Suche nach bestimmten Medienformaten: wird ein Eindruck von einer Universität oder Großstadt gewünscht, sind Textinformationen wenig aufschlussreich und es werden Videos oder interaktive Rundgänge über den Campus oder durch das städtische Zentrum gewünscht.

4.2 Social Media

Die interaktiven Potentiale des Web 2.0 werden zumindest auf Anbieterseite in immer stärkerem Ausmaß genutzt. Immer mehr Homepages sind mit Tags versehen, welche zur jeweiligen Präsenz in Facebook, Google+ oder anderen Sozialen Netzwerken führen, bzw. über die ein Besuch der Webseite auf der eigenen Profilseite sichtbar gemacht werden kann. Hochschulen, Unternehmen und teilweise auch öffentliche Arbeitgeber erweitern dadurch ihre Webpräsenz und ermöglichen es innerhalb der privaten Strukturen der Sozialen Netzwerke auch in Kommunikationen über berufs- und studienwahlrelevante Themen eingebunden zu werden. Gerade Facebook, gegenwärtig quasi Monopolist unter den Sozialen Netzwerken macht zumindest technisch einen umfangreichen Austausch von Informationen, hilfreichen Homepages oder Portalen sowie Veranstaltungshinweisen zwischen den Schüler_innen möglich. Die Nutzungsquoten von Facebook liegen in den entsprechenden Altersgruppen bei beiden Geschlechtern deutlich über 80%.

Umso erstaunlicher ist der Befund, dass bezogen auf die Studien- und Berufsorientierung offenbar nahezu keine Kommunikation über Soziale Netzwerke stattfindet. Was nicht heißt, dass Jugendliche dieses Thema nicht intensiv mit Freunden, Mitschüler_innen, Geschwistern und Eltern besprechen: sie tun es aber primär offline.

„Wenn dann, dann unterhalten wir uns darüber und die sagen dann, die und die Seite ist gut oder so. Aber es ist nicht so, dass die mir dann einfach mal so einen Link schicken“ (GD 6:358-360).

Gilt dieser Befund mit einzelnen Ausnahmen für die meisten Beteiligten an den Gruppendiskussionen, so legen die nur vereinzelten Thematisierungen folgende Erklärung dafür nahe. Facebook wird beinahe ausschließlich dazu genutzt, Nachrichten zu versenden und andere an den Aktivitäten teilhaben zu lassen. Durchgesetzt wird dabei die Norm der strikten Trennung zwischen persönlichen und privaten Informationen und der beruflichen Sphäre. Aufgrund der deutlichen Akzentuierung der Persönlichkeitsdarstellung und Freizeitausgestaltung weicht eine Thematisierung der Studien- und Berufswahl z.B. über Facebook von dieser Norm ab. .

„In sozialen Netzwerken macht man das ja eigentlich nicht so“ (GD 14:174).

Implizite Normen regulieren, wie in Peergroups und im Freundeskreis über die Berufsfindungsproblematik kommuniziert wird. Dabei werden auch Grenzen gezogen.

„Also ich glaube, es ist eher so ein kleines Tabuthema, wenn man sich jetzt noch nicht so richtig auf einen Zweig wenigstens festgelegt hat. (…) Also ich habe da Probleme damit. Wenn mich jemand fragt, was ich denn mal machen möchte und ich muss sagen, dass ich es noch nicht weiß, dann ist das für mich schon eher unangenehm“ (GD 5:240-245).

Die Schüler_innen untereinander informieren sich nicht über den jeweiligen Stand der Berufs- und Studienorientierung, es sei denn Mitschüler_innengehören zur Kategorie Freundin oder Freund. Es dominieren in der allgemeinen Wahrnehmung diejenigen, die bereits fest konturierte Berufswünsche äußern können. All jene, die diesbezüglich noch wesentlich uninformierter oder unsicherer sind, kommen eher in eine Position der diskursiven Unterlegenheit. Zu wissen, was man (beruflich) im Leben will, kann als Statusposition in der Oberstufe angesehen werden.

Das ist natürlich immer schöner, wenn man schon einen konkreten Plan hat, den man dann darlegen kann. Und ich denke, dass es auch genug von meinen Freunden gibt, die schon seit einem Jahr oder zwei auch oder schon seit der Kindheit wissen, was sie machen wollen. Dass man da halt ein bisschen abgestempelt wird“ (GD 5:252-255).

Unsicherheit und Orientierungslosigkeit wird demgegenüber als Schwäche erlebt, weshalb diese Thematik eher in vertraulichen Freundschafts- und Familienbeziehungen angesprochen wird. So zeigt sich, dass Soziale Netzwerke wie Facebook auch Plattformen des Identitätsmanagement sind (vgl. Goffman 2003), d. h. einer bewusst selektiven Enthüllung privater Informationen, orientiert am normativen Erwartungshorizont des potentiellen Publikums.

5 Fazit

Wie lässt sich die Nutzung des Internets im Rahmen der Berufsorientierung durch Jugendliche an Beruflichen Gymnasien insgesamt einschätzen? Den größten Nutzen bringen Online-Quellen bei der Suche nach Sachinformationen. Aus der Logik der Suchmaschinen ergibt sich: ohne Suchbegriff kein Ergebnis. Je präziser Suchbegriffe gehandhabt werden können, umso leichter sind Informationen auffindbar. Zumindest bei den älteren Schüler_innen ist das Internet konkurrenzlos das bevorzugte Medium, während bei jüngeren (11. Klasse und früher) Printmedien, wie die kostenlos verfügbaren Handbücher über Ausbildungsberufe und Studienmöglichkeiten, intensiv genutzt werden. Besonders bei dieser Altersgruppe wird deutlich, dass das Internet kaum zur Exploration möglicher beruflicher Entwicklungswege genutzt wird und bei fehlender Einweisung und Übung kaum sinnvoll genutzt werden kann. Das gilt in gleichem Umfang auch für online zugängliche Interessen- oder Eignungstests.

Das größte Potential besitzt das Internet in der Verknüpfung verschiedener Medienformate in einem Zugriff (Videos, Grafiken, Interessen- oder Eignungstests zusätzlich zu Textangeboten und Suchfunktionen). Ein exploratives Suchen wird so erleichtert. Für die Studien- und Berufsorientierung und die Entwicklung beruflicher Zukunftsentwürfe sind direkte Einblicke in den Arbeits- oder Studienalltag hoch bedeutsam und werden für einen emotionalen Zugang zur Berufswelt häufig unterschätzt.

Neben den Printmedien rangieren bei Schüler_innen der Vorabschlussklassen der Oberstufe Praktika und der Besuch von Bildungsmessen bzw. Angebote der Berufsberatung an erster Stelle. Digitale Medien fügen sich in die bestehende Informationslandschaft ein; es gibt keine Ansatzpunkte zu vermuten, dass eine Face-to-face-Unterstützung der Berufs- und Studienorientierung durch Online-Informationsquellen ersetzt werden kann. Neben den unbestreitbaren Vorteilen von Online-Informationen hinsichtlich ihrer Aktualität, Vollständigkeit und Differenziertheit werden klassische Printmedien ihre Bedeutung behalten. Zum einen, weil in den Schulen digitale Medien in der Berufs- und Studienorientierung im Unterricht (noch) wenig eingesetzt werden und didaktische Konzepte weitgehend fehlen. Zum anderen aber sicherlich auch, weil die SchülerInnen im Rahmen institutionalisierter Berufsorientierungsangebote in den Schulen und in der Bundesagentur für Arbeit mit Printmedien in Kontakt kommen. Empfohlen werden kann, das Training und die Unterstützung der Informationssuche in digitalen Medien weiter auszubauen.

In den Gruppendiskussionen wird deutlich, dass die Informationsfülle des Internets mit besseren Suchstrategien effektiver genutzt werden könnte. Defizite in der Medienkompetenz zeigen sich hier primär wenn auch nicht ausschließlich bei Schülern der 11. und 12. Klasse. Wer sich aus dieser Altersgruppe nicht bereits vor dem Wechsel auf das Berufliche Gymnasium intensiv über Ausbildungsberufe informiert hat, verfügt noch über kein oder wenig Wissen zur Arbeitswelt. Weitestgehend noch unbekannt ist auch der Bereich der akademischen Bildung. Für eine effektive Nutzung der zahlreichen Informationsmöglichkeiten im Internet ist dagegen ein gewisses Vorwissen, d. h. eine Vororientierung, unabdingbar. Insofern finden gegenwärtig alle Internet-Angebote der Berufsorientierung eine deutliche Beschränkung darin: wer ohne wenigstens in Ansätzen spezifizierte Vorstellung von einem passenden Ausbildungsberuf oder Studiengang online recherchiert, wird vergleichsweise wenig Informationen finden, die ihm oder ihr bei der Entdeckung oder Spezifizierung von Interessen und Fähigkeiten weiterhelfen. Berufsinteressentests im Internet stellen dann meist das einzige Angebot zur Orientierung dar, mit den oben beschriebenen ambivalenten Effekten. Die Initialzündung für einen Berufswunsch ist online also kaum zu finden. Umgekehrt kann aber auch festgestellt werden, dass digitale Medien Orientierungsschwierigkeiten weder erzeugen noch die Berufs- und Studienwahl signifikant erschweren.

Literatur

Beinke, L. (2008): Das Internet - ein Instrument zur Berufsorientierung Jugendlicher? Frankfurt/M.

BITKOM (2013a): Soziale Netzwerke 2013. Online: http://www.bitkom.org/files/documents/SozialeNetzwerke_2013.pdf (31.08.2014).

BITKOM (2013b): Informatik gehört als Teil der Allgemeinbildung in die Schule. Berlin. Online: http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Presseinfo_MINT_Gipfel_10_06_2013.pdf (22.08.2014).

Bohnsack, R. (2008): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden (7. Auflage). Opladen.

Bohnsack, R. (2010a): Die Dokumentarische Methode. In: Miethe, I/Bock, K. (Hrsg.): Handbuch qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit. Opladen, 247-258.

Bohnsack, R. (2010b): Gruppendiskussionsverfahren und dokumentarische Methode. In: Friebertshäuser, B./Langer, A./Prengel, A. (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim, 205-218.

Butz, B. (2008): Grundlegende Qualitätsmerkmale einer ganzheitlichen Berufsorientierung. In: Famulla, G.-E./Butz, B./Deeken, S./Michaelis, U./Möhle, V./Schäfer, B. (Hrsg.): Berufsorientierung als Prozess. Persönlichkeit fördern Schule entwickeln Übergang sichern. Ergebnisse aus dem Programm "Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben". Baltmannsweiler, 42-54.

Döbler, Th. (2005): Medien und ihre Nutzer. In: Jäckel, M. (Hrsg.): Mediensoziologie. Grundfragen und Forschungsfelder. Wiesbaden, 47-68.

Famulla, G.-E. (2007): Berufs- und Arbeitsorientierungen an allgemein bildenden Schulen. In: Kaune, P./Rützel, J./ Spöttl, G. (Hrsg.): Berufliche Bildung, Innovation, Soziale Integration. Gütersloh, 231-251.

Feierabend, S./Rathgeb, Th. (2012): Medienumgang Jugendlicher in Deutschland. Ergebnisse der JIM-Studie 2011. In: Media Perspektiven. Heft 6, 339-352.

Flick, U. (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek.

Gapski, H./Tekster, T. (2009): Informationskompetenz in Deutschland. Hg. v. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.

Gehrau, V./Hofe, J. H. vom (2013): Medien und Berufsvorstellungen Jugendlicher. Eine Studie zur Darstellung von Berufen in Fernsehserien und deren Einfluss auf die Berufsvorstellung Jugendlicher. In: Brüggemann, T./Rahn, S. (Hrsg.): Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Münster, 123-133.

Goffman, E. (2003): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München.

Heine, C./Willich, J./Schneider, H. (2010): Informationsverhalten und Entscheidungsfindung bei der Studien- und Berufswahl. Studienberechtigte 2008 ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife (HIS: Forum Hochschule, 1/2010). Online: http://www.dzhw.eu/pdf/pub_fh/fh-201001.pdf (31.08.2014).

Heinke, R./Ehrenthal, B./Ulrich, I. (2003): Kommentare von Ausbildungsstellenbewerbern zu Berufsberatung, Ausbildungsplatzsuche und Internetnutzung bei der Berufswahl. In: Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste. Heft 13, 1785-1806.

Kommer, S. (2010): Kompetenter Medienumgang? Eine qualitative Untersuchung zur Medienkompetenz von SchülerInnen und Lehramtsstudierende. Opladen.

Kracke, B./Hany, E./ Driesel-Lange, K./Schindler, N. (2013): Studien- und Berufsorientierung von Jugendlichen mit Hochschulzugangsberechtigung. In: Brüggemann, T./Rahn, S. (Hrsg.): Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Münster, 159-168.

Loos, P./Schäffer, B. (2001): Das Gruppendiskussionsverfahren. Grundlagen und empirische Anwendung. Opladen.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012): JIM 2012. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Online: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf12/JIM2012_Endversion.pdf (10.09.2014).

Przyborski, A. (2004): Gesprächsanalyse und dokumentarische Methode. Qualitative Auswertung von Gesprächen, Gruppendiskussionen und anderen Diskursen. Wiesbaden.

Przyborski, A./Wohlrab-Sahr, M. (2008): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München.

Puchta, C./Potter, J. (2004): Focus Group Practice. London.

Schetsche, M./Lehmann, K./Krug, T (2005): Die Google-Gesellschaft. Zehn Prinzipien der neuen Wissensordnung. In: Lehmann, K./Schetsche, M. (Hrsg.): Die Google-Gesellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens. Bielefeld: Transcript, 17-32.

Strauss, A./Corbin, J. (1996): Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung, Weinheim.

Struwe, U. (2010): Berufsorientierung im Spannungsfeld von Information und Beratung. Eine interaktions- und kommunikationstheoretische Perspektive auf die Berufsorientierung technisch interessierter Jugendlicher. Opladen.

Zitieren des Beitrags

Müller, M./Blaich, I. (2014): Berufsorientierung im Netz. Wie rezipieren Jugendliche berufswahlrelevante Informationen im Internet? In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 27, 1-16. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe27/mueller_blaich_bwpat27.pdf  (21-12-2014).