bwp@ 27 - Dezember 2014

Berufsorientierung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer & Andrea Burda-Zoyke

Berufsorientierung als unbeliebte Zusatzaufgabe? Einstellungen und Selbstwirksamkeitserleben von Lehrpersonen zur Berufsorientierung im Gemeinsamen Lernen der Sekundarstufe 1

Die Berufsorientierung ist zentrale Aufgabe aller Lehrpersonen allgemeinbildender Schulen im Sekundarbereich 1. Zugleich weisen Forschungsergebnisse auf ein übergreifendes Qualifikationsdefizit der Lehrpersonen hin – durch mangelndes Professionswissen als Teil professioneller Handlungskompetenz und ein geringes Engagement der Kollegien in der schulischen Berufsorientierung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Schulentwicklung hin zur Inklusion wird die gemeinsame Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf im Gemeinsamen Lernen zur neuen Herausforderung. Alle Lehrpersonen sind gefordert, da die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen mit steigendem Schulabschluss bislang eher eine Randthematik darstellt, während sie an Förderschulen seit jeher didaktische Kernaufgabe ist.

Im Zentrum des Forschungsvorhabens stehen Einstellung und Selbstwirksamkeitserleben von Lehrpersonen in der schulischen Berufsorientierung. Als nicht-kognitive Komponenten der professionellen Handlungskompetenz bilden sie die Basis des Professionswissens und Engagements. In einer explorativen Fragebogenerhebung bei Regelschullehrern und Sonderpädagogen (n=440) im Gemeinsamen Lernen des Regierungsbezirks Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) wurden im Schuljahr 2013/2014 die Einstellungen und das Selbstwirksamkeitserleben in der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf erhoben. Zielsetzung ist der Gewinn von Einblicken in Perspektiven unterschiedlicher Professionen auf die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf.

Der Artikel stellt ausgehend vom Problemhintergrund das Forschungsvorhaben dar und zeigt erste Ergebnisse der abgeschlossenen Erhebung auf.

Vocational orientation as an unpopular additional task? Attitudes and self-efficacy experiences of teachers at the lower secondary level regarding vocational orientation in the context of inclusive education

English Abstract

Vocational orientation is a central task for all teachers at the lower secondary level of general-education schools. Nevertheless, research results point at common qualification deficits among teachers due to their lack of professional knowledge, which should be part of their occupational competence, and insufficient efforts by the teaching staff in the field of vocational orientation at school. As more and more schools are moving toward inclusive education, they face the new challenge to provide a common vocational orientation for all students, both with and without special educational support needs. Now all teachers will have to get involved. So far, vocational orientation has been more or less a side issue at general-education schools, especially the higher ones, while it has always been an essential didactic task at special needs schools.

The research project focuses on the teachers’ attitudes about vocational orientation at school and their self-efficacy experiences in that field. As non-cognitive components of professional competence, these two aspects form the basis of professional knowledge and commitment. A questionnaire-based exploratory survey conducted during the school year 2013/2014 addressed teachers (n=440) of standard form schools and special needs schools providing inclusive education in the Arnsberg District (North Rhine-Westphalia). The survey collected data about the attitudes and self-efficacy experiences in the field of vocational orientation for students with and without special needs. The aim is to benefit from new understanding about how different professions see the professional orientation of students – both with and without support from special education.

Based on the above-mentioned problem, the article presents the research project as well as first results of the completed survey.

1 Schule & Berufsorientierung – neue Herausforderung in der Inklusion

Die individuelle Zukunftsplanung und die Auseinandersetzung mit möglichen (beruflichen) Anschlusswegen sind für Schülerinnen und Schüler vor der Transition in die nachschulische Lebenswelt von wachsender Bedeutung (vgl. Butz 2008, 48f.). Die Schule respektive die Lehrpersonen nehmen als Begleiter in dieser Zeit, neben Elternhaus und Peers, eine zentrale Rolle ein. Die Bedeutung im Schulkontext wird deutlich durch die Festlegung der Berufsorientierung als „verpflichtender Bestandteil für alle Bildungsgänge [der Sekundarstufe I]“ (KMK 2013, 9). Bisher wird sie jedoch, je nach Bildungsgang, in unterschiedlicher Intensität realisiert. Mit steigenden Abschlüssen verliert Berufsorientierung an Bedeutung: An Gymnasien und auch Realschulen zumeist als (gesonderte) Projekte realisiert, erfolgt an Gesamt- und Hauptschulen eine starke und mit dem Unterricht verzahnte Fokussierung. Die größte Relevanz hat die Berufsorientierung im deutschen Schulsystem in Förderschulen (hervorzuheben ist insbesondere der zieldifferente Bildungsgang des Förderschwerpunkts Lernen) – sie ist zentrale, handlungsleitende Aufgabe (vgl. Hofsäss 2007, 23; KMK 2008, 18).

Die Berufsorientierung gilt für Sonderpädagogen als didaktische Kernaufgabe (vgl. Hofsäss 2007, 23) und insbesondere im Förderschwerpunkt Lernen als zentrale Inhaltsorientierung aller Lehrpersonen – indem „eine qualifizierte Vorbereitung auf Beruf und Beschäftigung sowie auf den Übergang in die Arbeitswelt […] wesentliche Bereiche in Erziehung und Unterricht […] im Förderschwerpunkt Lernen [sind]“ (KMK 2008, 18). Demgegenüber sinkt die Einbindung der Lehrperson mit steigender Schulform – Gymnasiallehrpersonen sind i. d. R. nur gering mit der Thematik konfrontiert (vgl. Butz 2008, 243; Dimbath 2007, 168).Diese lehramtsspezifischen Differenzen und die schulscharfe Trennung der Bedürfnisse der Schülerschaft verändern sich; die Heterogenität in allen Schulformen steigt. In Folge des Inklusionsprozesses wird die allgemeine Schule zum vorrangigen Ort der sonderpädagogischen Unterstützung (vgl. MSW NRW 2014a). In allen Schulformen der Sekundarstufe I steigt somit der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf (Schuljahr 2012: 40%) (vgl. KMK 2012). Neben den allgemeinen Unterrichtsfächern ist auch die Berufsorientierung als zentrale Aufgabe der Sek. I an die Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler anzupassen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Schülergruppe mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Lernen, deren zieldifferenter Bildungsgang der Berufsorientierung eine besonders hohe Bedeutung zuschreibt, mit ca. 49%(in NRW) (MSW NRW 2014b, 27) den größten Anteil der integrativ beschulten Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I stellen.

Die Berufsorientierung wird somit zur zentralen Aufgabe aller Schulformen der Sekundarstufe I, die der Neuausrichtung und des Ausbaus bedarf. Zu berücksichtigen sind für die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf beispielsweise neue Kooperationspartner, erweiterte Praxiselemente, geeignete Diagnostik- und Förderansätze sowie spezifische Anschlusswege im Übergangssystem. Zu beachten ist zudem, dass Berufsorientierung zugleich Aspekte der allgemeinen Lebensgestaltung einbezieht. Insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit ‚schlechten‘ Startbedingungen in die nachschulische Lebenswelt ist diese umfassende Begleitung relevant (vgl. Regionales Bildungsnetzwerk Ennepe-Ruhr Kreis 2013, 1; Kellinghaus-Klingberg/Schwager 2002, 93). Sowohl im Inklusionsprozess im Gesamten als auch bei der Berufsorientierung im Kontext dessen sind die Lehrpersonen besonders gefordert. Bei der Berufsorientierung sind es zum einen speziell die Studien-und Berufswahlkoordinatoren – als konzeptionell und curricular (Haupt-)Verantwortliche für die Berufsorientierung der Schule, die zukünftig für ALLE Schülerinnen und Schüler der Schule zuständig sind (vgl. Franz 2014, 5f.). Zum anderen sind die gesamten Kollegien gefordert.

2 Lehrpersonen als Schlüsselpersonen der schulischen Berufsorientierung

Als überfachliche Aufgabe ohne festes Bezugsfach ist die Berufsorientierung „integraler Bestandteil einer allgemeinen Orientierung der Schule auf die Arbeits- und Berufswelt“ (Kellinghaus-Klingberg/Schwager 2002, 91). Die Berufsorientierung wird somit zur jahrgangs- und fächerübergreifenden Aufgabe der Sekundarstufe I, die gemeinschaftlich von Kollegien zu tragen ist (vgl. Butz 2008, 46). Neben dem Studien- und Berufswahlkoordinator sind folglich alle Lehrpersonen (wenn auch in unterschiedlichem Umfang) mit der Aufgabe der Berufsorientierung konfrontiert.

2.1 Relevanz der Lehrpersonen in der schulischen Berufsorientierung

Die Überfachlichkeit der Berufsorientierung bedingt jedoch häufig deren Einordnung als außerhalb des Allgemeinbildungsauftrags liegende Aufgabe, die dem fachbezogenen Unterricht nachgeordnet wird. ‚Einzelkämpferphänomen‘ und ‚Verantwortungsdiffusion‘ als zentrale Schlagwörter der Praxis schulischer Berufsorientierung fassen die häufig fehlende Bereitschaft und das mangelnde Interesse der Lehrpersonen an dieser überfachlichen Aufgabe zusammen (vgl. Dreer/Kracke 2011; Knauf 2009). Als ergänzende Aufgabe – im Kontrast zu studierten Unterrichtsfächern mit eindeutiger Fachverantwortung – nimmt die Berufsorientierung für Lehrpersonen eine Sonderrolle ein. Einfluss nehmen zudem die skizzierten Schulformunterschiede, da die Ausgestaltung in Intensität und Umfang infolge der mit den Bildungsgängen verbundenen Abschlüsse variiert. Verbunden ist dies zugleich mit unterschiedlichen Sichtweisen der Lehrpersonen auf die Relevanz der Berufsorientierung (vgl. Dimbath 2007, 175).

Die Ausgestaltung und Umsetzung der Berufsorientierung in der Sekundarstufe I ist somit schulformspezifisch – die Zielsetzungen der Schulformen bedingen differenzierte Gewichtungen der Thematik – und schulspezifisch geprägt, indem die Schulen individuelle Curricula entwickeln; auch wenn beispielsweise in NRW die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ aktuell die Zielsetzung einer schulformübergreifenden verbindlichen Ausgestaltung der Berufsorientierung mittels Standardinstrumenten verfolgt. Unabhängig von den schulischen Vorgaben ist Berufsorientierung jedoch letztendlich immer lehrerspezifisch. Die Lehrpersonen sind für die Umsetzung und Ausgestaltung im Schulalltag verantwortlich und werden somit zu zentralen Kräften der Berufsorientierung. Die Lehrpersonen „sind dafür zuständig, ob in diesem Bereich überhaupt gearbeitet wird bzw. welche Inhalte auf welche Weise vermittelt werden“ (Düggeli 2009, 50).Von Bedeutung ist grundlegend die individuelle Bereitschaft der Lehrpersonen, die sich im persönlichen Engagement widerspiegelt. „Berufsorientierende Inhalte sind zwar prinzipiell im Lehrplan der einzelnen Fächer vorgesehen; die Art und Weise der Thematisierung obliegt jedoch dem Engagement des Lehrers oder der Lehrerin“ (Dimbath 2007, 175).

2.2 Professionelle Handlungskompetenz in der schulischen Berufsorientierung

Die Bereitschaft der Lehrpersonen zur Berufsorientierung, die das Engagement bedingt, rückt somit in den Fokus der Bedingungen einer effektiven Berufsorientierung. Insbesondere im Hinblick auf die erweiterte Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, welche eine noch individuellere und engere Begleitung benötigen (vgl. Kellinghaus-Klingberg/Schwager 2002), ist die Bereitschaft der Lehrpersonen eine Basisvoraussetzung.

Ausdifferenziert in motivationale, volitionale und soziale Aspekte (vgl. Weinert 2001) ist die Bereitschaft zu Handeln eine Kompetenzfacette der professionellen Handlungskompetenz von Lehrpersonen in der Domäne Berufsorientierung (Abbildung 1). Im Kontext der Bereitschaft liegt der Fokus auf den professionellen Überzeugungen und Werthaltungen sowie motivationalen Orientierungen der Lehrpersonen. Als nicht-kognitive Komponente grenzt sich die Bereitschaft zu Handeln somit vom Professionswissen als zweite Kompetenzfacette ab (vgl. Baumert/Kunter 2006). Die kognitive Komponente in der Berufsorientierung bezieht sich auf dieses Professionswissen in den zentralen Aufgabenbereichen: Unterrichten, Organisieren, Kooperieren und professionelle Partner (vgl. Dreer 2013). Beide Facetten sind gleichwertig zu gewichten und für professionelles Lehrerhandeln in der Berufsorientierung unabdingbar (vgl. Kunter 2011, 259).

Abbildung 1:  Professionelle Handlungskompetenz von Lehrpersonen in der Domäne Berufsorientierung (leicht verändert nach Dreer 2013, 149; Schaper 2009)Abbildung 1: Professionelle Handlungskompetenz von Lehrpersonen in der Domäne Berufsorientierung (leicht verändert nach Dreer 2013, 149; Schaper 2009)

Wissenschaftliche Diskussionsbeiträge verweisen übereinstimmend auf die Bedeutung der professionellen Handlungskompetenz der Lehrpersonen in der schulischen Berufsorientierung als grundlegende Bedingung für hohe Qualität (vgl. Butz 2008; Brüggemann/Pichl 2011). Geschlossen konstatieren die Autoren jedoch zugleich ein schulformübergreifendes Qualifikationsdefizit der Lehrpersonen (vgl. Deeken 2008; Dreer/Kracke 2011). Neben den (allgemeinen) Lehrpersonen schließt dies auch die Studien- und Berufswahlkoordinatoren als Experten ein, die sich „ohne kontinuierliche Weiterbildung nicht optimal zu dieser pädagogischen und didaktischen Herausforderung befähigt [fühlen]“ (Brüggemann/Pichl 2011, 453).

Bezogen werden die Forschungserkenntnisse dabei ausschließlich auf die kognitive Facette professioneller Handlungskompetenz – das Professionswissen. „Im Bereich der Lehrerinnen- und Lehrerqualifikationen [in der Berufsorientierung] zeigen sich Lücken in praktisch allen denkbaren Bereichen. Es fehlt an berufs- und arbeitsweltbezogenem fachlichen Wissen, es fehlt an entwicklungspsychologischem Wissen, es fehlt an kommunikativen Fähigkeiten, es fehlt an organisatorischem Wissen“ (Butz 2008, 58). Vernachlässigt wird die zweiseitige Zusammensetzung der professionellen Handlungskompetenz, unter die Wissen und Bereitschaften fallen. Erforderlich ist der Einbezug der motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften der Lehrpersonen in der Berufsorientierung. Autoren betonen zwar deren gleichwertige Bedeutung und heben die Problematik ihrer Ausprägung in Kollegien hervor; die Erkenntnisse beziehen sich jedoch ausschließlich auf Aussagen Dritter über Lehrpersonen: der Studien- und Berufswahlkoordinatoren, Schülerinnen und Schüler oder Eltern (vgl. Knauf 2009). So stellen beispielsweise Dreer und Kracke (2011, 33) fest, dass aus Sicht von Studien- und Berufswahlkoordinatoren „in den Kollegien eine engagierte sowie qualifizierte Mitarbeit [in der Berufsorientierung] an den Schulen häufig nur unzureichend stattfindet.“

Insbesondere die Bereitschaft zu Handeln ist genauer zu hinterfragen, da sie als handlungsleitend betrachtet wird und wesentlichen Einfluss auf das Verhalten und Agieren von Lehrpersonen hat. Die Bereitschaft bildet die Basis des wahrgenommenen Engagements einer Lehrperson in der Berufsorientierung. Relevant ist sie zudem im Kontext der Inklusion, da die Bereitschaft der Lehrpersonen die Grundlage einer gelingenden Realisierung der Inklusion im Schulalltag bildet. Durch die Fokussierung der Lehrpersonensicht auf die Berufsorientierung im Kontext der Inklusion wird die Bereitschaft zur zentralen Forschungsfrage. Aufbauend auf Kunter (2011), Baumert und Kunter (2006) und Schaper (2009) kann die Bereitschaft als Teil der professionellen Handlungskompetenz über das Konzept der Einstellung und Lehrerselbstwirksamkeit beschrieben und erfasst werden. Einstellungen bilden die Überzeugungen und Werthaltungen ab, während die motivationalen Orientierungen über die Selbstwirksamkeit erfasst werden und im Zusammenspiel die sozialen, volitionalen und motivationalen Bereitschaften und Fähigkeiten bedingen (Abbildung 1).

3 Einstellung & Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen

Ausgewählt vor dem Hintergrund ihrer Relevanz für die übergeordnete Thematik der Berufsorientierung im Gemeinsamen Unterricht, werden im Folgenden Forschungserkenntnisse zu den zentralen Kategorien der Einstellung und Lehrerselbstwirksamkeit skizziert.

„Attitude is a psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degreee of favor or disfavor“ (Eagly/Chaiken 1993, 1). Einstellungen beziehen sich demnach auf sämtliche Aspekte des menschlichen Lebens. Sie beinhalten kognitive, affektive und behaviorale Komponenten, die positiv oder negativ gewichtet sein können (vgl. Aiken 1996, 226). Die Einstellung einer Person bildet die Basis der Einschätzung einer Situation und möglicher Handlungen (vgl. Kunz/Luder/Moretti 2010). Der direkte Zusammenhang von Einstellungen und Handeln ist jedoch umstritten – vielmehr ist von einer Verhaltensrelevanz der Einstellung auszugehen, die die menschlichen Intentionen beeinflusst. Stand in der schulischen Forschung lange Zeit vorrangig das Professionswissen im Fokus, gewinnen zunehmend nicht-kognitive Komponenten wie Einstellungen an Bedeutung (vgl. Kunter 2011). In der gegenwärtigen Fachdiskussion bezieht sich die schulische Einstellungsforschung vor allem auf die Inklusionsdebatte und die Perspektive unterschiedlicher Akteure (z. B. Avramidis/Norwich 2002). Die Studien konstatieren übereinstimmend die Bedeutsamkeit der positiven Einstellung aller Akteure als Basis einer gelingenden Umsetzung von Innovationen wie der Inklusion.

Untersucht wurden neben der Inklusion auch Einstellungen von Lehrpersonen zu ausgewählten Unterrichtsfächern oder -themen (vorrangig Mathematik und Naturwissenschaften). Studien zu fächerübergreifenden Aufgabenbereichen, wie der Berufsorientierung, sind jedoch nur in geringem Umfang vertreten. Einzelerhebungen zu Einstellungen zur Berufsorientierung finden sich im deutschsprachigen Raum nicht; die wenigen existenten Instrumente sind in übergeordnete Erhebungen mit anderen Schwerpunkten integriert und umfassen zumeist nur zwei bis vier Items (u. A. Dreer 2013). Im Unterschied zu spezifischen Fächern können internationale Studien im Kontext Berufsorientierung aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zudem nicht bzw. nur begrenzt einbezogen werden – bedingt durch das spezifische deutsche Übergangs-, Ausbildungs- und Berufssystem.

Neben der Einstellung sollte im Kontext der Bereitschaft zu Handeln jedoch zudem die Selbstwirksamkeit als Komponente der motivationalen Orientierung einbezogen werden. Im Unterschied zur Einstellung wird bei der Kompetenzeinschätzung einer Person ein direkter Zusammenhang mit dem praktischen Handeln angenommen. Von Interesse ist im Kontext der vorliegenden Arbeit die Lehrerselbstwirksamkeit als bereichsspezifische Form der allgemeinen Selbstwirksamkeit.Basierend auf der sozial-kognitiven Theorie Banduras (1997) ist Lehrerselbstwirksamkeit zu definieren als „teachers’ belief in her or his ability to organize and execute the courses of action required to successfully accomplish a specific teaching task in a particular context“ (Tschannen-Moran/Woolfolk Hoy/Hoy 1998, 233). Im Fokus steht die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten durch Lehrpersonen, die kontextspezifisch zu interpretieren ist. Die Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen ist demnach in Bezug zu einzelnen Unterrichtsfächern und Kontexten zu setzen (vgl. Gibson/Dembo 1984). Nur wenige Studien berücksichtigen jedoch diese Spezifität und erheben die Lehrerselbstwirksamkeit in einzelnen Fächern mit domänenspezifischen Instrumenten (Bandura 1997, 243; Riggs/Enochs 1990). Spezifische Erhebungen verweisen auf eine niedrige Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen im fachfremden Unterricht (vgl. Ross et al. 1999) und zeigen kontextbezogen den Einfluss der Schulform auf – Lehrpersonen der Primarstufe verfügen demnach über eine höhere Selbstwirksamkeit als Lehrpersonen der Sekundarstufe I (Coladarci/Breton 1997). Die Ausprägung der Selbstwirksamkeit bedingt indirekt den Handlungserfolg, indem sie – in motivationaler und volitionaler Hinsicht – die Auswahl von Handlungen, die Ausdauer bei Schwierigkeiten und die investierte Anstrengung beeinflusst (vgl. Schmitz/Schwarzer 2000, 13). So sind Lehrpersonen mit hoher Selbstwirksamkeit motivierter, offener gegenüber Innovationen, betrachten den Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern als zu bewältigende Herausforderung und zeigen ein höheres Engagement (u. A. Coladarci/Breton 1997; Tschannen-Moran et al. 1998). Eine hohe Lehrerselbstwirksamkeit wirkt sich demnach auch positiv auf die Einstellung zur Inklusion aus (Coladarci/Breton, 1997; Heyl/Seifried 2014) und stärkt die Bereitschaft Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zu unterrichten und zu betreuen (Brownell/Pajares, 1999).

Als relevant wird eine hohe Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen auch für die fächerübergreifende Aufgabe der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf erachtet. Als (nicht-studierter/fachfremder) Arbeitsbereich erfordert die Berufsorientierung ein besonderes Engagement und die individuelle Einarbeitung – sowie im Kontext der Inklusion – innovative Ansätze und die vertiefte Beschäftigung mit der Zielgruppe. Studien, die die Lehrerselbstwirksamkeit in der Berufsorientierung – sowohl allgemein, als auch im Kontext von Inklusion – untersuchen, stehen jedoch bislang noch aus.

Die Forschungsergebnisse zeigen die Bedeutsamkeit von Einstellungen und Selbstwirksamkeitserleben als Basis engagierten pädagogischen Handelns auf und verweisen zugleich auf ein Forschungsdefizit im fokussierten Kontext der schulischen Berufsorientierung (im Gemeinsamen Lernen).

4 Empirische Erhebung

Ausgehend vom geschilderten Problemhintergrund besteht das Ziel der vorliegenden Studie in der Erhebung und dem Vergleich der Einstellung von Lehrpersonen verschiedener Schulformen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Zudem wird untersucht, welchen Einfluss die Lehrer-Selbstwirksamkeit in der Berufsorientierung, die Rahmenbedingungen der Berufsorientierung an der jeweiligen Schule sowie Einstellung der Lehrpersonen zur Inklusion und ihre Erfahrungen mit Inklusion haben.

4.1 Methodik

Tabelle 1: Stichprobenverteilung nach Ausbildung und Schulform (Lehrpersonen)

  Schulform Gesamt-
summe
Haupt-
schule
Real-
schule
Gesamt-
schule
Gym-
nasium
Sekundar-
schule
Förder-
schule
Aus-
bildung
Regelschule 126 48 39 2 10 5 230
Sonderpädagogik 12 7 9 0 0 113 141
Gesamtsumme 138 55 48 2 10 118 371

In die Erhebung im Schuljahr 2013/2014 wurden 201 Schulen aus dem Regierungsbezirk Arnsberg in Nordrhein-Westfalen einbezogen. Die Stichprobe umfasst Regelschulen (Haupt-, Real-, Gesamtschulen, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen sowie Gymnasien) mit integrativen Lerngruppen (n=153) sowie Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (n=48). Die höchsten Rückläufe waren bei den Förderschulen (54%) und den Hauptschulen (48%) zu verzeichnen, am geringsten waren sie bei den Gymnasien (4%) sowie den Gemeinschafts- (0%) und Sekundarschulen (1%). Gründe für die differierenden Rücklaufquoten sind darin zu sehen, dass die Berufsorientierung nach Auskunft der Studien- und Berufswahlkoordinatoren überwiegend (45%) erst in der 7. Klasse beginnt, die Inklusion sich in der Sekundarstufe I jedoch noch im Aufbau befindet. Insbesondere die Gemeinschafts- und Sekundarschulen als neue Schulformen sowie die Gymnasien verfügen noch nicht über entsprechende Erfahrungen.

Insgesamt wurden die Daten von 69 Studien- und Berufswahlkoordinatoren (n=43 Regelschulen und n=26 Förderschulen) und 371 Lehrpersonen (Regelschullehrer, Sonderpädagogen im GU und Sonderpädagogen an Förderschulen – siehe Tabelle 1) erhoben. Von den Lehrpersonen waren 66% weiblich und 34% männlich, mit einem Durchschnittsalter von 46-60 Jahren. Die Studien- und Berufswahlkoordinatoren waren zu 60% männlich und zu 40% weiblich und mehrheitlich zwischen 46-60 Jahre alt. Die mittlere Berufstätigkeit der Lehrpersonen und der Studien- und Berufswahlkoordinatoren lag bei 11-20 Jahren. In ihrer Funktion als Studien- und Berufswahlkoordinatoren waren die befragten Personen mehrheitlich zwischen 5-10 Jahren tätig. Der Median der Lehrpersonen pro erfasstem Studien- und Berufswahlkoordinator liegt bei 4 (MAD = 5).

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine standardisierte Fragebogenerhebung durchgeführt, die die Einstellung von Lehrpersonen und die Lehrer-Selbstwirksamkeitin der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern (1) ohne und (2) mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf (Eigenentwicklung) erhebt. Im Kontext von Inklusion wurden zudem die Einstellung zur Integration (EZI-D, Kunz et al. 2010) und die allgemeine Lehrer-Selbstwirksamkeit (Schwarzer/Jerusalem 1999) ermittelt. Als deskriptive Daten wurden das Geschlecht, das Alter, die Berufserfahrung sowie die Erfahrungen mit Gemeinsamen Unterricht der Lehrpersonen erhoben. Die Rahmenbedingungen der Berufsorientierung an Schulen, mit den drei Schwerpunkten Angebotsstruktur und -gestaltung, Kooperationen und Qualifikationen des Kollegiums, wurden über die Studien- und Berufswahlkoordinatoren hinterfragt.

Das Instrument zur Erfassung der Einstellung von Lehrpersonen zur Berufsorientierung stellt – aufgrund fehlender geeigneter Instrumente (vgl. Kapitel 3) – eine Eigenentwicklung dar und umfasst 11 Items, die die Perspektive der Lehrpersonen auf zentrale Inhalts- und Aufgabenbereiche fokussieren. Diese wurden auf einer sechsstufigen Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme völlig zu“ erfasst (Beispielitem „Die schulische Berufsorientierung ist Aufgabe aller Lehrpersonen der Schule und darf nicht Aufgabe einzelner ausgewählter Lehrpersonen sein.“) (Cronbach’s αSUSmitspU=.67; Cronbach’s αSUS_RS=.64). Die Items wurden durch Rückgriff auf theoretische Ausführungen effektiver Berufsorientierung formuliert (u. a. Butz 2008; Deeken 2008) und hinterfragen Sichtweise und Bereitschaft der Lehrpersonen zur Verantwortungsübernahme in der Berufsorientierung (z. B. Stellenwert Berufsorientierung im Schulalltag, Bereitschaft zur Integration der Berufsorientierung in den eigenen Unterricht, Relevanz der Berufsorientierung für die Schülerschaft, erlebte Zuständigkeiten in der Berufsorientierung).

Die 11 Items umfassende Skala zur Erhebung der Lehrer-Selbstwirksamkeit in der Berufsorientierung ist ebenfalls neu entwickelt worden und umfasst eine sechsstufige Skala („stimme gar nicht – stimme völlig zu“). Die subjektive Einschätzung der Fähigkeiten bezieht sich auf die (Kompetenz-)Anforderungen an Lehrpersonen in der Berufsorientierung. Die Itemformulierung erfolgte unter Rückgriff auf Forschungserkenntnisse zu zentralen Aufgabenbereichen in der Domäne Berufsorientierung: Unterrichten, Organisieren, Kooperieren, professionelle Partner (vgl. Dreer 2013). Ausgewählt wurden 11 spezifische Anforderungsbereiche, die in Items überführt wurden (Beispielitem „Ich kenne geeignete Medien und Materialien zum Einsatz in der schulischen Berufsorientierung und kann diese gezielt im Unterricht einsetzen“). Eine Reliabilitätsüberprüfung der vorliegenden Werte ergab sehr gute interne Konsistenzen (Cronbach’s αSUSmitspU=.94; Cronbach’s αSUS_RS=.90).

Beide Instrumente liegen in zwei Versionen vor und beziehen sich zum einen auf Schülerinnen und Schüler ohne und zum anderen auf solche mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, so dass eine differenzierte Sichtweise ermöglicht wird. Die Skalen mit Bezug zu Regelschülern wurden nur den Regelschullehrern vorgelegt. In einem zuvor durchgeführten Pretest zeigten beide Instrumente zufriedenstellende Werte.

Der EZI-D (Kunz et al. 2010) umfasst die Komponenten schulische Förderung und Integration sowie soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. Mittels 11 Items, die auf einer sechsstufigen Likert-Skala beantwortet werden, wird die Einstellung von Lehrpersonen zur Integration erfasst („Je mehr Zeit Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen in einer Regelklasse verbringen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die Qualität ihrer schulischen Förderung verbessert“). Eine Reliabilitätsüberprüfung der vorliegenden Werte ergab zufriedenstellende interne Konsistenzen (Cronbach’s α=.87).

Zur Messung der allgemeinen motivationalen Orientierung der Lehrpersonen wurde als bewährtes Instrument zudem die Lehrer-Selbstwirksamkeitsskala von Schwarzer und Jerusalem (1999) eingesetzt, die zentrale Kompetenzbereiche des Lehrerberufs umfasst. In einer modifizierten Version wurden diese auf einer sechsstufigen Skala („stimme gar nicht zu – stimme völlig zu“) erfasst. Die Reliabilitätsüberprüfung der vorliegenden Werte ergab einen Cronbach’s Alpha von .84 und ist zufriedenstellend.

4.2 Ergebnisse

Im Folgenden werden erste Ergebnisse der im Sommer 2014 abgeschlossenen Erhebung vorgestellt. Eine ausführliche Darstellung und Diskussion erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt in einer Monographie. Ausgehend von der Vorstellung ausgewählter Rahmenbedingungen werden deshalb einige ausgesuchte Daten der Skalen zur Erhebung von Einstellungen zur Berufsorientierung, der Selbstwirksamkeit in der Berufsorientierung sowie zur Einstellung zur Integration thematisiert.

4.2.1 Rahmenbedingungen der Berufsorientierung

An der schulischen Berufsorientierung wirken verschiedene Personengruppen mit. Differenziert nach Organisation und Durchführung der Berufsorientierung zeigten sich unterschiedliche Perspektiven der Studien- und Berufswahlkoordinatoren (n=69) und Lehrpersonen (n=371) auf die Anteile der Beteiligten an der schulischen Berufsorientierung.

Insgesamt zeigten die Einschätzungen, dass neben den Studien- und Berufswahlkoordinatoren die Klassenlehrpersonen die Hauptinvolvierten in der schulischen Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf waren. Die Organisation lag dabei aus der Perspektive aller Befragten vorrangig in den Händen der Studien-und Berufswahlkoordinatoren – diese schätzten ihren Anteil selbst im Vergleich zu den Lehrpersonen noch höher ein. Hohe Anteile in der Organisation der Berufsorientierung hatten zudem die Klassenlehrer und aus Sicht der Lehrpersonen die Sonderpädagogen. Die Fachlehrer, Schulleitungen und Externen waren demgegenüber nach Einschätzung der Befragten mit weniger als 60% in die Organisation eingebunden.

Mit dem Schwerpunkt der Durchführung (siehe Abbildung 2) übernehmen die Klassenlehrer den Hauptanteil der schulischen Berufsorientierung. Während die Studien- und Berufswahlkoordinatoren ihren eigenen Anteil als zurückgehend einschätzen, sehen die Lehrpersonen diese weiterhin als zentrale Beteiligte an – mit einer noch stärkeren Einbindung als in der Organisation. Verstärkt eingebunden werden zudem aus beiden Perspektiven die Fachlehrer sowie externe Personen. Die Sonderpädagogen haben einen mit der Organisation vergleichbaren Anteil, der deutlich hinter dem der Klassenlehrer zurückbleibt. Die Lehrpersonen schätzen deren Anteil jedoch erneut höher ein als die Studien- und Berufswahlkoordinatoren. Niedrig bleibt weiterhin der Anteil der Schulleitungen.

Anmerkung. Die Einschätzung der Beteiligung der Sonderpädagogen bezieht sich auf das Gemeinsame Lernen und wurde ausschließlich von an Regelschulen tätigen Befragten eingeschätzt (n=253 Lehrpersonen, n=43 StuBos), alle anderen Einschätzungen umfassen die gesamte Stichprobe (n=371 Lehrpersonen, n=69 StuBos).

Abbildung 2: Anteile in der Durchführung der Berufsorientierung (aus Perspektive der Studien- und Berufswahlkoordinatoren & Lehrpersonen)Anmerkung. Die Einschätzung der Beteiligung der Sonderpädagogen bezieht sich auf das Gemeinsame Lernen und wurde ausschließlich von an Regelschulen tätigen Befragten eingeschätzt (n=253 Lehrpersonen, n=43 StuBos), alle anderen Einschätzungen umfassen die gesamte Stichprobe (n=371 Lehrpersonen, n=69 StuBos).

Abbildung 2: Anteile in der Durchführung der Berufsorientierung (aus Perspektive der Studien- und Berufswahlkoordinatoren & Lehrpersonen)

Im Kontext der Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf sind Veränderungen und Neuerungen der Berufsorientierungsangebote in den Schulen erforderlich. Die Veränderungen bestehender Angebote stiegen mit dem Erfahrungszeitraum der Schulen mit der neuen Schülergruppe. Hatten Schulen mit weniger als 3 Jahren Erfahrung mit Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf nur zu 13% (n=16) Veränderungen der Berufsorientierungsangebote vorgenommen, bestätigten dies 47% (n=15) der Schulen mit 4-6 Jahren Erfahrung und 58% (n=12) der Schulen mit mehr als sechsjähriger Erfahrung. Neue Angebote führten die Schulen demgegenüber seltener ein, mehr als die Hälfte aller Schulen (58%) gab keine Neuerungen an, 23% befanden sich in der Planung – dies waren vorrangig Schulen mit kurzen Erfahrungszeiträumen.

Von Interesse war zudem, ob die Schulen Fortbildungen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf wahrgenommen haben. Mit 23% bestätigten weniger als ein Viertel der befragten Schulen (n=10) die Teilnahme, 26% (n=11) der Schulen gaben an die Teilnahme zu planen. Über die Hälfte der befragten Regelschulen hatten Fortbildungen demgegenüber noch gar nicht thematisiert (n=22).

4.2.2 Einstellung von Regelschullehrpersonen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf

Im Fokus der Erhebung steht, aufgrund der theoretischen Erkenntnisse, die Einstellung der Lehrpersonen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Der theoretische Mittelwert beider Skalen liegt bei einem Minimalwert von 1 und einem Maximalwert von 6 bei 3.5 Punkten.

Mit 4.65 Punkten (n=268, SD=.62) liegt der Mittelwert der Regelschullehrpersonen zur ‚Einstellung zur Berufsorientierung von Schülern ohne Unterstützungsbedarf‘ über dem theoretischen Mittelwert (Tabelle 2). Die durchschnittliche Varianz liegt bei .38. Die Kollegien der Hauptschulen (M=4.69, SD=.60) und Sekundarschulen (M=4.62, SD=.63) waren am positivsten zur Berufsorientierung eingestellt. Es lagen jedoch keine signifikanten Unterschiede zu den anderen Schulformen vor. Ein für den Faktor Schulform gefundener signifikanter Haupteffekt (F(4,258)=4.43, p<0.05* – bedingt durch die Gymnasien (M=3.27)) ist aufgrund der Stichprobengröße (n=3) nicht zu interpretieren.

Tabelle 2:     Einstellung zur Berufsorientierung von Regelschülernund von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf

Einstellung zur Berufsorientierung von N Minimum Maximum Mittelwert SD Varianz
Regelschülern 268 2.36 5.82 4.65 .62 .38
SuS mit spU 440 1.25 6.00 4.63 .65 .42

Die Studien- und Berufswahlkoordinatoren zeigten eine durchgehend positivere Einstellung zur Berufsorientierung von Regelschülern (M=4.85, SD=.59) als ihre Kollegien (M=4.61, SD=.62). Es lagen jedoch keine signifikanten Haupteffekte für die Faktoren Schulform oder Rolle (Lehrperson/Studien- und Berufswahlkoordinator) vor.

4.2.3 Einstellung von Regelschullehrpersonen und Sonderpädagogen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf

Die Auswertung der Item-Mittelwerte der Skala ‚Einstellung zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf‘ für die Gesamtstichprobe verweist auf einen etwas niedrigeren Mittelwert als bei den Regelschülern (M=4.63, SD=.65), liegt jedoch immer noch über dem theoretischen Mittelwert. Die Varianz ist mit .42 etwas höher (Tabelle 2).

Die höchsten und zudem überdurchschnittlichen Mittelwerte wiesen die Sonderpädagogen (M=4.81, SD=.57) auf, gefolgt von den Studien- und Berufswahlkoordinatoren an Förderschulen (M=4.78, SD=.50). Eine Varianzanalyse zeigte einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Ausbildung der Lehrpersonen (F(5,424)=4.01, p <0.05*). Niedrigere Mittelwerte der Regelschullehrpersonen (M=4.48, SD=.67) und der Studien- und Berufswahlkoordinatoren der Regelschulen (M=4.69, SD=.67) verdeutlichten dies. Sie lagen unter den Werten der Einstellung zur Berufsorientierung von Regelschülern (siehe vorheriger Abschnitt).

4.2.4 Selbstwirksamkeit der (Regelschul-)Lehrpersonen in der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf

Die Analyse der Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in der Berufsorientierung von Regelschülern zeigte, dass die Studien- und Berufswahlkoordinatoren der Regelschulen sich im Vergleich zu ihren Kollegien als wirksamer einschätzten (M=4.67, SD=.65). Sie unterschieden sich höchst signifikant von den Lehrpersonen ohne Verantwortung in der Berufsorientierung (F(1,258)=14.98, p<0.001***). Am Wirksamsten schätzten sich die Studien-und Berufswahlkoordinatoren am Gymnasium sowie der Realschule ein, es lagen jedoch keine signifikanten Schulformunterschiede vor (Item-Mittelwerte der Gesamtauswertung siehe Tabelle 3).

Tabelle 3:     Lehrer-Selbstwirksamkeit in der Berufsorientierung von Regelschülern und von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf

SWE in der BO von N Minimum Maximum Mittelwert SD Varianz
Regelschülern 268 1.09 6.00 3.98 .97 .93
SuS mit spU 440 1.00 6.00 3.53 1.25 1.57
4.2.5 Selbstwirksamkeit der Regelschullehrpersonen und Sonderpädagogen in der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf

Insgesamt liegen die Item-Mittelwerte der Selbstwirksamkeitseinschätzung in der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf mit einem Wert von M=3.53 unter dem Mittelwert in Bezug auf Regelschüler (vgl. Tabelle 3).

Am wirksamsten in der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf schätzten sich mit einem Mittelwert von 4.85 (SD=.60) die Studien- und Berufswahlkoordinatoren der Förderschulen sowie die Sonderpädagogen an Förderschulen (M=4.33, SD=.97) und im Gemeinsamen Lernen ein. Die Sonderpädagogen unterschieden sich höchst signifikant von den Lehrpersonen mit Regelschulschwerpunkt (F(1,424)=20.82, p<0.001***).

Im Schulformvergleich der Regelschulen zeigten die Haupt- und Gesamtschulen die positivsten Werte. Die Studien- und Berufswahlkoordinatoren der Regelschulen beurteilten ihre Wirksamkeit im Unterschied zur Zielgruppe der Regelschüler durchgehend negativer; grenzten sich jedoch immer noch von den (Regelschul-)Kollegien, als Gruppe mit der negativsten Wirksamkeitseinschätzung im Gruppenvergleich ab.

4.2.6 Einstellung zur Integration

Von den befragten 440 Lehrpersonen verfügten 73% über Erfahrungen im Gemeinsamen Lernen, die zu 79% in der Sekundarstufe I gesammelt worden waren. Mehr als die Hälfte der Personen (56%) gab zudem an, Erfahrungen mit Integrativen Lerngruppen gesammelt zu haben. Die Gesamterfahrungszeiträume der Lehrpersonen umfassten bei über 40% der befragten Lehrpersonen durchschnittlich zwischen 2 bis 5 Jahre.

Die mit dem EZI-D erfasste ‚Einstellung zur Integration‘ aller Lehrpersonen lag im Gesamten leicht im negativen Bereich (n=440, M=3.29, SD=.94) und war bei den Sonderpädagogen (n=167, M=3.02, SD=.98) niedriger ausgeprägt als bei den Regelschullehrpersonen (n=273, M=3.46, SD=.88). Am negativsten war die Einstellung der Sonderpädagogen an Förderschulen (n=139, M=2.88, SD=.90). Die positivsten Einstellungen zu Integration vertraten demgegenüber die Regelschullehrer der Gesamt- (n=46, M=3.59, SD=.83) und Hauptschulen (n=151, M=3.58, SD=.89).

4.2.7 Allgemeine Lehrerselbstwirksamkeit

Die allgemeine Lehrerselbstwirksamkeit schätzten die befragten Personen insgesamt hoch und überdurchschnittlich ein (n=440, M=4.66, SD=.63). Die positivsten Selbstwirksamkeitserwartungen zeigten im Durchschnitt die Sonderpädagogen (Lehrpersonen und Studien- und Berufswahlkoordinatoren).

Im Vergleich zwischen Studien- und Berufswahlkoordinatoren der Regelschulen, Lehrpersonen an Regelschulen und Sonderpädagogen im Gemeinsamen Lernen wurde deutlich, dass die Studien- und Berufswahlkoordinatoren die höchsten Werte angaben, gefolgt von den Sonderpädagogen. Die niedrigsten Werte hatten stets die (Regelschul-)Kollegien. Im Schulvergleich gaben die Gymnasien und Realschulen die positivsten und die Sekundar- und Hauptschulen die negativsten Einschätzungen ihrer Selbstwirksamkeit ab. Es ergab sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Schulform (F(5,424)=2.34, p=<0.05*) sowie ein signifikanter Interaktionseffekt für die Faktoren Schulform und Ausbildung (Sonderpädagogik/Regelschullehramt) (F(3,424)=3.07, p<0.05*).

5 Diskussion und Ausblick

Die ersten hier vorgelegten Ergebnisse verdeutlichen grundlegend differenzierte Perspektiven auf den Prozess der Berufsorientierung im Gemeinsamen Lernen der Sekundarstufe I. Der Umfang der Involvierung in den Prozess der Berufsorientierung sowie die Profession der Lehrpersonen können auf Grundlage der ersten Analysen als zentrale Einflussgrößen identifiziert werden. Zu interpretieren sind die Ergebnisse vor dem Hintergrund, dass die befragten Personen überwiegend bereits längere Erfahrungen in der gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf sammeln konnten und insbesondere die Regelschullehrer – entgegen der theoretischen Vorannahmen – positivere Einstellungen zur Integration zeigten als die Sonderpädagogen. Begründet werden können diese Unterschiede möglicherweise mit den gesammelten Erfahrungen der Personen sowie bezüglich der negativen Einstellung der Sonderpädagogen mit dem Einfluss der aktuell unsicheren Situation der Förderschulen und infolge dessen bedingter Zukunftsängste.

Es besteht Konsens über die Berufsorientierung aller Schülerinnen und Schüler als fächer- und professionsübergreifende Aufgabe der Sekundarstufe I, deren zentrale Personen aus Sicht der Befragten neben den Studien- und Berufswahlkoordinatoren vor allem die Klassenleitungen/ Regelschullehrpersonen sind. Dieses ergibt sich aus der überwiegenden Praxis der Integration der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in vorhandene Berufsorientierungsangebote der Schulen, die von den Regelschullehrpersonen verantwortet werden. Kritisch zu betrachten ist, dass die Regelschullehrpersonen insbesondere in der Durchführung diese Hauptverantwortung ablehnen und auf die Studien- und Berufswahlkoordinatoren sowie Sonderpädagogen verweisen. Es kann somit von einem mangelnden Bewusstsein der Regelschullehrpersonen für ihre zentrale Stellung in der Berufsorientierungspraxis ausgegangen werden. In der schulischen Praxis spiegelt sich dieses in dem von Dritten wahrgenommenen mangelnden Engagement der Lehrpersonen wieder. Die Ergebnisse der durchgeführten Erhebung verdeutlichen jedoch, dass die Ursachen für die eingenommenen Perspektiven der befragten Personen tiefer liegen: in den Einstellungen und dem Selbstwirksamkeitserleben der Lehrpersonen.

Grundsätzlich zeigen sich unabhängig von der Konfrontation aller Lehrpersonen mit der Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf deutliche Unterschiede in der diesbezüglichen Einstellung. So ergeben sich professionsspezifische Unterschiede, die positivere Einstellungen zur Berufsorientierung der jeweiligen Zielgruppe (Sonderpädagogen – SuS mit sonderpäd. Unterstützungsbedarf/ Regelschullehrer – Regelschüler) hervorrufen. Es ergeben sich zudem rollenspezifische Unterschiede. Die Kollegien der Regelschulen und somit auch die besonders involvierten Klassenleitungen geben eine durchgehend negativere Einstellung zur Berufsorientierung als die Studien- und Berufswahlkoordinatoren an. Dies gilt verstärkt für die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, aber auch für die der Regelschüler. Eine Erklärung für die Unterschiede wird zum einem im mangelnden Bewusstsein für die Relevanz der Berufsorientierung im Schulalltag/ für die Schülerinnen und Schüler gesehen – begründet durch die überfachliche Rolle der Berufsorientierung, die fachfremd übernommen werden muss. Zum anderen können die gesammelten Erfahrungen bzw. der Kontakt mit dem Aufgabenfeld der Berufsorientierung als Einflussfaktor auf die Einstellung der Lehrpersonen betrachtet werden. Diese erklärt auch die Differenzen zwischen den Perspektiven der Studien- und Berufswahlkoordinatoren und der Gesamtkollegien. Gestützt wird die „Erfahrungshypothese“ auch durch weitere Erkenntnisse der durchgeführten Erhebung: Die Einstellungen differenzieren nach Schulformen. Vor allem in Schulformen, welche die Berufsorientierung eher als Randthema betrachten, zeigen die Befragten die negativsten Einstellungen und haben zugleich im Hinblick auf die Berufsorientierung der Schülerschaft mit Unterstützungsbedarfen die größten Handlungsbedarfe. Erforderlich sind grundsätzlich gesonderte und neue Angebote in der Berufsorientierung für die Schülerschaft mit besonderen Bedarfen, die bislang ausschließlich in bestehende (wenn vorhandene Angebote) integriert werden -eine Diskrepanz, die zu Lasten der Schülerinnen und Schüler geht und dringender Veränderung bedarf. Bereits bei der Ansprache der Schulen zur Vorstellung der Studie zeigten sich diese schulformspezifischen Differenzen mit der Konsequenz der ungleichen Stichprobenverteilung. Es ist somit von einer Wechselwirkung von Erfahrungen, Einstellungen und Handlungsbereitschaft auszugehen. Diese Ergebnisse sind von Bedeutung, da die positive Einstellung zur Berufsorientierung aller als Basis einer erfolgreichen Realisierung betrachtet wird. Sowohl die Kollegien, aber insbesondere die Studien- und Berufswahlkoordinatoren, sind maßgeblich für Ausgestaltung verantwortlich. Die Einsicht in die Bedeutsamkeit der Berufsorientierung für die Schülergruppe mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf und auch die Offenheit für neue Erfahrungsräume sind daher unabdingbar.

Zugleich wird jedoch auch die Unsicherheit der Beteiligten mit der Aufgabe der Berufsorientierung aller Schülerinnen und Schüler deutlich. Die Selbstwirksamkeitserwartung der Befragten in der Berufsorientierung fällt im Mittel negativer als die Einstellung aus, gilt jedoch zugleich als handlungsleitender. Zurückgeführt werden kann die negativere Gewichtung der Selbstwirksamkeit auf deren Praxisnähe: Bildet die Einstellung grundsätzliche Sichtweisen ab, bezieht sich die Selbstwirksamkeit auf subjektive Fähigkeitseinschätzungen. Die Lehrpersonen sind demzufolge subjektiv nicht bzw. nur wenig von ihren eigenen Fähigkeiten in der Berufsorientierung überzeugt. Der in der Erhebung aufgezeigte Aus- und Fortbildungsmangel (der Gesamtkollegien) in der Domäne Berufsorientierung wirkt sich in diesem Kontext aus. In der Konsequenz kann dies zu einer nicht ausreichenden Ausgestaltung der Berufsorientierung im Schulalltag führen, da nur eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung sich positiv auf die Motivation und das Handeln auswirken. Erneut ergeben sich rollenspezifische Unterschiede zwischen Studien- und Berufswahlkoordinatoren und Kollegien, die sich im Vergleich als weniger selbstwirksam einschätzen. In Bezug auf die Schülerschaft mit Unterstützungsbedarf wird zudem die Profession der Lehrpersonen zentral. Bewerten Sonderpädagogen sich im Hinblick auf die Berufsorientierung der Schülergruppe mit Unterstützungsbedarfen als hoch wirksam, trifft dies für die Regelschulehrpersonen vorrangig für die Zielgruppe der Regelschüler zu.

Die aus den ersten Analysen abgeleiteten rollen- und professionsspezifischen Einflüsse auf die Einstellungen und die Lehrerselbstwirksamkeit in der Berufsorientierung bestätigen grundlegend die übergeordnete Annahme der Berufsorientierung als unbeliebte Zusatzaufgabe der Kollegien im Gemeinsamen Lernen. Insbesondere die stark eingebundenen bzw. geforderten (Regelschul-)Lehrpersonen zeigen die negativsten Einstellungen und Selbstwirksamkeitseinschätzungen. Diese Erkenntnis ist in weiteren Analysen spezifischer zu untersuchen und auf weitere Einflussgrößen zu überprüfen. Bereits zum jetzigen Auswertungszeitpunkt sind jedoch die Faktoren der Erfahrungsräume und Weiterbildungsangebote als relevant zu erachten.

Deutlich wird grundlegend, dass die Annahme der Berufsorientierung als Aufgabe aller Lehrpersonen im Gemeinsamen Lernen für eine effektive Praxis nicht ausreicht. Um ihre Rolle als „unbeliebte Zusatzaufgabe“ zu überwinden, ist es erforderlich ein Bewusstsein für die Relevanz der differenzierten Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen involvierter Lehrpersonen in der Berufsorientierung zu schaffen. Dieses richtet sich sowohl an Verantwortliche in übergeordneten Organisationsebenen, wie den Koordinierungsstellen der Bezirksregierungen (in Nordrhein-Westfalen), aber auch an die Schulleitungen und Studien- und Berufswahlkoordinatoren. Multiplikatorenansätze zur Weiterbildung reichen nicht aus – erforderlich werden Angebote für Gesamtkollegien. Neben der Vermittlung von Professionswissen ist ein Schwerpunkt auf der Verdeutlichung der Relevanz und Notwendigkeit der umfassenden Berufsorientierung für die Schülerschaft mit besonderen Bedarfen zu setzen. Zudem sind die Einflussmöglichkeiten und die Bedeutsamkeit der (Klassen-)Lehrpersonen im Berufsorientierungsprozess aufzuzeigen. Unterstützend können zudem Supervisionsangebote zur Begleitung von Praxiserfahrungen wirken.

Die weiteren Schritte der vorgestellten Untersuchung orientieren sich an der Zielsetzung des vertieften und differenzierten Erkenntnisgewinns zu Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehrpersonen in der Berufsorientierung im Gemeinsamen Lernen sowie weiteren Einflussgrößen und Kontextbedingungen. Die Gesamterkenntnisse sollen zur Qualitätsverbesserung der Berufsorientierung im Gemeinsamen Lernen beitragen, indem Verantwortliche für die Relevanz der Bereitschaft von Lehrpersonen sensibilisiert und Fortbildungsangebote entsprechend weiterentwickelt werden.

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Nentwig, L. (2015): Berufsorientierung als unbeliebte Zusatzaufgabe? Einstellungen und Selbstwirksamkeitserleben von Lehrpersonen zur Berufsorientierung im Gemeinsamen Lernen der Sekundarstufe 1. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 27, 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe27/nentwig_bwpat27.pdf  (15-03-2015).