bwp@ 47 - Dezember 2024

Attraktivität des Lehrer:innenberufs in der Berufsbildung

Hrsg.: Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Silke Lange & Matthias Söll

Das Studium ist mehr als der Modulkatalog. Ein Gespräch über curriculumübergreifende Lernräume in Studiengängen der Wirtschaftspädagogik

Beitrag von Andreas Diettrich, Christian Leistikow & Matthias Söll
Schlüsselwörter: Curriculumübergreifende Lernräume, Dialogische Studiengangentwicklung, Lehrkräftebildung, Praxisorientierung, Wirtschaftspädagogik

Die Entwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge steht vor der Herausforderung, Studierende auf eine sich schnell wandelnde Arbeitswelt vorzubereiten. Der Beitrag beleuchtet die partizipative und dialogische Gestaltung der Bachelor- und Masterstudiengänge der Wirtschaftspädagogik an der Universität Rostock. Zu den vier zentralen Themenfeldern (1) das zukünftige Rollenbild von Lehrkräften in der beruflichen Bildung, (2) Gestaltungsaspekte wirtschaftspädagogischer Studiengänge, (3) Herausforderungen in der Umsetzung und (4) notwendige Weiterentwicklungen für eine zukunftsfähige Lehrkräftebildung wurden Gruppeninterviews geführt. Der als Gespräch aufbereitete Beitrag zeigt, dass Reflexionsfähigkeit, Flexibilität und Praxisnähe zentrale Kompetenzen darstellen, die in modernen Curricula mit curriculumübergreifenden Lernräumen verankert werden müssen. Gleichzeitig verdeutlichen strukturelle Hürden und institutionelle Rahmenbedingungen die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wandels in der universitären Lehrkräftebildung. Der Beitrag regt zur Reflexion über innovative Studiengangkonzepte an, die eine stärkere Vernetzung zwischen Hochschule, Praxis und Fachwissenschaft ermöglichen.

The study program is more than a module catalogue: a discussion on cross-curricular learning spaces in business and economics education programs

English Abstract

The development of business and economics education programs faces the challenge of preparing students for a rapidly changing world of work. This article explores the participatory and dialogical design of the Bachelor’s and Master’s programs in business and economics education at the University of Rostock. Group interviews were conducted on four key topics: (1) the future role of teachers in vocational education, (2) design aspects of business and economics education programs, (3) challenges in implementation, and (4) necessary advancements for future-proof teacher education. Presented in a dialogue format, the article highlights reflection skills, flexibility, and practice-oriented learning as essential competencies that must be embedded in modern curricula with cross-curricular learning spaces. At the same time, structural barriers and institutional constraints underscore the need for a sustainable transformation of university-based teacher education. The article encourages reflection on innovative study program concepts that foster stronger connections between universities, educational practice, and subject disciplines.

1 Diskursive, zukunftsgewandte Studiengangentwicklung vor dem Hintergrund aktueller Transformationsprozesse

Die Welt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der nahezu alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebensbereiche beeinflusst. Globale Herausforderungen wie der Klimawandel, politische Instabilitäten und wirtschaftliche Unsicherheiten führen zu immer komplexeren Fragen, die einfache Antworten nicht mehr zulassen. Hinzu kommen die Auswirkungen von Globalisierung, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI), die Berufsbilder, Lernprozesse und Lehrmethoden grundlegend verändern. Neue Berufe entstehen, während andere verschwinden oder sich erheblich wandeln – traditionelle Berufswege bieten kaum noch Sicherheit (bspw. Bolder et al., 2012; Reintjes et al., 2021; Zierer, 2021).

Für Lehrkräfte in berufsbildenden Schulen bedeutet dies eine erhebliche Veränderung ihres Berufsverständnisses und ihrer Rolle. Sie stehen vor der Aufgabe, Lernende auf eine ungewisse Arbeitswelt vorzubereiten, in der zunehmend lebenslanges Lernen, Flexibilität und digitale Kompetenzen entscheidend sind. Lehrkräfte müssen nicht nur fachliche Inhalte vermitteln, sondern auch die Fähigkeit fördern, sich selbstständig weiterzuentwickeln und neue Anforderungen zu bewältigen (bspw. Naeve-Stoß et al., 2023).

Darüber hinaus stellen gesellschaftliche bzw. soziale Herausforderungen wie Inklusion und Migration weitere Anforderungen an Lehrkräfte und ihren Schulalltag. In einer Gesellschaft, die durch Unsicherheiten und veränderte Wertvorstellungen geprägt ist, sind sie zunehmend gefordert, Diversität zu gestalten, individuelle Lernwege zu ermöglichen, demokratische und soziale Werte wie Empathie und Solidarität vorzuleben und zu vermitteln (bspw. Kremer et al., 2016).

Auch in Mecklenburg-Vorpommern (MV) manifestieren sich diese Veränderungen in der beruflichen Bildung in spezifischen Herausforderungen. Der Fachkräftemangel, vor allem im ländlichen Raum, verschärft sich zunehmend, während Transformationsprobleme seit der Wiedervereinigung Deutschlands nach wie vor präsent sind. Städtische Zentralisierungstendenzen in der beruflichen Bildung sowie der Wegzug aus dem ländlichen Raum bzw. aus dem Bundesland führen bspw. zu sinkenden Ausbildungszahlen, steigenden Abbruchquoten und einem Rückgang an innovativen Potentialen. Hinzu kommt ein Abbau von Sozialräumen und die Öffnung von Lücken für populistische Strömungen (Hoch et al., 2023; Hölterhoff & Herkner, 2019; Joachim et al., 2024). Angesichts dieser komplexen Transformationen wächst der Druck auf das Bildungssystem und insbesondere auf Lehrkräfte. Es braucht nun mehr denn je Bildungsinnovator:innen, die es sich zutrauen, diesen Herausforderungen offen zu begegnen, Lösungen zu finden und Wandel in den beruflichen Schulen anzustoßen.

Allerdings führt der Lehrkräftemangel dazu, dass in berufsbildenden Schulen häufig die Unterrichtsversorgung im Vordergrund steht, während die Qualität und Innovation von Lehren und Lernen eher in den Hintergrund rückt (Wandhoff et al., 2023; Zeit Online, 2022). Die Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz der Lernenden, zu der Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz und damit auch Mündigkeit und reflexive Gestaltungs gehören, läuft dabei Gefahr, auf der Strecke zu bleiben.

Die benannten Rahmenbedingungen nehmen direkten Einfluss auf die Bildung und Professionalisierung zukünftiger Lehrkräfte. Dabei werden spätestens in der ersten Phase der Lehrkräftebildung Grundsteine für die Lehrpersonen in spe gelegt. Die sich schnell wandelnden Kontexte erfordern ein erhebliches Umdenken im Hinblick auf die Rollen von berufsbildenden Schulen und Lehrkräften und deren Aufgabenbereichen. Mit den sich ändernden Anforderungen an Lehrkräfte müssen sich auch die Anforderungen an ein Studium ändern, damit Absolvent:innen den komplexen und dynamischen Herausforderungen der Zukunft angemessen begegnen und diese aktiv mitgestalten können. Es bedarf nicht nur hochschuldidaktischer Konzepte, die Hörsäle, Seminar- und Übungsräume in Gestaltungsräume der bzw. für die Zukunft umwandeln, sondern neben der Fachkompetenz der Studierenden auch eine stärkere Förderung ihrer Sozial- und Selbstkompetenzen.

Eine zukunftsorientierte Qualifizierung von Lehrkräften muss außerdem aufgrund der hohen Dynamiken der Veränderungen flexibilisiert werden. Diese erfolgt, indem Akteur:innen aus der beruflichen Bildung, bspw. Schüler:innen, Referendar:innen, Lehrer:innen, Ausbilder:innen, Unternehmer:innen, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter:innen oder Bildungspolitiker:innen, systematisch als Berater:innen oder Referent:innen in das Studium eingebunden werden. Darüber hinaus könnten Quer- und Seiteneinstiegsmodelle eingeführt und mit den klassischen Studiengangmodellen verknüpft werden (Bals et al., 2016). Der Austausch der Studierenden mit o g. Praxispartner:innen und untereinander wird dadurch gesteigert, sodass die o. g. Gestaltungsräume durch die Perspektiverweiterungen der Studierenden zu wirkmächtigen Lern- und Erfahrungsräumen werden.

Der folgende Beitrag zeigt auf, wie die Bachelor- und Masterstudiengänge der Wirtschaftspädagogik an der Universität Rostock vor dem Hintergrund der angedeuteten Herausforderungen und mit den genannten Akteur:innen aus der beruflichen Bildung weiterentwickelt werden. Passende Kompetenzformulierungen innerhalb und übergreifend zwischen den Curricula, neue Studiengangkonzepte, systematisch integrierte Zusatzveranstaltungen mit Praktiker:innen und Expert:innen der beruflichen Bildung – hier als extracurriculare Veranstaltungen bezeichnet – und insbesondere die Teamarbeit in der Lehre adressieren die hohen Anforderungen an ein zeitgemäßes Studium, das mehr bietet als der Modulkatalog sowie formalisierte Studien- und Prüfungsordnungen.

Die Entwicklung unserer Studiengänge ist grundsätzlich partizipativ und dialogisch angelegt. Die tertiären Bildungsgänge werden in regelmäßigen Weeklys, Klausurtagungen und Arbeitsgruppen im Sinne von Curriculumwerkstätten von Professor:innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, Student:innen und Praktiker:innen weiterentwickelt (vgl. hierzu auch Wildt & Wildt, 2017).

Wir haben diesen Beitrag im Sinne der diskursiven Studiengangentwicklung (Gerholz & Sloane, 2016) und in Anlehnung an das Interviewformat (Czech & Laumann, 2021; Kutscha & Fischer, 2003) als moderiertes Gespräch angelegt, statt eine deskriptive und ausformulierte Selbstdarstellung der Studiengänge zu erarbeiten (bspw. Kremer, 2007; Lange et al., 2024). Dieses spiegelt einerseits die Praxis unserer Studiengangentwicklung wider. Andererseits werden in dem Gespräch Gemeinsamkeiten, aber auch unterschiedliche Perspektiven und Herausforderungen in der alltäglichen Arbeit der Studiengangentwickler:innen deutlich. Der Beitrag regt dazu an, die Entwicklung von Studiengängen als dynamischen, diskursiven Prozess zu betrachten und zu modellieren. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung mit dem Gespräch Reflexionsanlässe für die Entwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge liefern.

Das hier dargestellte Gespräch ist in drei Interviewrunden mit den in der Lehre arbeitenden Professor:innen und den Mitarbeiter:innen mit Aufgaben in der Lehre des Instituts für Wirtschaftspädagogik entstanden.[1] Die Gesprächsrunden dauerten jeweils ca. 1,5 Stunden und wurden von einer nicht-lehrenden Person des Instituts moderiert. Der Austausch erfolgte entlang von Leitfragen zu den vier Themenfeldern:

  1. Visionen von Lehrkräften in der wirtschaftsberuflichen Bildung
  2. Gestaltungsaspekte wirtschaftspädagogischer Studiengänge
  3. Herausforderungen bei der Umsetzung wirtschaftspädagogischer Studiengänge
  4. Entwicklungsaufgaben wirtschaftspädagogischer Studiengänge.

Die Dozierenden beziehen sich bei Ihren Ausführungen im Wesentlichen auf die von ihnen verantworteten wirtschaftspädagogischen Studienanteile. Nach der Transkription der Gespräche wurden diese im Hinblick auf die Themenfelder aggregiert und anonymisiert.

Nachfolgend wird das (aggregierte) Gespräch dargestellt. Es kommen drei Perspektiven zu Wort: Die der Professorin Anna Köhler, die des wissenschaftlichen Mitarbeiters Julian Weber und die der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Lena Schmidt, deren Namen zufällig gewählt wurden. Diese Rollen repräsentieren unterschiedliche Blickwinkel und Schwerpunkte innerhalb des Instituts für Wirtschaftspädagogik. Die Figur des Moderators dient der Gesprächsstrukturierung und Themenüberleitung. Nach dem Gespräch werden zentrale Erkenntnisse im Hinblick auf die hier skizzierten Problemlagen reflektiert.

2 Gespräch zur Entwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge

1. Themenfeld: Visionen von Lehrkräften in der wirtschaftsberuflichen Bildung

Moderator: Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn wir das Gespräch mit der Frage beginnen: Wie seht ihr die zukünftige Lehrkraft in der beruflichen Bildung und was bedeutet dieses Bild für uns und unseren Studiengang? Wir haben in der letzten Zeit immer wieder viel darüber gesprochen, aber lasst uns jetzt mal in die Tiefe gehen.

Anna Köhler (Professorin): Absolut. Für mich ist eine Lehrkraft der Zukunft vor allem polyvalent und flexibel sowohl methodisch als auch, ich sag jetzt mal empathisch. Wobei ich den Begriff der Polyvalenz schon hauptsächlich in seiner Bedeutung als Vielseitigkeit ansiedeln möchte. Also ich glaube, das Fachliche ist schön und gut, aber einiges davon musst du dir als Lehrkraft in der beruflichen Bildung auch im Job später anlesen können. Das Berufsbild an sich verändert sich aber so schnell, dass eine starre Ausbildung so wie bisher in Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Den einen Lehrer, der alles erfüllen kann, was er an Anforderungen zu erfüllen hat, der alle Klassen, alle Lernfelder unterrichten kann und sich zusätzlich auch noch mit Digitalisierung oder Innovationen auskennt, das ist ein Rollenbild, das kann keine einzelne Person mehr erfüllen. Und ich denke, wir müssen weg von dem Bild, dass alle Kompetenzen, Fähigkeiten, Kenntnisse in einer Person liegen müssen, sondern dass Lehrkräfte in Zukunft eher in professionellen Teams oder interprofessionellen Teams arbeiten werden. Unsere Studierenden müssen darauf vorbereitet sein, in unterschiedlichsten Bildungsbereichen zu arbeiten, sei es in Schulen, in Unternehmen oder in der Erwachsenenbildung. Der Wandel der Arbeitswelt wird sie dazu herausfordern, für all diese Bereiche pädagogische und didaktische Lösungen zu finden. Das ist der Grund, warum ich immer wieder betone, dass wir mehr interdisziplinär und teamorientiert arbeiten müssen. Polyvalenz ist der Schlüsselbegriff: eine breite Ausbildung, die nicht zu früh spezialisiert, sondern die Studierenden befähigt, flexibel auf Veränderungen im Schul-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu reagieren.

Moderator: Das ist interessant, besonders der Aspekt der Polyvalenz. Auch in der Wortbedeutung die du für ihn siehst und wie du ihn für Lehrkräfte interpretierst. Aber ich merke bereits, dass ihr anderen auch noch etwas zu der Frage sagen wollt. Julian, wie sieht denn deine Lehrkraft der Zukunft aus?

Julian Weber (wissenschaftlicher Mitarbeiter): Ich würde hinzufügen, dass eine Lehrkraft nicht nur flexibel sein muss, sondern auch eine starke Verbindung zwischen Theorie und Praxis braucht. Wir arbeiten in unseren Seminaren viel mit praxisnahen Projekten. Ich sehe meine Rolle darin, den Studierenden zu vermitteln, dass sie nicht nur Wissensvermittler sind, sondern Lernbegleiter. Praxisorientierte Aufgaben stehen im Zentrum meines Ansatzes. Wir haben viele Kooperationen mit Praxispartnern, sei es durch Exkursionen oder durch Projekte, bei denen Studierende reale Herausforderungen aus der Berufspraxis bearbeiten. Das stärkt nicht nur die Methodenkompetenz, sondern fördert auch das eigenständige Denken.

Lena Schmidt (wissenschaftliche Mitarbeiterin): Da schließe ich mich an. Ein zentraler Fokus von uns liegt aus meiner Sicht auch klar auf der Entwicklung von Reflexionsfähigkeit, Selbstkompetenz und Sozialkompetenzen. Die Lehrkräfte von Morgen müssen nicht nur fachlich versiert sein, sondern auch in der Lage, ihre eigene pädagogische Haltung und ihr Handeln kritisch zu hinterfragen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zusätzlich ist die Fähigkeit, flexibel und empathisch auf die Bedürfnisse der Lernenden einzugehen, essenziell, insbesondere in einer zunehmend diversifizierten Bildungslandschaft, wie wir sie ja heute eigentlich schon sehen.

Die Anforderungen an Lehrkräfte umfassen schon heute weit mehr als die reine Vermittlung von Fachwissen. Es geht darum, Lernende in ihrer Entwicklung zu begleiten, sie zu ermutigen, Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen, und ihnen Raum für selbstständiges Arbeiten zu geben. Die Lehrkraft der Zukunft braucht also neben methodischen Kompetenzen auch klare Werte wie Empathie, Anpassungsfähigkeit und eine humanistische Grundhaltung, denn sie vermitteln ja nun mal nicht mehr nur Wissen, sondern sollen ja auch Werte und Haltungen fördern, die es Lernenden ermöglichen, aktiv und verantwortungsvoll an der Gestaltung ihres Lebens und der Gesellschaft teilzuhaben.

Und als zukünftige Lehrkraft musst du auch Mut haben, Kontrolle abzugeben, Lernprozesse offener zu gestalten und den Schülerinnen und Schülern zu vertrauen, dass sie Herausforderungen eigenständig meistern können. Solche Ansätze erfordern eine Mindset-Änderung, weg von traditionellen Frontalmodellen hin zu einem stärkeren Fokus auf Werkstätten, Lernbüros oder anderen partizipativen Formaten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der da aus meiner Perspektive mit reinspielt, ist die Fähigkeit der Lehrkräfte, mit den verschiedenen Lebenswelten ihrer Lernenden umzugehen. Insbesondere in der Berufsschule ist es entscheidend, die beruflichen Kontexte und Herausforderungen der Schülerinnen und Schüler zu kennen und in den Unterricht einzubinden. Der Austausch mit Betrieben und der Einblick in die Lebenswelt der Lernenden fördern nicht nur die Empathie der Lehrkräfte, sondern schaffen auch eine Grundlage für praxisnahe und realitätsbezogene Bildungsansätze.

Anna Köhler: Was ich noch zusätzlich erwähnen wollte, weil du die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler erwähnt hast. Es geht natürlich auch um die Lebenswelt der Lehrenden. Die Lehrkraft von morgen muss ihren individuellen Weg, das eigene Glück, sozusagen finden können. Also eine Mischung aus Mitgestaltungspotenzial und so eine Art persönlichem Empowerment im Sinne von „ich bin meines eigenen Glückes Schmied, aber ich gestalte auch das Bildungs- und Gesellschaftssystem mit“. Und deshalb ist es aus meiner Sicht zentral, dass Lehrerinnen und Lehrer genau dieses Engagement, dieses gesellschaftliche Engagement über die fachliche Kompetenz hinaus, dieses Verantwortungsbewusstsein für diese Themen zentral mit auf ihre Agenda schreiben. Nicht nur diese Themen im Unterricht kurz adressieren, sondern genau dieses Engagement letztendlich auch vorleben und durch entsprechende Unterrichtseinheiten verbunden mit praktischen, lebensweltnahen Inhalten mit in ihren Unterricht bringen, damit die Schülerinnen und Schüler auch da ins Tun gebracht werden und sehen, dass sie da was bewirken können, dass sie da anknüpfen können.

Julian Weber: Um meine Ausführungen von gerade eben nochmal zu unterstreichen, möchte ich nochmal klar hervorheben, dass sich die Anforderungen an Lehrkräfte in den letzten Jahren deutlich verändert haben und auch in Zukunft immer dynamischer werden. Die zentrale Aufgabe für Lehrkräfte in der beruflichen Bildung besteht heute nicht mehr nur darin, Fachwissen zu vermitteln, sondern Schülerinnen und Schülern Kompetenzen mitzugeben, die sie befähigen, in einer sich wandelnden Welt aktiv, verantwortungsvoll und nachhaltig zu handeln. Dabei geht es um Fähigkeiten wie kritisches Denken, Empathie, Gerechtigkeitssinn, demokratisches Bewusstsein und die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das klassische Verständnis der Lehrkraft als Wissensvermittler greift hier zu kurz. Vielmehr müssen Lehrkräfte als Coaches, Impulsgeber, Moderatoren und Reflexionspartner auftreten, die Lernprozesse gestalten und begleiten.

Ein wesentlicher Punkt in unserer Lehrkräftebildung ist dementsprechend die Frage, wie wir Menschen ausbilden, die fachlich exzellent, methodisch versiert und zugleich motiviert, offen und reflektiert sind. Die Lehrkraft von morgen muss flexibel sein, sich schnell und korrekt neue Inhalte aneignen können und zugleich über ausgeprägte kommunikative und empathische Fähigkeiten verfügen. Besonders wichtig ist dabei die Fähigkeit, Unterricht individuell und an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen. Dazu gehört die Berücksichtigung von Themen wie Inklusion, kulturelle Vielfalt oder die Einbindung moderner Technologien wie KI in den Unterricht. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern Lernende zu befähigen, selbstständig, neugierig und eigenverantwortlich zu lernen.

Und natürlich hat sich auch der Unterricht selbst stark verändert. Traditionelle Frontalunterrichtsmodelle werden zunehmend durch innovative Methoden wie Stationsarbeit, Lerninseln oder Lernthekenarbeit ergänzt oder ersetzt. Diese Ansätze fördern nicht nur die aktive Beteiligung der Lernenden, sondern stärken auch deren Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. Eine Lehrkraft, die diese Methoden beherrscht, kann eine Lernumgebung schaffen, die die Schülerinnen und Schüler dazu anregt, sich Wissen eigenständig anzueignen und kritisch mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Das Lernen erfolgt dabei zunehmend auf Augenhöhe, wobei die individuellen Fähigkeiten und das Vorwissen der Lernenden stärker eingebunden werden.

Anna Köhler: Um mal noch so eine fast schon utopische Sicht in dieses Thema mit einzubringen: meine Lehrkräfte der Zukunft, die sehen sich als Wirtschaftspädagogen und -pädagoginnen aus Rostock. Und wenn jemand z. B. in deren berufliche Schule kommt, als Praktikant oder als Referendarin und sagt, ja ich war bei, keine Ahnung, der und der im Seminar, dann kommt als Reaktion ein: ah ja cool, kenn ich auch, komm her, ich nehme dich unter meine Fittiche, auch wenn ich jetzt nicht dein Mentor bin, aber wenn du irgendein Problem hast, rede mit mir, wir sind ja beides Wirtschaftspädagogen oder beides Wirtschaftspädagoginnen. Das ist für mich so ein kleiner Traum, dass sich die Studierenden, die von hier losgehen, irgendwie, wenn sie sich treffen, wissen, alles klar, bei dem bin ich sicher, der hat ein ähnliches Bild von Lehrkraft sein, von Lehren und Lernen, von Werten wie ich. Der ist bereit, wie ich, sich weiterzuentwickeln, offen gegenüber innovativen Vorschlägen und weiß wie wichtig eigentlich Empathie ist. Das wäre wirklich eine Traumvorstellung von mir.

Lena Schmidt: Wobei das ja auch schon fast wieder uniformierend klingt, so wie du es sagst. Aber ich vermute du meinst eher diese gedankliche Offenheit bzw. zu wissen, dass Schule und berufliche Bildung sich ändern müssen, um nicht abgehängt zu werden. Und da ähnlich Denkende zu finden und sich mit denen auf den Weg machen zu können, weil sie zumindest ein ähnliches Studium hatten, das erleichtert die Arbeit als Lehrkraft wahrscheinlich erheblich.

2. Themenfeld: Gestaltungsaspekte wirtschaftspädagogischer Studiengänge

Moderator: Also kann man sagen, dass Vielseitigkeit, Praxisnähe und Reflexionsfähigkeit zentrale Säulen für die Lehrkraft von morgen sind. Das klingt nach einer soliden Grundlage. Was macht ihr konkret im Studiengang, um diese Fähigkeiten zu fördern?

Anna Köhler: In unseren Lehrveranstaltungen lege ich großen Wert auf Teamarbeit und Gruppenprozesse. Kommunikation ist das A und O. Wenn unsere zukünftigen Lehrkräfte nicht in der Lage sind, gut im Team zu arbeiten, dann scheitert oft auch die Zusammenarbeit im Kollegium später. Wir gestalten den Studiengang so, dass Kommunikation und Kooperation von Anfang an gefördert werden. Es ist mir wichtig, dass die Studierenden lernen, sich nicht nur fachlich auszutauschen, sondern auch menschlich miteinander klarzukommen. Deswegen gestalten wir auch viele Prüfungsleistungen, Forschungsberichte oder generell Berichte als Gruppenleistung. Das fordert eine ganz hohe Teamkompetenz, man muss sich abstimmen, man muss darauf vertrauen, dass der andere auch Dinge gut ausarbeiten kann, weil man nicht alles allein kontrollieren kann, man muss sich austauschen können, Deadlines einhalten, also es passieren ganz viele Gruppenprozesse durch die Zusammenarbeit und durch die gemeinsame Prüfungsleistung, die dann abgegeben werden muss. Da steht quasi die Teamfähigkeit und die Sozialkompetenzen aufzubauen und auch dies kritisch zu reflektieren, mit im Vordergrund.

Wir leben diese Teamarbeit aber auch bei uns am Institut vor. Unsere Arbeit im Team basiert auf einer klaren Haltung, die wir regelmäßig in Lehreklausuren und kollegialen Besprechungen reflektieren und teilen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt: Welche Werte tragen wir gemeinsam und wie spiegeln sich diese in unserer Arbeit wider? Ein zentraler Bestandteil davon ist die Entwicklung eines Leitbildes, das wir gemeinsam erarbeitet haben und als Grundlage für unsere Lehre nutzen.

Die partizipative Gestaltung des Studiengangs ist dabei ein Schlüsselprinzip. Als Lehrende genießen wir Freiheit in Forschung und Lehre, und diese Freiheit leben wir aktiv im Team. In unseren Lehreklausuren und Modulbesprechungen kommen wir regelmäßig zusammen, um Inhalte, Methoden und Ansätze gemeinsam zu entwickeln. Diese partizipative Idee des gemeinschaftlichen Austauschs und Aushandelns übertragen wir auch auf die Studierenden. Sie werden – in angepasstem Maß – an unseren Überlegungen beteiligt und können so die Dynamik und Offenheit dieses Prozesses erleben. Für mich ist genau das der Kern der Curriculumentwicklung: eine gemeinschaftliche, iterative Weiterentwicklung.

Ein strukturierter Ablauf unterstützt diese Zusammenarbeit. So führen wir halbjährlich einen Rückblick und Ausblick auf die Module durch, um den Stand der Inhalte zu evaluieren, offene Punkte zu klären und mögliche Herausforderungen zu identifizieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Kohortenanalyse: Wir reflektieren, was für eine Studierendengruppe besonders wichtig war, und geben Hinweise für die nächsten Lehrenden, die die Kohorte übernehmen. Ergänzt wird dieser Prozess durch zweiwöchentliche „Weeklys“, in denen aktuelle Themen in der Lehre besprochen werden. Dies fördert nicht nur den Austausch zu organisatorischen und administrativen Fragen, sondern gibt auch Raum, qualitative Aspekte zu diskutieren und Ideen für die Lehre weiterzuentwickeln. Allein durch die regelmäßige Auseinandersetzung wird deutlich, wie wichtig uns der Raum für Reflexion und Austausch ist.

Hinzu kommt, dass durch personelle Veränderungen und die Rotation von manchen Lehrenden innerhalb der Module regelmäßig frische Ideen in die bestehenden Strukturen einfließen. Diese unregelmäßige Rotation sorgt dafür, dass die kontinuierlich weiterentwickelte Qualität unserer Arbeit immer wieder durch neue Impulse bereichert wird. Neue Kolleginnen und Kollegen bringen andere Perspektiven und Ansätze ein, während andere als stabile Basis in manchen Modulen bleiben, was einen klaren Mehrwert für die Gestaltung und Weiterentwicklung der Module bietet.

All diese Aspekte zusammen – die gemeinsame Wertearbeit, die partizipative Studiengangentwicklung, die strukturierten Reflexionsprozesse und der regelmäßige Austausch – schaffen eine lebendige und qualitativ hochwertige Lehr- und Lernkultur.

Julian Weber: Und ich setze darauf, dass die Studierenden schon früh die Verbindung zwischen Theorie und Praxis erleben. Die Zusammenarbeit mit Praxispartner:innen ist dabei unerlässlich. Und da sind wir meiner Meinung nach inhaltlich und kompetenzentwickelnd schon ziemlich breit aufgestellt. Das heißt also, auch unsere Lehrämter hier erfahren ja was zum betrieblichen Kontext, wir gehen auf Exkursionen, wir unterhalten uns mit Unternehmen. Wir haben beispielsweise Kooperationen mit Unternehmen, bei denen die Studierenden reale betriebliche Probleme lösen müssen. So lernen sie, wissenschaftliche Theorien auf praktische Probleme anzuwenden. Das Betriebliche wird bei der Ausbildung unserer Lehrkräfte immer mitgedacht und auch reflektiert und sorgt bei denjenigen, die in die Schule gehen, schon mal dafür, ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass berufliche Bildung halt nicht nur berufliche Schule bedeutet, sondern da spielen auch immer Betriebe irgendwie mit. Sie erfahren außerdem, wie innovative und nachhaltige Bildungs- oder Wirtschaftssysteme aussehen könnten und wie diese durch sie gestaltbar sind. Sie nehmen dementsprechend schon viel mit, was eben beim allgemeinbildenden Lehramt, ohne das vorwurfsvoll zu meinen, ja nicht unbedingt der Fall ist. Das heißt also, sie sehen schon mal betriebliche Realität, etwas mit dem sie sich ja später in der Arbeit mit ihren Schülerinnen und Schülern zum Teil auskennen müssen und was sie mit in ihre Arbeit integrieren. Sie haben im Hinterkopf, da ist noch mehr und das können sie für ihre Tätigkeit als Lehrkraft nutzen.

Lena Schmidt: Wo du gerade auch schon den Begriff des Reflektierens aufgemacht hast. Ich fokussiere mich stark auf die individuelle Entwicklung der Studierenden. In meinen Veranstaltungen gibt es viele Reflexionsphasen, in denen die Studierenden sich selbst und ihre pädagogische Haltung hinterfragen können. Die Studierenden sollen lernen, wie sie ihre Stärken und Schwächen erkennen und daraus Schlüsse ziehen können. Dazu biete ich auch regelmäßige individuelle Reflexionsgespräche an. Coaching-Elemente spielen eine große Rolle. Und ich vermute ihr habt da eine ähnliche Einstellung. Wir als Kollegium bringen eben auch eine besondere Haltung und pädagogische Einstellung mit. Und genau diese versuchen wir ja auch irgendwie in unseren Lehrveranstaltungen umzusetzen, indem wir mit einer offenen Haltung, mit einer transparenten Haltung reingehen, Dinge zeigen, was machen wir und warum machen wir das. Ich z. B. mache die Lernziele für die Studierenden am Anfang der Veranstaltungen immer transparent und gebe den Studierenden die Möglichkeit, zu partizipieren und Teile der Lernziele mitzugestalten. Da reflektieren wir dann natürlich auch, was bedeuten diese Lernziele für den Einzelnen, was kann man erreichen, was will man vielleicht auch nicht erreichen und wie können sie mit Lernzielen in ihrer späteren Arbeitswelt umgehen. Und ich bin z. B. auch transparent in der Reflexion meines methodischen Vorgehens und bespreche mit den Studierenden, warum wir jetzt diese bestimmte Methode genutzt haben oder wie sich jenes Medium für diesen Lernprozess geeignet hat. Und alles immer vor dem Hintergrund der Entwicklung ihrer eigenen Lehrpersönlichkeit.

Und ich finde persönlich auch unsere außercurricularen oder extracurricularen Aktivitäten wie Exkursionen oder Quizabende ergänzen dieses Bild und bieten den Studierenden neue Perspektiven, Entwicklungsräume und irgendwie auch eine Gemeinschaft von ähnlich denkenden Pädagoginnen und Pädagogen.

Anna Köhler: Ja, stimmt. Eine dieser extracurricularen Veranstaltungen, die mir jetzt direkt einfällt, ist unser großer Grillabend, den wir jedes Jahr machen. Dort kommen auch Alumni immer wieder dazu und haben wirklich Lust darauf, da zu sein in dieser Gemeinschaft zu sein und auch mit den jetzigen Studierenden ins Gespräch zu kommen und so wiederum erhalten die Studierenden eine weitere Möglichkeit, sich zu vernetzen. Zu sagen, okay, wo kommst du jetzt her? Wie kann ich da vielleicht auch hinkommen? Kann ich da mein Praktikum oder mein Referendariat machen? Ist das eine Schule, die uns als Wipäds aus Rostock schätzt und willkommen heißt?

Und so werden plötzlich auch die neuen Studierenden Teil dieser Community und merken, dass dieses Studium keine Ein-Personen-Angelegenheit werden muss. Wir sind ein relativ kleiner Studiengang und versuchen so, die Alumni mit den Studierenden und auch die Semester untereinander zu vernetzen.

Und dieses Grillfest oder der Quizabend, die heißen ja dann immer Wipäd-Grillfest, Wipäd-Quizabend, Wipäd-Alumniabend und so weiter. Die sind schon zu Klassikern geworden, die wir immer versuchen irgendwie anzubieten, um dieses gute Gefühl der Community regelmäßig zu transportieren. Ich finde, es ist ein Gefühl des respektsvollen Miteinanders und es ist ein Gefühl überhaupt eines Miteinanders. Und nicht jeder muss z. B. seine Klausur alleine bewältigen, sondern man kann einander helfen. Was auch eine wichtige Erfahrung für die spätere Arbeit in der beruflichen Schule und im zukünftigen Kollegium ist.

Julian Weber: Diese Veranstaltungen, die du da ansprichst, unterstreichen auch nochmal meine Ansichten bzw. wird mir immer wieder klar, wie eng unsere Herangehensweisen wirklich miteinander verknüpft sind. Unser Studiengang zeichnet sich aus meiner Perspektive durch einen besonderen Fokus auf größere Zusammenhänge und übergeordnete Kompetenzen aus. Anstelle einer engen Orientierung an klassischem Methodik- oder Didaktikunterricht konzentrieren wir uns darauf, ein umfassendes Bild der Welt und ihrer Transformation zu entwickeln. Wir setzen neben der Fachdidaktik auch auf systemische und transformative Denkweisen und wie Studierende diese in Lernsituationen übertragen können, ohne dabei das Ziel der Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler aus dem Blickfeld zu verlieren. Unser großes Ziel ist es, Studierende zu befähigen, Handlungsoptionen zu entwickeln, statt sie rein auf Unterrichtstechniken zu trainieren. Diese Herangehensweise verbindet Schule, betriebliche und außerbetriebliche Bildungsräume sowie gesellschaftliche Herausforderungen und stellt sie in den Mittelpunkt.

Ein besonderer Mehrwert unseres Studiengangs, der aus meiner Sicht die Entwicklung einer Lehrkraft von morgen stark unterstützt, liegt in der Interaktivität und den vielfältigen Bildungsräumen. Kleine Gruppen, Gruppenarbeiten und interaktive Lehrformate schaffen Gelegenheiten, sich auszuprobieren und soziale Kompetenzen zu stärken. Dabei legen wir großen Wert auf Kollaboration und moderne Lernkonzepte, um Einzelkämpfertum zu vermeiden. Unsere Studierenden lernen, in Teams zu arbeiten, innovative Ansätze zu entwickeln und ihre Perspektiven aktiv einzubringen, denn das sind die Grundlagen, die die beruflichen Schulen in eine nachhaltige Zukunft bringen können.

Zusätzlich zur curricularen Lehre, und auch das hast du ja schon angesprochen, und ich möchte das hier nur nochmal ergänzen, öffnen wir Bildungsräume bewusst auch für extracurriculare und interdisziplinäre Projekte. Exkursionen, etwa zu Greenpeace, zu Werften, in Makerspaces oder ins digitale Innovationszentrum, geben den Studierenden Einblicke in verschiedene Praxisfelder und erweitern ihren Horizont. Praktika oder externe Expertinnen und Experten in Lehrveranstaltungen machen Theorie und Praxis greifbar und fördern den Netzwerkausbau. Projekte wie die Entwicklung von Apps für Schulen oder Dispositionssysteme entstehen häufig direkt in Modulen und führen nicht selten zu praktischen Umsetzungen in Kooperation mit Unternehmen oder Bildungseinrichtungen.

Abgerundet wird unser Ansatz, und auch das hattest du ja schon gesagt, aber ich wollte es hier nochmal erwähnen, durch Veranstaltungen wie das Meet & Greet, bei denen Studierende mit Schulen, Betrieben und anderen Bildungseinrichtungen in Kontakt treten können. Hier entstehen nicht nur berufliche Netzwerke, sondern weitere Schritte in Richtung Praxis. Die Kombination aus Theorie, Praxis, Kollaboration und Mitgestaltung schafft eine einzigartige Lernatmosphäre, die den Studierenden hilft, sowohl fachlich als auch persönlich zu wachsen.

Anna Köhler: Und diese Kooperationen mit außeruniversitären Personen und Institutionen helfen uns sehr bei der zukunftsorientierten Ausbildung der Studierenden. Es gibt da z. B. die Lehrer-Landpartie. Die aus Sicht der Studierenden auch wieder viel mit Community und Gefühl zu tun hat. So durch berufliche Schulen im ländlichen Raum zu gehen, Schulen schon kennenzulernen, irgendwie zusammen abends noch mit Lehrkräften zu sitzen und sich auszutauschen. Zu sehen und zu merken, dass wir hier in MV untereinander zusammenarbeiten, um die zukünftigen Lehrkräfte auszubilden. Das können wir ja fachtheoretisch immer mit der Praktikumsvorbereitung oder der Fachdidaktik verbinden, aber was die Studierenden daraus mitnehmen, ist eher eine inspirierende Zeit mit Menschen aus der Praxis. Und das zahlt sich auf unser gemeinsames Konto aus, dass sie hier bei uns in MV bleiben wollen, auch wenn sie vorher vielleicht unentschlossen waren. Aber sie brauchen diese Entwicklungszeit.

Eine weitere dieser positiven Kooperationen ist z. B. die Kooperationswerkstatt, die sich jetzt in den letzten Jahren ins Leben gerufen hat, wo Schulleitungen, die Verantwortlichen der ersten Phase, also die Professor:innen, die hier im Bundesland die Studiengänge der Berufs- und Wirtschaftspädagogik gestalten und auch Akteure der zweiten Phase, also die das Referendariat mitgestalten, zusammensitzen und sich über Lehrkräftebildungsthemen unterhalten, was benötigt wird, inhaltlich, kompetenzorientiert und natürlich auch zur Studierenden- oder Lehrkräftegewinnung.

Professor:innen gestalten das ja nicht alleine, sondern immer mit den Mitarbeitenden. Wir tragen vielleicht die Verantwortung am Ende. Es sitzen aber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den entsprechenden Veranstaltungen der Kooperationswerkstätten mit drin und haben das z. B. im Campus BWP Projekt letztendlich auch so aufgebaut, dass das jetzt langsam aber stetig Früchte trägt und das nicht wie früher eher negative Zwangsveranstaltungen waren oder sich gegenseitig Vorwurfs-Mach-Veranstaltungen, sondern es verläuft konstruktiv und daraus ist z. B. erwachsen, dass wir jetzt ein Leitbild, ein gemeinsames Leitbild zur Zukunft der beruflichen Bildung in MV über die Institutionen hinweg, entwickeln. Ich hätte noch so viel mehr im Kopf. Möglichkeiten weiterer Kooperationen gibt es viele. Wir haben nur manchmal nicht die Kapazitäten, diese so einzugehen.

Lena Schmidt: Ich würde gern auch nochmal ein paar Dinge ansprechen, die bisher etwas zu kurz kamen in euren Ausführungen. Ich finde ein zentrales Merkmal unseres Studiengangs ist doch die Freiheit, die den Studierenden zumindest von uns in der Wirtschaftspädagogik gegeben wird. Sie können ihren individuellen Weg zur Lehrkraft von morgen gestalten, sich Schwerpunkte setzen und sich zum Teil selbstständig für Lernräume entscheiden, die sie weiterbringen. Dabei fördern wir aus meinen Augen eine Selbstkompetenz, die viele überhaupt erst erlernen müssen, da sie es aus vorherigen Bildungskontexten nicht gewohnt sind. Diese Freiheit zu denken und sich zu entfalten, ist ein wichtiger Teil unserer Philosophie. Studierende lernen, Verantwortung für ihre z. B. pädagogischen und didaktischen Entscheidungen zu übernehmen und sich bewusst auf Inhalte und Erfahrungen einzulassen, die sie als relevant empfinden.

Und wir legen die Gestaltung unserer Module gezielt darauf aus, eine breite Palette an Methoden und Medien einzusetzen, um den Studierenden ein tiefgehendes Verständnis von Lernprozessen zu vermitteln. Es geht nicht nur darum, dass sie Inhalte konsumieren, sondern auch darüber reflektieren, wie sie selbst lernen und wie sie solche Methoden später in ihrer eigenen Praxis anwenden können. Denn das ist ja später ihr Lohn und Brot. Und die Vielfalt der Lernräume, die ihr ja auch schon angesprochen habt – von Exkursionen zu Organisationen wie Greenpeace bis hin zu digitalen oder selbstgesteuerten Lernformaten – ermöglicht den Studierenden, individuell zu lernen und gleichzeitig unterschiedliche Perspektiven zu erleben und für die Zukunft mitzunehmen.

Und was ich auch immer wieder merke, dass es gut ankommt, weil es einfach von den Studierenden angenommen wird, ist dieser offene Austausch zwischen ihnen und uns. Unsere Türen stehen offen, und wir fördern eine Kultur, in der Feedback willkommen ist und genutzt wird, um unsere Lehre und die Kompetenzen der Studierenden kontinuierlich weiterzuentwickeln. Diese Augenhöhe stärkt nicht nur das Vertrauen, sondern schafft auch eine Umgebung, in der sich Studierende frei äußern und weiterentwickeln können. Was sie ja vielleicht später auch mit in ihre zukünftigen Schulen nehmen.

3. Themenfeld: Herausforderungen bei der Umsetzung wirtschaftspädagogischer Studiengänge

Moderator: Das hört sich alles sehr praxisnah und durchdacht an. Ich vermute aber, dass da noch ein paar Haken an der Sache sind. Welche Herausforderungen begegnen euch denn in eurer Arbeit?

Anna Köhler: Wir stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sich sowohl auf struktureller als auch auf inhaltlicher Ebene manifestieren. Eine der zentralen Aufgaben ist die Verbindung von Theorie und Praxis in einem Spannungsfeld, das geprägt ist von den Ansprüchen wissenschaftlicher Hochschullehre und der Notwendigkeit, anwendungsorientierte und erlebnisreiche Lernräume zu schaffen. Gerade die Zusammenarbeit mit den Fachwissenschaften und Zweitfächern erweist sich als besonders schwierig. Hier müssen wir immer wieder ausloten, wie wir die Ansprüche forschungsbezogener und wissenschaftsorientierter Lehre mit den Anforderungen der Praxis vereinen können.

Ein Hindernis dabei sind die starren universitären und arbeitsrechtlichen Strukturen. Wissenschaftliche Mitarbeitende und Lehrende haben oft weder die Zeit noch die vertragliche Verpflichtung, über ihre Kernaufgaben hinaus beispielsweise Kooperationsprojekte mit beruflichen Schulen zu organisieren, Alumni-Abende zu planen oder soziale Lernräume zu gestalten. Solche Aktivitäten, die für die Lebendigkeit und Attraktivität des Studiums unerlässlich sind, basieren meist auf ehrenamtlichem Engagement. Doch diese Balance zwischen persönlichem Einsatz und beruflicher Anerkennung ist nicht leicht. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass solche Aktivitäten oft nicht quantifizierbar oder anrechenbar sind, entsteht ein Spannungsfeld, in dem wir immer wieder neu Prioritäten setzen müssen.

Ein weiteres Hindernis ist die mangelnde Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen aus den Fachwissenschaften, den Bildungswissenschaften und den Zweitfächern. Interdisziplinarität wird zwar viel diskutiert, bleibt in der Praxis jedoch oft schwer umzusetzen. Die universitären Strukturen fördern keine spontanen oder flexiblen Kooperationen, was den Austausch erschwert. Viele Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler sehen ihre primäre Aufgabe nicht in der Lehrkräftebildung und bleiben in ihrem eigenen Forschungsbereich verankert. Das führt dazu, dass die wirtschaftspädagogischen Anteile im Studium zwar an ihrer Belastungsgrenze sind, aber dennoch nicht immer optimal eingebunden werden können. Die Studierenden erkennen oft nicht, wie sehr diese Herausforderungen den Studienalltag prägen und warum es schwierig ist, das Studium kurzfristig zu verändern oder anzupassen.

Hinzu kommt die Problematik der Phasenübergänge in der Lehrkräftebildung. Obwohl wir als Hochschule die Verantwortung für die erste Phase tragen, bleibt eine kohärente Verzahnung mit der zweiten und dritten Phase – etwa im Referendariat oder der Weiterqualifizierung – schwierig. Oft verschenken wir Potenziale, weil die Phasen nicht ausreichend koordiniert sind. Dabei wären gerade hier größere Synergien möglich. Zum Beispiel könnten Inhalte wie Sprecherziehung, Unterrichtsgestaltung oder andere übergreifende Kompetenzen besser zwischen den Phasen abgestimmt werden, anstatt sie in jeder Phase isoliert neu zu thematisieren.

Trotz all dieser Herausforderungen gab es in den letzten Jahren wichtige Fortschritte. Die Etablierung von Kooperationswerkstätten und der intensivere Austausch zwischen den Phasen der Lehrkräftebildung sind erste Erfolge, auch wenn sie sich noch nicht vollständig in der Qualität niederschlagen. Wir haben aktiv am Lehrerbildungsgesetz mitgewirkt und uns in Visionsprozesse, beispielsweise mit Schulleiterinnen und Schulleitern, eingebracht. Solche Entwicklungen zeigen, dass hinter den Kulissen ein stetiger Verbesserungsprozess stattfindet. Nichtsdestotrotz können und müssen wir uns als Hochschule da aber trotzdem weiter hinterfragen und reflektieren.

Für die Studierenden bleibt vieles davon unsichtbar. Sie erwarten verständlicherweise ein Studium, das nicht nur ihre kognitiven Fähigkeiten stärkt, sondern auch ihr Können aktiviert und praxisrelevante Kompetenzen vermittelt. Genau diese Verbindung von intellektueller Herausforderung und praxisnahen Erfahrungen muss jedoch in einem Rahmen realisiert werden, der durch zahlreiche externe Vorgaben, wie etwa die KMK-Richtlinien, stark eingeschränkt ist.

Ich würde das für mich mal so zusammenfassen: Die Lehrkräftebildung ist ein dynamisches Feld, in dem viele Spannungsfelder gleichzeitig bearbeitet werden müssen. Wir bewegen uns in einem komplexen Arbeitsumfeld, in dem es nicht nur um die Vermittlung von Wissen geht, sondern auch um die Schaffung lebendiger, motivierender Lernumgebungen. Diese Aufgabe erfordert Kreativität, Engagement und die Fähigkeit, starre Strukturen mit innovativen Ansätzen zu durchbrechen und das immer mit dem Interesse der Studierenden im Hinterkopf, die ja zukunftsorientiert auf diesen komplexen Beruf der Lehrkraft in der beruflichen Bildung vorbereitet werden wollen und uns da ja auch in gewisser Weise ihr Vertrauen schenken, dass wir das leisten können.

Julian Weber: Ja, diese strukturellen Herausforderungen sehe ich auch, hinzu kommen für mich aber auch inhaltliche, insbesondere in der Balance zwischen Theorie und Praxis. Es ist eine Gratwanderung, die richtige Gewichtung zu finden, denn einerseits sind fundierte theoretische Grundlagen unerlässlich, andererseits ist der praktische Bezug entscheidend, um die Studierenden auf die Realität im Beruf vorzubereiten. Dies erfordert eine ständige Reflexion und Anpassung, die durch unsere begrenzten Ressourcen und Kapazitäten erschwert wird. Ein Tag hat nun mal nur 24 Stunden bzw. wir haben unsere 40 Arbeitsstunden, wenn überhaupt.

Die Entwicklung und Pflege innovativer Lernräume ist ja eines unserer wichtigsten Anliegen, um die angehenden Lehrkräfte auf den Unterricht der Zukunft vorzubereiten und Veranstaltungen wie Meet & Greets, extracurriculare Projekte oder praxisorientierte Module gehen über die klassischen Anforderungen hinaus und bieten den Studierenden wertvolle Erfahrungen. Diese Formate erfordern jedoch zusätzlichen Planungsaufwand, der oft nicht offiziell anerkannt wird. Dennoch entscheiden sich viele von uns bewusst dafür, diesen Weg zu gehen, da sie überzeugt sind, dass solche Räume einen nachhaltigen Mehrwert für die Studierenden und die beruflichen Schulen schaffen. Und dabei geht immer wieder wertvolle Zeit verloren, die ich ja z. B. auch in die Forschung stecken könnte. Denn wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass wir an der Universität auch einen Forschungsauftrag haben. Das ist für mich regelmäßig eine Ressourcenentscheidung, die mir schwer fällt.

In der Lehre steht zudem die Herausforderung, den Studierenden zu vermitteln, dass die Inhalte und Methoden langfristig von Bedeutung sind, auch wenn sie nicht sofort anwendbar erscheinen. Reflexion, Innovation und methodische Kompetenz – etwa, wie man Quellen prüft oder Unterricht plant – werden oft erst im späteren Berufsalltag wertgeschätzt. Da hilft es uns nicht, wenn in den Praxisphasen durch erfahrende Lehrkräfte ab und zu die Aussage kommt, in der Uni lernst du nichts für die Praxis. Das ist für unser gemeinsames Anliegen ja eher kontraproduktiv. Was aber hilft, ist der direkte Austausch mit erfahrenen Studierenden oder Alumni, um diese Relevanz von dem, was die Studierenden bei uns lernen, zu verdeutlichen und die Motivation zu stärken. Solche Vernetzungen tragen dazu bei, den Mehrwert des Studiums sichtbar zu machen.

Lena Schmidt: Auch ich sehe klare Herausforderungen bei meiner Arbeit, insbesondere wenn es darum geht, den unterschiedlichen Hintergründen und Bedürfnissen der Studierenden gerecht zu werden. Unsere Studierenden sind so vielfältig, dass es schwer ist, einen Weg zu finden, der für alle passt. Viele benötigen individuelle Lernwege, die sich jedoch oft nur schwer mit dem standardisierten Curriculum oder auch mit den eingeschränkten Raummöglichkeiten der Universität vereinbaren lassen. Besonders, wenn es um die persönliche Entwicklung geht, müssen wir als Lehrende flexibel sein und Lernräume schaffen, die diese Entwicklung ermöglichen.

Dafür geben wir den Studierenden, wo es möglich ist, große Freiheiten. Sie haben die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zum Teil frei zu gestalten, Schwerpunkte zu setzen und selbstständig Lernräume zu wählen, die sie weiterbringen. Diese Freiheit ist jedoch nicht selbstverständlich: Viele Studierende sind es aus vorherigen Bildungskontexten gewohnt, fremdgesteuert zu arbeiten und müssen erst lernen, Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen. Diese Selbstkompetenz zu fördern, gehört zu den zentralen Aufgaben unseres Ansatzes, auch wenn es nicht immer einfach ist.

Eine Herausforderung, die da stark mit verknüpft ist, liegt in der individuellen Förderung der Studierenden. Viele kommen mit unterschiedlichen Erwartungen und Zielen zu uns. Während einige sich stark auf fachliche Inhalte konzentrieren, suchen andere nach Unterstützung bei ihrer persönlichen und beruflichen Orientierung. Diese Heterogenität erfordert flexible und innovative Ansätze, die jedoch nicht immer leicht umzusetzen sind, insbesondere angesichts begrenzter Ressourcen.

Die größte Herausforderung besteht also irgendwie darin, ein Gleichgewicht zu finden: zwischen Individualität und Standardisierung, zwischen Praxisorientierung und theoretischen Grundlagen, zwischen den Bedürfnissen der Studierenden und den begrenzten Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Dennoch bin ich überzeugt, dass unser Ansatz, den Studierenden Freiheit zu geben und sie gleichzeitig zu unterstützen, der richtige Weg ist, um sie auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten.

4. Themenfeld: Entwicklungsaufgaben wirtschaftspädagogischer Studiengänge

Moderator: Ich höre heraus, dass ihr versucht, euer Studium von innen heraus zu flexibilisieren, um die Studierenden auf die sich ändernden Anforderungen vorzubereiten. Aber, dass ihr doch auch irgendwie versucht, einen gewissen Grad an Qualität und an Werten zu halten. Das klingt nach einem ständigen Balanceakt zwischen Flexibilität und Struktur. Dieser Balanceakt scheint eine wirkliche Herausforderung zu sein, besonders in den zum Teil starren Institutionen Universität und berufliche Schule. Aber wie sieht das mit Blick auf die Zukunft aus? Wo seht ihr die wichtigsten Entwicklungen?

Anna Köhler: Die Fortschritte in der Digitalisierung mit z. B. der Entwicklung von KI und neuer Arbeitsverfahren werden ganz zentrale Themen. Unsere Studierenden müssen lernen, in digitalen Lernumgebungen zu arbeiten, aber auch die Folgen der digitalen Entwicklung auf die Lernenden reflektiert zu betrachten. Es geht nicht nur darum, digitale Tools zu nutzen, sondern sie sinnvoll und kritisch in den Unterricht einzubauen. Das erfordert ein Umdenken in der Didaktik, und wir müssen sicherstellen, dass die Studierenden darauf vorbereitet sind. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr, dass die menschliche Interaktion in digitalen Settings verloren gehen könnte. Dem müssen wir zuvorkommen, indem wir Lehrkräfte darauf vorbereiten, auch in digitalen Lernumgebungen eine Lehr-Lern-Beziehung zu den Lernenden aufbauen zu können. Sie müssen dafür natürlich wissen, wie z. B. Bindung zu Lernenden funktioniert. Und wo ich weiteren großen Bedarf sehe und wo wir durchaus noch mehr Einfluss nehmen können, ist auf die Zerstückelung des Curriculums innerhalb des Studiengangs, also mit den anderen Fachwissenschaften zusammen oder mit den Zweitfächern.

Da müssen wir schauen, wie wir da institutionell mitwirken können, also z. B. wie werden Leitbilder für Lehrkräftebildung an der Universität entwickelt und ist die berufliche Bildung da mitberücksichtigt, wie werden sie umgesetzt, welche Sprache sprechen die anderen Fächer, also nicht nur die Zweitfächer für Lehrerbildung, sondern auch die Wirtschaftswissenschaften an unserer Fakultät. Da müssen auch wir mehr mit den Kollegen ins Gespräch kommen und auch hier eine Art von Lernortkooperation aufbauen. Weil natürlich auch hier wieder gilt, wie wir es für die Studierenden vorleben, nehmen sie es später mit in ihre Arbeitswelt.

Julian Weber: Genau. Das ist ein guter Punkt, den ich direkt aufgreifen möchte. Die Zusammenarbeit zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik ist wirklich ein wichtiger Entwicklungsbereich. Der konstruktiv-kritische Austausch könnte nicht nur die Qualität der Lehrkräftebildung verbessern, sondern auch neue Perspektiven und Synergien schaffen. Dabei geht es mir weniger um punktuelle Vorträge oder Diskussionen, sondern um eine curriculare Verankerung solcher Kooperationen, um nachhaltige Lernortkooperationen an der Universität zu etablieren. Und diese Lernortkooperation denke ich persönlich noch viel weiter. Ich finde, eines unserer größten Potenziale liegt weiterhin in einer stärkeren Verzahnung mit den beruflichen Schulen. Der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit mit beruflichen Schulen, etwa durch Seminare, in denen Studierende Unterricht von Lehrkräften beobachten und im Anschluss mit diesen gemeinsam reflektieren, ist zumindest von unserer Seite groß. Diese geschützten Räume könnten Lehrkräfte und Studierende gleichermaßen voranbringen, um praxisnahe Ansätze zu diskutieren und weiterzuentwickeln und Reflexion über Zielgruppen, Planungsschritte und der Transfer in die Praxis können so vertieft werden. Gleichzeitig bietet dies die Möglichkeit, auf häufig geäußerte Kritik zu reagieren, dass Universitäten zu wenig praxisrelevante Inhalte vermitteln, ich habe vorhin schon mal erwähnt, dass solche Bemerkungen eher kontraproduktiv für unser aller Arbeit sind.

Ich finde zusätzlich auch, dass die Heterogenität der Studierendenschaft, die wir ja immer stärker wahrnehmen, Herausforderungen, aber vor allem auch Chancen für die Zukunft bietet. Studiengänge, die klassische Bachelor- und Masterstudierende mit berufsbegleitenden Weiterbildungsstudierenden – etwa Quereinsteiger:innen – zusammenbringen, könnten gegenseitiges Lernen und authentische Einblicke fördern. Die Mischung aus praktischer Erfahrung und theoretischem Hintergrundwissen verschiedener Zielgruppen schafft neue Möglichkeiten für den Wissensaustausch und die gemeinsame Weiterentwicklung von Kompetenzen.

Wir müssen einfach uns und auch die anderen Phasen der Lehrkräftebildung kontinuierlich weiterentwickeln, um den Anforderungen einer modernen und vielfältigen Bildungslandschaft gerecht zu werden.

Lena Schmidt: Es gibt für mich mehrere Bereiche in der Gestaltung und Weiterentwicklung unseres Studiengangs, die großes Potenzial für Verbesserungen und Anpassungen bieten. Ein zentraler Aspekt ist die persönliche Entwicklung der Studierenden. Gerade in einer digitalisierten Welt wird es immer wichtiger, dass sie lernen, ihre eigene Entwicklung zu steuern, sich selbstständig weiterzubilden und neue Herausforderungen eigenverantwortlich anzugehen. Die Förderung dieser Fähigkeiten muss ein zentralerer Bestandteil des Studiengangs werden, indem wir gezielt Angebote schaffen, die die Eigenverantwortung und Selbststeuerung der Studierenden stärken. Dies versuchen wir ja schon durch die Einführung eines studiengangbegleitenden digitalen Portfolios, zum Beispiel.

Einen weiteren Entwicklungsbereich sehe ich ganz klar in der Individualisierung des Studiengangs. Die Heterogenität der Studierenden nimmt stetig zu: Viele bringen umfangreiche berufliche Erfahrungen, Ausbildungen und Fortbildungen mit. Für solche Studierende könnte es sinnvoll sein, flexiblere Anrechnungs- und Anerkennungsmöglichkeiten zu schaffen. Es wäre denkbar, bereits vorhandene Kompetenzen stärker einzubeziehen, um diesen Personen einen effizienteren und passgenaueren Studienverlauf zu ermöglichen.

Auch die Studienstruktur selbst bietet so viel Raum für innovative Ansätze. Alternativen zu den klassischen Zweitfächern wie z. B. eine zweite berufliche Fachrichtung, Schulmanagement, Sonderpädagogik oder Nachhaltigkeit könnten eine Bereicherung darstellen, sofern organisatorische und rechtliche Fragen im Vorfeld geklärt werden. Diese Veränderungen könnten nicht nur die Attraktivität des Studiengangs erhöhen, sondern auch auf die wachsenden Anforderungen an Lehrkräfte in einer vielfältigen Bildungslandschaft eingehen.

Ihr merkt schon meine klare Überzeugung, dass Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zentrale Entwicklungsziele des Studiengangs sein sollten. Die Bedürfnisse und Anforderungen der Studierenden sind heute so unterschiedlich, dass standardisierte Ansätze oft an ihre Grenzen stoßen. Ein flexiblerer, individualisierter Studiengang könnte nicht nur die Qualität der Ausbildung verbessern, sondern auch den Studierenden mehr Möglichkeiten bieten, ihre persönlichen und beruflichen Ziele zu erreichen und dabei zusätzlich noch das Ziel erreichen, die Lehrkräfte von morgen auf das übermorgen vorzubereiten.

Moderator: Also, um das kurz zusammenzufassen: Durch diese verschiedenen Maßnahmen die ihr bereits durchführt, aber auch durch viele neue Ideen, die ihr auf den Weg bringen möchtet, versucht ihr das Studium in sich flexibler zu gestalten, um den Studierenden Raum zu geben, sich individuell auf ihre Zukunft im Lehrberuf vorzubereiten. Das alles gestaltet sich aber eher zäh, da ja die Universität ja doch eher eine gefestigte Struktur bei vielen Abläufen hat. Eure Ansätze brauchen da wahrscheinlich Zeit, um ihre Wirkung in der nahen Zukunft wirklich zu entfalten. Was würdet ihr sagen, was sind denn die nächsten Schritte für uns in diese Zukunft?

Anne Köhler: Ich denke, wir haben eine gute Basis geschaffen, aber wir müssen weiterhin die sich verändernde Arbeitswelt der Lehrkräfte im Blick haben. Das bedeutet z. B. die neuen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung noch stärker in unsere Lehre zu integrieren. Da wünsche ich mir natürlich immer gute und manchmal auch neue und andere Impulse aus dem Kollegium. Dass man klar vermeidet, immer das Gleiche zu machen, denn auch das schauen sich Studierende dann vielleicht ab. Also diese Innovationsfreude, die wir ja grundsätzlich im Team haben, uns auch zu bewahren. Mal durch Weiterentwicklung in uns als Person, mal durch einen Impuls von außen. Das ist unabdingbar, wenn wir uns anschauen, was wir am Anfang des Gesprächs mit unserem Lehrkräftebild der Zukunft besprochen haben, dann wird ja deutlich, dass das, was wir jetzt diskutieren, in 20 Jahren wahrscheinlich genauso altbacken wie alles andere ist, was wir heute erleben. Und ich glaube, diese Innovationsfreudigkeit, die wir im Team haben, dass wir die uns gestatten, dass wir uns selbst dafür die Räume geben, ist wichtig. Und die Studierenden schauen sich ja auch verschiedene Handlungsmöglichkeiten von uns ab, also nur was wir uns als Team an Freiheiten im Rahmen von Strukturen erlauben, können wir auch mit einem guten Gewissen an die Studierenden transportieren. Und das zu bewahren, das zu halten, das weiterzuentwickeln, ist, glaube ich, auch ein wichtiger Entwicklungspunkt. Dabei dürfen wir gleichzeitig nicht die menschliche Seite vergessen – der persönliche Kontakt zwischen Lehrkraft und Lernenden ist weiterhin essenziell, denn gerade der erschafft diese Art von Community und Verbindung, die die Studierenden praxisnäher und nachhaltiger ausbildet und auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet.

Julian Weber: Ich stimme zu. Eine der größten Herausforderungen liegt doch in Zukunft für uns darin, die Methodenvielfalt und praxisnahen Ansätze auch in digitalen Kontexten zu bewahren und weiterzuentwickeln. Digitalisierung bietet die Chance, Lernprozesse individueller zu gestalten, neue didaktische Konzepte zu etablieren, Lernräume aus den vier Wänden, den steifen Strukturen des allseits bekannten Klassenzimmers hinaus zu denken. Allerdings erfordert dies einen hohen Aufwand und stellt uns Lehrende und Studierende vor neue Hürden, insbesondere in der praktischen Umsetzung. Und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass das kein einfacher Weg wird, aber einer, der es aus meiner Sicht Wert ist, zu gehen.

Lena Schmidt: Und wenn wir uns weiter auf diesen Weg begeben, ist für uns weiterhin unabdingbar, dass die persönliche Entwicklung unserer Studierenden niemals aus dem Blick geraten darf. Sie sind die Lehrkräfte von morgen, und unsere Aufgabe ist es, sie nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bestmöglich vorzubereiten. Es geht nicht allein um Wissen oder Methodik – so wichtig diese auch sind. Vielmehr geht es um Haltung, Empathie und die Fähigkeit, Gesellschaft und Bildung aktiv und verantwortungsvoll mitzugestalten.

Unser Ziel ist es nicht, eine „einheitliche Lehrkraft“ zu schaffen, sondern viele verschiedene Lehrkräfte, die ihre individuellen Stärken und Perspektiven einbringen und die flexibel reagieren können. Jede Lehrkraft ist einzigartig, und genau diese Vielfalt ist es, die uns ermöglicht, auf die unterschiedlichsten Herausforderungen in Bildung und Gesellschaft einzugehen. Diese Diversität ist kein Widerspruch, sondern ein wertvoller Beitrag zu einer inklusiven und dynamischen Bildungslandschaft und Polyvalenz ist in diesem Fall dann kein Fehler, sondern ein Feature. Das sind dann die Lehrkräfte, die den anstehenden Aufgaben gewachsen sein werden.

Dabei spielen nicht nur die curricularen und ja irgendwie festgeschriebenen Inhalte eine Rolle. Es sind oft die kleinen Dinge – gemeinsame Erlebnisse, die Art und Weise, wie Studierende miteinander umgehen, wie sie lernen, sich zu organisieren und zu unterstützen – die den Unterschied machen. Diese Erfahrungen prägen nicht nur ihren Weg durch das Studium, sondern auch die Haltung, mit der sie später ihre eigenen Lernenden begleiten werden.

Unser Ansatz versucht aufzuzeigen, dass Bildung mehr ist als das Vermitteln von Wissen. Sie ist ein Prozess des gemeinsamen Wachsens, des Miteinanders und der Gestaltung von Lern- und Lebensräumen. Und genau das möchten wir unseren Studierenden mit auf den Weg geben: die Fähigkeit, ihre Einzigartigkeit einzusetzen, um Bildung zu gestalten, um ihre zukünftigen Aufgaben zu meistern und die berufliche Bildung ein Stück weit besser zu machen.

Anna Köhler: Also ich finde, das ist ein passendes Schlusswort, das unser Gespräch heute schön zusammenfasst.

Moderator: Dem stimme ich zu. Danke für eure Zeit und eure Gesprächsbereitschaft.

Für Sie, die Leser:innen, die diesen Beitrag bis hierher gelesen haben, möchte ich noch einmal zusammenfassen: Nicht weil ich denke, dass Sie die Kolleg:innen nicht verstanden haben, sondern weil ich finde, dass dies das Gespräch gut abrunden wird. Lehrkräfte in der beruflichen Bildung stehen vor wirklich großen Herausforderungen in der Zukunft. Für die vielen neuen oder sich ändernden Tätigkeiten und Arbeitsbereiche sollten sie umfassend vorbereitet werden. Das heißt, auch die Lehrkräftebildung muss sich wandeln. Die Flexibilisierung der Lehrkräftebildung kann dabei viele Facetten haben. Wenn einige dabei nur an Quer- oder Seiteneinsteiger:innen denken, ist das möglicherweise etwas zu kurz gedacht. Flexibilisierung kann auch innerhalb eines Studiengangs stattfinden, wie das vorangegangene Gespräch aufgezeigt hat. Angehenden Lehrkräften kann im Rahmen ihres Studiums die Möglichkeit gegeben werden, eigene Schwerpunkte zu setzen und individuelle Lernwege einzuschlagen. Dafür bedarf es aber vieler verschiedener Angebote, sei es im Rahmen des Curriculums durch neue Module, durch den Einfluss neuer Lehr- und Lernmittel auf die didaktisch-methodische Gestaltung von Lernräumen oder auch durch Veranstaltungen, die über das Curriculum hinausgehen und Sozialkompetenzen, Vernetzungsmöglichkeiten und Werte fördern. Bestehende Strukturen können Hürden auf diesem Weg sein. Um den veränderten Bedürfnissen der Gesellschaft, aber auch der Studierenden gerecht zu werden, lohnt es sich aber, diese Hürden zu bewältigen!

3 Zukunftsfähige wirtschaftspädagogische Studiengänge zwischen Vision und Umsetzung

Das Gespräch über die partizipative, dialogische Entwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge an der Universität Rostock skizziert aktuelle und zukünftige Herausforderungen der beruflichen Lehrkräftebildung in Mecklenburg-Vorpommern. Es zeigt auf, welche Visionen die Lehrenden aus der Universität für die berufliche Bildung haben, welche Gestaltungsaspekte für die wirtschaftspädagogischen Studiengänge der Hansestadt wichtig sind, welche Herausforderungen sich bei deren Umsetzung ergeben und welche Entwicklungsaufgaben für die Zukunft zu bewältigen sind. Die vier Themenfelder werden im Folgenden anhand prägnanter Zitate zusammengefasst, ehe der Beitrag mit einem Fazit endet.

Die Vision einer zukünftigen Lehrkraft in der wirtschaftsberuflichen Bildung (Themenfeld 1) ist für Anna Köhler bspw. „[…] vor allem polyvalent und flexibel sowohl methodisch als auch, ich sag jetzt mal empathisch.“. Lea Schmidt ergänzt: „Die Lehrkräfte von morgen müssen nicht nur fachlich versiert sein, sondern auch in der Lage sein, ihre eigene pädagogische Haltung und ihr Handeln kritisch zu hinterfragen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.“ Nach Julian Weber müssen sie in der Lage sein, „[…] Lernende zu befähigen, selbstständig, neugierig und eigenverantwortlich zu lernen.“. Die Gesprächspartner:innen zeichnen das Bild einer polyvalent ausgerichteten, flexiblen und teamorientierten Persönlichkeit. Sie soll nicht nur fachlich versiert sein, sondern auch über ausgeprägte Reflexionsfähigkeit, soziale und selbstbezogene Kompetenz verfügen. Die Lehrenden sehen die Lehrkraft nicht mehr primär als Wissensvermittelnde, sondern als Lernbegleitende, die in der Lage ist, Bildungsprozesse kritisch zu hinterfragen und aktiv zu gestalten. Zudem wird die Rolle von Lehrkräften als gesellschaftlich engagierte Persönlichkeiten betont, die Werte und Haltungen in die Bildung integrieren.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzt die Gestaltung wirtschaftspädagogischer Studiengänge (Themenfeld 2) auf begleitete Praxisnähe, Reflexionsfähigkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Studierende sollen vielfältige Erfahrungen in der Praxis sammeln, etwa durch Kooperationen mit Unternehmen, Schulen oder außerschulischen Bildungseinrichtungen. Zudem wird großer Wert auf soziale Kompetenzen und Teamarbeit gelegt, da diese später im Team – egal ob im Lehrkräftekollegium oder in Unternehmen –essenziell sind. Die Curriculumentwicklung gestaltet sich zunehmend partizipativ und dynamisch, um die Inhalte an neue Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen. Dabei spielen auch extracurriculare Angebote wie Exkursionen, Alumni-Veranstaltungen oder interdisziplinäre Projekte eine wichtige Rolle. Sie fördern nicht nur fachliche und methodische Kompetenzen, sondern auch die Vernetzung unter den adressierten Personen. Ziel ist es, eine starke wirtschaftspädagogische Community zu schaffen, die über das Studium hinaus Bestand hat. Anna Köhler legt großen Wert auf „[…] Teamarbeit und Gruppenprozesse. Kommunikation ist das A. und O.“ Während Julian Weber die Zusammenarbeit mit Praxispartner:innen betont, um die „[…] Verbindung zwischen Theorie und Praxis“ für die Studierenden erlebbar zu machen, fokussiert Lena Schmidt sich „[…] stark auf die individuelle Entwicklung der Studierenden.“

Vor dem Hintergrund dieser ambitionierten Zielsetzungen gilt es, zahlreiche Herausforderungen bei der Umsetzung wirtschaftspädagogischer Studiengänge (Themenfeld 3) zu adressieren. Eine zentrale Schwierigkeit besteht bspw. in der Balance zwischen Theorie und Praxis. Dieses Spannungsfeld wird geprägt „von den Ansprüchen wissenschaftlicher Hochschullehre und der Notwendigkeit, anwendungsorientierte und erlebnisreiche Lernräume zu schaffen“ (Anna Köhler). Hier sind innovative didaktische Konzepte gefragt, die Theorie und Praxis lernwirksam verzahnen. Weitere Herausforderungen ergeben sich aus den teils starren universitären Strukturen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist oft schwierig umzusetzen, da die an der Lehrkräftebildung beteiligten Disziplinen unterschiedliche Prioritäten setzen. Zudem erschweren arbeitsrechtliche und (studien-)organisatorische Vorgaben die Flexibilisierung des Studiums. Lehrende stehen vor der Herausforderung, neben ihren Kernaufgaben zusätzliche Formate wie Praxisprojekte oder Netzwerktreffen anzubieten, die jedoch nicht ausreichend honoriert werden: „Die Entwicklung und Pflege innovativer Lernräume erfordert zusätzlichen Planungsaufwand, der oft nicht offiziell anerkannt wird.“ (Julian Weber). Ein weiteres Problem ist die unzureichende Vernetzung der Phasen der Lehrkräftebildung. Die Übergänge zwischen Studium, Referendariat (bzw. Vorbereitungsdienst) und Beruf sind häufig nicht gut aufeinander abgestimmt, sodass Synergien verloren gehen: „Die stärkere Verzahnung mit den beruflichen Schulen könnte Lehrkräfte und Studierende gleichermaßen voranbringen, um praxisnahe Ansätze zu diskutieren und weiterzuentwickeln.“ (Julian Weber). Hier besteht großer Entwicklungsbedarf, um eine kohärente und nachhaltige Qualifizierung zu gewährleisten.

Die Entwicklungsaufgaben wirtschaftspädagogischer Studiengänge (Themenfeld 4) erfordert vor allem eine stärkere Individualisierung und Flexibilisierung. Angesichts der zunehmenden Heterogenität der Studierenden – mit unterschiedlichen Vorerfahrungen und Berufszielen – braucht es flexiblere Anrechnungsmöglichkeiten und individuellere Lernwege. Julian Weber hat bspw. folgende Vision: „Studiengänge, die klassische Bachelor- und Masterstudierende mit berufsbegleitenden Weiterbildungsstudierenden – etwa Quereinsteiger:innen – zusammenbringen, könnten gegenseitiges Lernen und authentische Einblicke fördern.“. Die Digitalisierung wird als ein weiteres Entwicklungsfeld betrachtet. Anna Köhler vertritt den Standpunkt, dass die Studierenden lernen müssen, „[…] in digitalen Lernumgebungen zu arbeiten, aber auch die Folgen der digitalen Entwicklung auf die Lernenden reflektiert zu betrachten“ (Anna Köhler).

Das Gespräch macht deutlich, dass wirtschaftspädagogische Studiengänge vor einem Spannungsfeld aus Flexibilisierung und Strukturierung stehen. Die Lehrkräfte der Zukunft müssen, insbesondere vor dem Hintergrund der oben skizzierten Rahmenbedingungen und Transformationen, sowohl fachlich als auch persönlich auf eine komplexe und sich wandelnde Bildungslandschaft vorbereitet werden. Um dies zu erreichen, müssen wirtschaftspädagogische Studiengänge weiterentwickelt werden – durch praxisnahe Lernangebote, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Digitalisierung und eine stärkere individuelle Förderung der Studierenden.

Julian Weber formuliert für die Kompetenzentwicklung der Studierenden der Wirtschaftspädagogik folgendes Ziel: „Die Kombination aus Theorie, Praxis, Kollaboration und Mitgestaltung schafft eine einzigartige Lernatmosphäre, die den Studierenden hilft, sowohl fachlich als auch persönlich zu wachsen.“. Die Lehrenden sind sich einig, dass wirtschaftspädagogische Studiengänge einen ganzheitlichen Bildungsansatz verfolgen müssen, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Reflexionsfähigkeit, Teamorientierung und gesellschaftliche Verantwortung fördert.

Die skizzierte, diskursive Entwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge an der Universität Rostock ist dadurch gekennzeichnet, dass für zentrale Aspekte immer wieder ein gemeinsamer Konsens gesucht wird. Andererseits verdeutlichen die Zitate in diesem Kapitel, dass die Akteur:innen dabei auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Damit ist das Ziel des Beitrags – zu zeigen, dass die diskursive Entwicklung von Studiengängen „als sozialer und dynamischer Aushandlungsprozess zu verstehen [ist, E. d. A.]“ (Gerholz & Sloane, 2016, S. 169) – erreicht.

Wir hoffen, dass auch unser zweites Ziel – die Anregung zur Reflexion der Entwicklung der Ihnen bekannten oder von Ihnen mitverantworteten Studiengänge – durch die Auseinandersetzung mit unserem Verständnis einer partizipativen, diskursiven Studiengangentwicklung, den vielfältigen, inhaltlichen Einblicken in unsere tertiären Bildungsgänge sowie deren spezifischen institutionellen und regionalen Rahmenbedingungen, erreicht werden konnte.

Schließlich konnten wir in diesem Aufsatz die Perspektiven weiterer Akteur:innen der Studiengangentwicklung, bspw. Student:innen, Absolvent:innen, Unternehmer:innen, Seminarlehrer:innen, Weiterbildner:innen und Kolleg:innen ebenso nicht berücksichtigen wie die Perspektiven von Akteuren aus den Fachwissenschaften bzw. der beruflichen Fachrichtungen. Sprechen Sie uns gerne an, um die diskursive Entwicklung von Studiengängen voranzubringen und damit die Qualität tertiärer Lehrkräftebildung für die berufsbildenden Schulen nachhaltig zu steigern. Aus unserer Sicht benötigen wir vor dem Hintergrund der oben benannten Herausforderungen auch mehr standortübergreifenden Austausch und Diskurs für die Weiterentwicklung wirtschaftspädagogischer Studiengänge.

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[1]    Die Autoren danken Robert Hantsch, Kathleen Neumann, Vivien Peyer, Carola Riehl und Claudia Thürke für die Mitwirkung an den Interviews.

Zitieren des Beitrags

Diettrich, A., Leistikow, C. & Söll, M. (2025). Das Studium ist mehr als der Modulkatalog. Ein Gespräch über curriculumübergreifende Lernräume in Studiengängen der Wirtschaftspädagogik. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 47, 1–24. https://www.bwpat.de/ausgabe47/diettrich_etal_bwpat47.pdf

Veröffentlicht am 20. Mai 2025