bwp@ 48 - Juni 2025

Berufliche/betriebliche Weiterbildung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Ina Krause & Lars Windelband

Editorial bwp@48

Beitrag von Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Ina Krause & Lars Windelband

EDITORIAL zur Ausgabe 48:
Berufliche/betriebliche Weiterbildung

Berufliche/betriebliche Weiterbildung ist aufgrund der mit ihr verbundenen wirtschafts-, beschäftigungsfördernden und sozialintegrativen Zielsetzungen positiv konnotiert. Neben der allgemeinen, kulturellen und politischen Weiterbildung bilden die berufliche und insbesondere die betriebliche Weiterbildung hinsichtlich der Teilnehmendenzahl den größten Bereich im Weiterbildungssektor. Nach aktuellen Daten des Statischen Bundesamtes (2025) nehmen 6,2 Millionen erwerbstätige Menschen an beruflicher bzw. betrieblicher Weiterbildung teil, und 77,2 Prozent aller deutschen Unternehmen sind weiterbildungsaktiv. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Bedeutung beruflicher Weiterbildung eher zunehmen wird. Obwohl die Relevanz von beruflicher und insbesondere betrieblicher Weiterbildung immer wieder betont wird, kann von einer Persistenz ihrer Kritikpunkte und Defizite ausgegangen werden, mit denen sich die Weiterbildungspolitik und -forschung mehr oder weniger kontinuierlich befasst, und die für uns Anlass für diese Ausgabe von bwp@ waren.

So wird u. a. auch im Gegensatz zu den Strukturen in der beruflichen Ausbildung berufliche/betriebliche Weiterbildung weitgehend unsystematisch, intransparent und in qualitativer und professioneller Hinsicht als sehr heterogen wahrgenommen. Auch gehört die ungleiche Verteilung von Teilnahmechancen in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung zu den klassischen Strukturmerkmalen.

Uns ging es mit dieser Ausgabe von bwp@ vor allem darum, angesichts von politischen Weiterbildungsstrategien und Förderinitiativen, wie die „Nationale Weiterbildungsstrategie“, die „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ oder das Programm „InnoVET Plus“, nach aktuellen Herausforderungen, neuen Diskursen und Gestaltungsansätzen zu fragen. Aufgefordert haben wir zu theoretischen Analysen, empirischen Befunden und praktisch-exemplarischen Einblicken in unterschiedliche Dimensionen und Aspekte gegenwärtiger und künftiger beruflicher/betrieblicher Weiterbildung. Die verschiedenen Beiträge, die in dieser Ausgabe versammelt sind, spiegeln in etwa wider, welche Themen beruflicher/betrieblicher Weiterbildung aktuell bearbeitet werden. Sie geben Einblicke in theoretische Diskurse und Konzepte sowie empirische Vorgehensweisen und Ergebnisse der Weiterbildungsforschung. Sie spiegeln die individuelle Bedeutung von Weiterbildung für durchlässige Bildungs- und Karrierewege, individuell sinnvolle Ansätze der Kompetenzentwicklung, neue Gestaltungskonzepte und Kontexte von Weiterbildung in Transformationen sowie Professionalisierungsstrategien in der und durch Weiterbildung wider. All diese Themen und Perspektiven bieten eine gute Grundlage für die Auseinandersetzung mit uns interessierenden und weiter zu diskutierenden Fragen nach Trends, Widersprüchen sowie Forschungs- und Handlungsnotwendigkeiten in der beruflichen/betrieblichen Weiterbildung und Weiterbildungsforschung.

Die Beiträge sind den folgenden vier ungleich gewichteten Rubriken zugeordnet.

Teil I:  Theoretische Zugänge und Diskurse

Diese Rubrik umfasst drei Beiträge, die sich explizit der Frage nach theoretischen Zugängen und Diskursen widmen. Sie liefern jeweils theoretische Perspektiven, Systematiken bzw. begriffliche Instrumentarien, um das Phänomen berufliche/betriebliche Weiterbildung diskutierbar(er) zu machen und damit eine Verständigungsbasis für Forschung und Gestaltung zu schaffen. Die Komplexität betrieblicher Weiterbildung auf struktureller, institutioneller und akteursbezogener Ebene zeigt sich an der Vielzahl theoretischer Zugänge und erkenntnisleitender Interessen.  Aus einer Metaperspektive nehmen sich Martin Schwarz (Karlsruher Institut für Technologie) und Günter Becker (TU Kaiserslautern-Landau) der Bestimmung theoretischer Zugänge zum Forschungsfeld betrieblicher Weiterbildung mit dem Ziel einer „reflexiven Gegenstandsverständigung“ an.

Mit einem ähnlichen Anliegen hinterfragen Martina Ackerschott und Uwe Elsholz (FernUniversität in Hagen) die Strukturationstheorie darauf hin, ob und inwieweit diese bei der analytischen Durchdringung von Weiterbildungspolitik hilfreich sein kann. Es wird u. a. gezeigt, dass die Strukturationstheorie einen Analyserahmen liefert, mit dem sich beispielsweise die Nationale Weiterbildungsstrategie analysieren lässt. Den Vorteil der Strukturationstheorie sehen sie darin, dass es sich hierbei um eine Metatheorie handelt, an die andere potenzielle Weiterbildungstheorien anschließen können.

Der Beitrag von Hoang Long Nguyen und Kathrin Krüger (SRH-Fernhochschule) geht der Frage der Berichtserstattung der Unternehmen zur betrieblichen Weiterbildung nach. Dabei werden einerseits Vorgaben zur Berichtserstattung von Unternehmen im Kontext von Nachhaltigkeit betrachtet und wie Unternehmen diese Standards anwenden. Auf dieser Basis wird die Frage diskutiert, wie die Regulatorik zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Auswirkungen auf Forschung und Praxis der betrieblichen Weiterbildung haben kann.

Teil II:  Berufliche Bildungswege und Weiterbildung

Berufliche/betriebliche Weiterbildung ist inzwischen nicht mehr nur Fortsetzung oder Wiederaufnahme vorangegangener abgeschlossener Bildungsprozesse, sondern hat zunehmend Bildungswege begleitenden Charakter und will die Durchlässigkeit zwischen beruflichen und akademischen Bildungswegen fördern.

Unter Rekurs auf die berufliche Sozialisationstheorie und mittels einer empirischen Untersuchung fragt Manuela Stärk (Universität Gießen) nach der (vor-)beruflichen Sozialisation von beruflichen gebildeten Studierenden, wie sie ihren Studienverlauf gestalten und das Studium bewältigen. Eine zentrale Frage ist die nach der Rolle der hochschulischen Weiterbildung im Studienverlauf, beim Umgang mit Herausforderungen und für den Studienerfolg – insbesondere für Studierende mit beruflichen Erfahrungen.

Kathrin Petzold-Rudolph, Marion Pohl, Christian Steib und Dina Kuhlee (Universität Magdeburg & KIT) beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit Entscheidungskriterien von Auszubildenden mit und ohne Studienberechtigung hinsichtlich ihrer Ausbildungs- und Karrierewege. Auf der Basis empirischer Befunde einer Fragebogenerhebung, die im Rahmen der InnoVET-Begleitforschung durchgeführt wurde, fragen sie nach Attraktivitätsparametern und erheben die Einschätzung der Jugendlichen zu einem konzipierten ausbildungsbegleitenden Fortbildungsformat. Aufschlussreich ist das hohe Interesse der Befragten an ihrer eigenen beruflichen Fort- und Weiterbildung.

Der Beitrag von Ariane Neu (FernUniversität in Hagen) thematisiert, inwiefern die Einführung neuer Weiterbildungsstufen durch die Novelle des Berufsbildungsgesetzes von 2020 die vertikale Ausdifferenzierung von beruflicher Erstausbildung und Fortbildung dynamisieren kann. Derzeit ist unklar, welcher Bedarf an diesen Aufstiegsfortbildungen im deutschen Berufsbildungssystem besteht. Der Beitrag untersucht daher für die bislang schmal besetzten Fortbildungsstufen 1 Berufsspezialisten/Berufsspezialistin und 3 Master Professional über den methodischen Zugang der Experteninterviews die Akzeptanz, Begründungslinien und Probleme dieser neu eingeführten Aufstiegsfortbildungen.

Die beiden folgenden Beiträge thematisieren konkret und praxisorientiert ausbildungsbegleitende Weiterbildungen. Im Mittelpunkt des Beitrags von Uwe Krakau (btg - Berufskolleg für Technik und Gestaltung der Stadt Gelsenkirchen) steht ein Weiterbildungsformat, das als eine Art Zusatzqualifikation ausbildungsbegleitend umgesetzt wird. Es geht um den Bildungsgang „Mechatroniker/in mit Differenzierungsschwerpunkt Wasserstoff“, bzw. um die Überlegung, „Weiterbildung bereits in der Erstausbildung auf[zu]nehmen“, um die Implementation des Bildungsgangs sowie um den Transfer und dessen Reflektion. Ähnlich ausgerichtet ist der Beitrag von Hasan Gençel (Berufliche Schule 2 Nürnberg) und Moritz Renner (ehemals FAU). Hier geht es ebenfalls um ein ausbildungsbegleitendes Fortbildungskonzept. Das im Rahmen von InnoVET entwickelte Fortbildungskonzept „Berufsspezialist/in für Industrielle Transformation“ zielt darauf ab, weiterbildungsinteressierten Jugendlichen auf ihrem Ausbildungsweg ein durchlässiges und attraktives Angebot zu machen.

Teil III: Kompetenzentwicklung, Gestaltungsfragen und gesellschaftliche Transformationen in und durch Weiterbildung

Die Fragen nach der avisierten Kompetenzentwicklung und der Ausgestaltung von Weiterbildungskonzepten sind grundlegend für die Akzeptanz und Etablierung von Weiterbildung in beruflichen und betrieblichen Kontexten. Diese Fragestellungen werden in den in dieser Rubrik versammelten Beiträgen bearbeitet.

Anstoß des Beitrags von Sabrina Sailer-Frank, Silvia Annen (Universität Bamberg), Meret Thomann und Rebecca Von Dobbeler (Edeka Juniorengruppe E.V.) bildet die Diskrepanz zwischen standardisierten Weiterbildungsangeboten einerseits und branchenspezifischen Weiterbildungsbedarfen und individuellen Bedarfen an Kompetenzentwicklung andererseits. Am Beispiel eines Kompetenzkonzeptes, der damit verbundenen Klassifikation von Qualifikationen und der Generierung von Entwicklungsprofilen loten sie Chancen von Kompetenzmodellen für Betriebe und insbesondere für Individuen mit ihren eigenen Interessen an Kompetenzentwicklung und Nachhaltigkeit ihrer Weiterbildung aus.

Mit dem Hinweis auf einen Attraktivitätsverlust der beruflichen Aus- und Fortbildung stellt Anna Hager (IHK für Oberfranken Bayreuth) eine berufliche Fortbildung, die im Blended-Learning-Design entwickelt wurde, vor. Es werden die Erkenntnisse der Evaluation präsentiert, die multiperspektivisch bzw. mittels eines Mixed-Methods-Designs durchgeführt wurde. Der Beitrag verdeutlicht den Zusammenhang zwischen selbstlernorientierten und kommunikativen Lerndesigns, Kompetenzentwicklung und individuellem Weiterbildungserfolg.

Durch Weiterbildung erworbene Kompetenzen haben insbesondere dann einen Tauschcharakter, wenn sie nachweisbar sind. Jörg Neumann, Jana Riedel und Lydia Stark (TU Dresden) setzen sich in ihrem Beitrag mit Potenzialen von digitalen Weiterbildungsnachweisen auseinander. Aus der Perspektive von Lernenden, Bildungseinrichtungen und Arbeitgebenden werden digitale Weiterbildungsnachweise im Hinblick auf ihre Aussagekraft und ihren Nutzen für die Identifizierung von Kompetenzprofilen auch im europäischen Kontext bewertet.  

Die Bedeutung von Transformationsbewegungen für die Gestaltung beruflicher/betrieblicher Weiterbildung gewinnen in den folgenden beiden Beiträgen nochmals eine besondere Bedeutung.

Bezugspunkt des Beitrags „Vor die Welle kommen: Evidenzbasierte Gestaltung von Weiterbildungsangeboten für die Transformation“ von Philip Zerweck, Melanie Schmitt, Nico Schneider und Victor Sebesta (f-bb, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung gGmbH) ist der Umgang mit dem betrieblichen Wandel und die Gestaltung der Weiterbildung insbesondere auch für kleine und mittelgroße Unternehmen in der bayerischen Automobil- und Zulieferindustrie. In dem Beitrag werden grundlegende Gestaltungsfragen sowie die entsprechenden Qualifizierungskonzepte diskutiert, die frühzeitig erforderliche Anpassungen stärken.

Abschließend wird unter der Rubrik Gestaltungsfragen von Weiterbildung die Rolle von Betrieben und externen Weiterbildungsanbietern für die Weiterbildungsbeteiligung thematisiert. Unter dem Titel ‚Wer bildet weiter?‘ wird unter Bezugnahme auf eine Betriebsbefragung analysiert, welche Betriebe berufliche Weiterbildungsmaßnahmen für Ihre Beschäftigte fördern. Dabei wird von David Samray und Felix Lukowski (BIBB) der Zusammenhang zwischen betrieblichen Digitalisierungsprozessen und Formen betrieblicher Weiterbildung vertiefend untersucht.

Teil IV:  Professionalisierung für Weiterbildung

In dieser Rubrik haben wir u. a. Beitragsangebote gesucht, die den folgenden Fragen nachgehen: In welchem Verhältnis stehen die aktuellen und künftigen Herausforderungen beruflicher und betrieblicher Weiterbildung zur Professionalität des Weiterbildungspersonals?  Welche Ansätze, Konzepte und Kriterien der Professionalisierung sind mit Blick auf Standards pädagogischer Professionalität in der Weiterbildung perspektivisch weiter zu verfolgen?

Der Beitrag von Isabell Grundschober (Universität Krems) und Patrick Pallhuber (PH Tirol) greift mit der Integration von Künstlicher Intelligenz in die Arbeitswelt eine bedeutsame Transformationsfrage auf. Auf dieser Grundlage stellen die Autorin und der Autor ein Kompetenzstrukturmodell vor, das praxisnahe und adaptive Lernprozesse fördern soll, um den sich wandelnden Anforderungen einer KI-basierten Arbeitswelt gerecht zu werden.

Martin Schwarz (KIT) und Günter Becker (TU Kaiserslautern-Landau) richten im Beitrag ‚Die Vielfalt der Aufgaben des betrieblichen Weiterbildungspersonals. Eine empirische Analyse der Aufgabenspezifik‘ den Blick auf die Aufgaben des betrieblichen Ausbildungspersonals. Damit wird ein Forschungsbeitrag zu einer bisher nur wenig erforschten Zielgruppe umgesetzt, der die spezifischen und durchaus vielfältigen Aufgabenstrukturen erkennen lässt.

Hoang Long Nguyen (SRH-Fernhochschule), Christian Müller und Sandra Bohlinger (TU Dresden) bieten in dem Beitrag ‚Ich bin schon irgendwo ein Experte – Qualifikationen und Professionalisierung betrieblichen Weiterbildungspersonals‘ auf Basis einer qualitativen Interviewstudie Einblicke in das professionelle Selbstverständnis, die Qualifikationswege und das berufliche Aufgabenspektrum des Weiterbildungspersonals.

Martina Thomas (Fernuniversität Hagen) hebt unter dem Titel „Weiterbildungsmentor:innen als neue Player in der Weiterbildungsberatung: Ab- und Eingrenzungen“ die Beratung und Begleitung in der beruflichen Weiterbildung“ hervor und betrachtet hier mit Weiterbildungsmentor:innen ein besonderes Aufgabenfeld für die beruflich-betriebliche Weiterbildung.

Julian Breitenstein, Marie Meyer zu Drewer und Martin Thieme-Hack (Hochschule Osnabrück) richten in ihrem Praxisbeitrag den Blick auf die Professionalisierung des Bildungspersonals im Garten- und Landschaftsbau und geben Einblicke in Strukturen, Entwicklungsfragen und zukünftige Herausforderungen für diesen Berufsbereich.

Unter dem Titel „Microcredentials: Neue Chancen für eine koordinierte Professionalitätsentwicklung Lehrender in der Weiterbildung“ prüfen Peter Brandt und Anne Strauch (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung) die Potenziale und Hindernisse im Rahmen der Nutzung von Microcedentials in der Weiterbildung des Bildungspersonals. Damit werden aktuelle Empfehlungen der Nationalen Weiterbildungsstrategie aufgenommen und zukünftige Gestaltungsfragen und Klärungsbedarf aufgezeigt.  

Die vorliegende Ausgabe von bwp@ enthält in vier Rubriken Beiträge, die den aktuellen Forschungsstand und die laufenden Diskussionen der Weiterbildungsforschung in Deutschland und Österreich widerspiegeln. Sie soll Impulse geben, die laufenden politischen und gesellschaftlichen Diskurse zur Frage der beruflichen/betrieblichen Weiterbildung noch stärker auf die breit vorliegenden Befunde der berufs- und wirtschaftspädagogischen Weiterbildungsforschung zu beziehen und den Austausch unter den Forschenden im Feld sowie zwischen Forschung und Praxis noch weiter zu intensivieren.

Wir bedanken uns bei allen, die Beiträge eingereicht haben, bzw. bei den Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe, beim Redaktionsteam und der Webmasterin für die gute Zusammenarbeit und wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre.

Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Ina Krause & Lars Windelband
(im Juni 2025)

Zitieren des Beitrags

Büchter, K., Kremer, H.-H., Krause, I. & Windelband, L. (2025). Editorial zu Ausgabe 48: Berufliche/betriebliche Weiterbildung. bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, 48, 1–6. https://www.bwpat.de/ausgabe48/editorial_bwpat48.pdf

Veröffentlicht am 24. Juni 2025