bwp@ 48 - Juni 2025

Berufliche/betriebliche Weiterbildung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Ina Krause & Lars Windelband

Weiterbildungsmentor:innen als neue Player in der Weiterbildungsberatung: Ab- und Eingrenzungen

Beitrag von Martina Thomas
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Weiterbildungsmentor:innen; WBM; Nationale Weiterbildungsstrategie, Weiterbildungsbeteiligung, Weiterbildungsberatung, BBB-Beratung

Der Beitrag beleuchtet die Beratungsrolle betrieblicher Weiterbildungsmentor:innen (WBM), die im Rahmen der deutschen Nationalen Weiterbildungsstrategie implementiert wird, um insbesondere traditionell weiterbildungsabstinente Personengruppen für die beruflich-betriebliche Weiterbildung zu gewinnen. Auf Basis von Erkenntnissen aus einem qualitativen Forschungsansatz wird die Rolle von bestehenden Weiterbildungsberatungsstrukturen abgegrenzt, hinsichtlich eines professionellen Beratungsverständnisses eingegrenzt und es werden ihre Möglichkeiten und Grenzen in Bezug auf die in sie gesetzten Hoffnungen ausgelotet. Es zeigt sich, dass WBM in Abhängigkeit von betrieblichen Rahmenbedingungen spezifische Beratungsformate praktizieren, mit denen die Zielgruppe erreicht werden kann.

Mentors for Continuing Education as New Players in Continuing Education Counselling

English Abstract

This article examines the counselling role of in-company mentors for continuing education (WBM), which is being implemented as part of Germany's National Continuing Education Strategy. It aims to attract groups of people who have traditionally been reluctant to engage in continuing education and training. Based on findings from a qualitative research approach, the text distinguishes the role of WBM from existing structures in the field of counselling related to continuous education and from a professional understanding of counselling. In addition, potentials and limitations of this new role are explored in terms of the hopes placed in it. It can be seen that in dependence to in-company conditions the WBMs practice specific counselling formats that can attract the target.

1 Einleitung

Die unter Beteiligung von politischen Akteuren und Sozialpartnern ausgearbeitete Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) strebt an, die Weiterbildungskultur in Deutschland zu stärken, um den aktuellen Strukturwandel besser bewältigen zu können. Damit soll die ungleiche Verteilung von Chancen zur Partizipation an Weiterbildung adressiert werden. Vor diesem Hintergrund wurde die Rolle von betrieblichen Weiterbildungsmentor:innen (WBM) als innovativer Ansatz zur Verbesserung der Weiterbildungsbeteiligung in der NWS verankert. Die WBM-Rolle zielt darauf ab, durch einen niederschwelligen, arbeitnehmerorientierten Beratungsansatz insbesondere diejenigen Personengruppen zu erreichen, die bislang nur selten an Weiterbildung partizipieren (BMAS & BMBF, 2019). Die Implementierung von WBM soll folglich im Wesentlichen einen Beitrag dazu leisten, robuste Beteiligungsmuster aufzuweichen, die im bildungswissenschaftlichen Diskurs schon seit längerem unter Begriffen wie der Weiterbildungsschere (Schulenberg et al., 1978), der doppelten Selektivität (Faulstich, 1981) oder dem Matthäus-Effekt (Bolder, 2006) beklagt sowie auch aktuell (Eichhorst & Marx, 2022; OECD, 2021) moniert werden. Vor dem Hintergrund, dass die hier im Fokus stehende Zielgruppe nur schwer durch institutionalisierte Beratungsangebote erreicht werden kann (Bremer et al., 2015; Heusler et al., 2023), könnte die Beratungsfunktion der WBM bereits etablierte Angebote aus dem Feld der Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung (BBB-Beratung)[1] ergänzen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es daher, erste Beratungsaktivitäten von WBM vorzustellen und ihr kollegiales Beratungsangebot von etablierten (institutionellen) Angebotsstrukturen abzugrenzen und in professioneller Hinsicht einzugrenzen. Er geht zudem der Fragestellung nach, welchen Mehrwert die WBM-Beratungsrolle für traditionell weiterbildungsabstinente Zielgruppen entfalten kann. Zur Beantwortung dieser Fragen fasst der Beitrag im folgenden Kapitel den Forschungsstand zu institutionellen Angebotsstrukturen im Feld der BBB-Beratung zusammen und rekurriert auf wesentliche Merkmale professioneller Beratung, die sich in diesem Feld etabliert haben. Diese werden für die Analyse qualitativer Leitfadeninterviews fruchtbar gemacht, die im Zuge eines qualitativen Begleitforschungsprojekts geführt wurden. Dieses konnte die Implementierung der WBM Rolle über drei Jahre hinweg beobachten. Das explorative Design dieser Begleitforschung sowie erste Zwischenergebnisse, welche in der Analyse der Beratungsrolle der WBM berücksichtigt wurden, werden im dritten Kapitel vorgestellt. Die Beratungsfacette der WBM-Rolle, die den Schwerpunkt dieses Beitrags bildet, wird in einem nächsten Schritt anhand empirischer Erkenntnisse herausgearbeitet. Diese werden daran anschließend an die theoretischen Bezugspunkte aus Kapitel zwei rückgebunden. Abschließend werden Möglichkeiten und Grenzen eines von WBM realisierbaren Weiterbildungsberatungsangebots zusammenfassend bilanziert, wobei auf Limitationen, die sich aus der begrenzten Reichweite des explorativen Begleitforschungsansatzes ergeben und auf weiteren Forschungsbedarf eingegangen wird.

2 Theoretische Bezugspunkte aus dem Diskurs zur BBB-Beratung

Die Untersuchung der Beratungsrolle von WBM bildet eine Teilaufgabe des hier vorgestellten Begleitforschungsprojekts. Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Rolle von WBM zu konturieren und erste Einordnungen vorzunehmen. Der empirische Zugriff, der im folgenden Kapitel umrissen wird, stützt sich aus pragmatischen Gründen, auf wesentliche Forschungserkenntnisse und Theoriebezüge aus der BBB-Beratung. Da sich das WBM-Beratungsangebot an erwachsene, erwerbsstätige Zielgruppen richtet, rekurriert die vorliegende Untersuchung auf die personenbezogene Weiterbildungsberatung in diesem Feld. Um sich einer Verortung der Beratungsrolle der WBM annähern zu können, soll zunächst in institutioneller Hinsicht ein Überblick über Angebotsstrukturen und deren Inanspruchnahme insbesondere durch weniger bildungsaffine Zielgruppen gegeben werden.

2.1 Die Institutionelle Perspektive

Weiterbildungsberatungsangebote für Erwachsene werden sowohl von privatwirtschaftlichen Beratungsinstitutionen und Bildungsträgern als auch in öffentlicher Trägerschaft angeboten (Schober & Lampe, 2022). Insbesondere die kostenfreien Beratungsangebote, die von kommunalen Beratungsstellen aber auch von weiteren Institutionen wie Kammern oder Arbeitsagenturen vorgehalten werden, kommen für die fokussierte Zielgruppe in Betracht, da sie mit keinen finanziellen Hürden verbunden sind. Allerdings sind entsprechende Angebotsstrukturen regional unterschiedlich ausgestaltet sind (Gieseke & Pohlmann, 2016; Schiersmann, 2021; Schober & Lampe, 2022). Dies erschwert es, sich einen Überblick über Weiterbildungsberatungsangebote zu verschaffen. Hinzu kommt, dass entsprechende Angebote und Einrichtungen häufig im Rahmen von Projekten entstehen und wieder zerfallen. Damit stellen sich Angebotsstrukturen der BBB-Beratung ähnlich unübersichtlich dar, wie auch die Weiterbildungslandschaft, zu der sie Orientierung geben soll (Thiel, 2023). Als dauerhafte Anlaufstelle für Beschäftigte mit Weiterbildungs- und beruflichen Veränderungswünschen wurde die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) installiert. Diese wird seit 2020 von den Arbeitsagenturen angeboten und zielt darauf ab, „vorrangig Erwerbstätige, insbesondere solche mit niedriger Qualifikation“ (Heusler et al., 2023, S. 6) zu beraten. Allerdings zeigt eine erste Untersuchung zur Inanspruchnahme dieses Angebots, dass dieses gerade von der anvisierten Zielgruppe noch nicht im erhofften Maße in Anspruch genommen wird (Heusler et al., 2023). In einer der wenigen Forschungsarbeiten, die sich mit der Weiterbildungsberatung von sogenannten ‚Bildungsfernen‘ beschäftigt, zeichnet sich ab, dass weniger bildungsaffine Personen aufgrund bildungsbiografischer Erfahrungen und habitueller Dispositionen selten klassische Beratungsinstitutionen aufsuchen, um ihre Bildungsanliegen zu klären. Stattdessen bevorzugen sie Beratungsangebote, die sie in ihrem Milieu bzw. Sozialraum vorfinden (Bremer et al., 2015).

Auch in betrieblichen Kontexten wird Weiterbildungsberatung in den Personalbereichen oder durch Vorgesetzte angeboten (Dehnbostel, 2022). Solche Beratungsformate sind jedoch auch in interne Interessenlagen und Machtverhältnisse eingebunden (Enoch, 2025). Aus dieser Konstellation ergeben sich eine eingeschränkte Neutralität sowie Sanktionierungspotenziale, die sich hemmend auf die freiwillige Inanspruchnahme von weiterbildungsbezogener Beratung auswirken können (Huynh et al., 2025). Zudem kommen breit etablierte betriebliche Beratungssettings wie Coaching, Mentoring oder Supervision eher in der Führungskräfteentwicklung oder in spezifischen Fachbereichen zum Einsatz (Enoch, 2025) und werden geringqualifizierten Belegschaftsteilen kaum angeboten.

Im Überblick über Angebotsstrukturen der BBB-Beratung lassen sich im Bereich der öffentlichen Beratungsangebote insbesondere eine mangelnde Angebotstransparenz sowie eine sozialräumlich-kulturelle Distanz als wesentliche Zugangshürden für die von WBM zu adressierende Zielgruppe identifizieren. Zudem exkludieren betriebliche Angebote diese Personengruppe weitgehend, sind mit Sanktionierungspotenzialen verknüpft sowie aufgrund betrieblicher Verwertungsinteressen nicht neutral. Da die bestehenden Angebotsstrukturen nicht gut auf die Bedarfe weiterbildungsabstinenter Zielgruppen ausgerichtet sind, könnte ein niederschwelliges, im Sozialraum des Betriebs verankertes, kostenloses Beratungsangebot, wie das der WBM, eine Lücke füllen.

2.2 Professionelle Perspektive

Um der Frage nachgehen zu können, wie sich die WBM-Beratungsrolle in professioneller Hinsicht eingrenzen lässt, wird die Interaktionsebene in Blick genommen, auf der sich Beratungsabläufe und -kompetenzen zeigen. Allerdings gilt die Professionalisierung im Feld der BBB-Beratung noch als unabgeschlossen. So wurden bislang weder verbindliche Qualitätsmerkmale und Kompetenzprofile noch geschützte Berufsbezeichnungen kodifiziert (Schober & Lampe, 2022). Einen weithin anerkannten Bezugspunkt stellt jedoch das von Schiersmann im Jahr 2013 vorgestellte und unter Beteiligung profilierter Expert:innen entwickelte Kompetenzprofil dar, das im Kontext der BBB-Beratung breit rezipiert wird (Käpplinger, 2020; Schober & Lampe, 2022). Daher dient dieses auch im vorliegenden Beitrag als Fixpunkt, an dem die weiteren Überlegungen ausgerichtet werden. Das dem Kompetenzprofil zugrundeliegende systemische Beratungsmodell verortet Beratungskompetenz im Zusammenspiel von prozess-, organisations- und gesellschaftsbezogenen sowie übergreifenden, bzw. systemumfassenden, Kompetenzdimensionen (Schiersmann, 2021). Für den geplanten Vergleich mit der WBM-Beratung erscheinen vor allem die prozessbezogenen Kompetenzen relevant. Sie zielen im Wesentlichen darauf ab, geschützte und verlässliche Rahmenbedingungen für den Beratungsprozess zu gewährleisten, eine tragfähige Beziehung zu den Ratsuchenden aufzubauen, das Beratungsanliegen zu klären und in Form eines Beratungskontrakts festzuhalten, die Situation in der sich die zu beratende Person befindet sowie die damit verbundenen Beratungsziele zu erörtern, Ressourcen der Beratenen zu identifizieren und schließlich Lösungsansätze zu erarbeiten (Schiersmann, 2021). Dabei ist die planvolle Strukturierung des Beratungsprozesses ein wesentliches Kennzeichen professionellen Handelns. Dazu gehört auch die Überwachung der Umsetzung sowie die Beurteilung der Zielerreichung (Schiersmann, 2021). Im Beratungsprozess gilt es zudem, jeweils die persönlichen biografischen Erfahrungen, Einstellungen und sozialen Hintergründe nicht nur der Rat suchenden, sondern auch der Rat gebenden Partei zu reflektieren (Schiersmann et al., 2018). Die skizzierten Kompetenzdimensionen korrespondieren mit einer phasenförmigen Modellierung des Beratungsprozesses entlang der Prozessschritte Auftragsklärung, Informieren, Reflexion, Lösungsfindung und Beratungsabschluss, die sich in mehreren Phasenmodellen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung wiederfindet (Enoch, 2011).

Neben diesen prozessbezogenen Kompetenzdimensionen scheinen im Diskurs zur BBB-Beratung übergreifende Anforderungen an ein pädagogisches Beratungsverständnis auf. Dieses ist durch Abgrenzung zu weiteren Gegenstandsbereichen der Beratung durch ein „pädagogisches Moment“ (Kossack, 2009, S. 62) gekennzeichnet. Demnach zeichnet sich Weiterbildungsberatung dadurch aus, dass sie die Beratenen zur selbständigen Lösungsfindung befähigt. Sie setzt klientenzentriert an einer individuellen Handlungsproblematik von Ratsuchenden an, stärkt deren „Eigenkräfte“ (Gieseke & Nittel, 2016, S. 11) und unterstützt ihre Entscheidungsfähigkeit. Idealerweise werden Beratungsprozesse also von den Anliegen der Ratsuchenden gesteuert, mit denen nicht immer artikulierbare Weiterbildungswünsche verknüpft sind. Diesbezüglich unterscheidet Gieseke (2016) situative, auf Veränderungskonstellationen reagierenden Beratungsanliegen, biografieorientierte Anliegen, bei denen es um eine Nachjustierung der Bildungsbiografie geht und informative Beratungsanliegen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die Ratsuchenden bereits konkrete Weiterbildungswünsche artikulieren können, wohingegen diese insbesondere bei situativ begründeten Beratungsanliegen noch diffus sind (Gieseke, 2016). Doch auch wenn Beratungen einen eher informativen Charakter haben, zeichnen sich BBB-Beratungssettings dadurch aus, dass sie über eine reine Informationsvermittlung hinausgehend zu einer eigenständigen Abwägung subjektiver Interessen und Ressourcen anregen (Gieseke & Nittel, 2016) bzw. die Reflexivität der Klient:innen stärken (Dehnbostel, 2009). Als weitere zentrale Bestimmungsstücke eines professionellen Beratungsverständnisses lassen sich eine zwischen Ratsuchender und -gebender Person geteilten Verantwortungsübernahme im Beratungsprozess eine ergebnisoffene Gestaltung des Beratungsprozesses durch die Beratenden ausmachen (Schober, 2017).

Mit Blick auf die zu erreichende Zielgruppe liefert die Analyse von Bremer et al. (2015) Hinweise für die soziale Situierung entsprechender Beratungsangebote. Demnach gilt es zur Ansprache weiterbildungsabstinenter Zielgruppen, die in Beratungsinstitutionen etablierte „Komm-Struktur“ um eine „Geh-Struktur“ (jeweils Bremer et al., 2015, S. 25) und damit um aufsuchende Beratungsformen zu ergänzen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass nicht-professionell Beratende, die als „Vertrauenspersonen … en passant“ (Bremer et al. 2015, S. 40) beraten, relevante Ansprechpartner:innen für dieses Klientel darstellen und dieses mitunter an etablierte Beratungsinstitutionen verweisen. Entsprechend bedarf es für solch niederschwellige Beratungen nicht einer vollausgeprägten Beratungskompetenz, wohl aber „zielgruppenspezifisches Wissen zur Lebenssituation“ (Bremer et al., 2015, S. 43) der Beratenen. Dieses gilt es mit Empathie sowie sozialer, kommunikativer und interkultureller Kompetenz zu verbinden, um weiterbildungsabstinente Zielgruppen„ glaubwürdig ansprechen und beraten zu können (Bremer et al., 2015).

Die hier kursorisch aufgegriffenen Merkmale professioneller Beratungsabläufe und -verständnisse, dienen als Vergleichsfolie für eine erste Einordnung der von WBM geschilderten Beratungsinteraktionen. Es geht dabei ausdrücklich nicht darum, Beratungskompetenzen von WBM zu bewerten, sondern ihre Beratungsrolle zu beschreiben. Wie die aufgegriffenen Theoriebezüge für die Untersuchung fruchtbar gemacht wurden, wird im nun folgenden Kapitel erläutert.

3 Das Begleitforschungsprojekt

In den folgenden Abschnitten werden der qualitative Forschungsansatz des Begleitforschungsprojekts skizziert sowie wesentliche Erkenntnisse zum Aufgabenspektrum der WBM vorgestellt.

3.1 Forschungsdesign

Die in diesem Beitrag vorgestellten Erkenntnisse zur Beratungsfunktion von WBM wurden im Kontext des von der Hans Böckler Stiftung geförderten Projekts „Weiterbildungsmentor*innen. Rahmungen, Rollen und Erfolgsfaktoren“ gewonnen. Das Projekt ist im Juli 2022 gestartet und wird Ende Juni 2025 abgeschlossen. Es begleitet die Umsetzung der WBM-Projekte der Gewerkschaften IG Metall, Nahrung Genuss Gaststätten und ver.di mit einem qualitativen Forschungsansatz. Dabei werden Fragestellungen zur curricularen Ausgestaltung der gewerkschaftlichen Bildungsangebote, mit denen WBM qualifiziert werden, zu den an die Rolle herangetragenen Erwartungen, zu Rahmenbedingungen und Verstetigungsaussichten sowie zur Rollenübernahme durch die WBM, wozu insbesondere auch ihre hier angesprochene Beratungsrolle gehört. Um Erkenntnisse zu diesen auf unterschiedlichen Ebenen liegenden Fragestellungen zu gewinnen, wird ein Mixed-Methods Ansatz verfolgt, bei dem verschiedene qualitative Forschungsansätze wie Experteninterviews mit gewerkschaftlichen Stakeholdern, Curriculumanalyse der Qualifizierungskonzepte (Thomas et al., 2024) sowie Leitfadeninterviews mit ausgewählten WBM zum Einsatz kommen. Damit nähert sich das Begleitforschungsprojekt dem noch neuen Forschungsgegenstand der WBM-Rolle explorativ an, um diese zu konturieren.

Das untersuchte Sample umfasst 19 WBM aus insgesamt 10 Betrieben. Die meisten Interviewpartner:innen kommen aus der gesetzlichen Interessenvertretung (GIV), d. h. sie gehören dem Betriebs- bzw. Personalrat an und können ihrer betrieblichen WBM-Rolle aus einer Freistellung heraus nachgehen. Vier Befragte haben keine derartige Funktion, von denen zwei als Referent:innen des Betriebsrats eng mit diesem zusammenarbeiten. Eine Person stammt aus dem gewerkschaftlichen Vertrauensleutekörper (VK). Die Auswahl der Beteiligten ist in enger Zusammenarbeit mit dem Projektpersonal der beteiligten Gewerkschaften erfolgt. Dieses hat den WBM während der Laufzeit der gewerkschaftlichen Projekte beratend zur Seite gestanden. Das Sample ist auf Ebene der Betriebe bewusst als Positivauswahl solcher Betriebe zusammengestellt worden, in denen a) zu Beginn des Begleitforschungsprojekts bereits erste WBM in dieser Rolle aktiv waren und die b) einem dauerhaften Forschungszugang für das längsschnittliche Vorgehen zustimmten. Innerhalb der ausgewählten Betriebe sind überwiegend zwei WBM als Interviewpartner:innen gewonnen worden. Die Interviewstudie ist zwischen Mai 2023 und Ende Februar 2025 durchgeführt worden. Ein Ausfall zum zweiten Erhebungszeitpunkt im Frühsommer 2024 wurde in der dritten Interviewkampagne durch ein anderes Mitglied desselben WBM-Teams aufgefüllt. Der abschließende Erhebungsdurchlauf hat kurz nach Abschluss der gewerkschaftlichen Einzelprojekte mit 16 WBM aus neun Betrieben stattgefunden.

Zur Untersuchung der Rollenübernahme wurden die WBM in einem längsschnittlichen Zugriff zu drei Erhebungszeitpunkten mit qualitativen Leitfadeninterviews befragt. Der Interviewleitfaden thematisiert unter anderem Fragen zu individuellen Tätigkeitsschwerpunkten und dem persönlichen Rollenverständnis. Tabelle eins veranschaulicht die Zusammensetzung des untersuchten Samples.

Tabelle 1:     Zusammensetzung des Samples

Fall-betrieb

Branche

TN-
Pseudo-nym

Anz.
Inter-views

Alter

Arbeitnehmerver-tretung

Geschlecht
(M/W/D)

Schildert Bera-tungen

   

GIV/VK

Frei-stellung

 

1

Versorger/ Netzbetreiber

Olaf

3

40-49

GIV

nein

M

nein

Tanja

3

40-49

GIV

ja

W

ja

2

Stadt-verwaltung

Toni

1

50-59

GIV

ja

M

nein

Dieter

3

>60

GIV

ja

M

ja

Rüdiger

1

50-59

GIV

ja

M

ja

3

Stadt-verwaltung

Rita

3

50-59

GIV

ja

W

ja

Peter

3

30-39

nein

nein

M

ja

4

Logistik / Automobil

Bernd

3

50-59

GIV

ja

M

ja

Andrea

3

40-49

GIV

ja

W

ja

5

Automobil-zulieferer

Steffi

3

40-49

nein

nein

W

nein

Miro

3

30-39

GIV

ja

M

ja

6

Fahrzeugbau

Patrick

3

40-49

VK

nein

M

ja

Anke

3

50-59

GIV

ja

W

ja

7

Maschinen-bau

Matthias

3

50-59

GIV

nein

M

ja

Ulrich

3

40-49

GIV

nein

M

ja

8

Metallver-arbeitung

Herbert

2

50-59

GIV

ja

M

nein

Oliver

2

30-39

GIV

nein

M

nein

9

Fleisch-industrie

Sascha

3

50-59

GIV

ja

M

nein

Andreas

2

40-49

nein

nein

M

ja

10

Catering

Ralf

3

40-49

nein

nein

M

nein

         

GIV: 15

ja: 11

W: 5

ja: 13

         

VK: 1

nein: 9

M: 15

nein: 6

         

nein: 4

     

3.2 Erste Erkenntnisse zu Handlungsfeldern von WBM

Neben den im zweiten Kapitel vorgestellten theoretischen Bezugspunkten greift die Untersuchung der Beratungsfunktion auch auf erste Erkenntnisse zum Rollenbild der WBM aus der eigenen Forschung zurück. Im Zuge der Curriculumanalyse sowie der Auswertung der ersten von insgesamt drei Interviewkampagnen mit WBM ließ sich ein komplexes, über die reine Beratungsfunktion hinausgehendes Rollenbild der WBM ermitteln (Huynh et al., 2025,; Thomas et al., 2024). Darin zeichnen sich als wesentliche Handlungsfelder 1) die Förderung der individuellen Weiterbildung von Kolleg:innen, 2) die strukturelle Verbesserung der weiterbildungsbezogenen betrieblichen Rahmenbedingungen, 3) die Vernetzung mit außerbetrieblichen Akteur:innen (insbesondere den Arbeitsagenturen) und sowie 4) eine zwischen diesen Feldern vermittelnde Brückenfunktion ab.

In Bezug auf das hier fokussierte erste Handlungsfeld zeichnen sich in den Qualifizierungskonzepten beratungsbezogene Lerninhalte vor allem im Zusammenhang mit der Aneignung von Methoden der Gesprächsführung ab. Diese werden mit theoretischen Wissensbeständen über ungleich verteilte Partizipationschancen in der Weiterbildung und den damit verbundenen Hürden und Hemmnissen verknüpft, um so eine zielgruppensensible Beratungshaltung einnehmen zu können. In welchem Umfang beratungsbezogene Lerninhalte geschult werden, lässt sich aus den analysierten Konzepten nicht genau ermitteln. Sie bilden einen von mehreren Themenschwerpunkten in den gewerkschaftlichen Seminarreihen. Deren Umfang variiert in den untersuchten gewerkschaftlichen Qualifizierungskonzepten zwischen 65 und 120 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten (Thomas et al., 2024).

Grundsätzlich nehmen WBM ihre Aufgaben nebenamtlich wahr. In der Rollenübernahme setzen sie persönliche Tätigkeitsschwerpunkte entsprechend individueller Neigungen, betrieblicher Rahmenbedingungen und Gelegenheitsstrukturen. Somit sind, wie in Tabelle eins ersichtlich, nicht alle WBM, beratend tätig. Hinsichtlich der beratenden WBM ist, in Einklang mit Enoch (2025) wie auch bei anderen betrieblichen Beratungsakteur:innen nicht von einer voll ausgeprägten Beratungsprofessionalität auszugehen. Vielmehr ist zu erwarten, dass sich in der Analyse ihrer Beratungstätigkeiten, unterschiedliche Ausprägungen der Beratungsrolle zeigen. Auf diese wird im vierten Kapitel eingegangen, nachdem im Folgenden die Auswertungsstrategie in Bezug auf die beratungsbezogene Teilstudie erläutert wurde. 

3.3 Auswertungsstrategie der beratungsbezogenen Teilstudie

In die Auswertung dieser Teilstudie wurden ausschließlich solche Fälle aufgenommen, in denen in mindestens einem der drei Interviews Textsegmente aufgefunden wurden, in denen auf ein bilaterales Gespräch zwischen WBM und beratenen Kolleg:innen Bezug genommen wird. Dies dient entsprechend des reflexiven, über reine Informationsweitergabe hinausgehenden Charakters von Weiterbildungsberatung dazu, eine Beratungssituation von rein informativen Veranstaltungen in Zuge derer auf die WBM-Rolle oder konkrete Vorhaben im Betrieb aufmerksam gemacht wird, abzugrenzen. Insgesamt in 13 individuellen Fällen konnten dieser Arbeitsdefinition entsprechende Textsegmente zu mindestens einem Erhebungszeitpunkt im Material identifiziert werden. Diese Fälle wurden in die vorliegende Analyse einbezogen. Im Zuge einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022) wurden entsprechend der in Kapitel 2.2 dargelegten theoretischen Bezugspunkte die Codes ‚Zielgruppe‘, ‚Beratungsanliegen‘, ‚Prozessschritte‘ und ‚Beratungsverständnis‘ sowie ‚Kontaktaufnahme‘ als deduktive Auswertungskategorien an das Material herangetragen. In gemeinsamen Codiersitzungen von zwei Codierer:innen wurde das Codesystem nach ersten separat vorgenommenen Codierdurchläufen induktiv am Material weiterentwickelt. So fielen u. a. insbesondere innerbetriebliche Ausprägungen von Komm- und Geh-Strukturen bei der Auswertung der Kategorie ‚Kontaktaufnahme‘ auf, die sich mit bestimmten Ausprägungen von Beratungsanliegen in Verbindung gebracht werden konnten. Diese Merkmalskonstellationen wurden in einer typenbildenden Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022) zu spezifischen Beratungsformaten verdichtet, die im Rahmen des nun folgenden Ergebnisberichts vorgestellt werden.

4 Weiterbildungsberatung durch WBM

In der BBB-Beratung hat sich ein systemisches Beratungsmodell durchgesetzt, das Beratung als Zusammenspiel von Ratsuchenden, Berater:innen und insbesondere organisationalen Rahmenbedingungen konzipiert (Schiersmann, 2021). Um die Beratungsrolle von WBM greifbarer zu machen, werden die Auswertungsergebnisse nun entlang dieser Komponenten präsentiert. Dabei wird zunächst auf die Ratsuchenden und ihre Anliegen, dann auf typische Formen der Beratung und schließlich auf das Selbstverständnis der Beratenden eingegangen.

4.1 Beratene und ihre Anliegen 

Welche betrieblichen Beschäftigtengruppen das Beratungsangebot von WBM in Bezug auf welche Anliegen und Ziele nutzen, lässt sich indirekt aus Interviewsegmenten rekonstruieren, in denen WBM ihrer Beratungstätigkeit und Zielgruppen schildern. Dabei zeigen sich unterschiedliche Konstellationen in den verschiedenen Betrieben. Insbesondere bei den beiden großen Stadtverwaltungen, in der Fleischindustrie, in einem Unternehmen der Automobilindustrie und im Catering liegt ein deutlicher Schwerpunkt der WBM-Aktivitäten auf Kolleg:innen ohne Berufsabschluss bzw. auf Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Jedoch lässt sich ein Beratungsschwerpunkt auf dieser Zielgruppe nur in zwei Betriebsfällen ausmachen. Dies ist z. T. darin begründet, dass die Interaktionen mit den Ratsuchenden rein informierenden Charakter haben und daher nicht den Kriterien der vorgestellten Arbeitsdefinition entsprechen. Teilweise zielen die WBM-Aktivitäten eher auf eine strukturelle Verbesserung der weiterbildungsbezogenen betrieblichen Rahmenbedingungen (insbesondere im Catering) oder ihr Beratungsangebot wird eher von anderen Belegschaftsteilen (Fleischindustrie) genutzt.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass in einigen der betrachteten Unternehmen (Energieversorgung, Logistik, Fahrzeugbau und Maschinenbau) aufgrund der Qualifikationsstruktur ihrer Belegschaften keine nennenswerten Anteile von Beschäftigten mit geringer formaler Qualifikation vorhanden sind. In den produzierenden Unternehmen, aber auch in einer der Stadtverwaltungen werden vorrangig Kolleg:innen aus den gewerblich-technischen Bereichen beraten. Dabei zeichnet sich ab, dass die Zugehörigkeit zu diesen Bereichen die Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung z. B. durch Schichtarbeit oder wegen schlechter informationstechnischer Anbindung an Weiterbildungskataloge hemmt. Teilnahmehürden und -hemmnisse sind somit nicht nur bei den traditionell weiterbildungsabstinenten Beschäftigtengruppen auszumachen.

Die Beratungsanliegen resultieren oft aus dem Wunsch nach einem innerbetrieblichen Stellenwechsel und gehen zudem mit einer Unzufriedenheit mit der bisherigen Position oder deren Arbeitsbedingungen einher. So schildert Bernd, ein WBM in einem im Automotive-Bereich tätigen Logistikunternehmen, „die meisten Anliegen kommen tatsächlich, die sagen: ‚Ich bin jetzt momentan unzufrieden‘ oder ‚ich möchte nicht mehr auf die Schicht‘, bzw. ‚ich möchte eigentlich viel mehr machen, als im Bereich möglich ist. Welche Möglichkeiten habe ich noch?‘“ (Bernd I2). Kolleg:innen suchen darüber hinaus Rat, weil sie ihrer bisherigen Arbeitstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachgehen können oder weil sie ihren Arbeitsplatz bedroht sehen. Damit sind viele der Beratungssituationen nur mittelbar mit Weiterbildungswünschen oder -bedürfnissen verbunden. Weiterbildung wird in diesen Fällen von den Kolleg:innen als Vehikel zu einer besseren oder persönlich geeigneteren Position im Betrieb betrachtet. In diesen Fällen haben die Ratsuchenden mitunter nur diffuse Vorstellungen über erreichbare Positionen, den damit verbundenen Kompetenzanforderungen und dem Weiterbildungsweg, den sie einschlagen müssten, um ihre Ziele zu erreichen. Tanja, die bei einem Energieversorger tätig ist, der keine formal Geringqualifizierten beschäftigt, betont in diesem Zusammenhang, dass Kolleg:innen „sich wünschen würden, dass man den Zauberstab schwingt und genau weiß, was jetzt ihre Mission für die Zukunft sein soll“ (Tanja, I2).

Wenn Kolleg:innen, wie von Bernd angesprochen, „mehr machen“ wollen, dann ist damit häufig der Wunsch nach der Übernahme von Führungsaufgaben verbunden. Insbesondere in den produzierenden Unternehmen scheint dann der Qualifizierungsweg in Form der Meisterfortbildung vorgezeichnet. In diesen Fällen kommen Kolleg:innen mit konkreten Weiterbildungswünschen auf die WBM zu und suchen in der Regel vorrangig Informationen zu Meisterkursen, Finanzierungsmöglichkeiten und betrieblichen Unterstützungsstrukturen. Entsprechend berichten die meisten WBM über Beratungsanliegen, die sich auf formale Weiterbildungsabschlüsse beziehen, wobei gelegentlich auch Rat zu akademischen Bildungsgängen gesucht wird.

Neben häufigen Bezugnahmen von WBM auf Beratungen in denen eine formale Weiterbildung anvisiert wird, schildern WBM auch Beratungen, die darauf zielen, eine berufliche Erstausbildung nachzuholen bzw. eine berufliche Umschulung anzustreben. Solche Fälle häufen sich in Betrieben mit größeren an- und ungelernten Teilbelegschaften. In diesem Zusammenhang berichten die WBM jeweils von einem hohen Beratungsaufkommen, realisierten Teilnahmen und erfolgreich erworbenen Bildungszertifikaten.

Zusammenfassend lässt sich beobachten, dass die Zielgruppe der An- und Ungelernten bzw. der Personen, die Einfachtätigkeiten im Niedriglohnsektor versehen, eine wichtige Zielgruppe für die WBM darstellen, sofern es diese Beschäftigtengruppe in ihrem Betrieb gibt. Eine weitere wichtige Zielgruppe, sind Fachkräfte aus gewerblich-technischen Betriebsbereichen. Die Anliegen der Ratsuchenden sind oft nur indirekt mit dem Weiterbildungsthema verbunden und zielen auf eine Verbesserung der Arbeitszufriedenheit oder der Verdienstmöglichkeiten. Dort, wo Arbeitsplätze gefährdet sind, steigt das Interesse an überbetrieblich verwertbaren Berufsabschlüssen und es kommt der Wunsch nach Stabilisierung der Beschäftigungsfähigkeit. Tendenziell sind die Beratungsziele von Fachkräften, die meist einen beruflichen Aufstieg anstreben, relativ konkret. Hingegen konkretisieren sich die Weiterbildungswünsche von Kolleg:innen, die sich innerbetrieblich umorientieren möchten oder von Kolleg:innen mit formal niedriger Qualifikation häufig erst im Zuge der Beratung.

4.2 Beratungsformate

Um die Beratungsrolle von WBM besser verstehen zu können, werden nun zentrale Beratungsformen vorgestellt, die in der typenbildenden Analyse ermittelt werden konnten. Die dazu ausgewählten Fallbeispiele stehen jeweils für einen Betrieb und geben einen ersten Einblick in das Beratungshandeln von WBM und dessen Einbindung in betriebliche Kontexte. Es lassen sich Muster insbesondere in Bezug auf den die Art der Kontaktaufnahme zwischen den Beteiligten und den damit verbundenen Beratungsanlässen und Zielstellungen sowie betrieblichen Rahmenbedingungen finden. Dabei lassen sich drei Typen unterscheiden, die angesichts der nur eingeschränkt professionellen Beratungsrolle der WBM als Beratungsformate (Enoch, 2025) bezeichnet werden können. Konkret werden das aktivierende und das beiläufige Format sowie das Format der zentralen Anlaufstelle vorgestellt.

4.2.1 Das aktivierende Beratungsformat
„Leute, wir haben jetzt was initiiert und jetzt ist es umgesetzt, dass ihr euch weiter qualifizieren könnt. Bitte nutzt es!“ (Rüdiger, I3)

Wie in Kapitel 2.2 geschildert, agieren WBM nicht ausschließlich beratend, sondern treiben auch den Ausbau betrieblicher Weiterbildung bzw. die Verbesserung betrieblicher Weiterbildungsstrukturen voran. Das aktivierende Beratungsformat tritt insbesondere in solchen Betrieben in Erscheinung, in denen unter Beteiligung von WBM neue betriebliche Bildungsangebote für formal Geringqualifizierte oder im Niedriglohnsektor Tätige entstanden sind. In diesen Fällen gehen WBM auf ihre Zielgruppe zu, um sie zur Teilnahme an solchen Weiterbildungsangeboten zu aktivieren. Das folgende Fallbeispiel aus einem Automobilzulieferbetrieb veranschaulicht dieses Format exemplarisch und wird durch Erkenntnisse aus einem ähnlich gelagerten Fall ergänzt.

In dem von der Elektromobilitätswende im Automotive Sektor betroffenen Zulieferbetrieb droht ein Stellenabbau, der in den Produktionsbereichen insbesondere Kolleg:innen ohne beruflichen Abschluss und angelernte Beschäftigte trifft. In diesem Zusammenhang fragt sich das WBM-Team „Wie kriegen wir es hin, … dass wir [an-/ungelernte] Beschäftigte aus dem Produktionsprozess rausnehmen und in den Qualifizierungsprozess mit begleiten können?“ (Miro, I2). In Kooperation mit der Personalleitung und der Arbeitsagentur, die Mittel aus dem Qualifizierungschancengesetz beisteuert, werden Qualifizierungsangebote entwickelt, damit Kolleg:innen einen beruflichen Abschluss als Maschinen- und Anlagenführer:in erwerben können. Dazu leistet Steffi wichtige Netzwerkarbeit und ist nur in Ausnahmefällen beratend tätig, während Miro den infrage kommenden Belegschaftsteilen diese Qualifizierungsangebote nahebringt. Dabei ist es ihm wichtig, die interessierten Kolleg:innen zu ermutigen. Er weist auf erfolgreiche Absolvent:innen hin, denn „das motiviert dann die Leute, wenn die sich dann wirklich so aufgehoben fühlen und dann auch gute Praxisbeispiele haben durch persönliche Erfahrungen.“ (Miro, I2). Er informiert jedoch nicht nur, sondern spricht in Beratungsgesprächen die individuellen Vorkenntnisse, Ressourcen, privaten und arbeitsbezogenen Rahmenbedingungen der Interessent:innen an. Damit möchte er sie in die Lage versetzen, die mit dem Bildungsangebot verbundenen Herausforderungen und Erfolgsaussichten einschätzen und sich realistische Ziele zu setzen. In der Beratung orientiert er sich an der Methode des von der Arbeitsagentur entwickelten Qualifizierungsgesprächs, um Bildungsvoraussetzungen und -wünsche besser identifizieren zu können. Bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten seiner Kolleg:innen hilft ihm auch, dass er selbst als Facharbeiter die Anforderungen einer beruflichen Ausbildung beurteilen und so auch auf falsche Vorstellungen aufmerksam machen kann: „Vielleicht überschätzt du dich auch mit dem Thema. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass du es nicht machen kannst, sondern vielleicht wäre es jetzt zu viel, im ersten Schritt so eine Qualifizierung zu starten." (Miro, I2). In solchen Fällen bemüht sich Miro, alternative Entwicklungsperspektiven im Betrieb oder vorbereitende Maßnahmen, z. B. in Form berufsbegleitender Deutschkurse für Kolleg:innen mit Sprachbarrieren anzubieten. Dies fällt im aufgrund seines betrieblichen Kontextwissens leicht.

Ein ähnliches Beratungsangebot zeichnet beim Stadtentwässerungsbetrieb einer großen Stadtverwaltung ab. Auch hier werden Kolleg:innen in Beratungsterminen vor Ort dazu motiviert, spezifisch ausgehandelte Verwaltungslehrgänge zu absolvieren. Dieter, der vor seiner Freistellung als Betriebsrat in den, wie er es nennt „Arbeiterbereichen“ tätig war, betont, dass ihm sein „Arbeitergen" (Dieter I3), einen Vertrauensvorschuss bei der Beratung der Kollge:innen verschafft. 

Die aktivierende Beratungsform zeichnet sich zusammenfassend durch eine aufsuchende Form der Beratung aus, bei der WBM Sprechstunden in den Betriebsbereichen ihrer Zielgruppen anbieten. Der Beratungsanlass wird von den WBM gesetzt und zielt auf die Aktivierung zur Teilnahme an Bildungsangeboten ab, die von ihnen in Zusammenarbeit mit anderen betrieblichen Akteuren entwickelt wurden. Diese richten sich meist an formal Geringqualifizierte. Ziel ist es nicht nur zu informieren, sondern potenzielle Teilnehmer:innen in bilateralen Beratungsgesprächen zu ermutigen, ihnen Ängste zu nehmen und Unterstützungsstrukturen aufzuzeigen.

4.2.2 Das beiläufige Beratungsformat
„Also so die merken teilweise gar nicht wie sie da reinrutschen, weißt du?!“ (Patrick, I3)

Das Format der beiläufigen Beratung wird überwiegend von solchen WBM ausgeübt, die mit ihrer Klientel zusammenarbeiten. Es handelt sich um eine sehr persönliche Form der Peer-to-Peer Beratung, die beiläufig während der Arbeit, in Pausen und z. T auch in der Freizeit erfolgt. Hinsichtlich der Ansprache von Kolleg:innen lässt sich mit der beiläufigen Beratung eine weitere niederschwellige Strategie identifizieren, Kolleg:innen zum Thema Weiterbildung zu beraten. Ein idealtypisches Beispiel ist das Vorgehen von Patrick, der als Vertrauensmann im Fahrzeugbau auf dem Shopfloor tätig ist. Indem er als erfahrener Mitarbeiter in seinem Betriebsbereich die Aufgabe hat, Kolleg:innen einzuarbeiten, sie anzuleiten und sein Wissen weiterzugeben, pflegt er den Kontakt zu ca. 40 Arbeiter:innen. In dieser Funktion ergeben sich im kollegialen Austausch Momente, wie diesen: „Dann hast du plötzlich auch vielleicht einen Draht. ‚Hey, was ist denn da los?‘ Es ist so ein Prozess des Kennenlernens, des gegenseitigen Öffnens. Und irgendwann passt vielleicht auch die Bindung und dann gibt der Kollege mehr preis.“ (Patrick, I2). In der so entstehenden Vertrauensbeziehung äußern Kolleg:innen ihm gegenüber z. B. ihre Unzufriedenheit mit ihrer beruflichen Situation: „Und dann macht es bei mir Klick und dann fange ich an, in die Weiterbildungsmentoren-Rolle zu wechseln, ja das, das ist ganz häufig so bei mir und meinen Kollegen.“ (Patrick, I3). Weil er die Arbeitssituationen und z. T. auch privaten Lebenslagen seiner Kolleg:innen kennt und gleichsam aus seiner langjährigen betrieblichen Erfahrung mögliche Entwicklungsperspektiven überblickt, gelingt es ihm immer wieder Kolleg:innen in ihrer Entscheidungsfindung zu Weiterbildungsfragen zu unterstützen. So kann er z. B. einen Kollegen, der unsicher ist, eine Meisterfortbildung zu beginnen mit seiner Einschätzung der betrieblichen Verwertungsaussichten ermutigen. Wenn sich Kolleg:innen fragen: „‚Warum soll ich die Ausbildung auf mich nehmen, wenn ich dann im Endeffekt nichts davon hab?‘“ kann Patrick glaubhaft versichern: „‚Ich seh‘ deine Chancen sehr, sehr positiv!‘ Und da war das Ziel ihn zu motivieren, aufzubauen diesen Schritt zu machen und das hat dann letzten Endes was gemacht für ihn, ja!“ (Patrick, I3).

Anders als bei der aktivierenden Beratungsform, die häufig in einem arbeitsteiligen Team vorkommt, agieren die beiläufig beratenden WBM eher individuell und schöpfen den Rahmen der Möglichkeiten ihrer betrieblichen Position aus, wie z. B. auch Matthias, der seinen Arbeitsplatz in der Nähe der Kaffeemaschine nutzt, um mit den Kolleg:innen zum Thema Weiterbildung ins Gespräch zu kommen oder Rita, die neben ihrer WBM-Rolle auch Personalrätin und Schwerbehindertenvertretung in einer Stadtverwaltung ist. Rita schildert, dass sie im Kontext dieser Aufgabenstellungen immer wieder auf weiterbildungsbezogene Beratungsbedarfe stößt. In diesen Gesprächen „geht es jetzt erst mal gar nicht um Weiterbildung, sondern da geht es um eine gesundheitliche Gleichstellung, oder auch mal beim Personalgespräch … und dann kann Weiterbildung ein Punkt sein“ (Rita, I2), der bislang nicht bedacht wurde.

Ausgangspunkt der beiläufigen Beratungsform sind zusammenfassend vertraute Gespräche, die im Arbeitskontext geführt werden und in denen WBM spontan in ihre Beratungsrolle wechseln. Auch hier geht der Beratungsimpuls von den WBM aus, die häufig betriebliches Kontextwissen mit ihren in der WBM-Qualifizierung angeeigneten Kenntnissen zu Bildungsgängen, Finanzierungsmöglichkeiten und weiterführenden Beratungsangeboten verknüpfen. Diese Beratungsform wird überwiegend von solchen WBM genutzt, die nicht vollständig für eine Tätigkeit in der betrieblichen Interessenvertretung freigestellt sind und die gerade deshalb in engen Kontakt zu ihren Kolleg:innen stehen. Diese WBM sind häufig stark involviert und bleiben z. T. auch außerhalb ihrer Dienstzeit für ihre Kolleg:innen ansprechbar.

4.2.3 Das Format der zentralen Anlaufstelle
„Also das ist so ein All Inclusive Paket“ (Tanja, I3)

Den „Komm-Strukturen“ klassischer Beratungseinrichtungen entspricht am ehesten das Beratungsformat bei dem sich WBM als zentrale Anlaufstelle für Weiterbildungsfragen verstehen. Diese Form wird häufig von freigestellten Interessenvertreter:innen praktiziert, die mitunter auch Kapazitäten haben, Sprechzeiten einzurichten und anders als der Großteil der beiläufig Beratenden über Räumlichkeiten verfügt, in denen geschützte Beratungssituationen überhaupt realisierbar sind. Diesen Ansatz hat ein WBM-Team von Anfang an verfolgen können. Andrea und Bernd arbeiten jeweils als freigestellte Betriebsräte bei einem zu einem großen Automobilkonzern gehörenden Logistikbetrieb. Auch hier zeichneten sich im Kielwasser der Transformation des Automobilsektors Standortschließungen ab, was die WBM bewogen hat, Kolleg:innen verstärkt zur Weiterbildung zu motivieren und zu beraten, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu stärken.

Auch hier spielen kontextbezogene Kenntnisse der Arbeitsbedingungen, betrieblicher Unterstützungsstrukturen und Regelungen, wie z. B. die Möglichkeit Zeitkontingente für Bildungsbeteiligung in Form von Arbeitszeitkonten oder Sabbaticals, eine wichtige Rolle. Besonderes Augenmerk legte dieses WBM-Team auf die Entwicklung eines Ampelsystems, mit dem es erkennen kann, „welche Weiterbildungen hier bei uns am Werk funktionieren, welche nicht. Und mit welchen Weiterbildungen bzw. Themen man sich weiterbildet und dann definitiv einen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte“. (Andrea, I2). Nachdem sie ihre WBM-Rolle im Betrieb bekannt gemacht haben, gibt es auch nach Abschluss der Projektphase noch „sehr viele Kollegen, die zu Einzelterminen kommen, um Informationen zu erhalten, wie sie sich weiterbilden sollen, damit sie am Standort einen besseren Arbeitsplatz erhalten.“ (Miro, I3). Ihre Beratungen gliedern sie in Erstgespräche, in denen Ziele geklärt und erste Informationen zu Weiterbildungsmöglichkeiten gegeben werden. Wenn die Kolleg:innen das Thema Weiterbildung gemeinsam mit den WBM weiter verfolgen möchten, müssen sie initiativ werden und einen Folgetermin vereinbaren. In diesem geht „es dann meistens so in Richtung Bafög, Freistellung usw., dass sie dementsprechend auch sauber aufgestellt sind.“ (Bernd, I2). Andrea und Bernd stehen auch während die Kolleg:innen sich in Weiterbildung befinden als Ansprechpartner:innen zur Verfügung und klären beispielsweise Freistellungsmöglichkeiten für die Prüfungsvorbereitung ab. In ähnlicher Weise agiert auch das WBM-Team des Energieversorgers. Dieses sieht sich in zweifacher Hinsicht als zentrale Anlaufstelle für die weiterbildungsbezogenen Beratungsbedarfe seiner Kolleg:innen. Einerseits berät und begleitet es diese: „Wenn jetzt jemand kommt und sagt, ich hätte gerne eine Beratung, kriegt alles in die Hand, dass wir dann nicht sagen okay, das war's jetzt für uns, sondern auch nachfassen: ‚Wie läuft es gerade? Brauchst du noch was?‘ Und wenn es fertig ist, dann auch noch mal irgendwie einen Abschluss finden. Also das ist so ein All Inclusive Paket.“ (Tanja, I3). Andererseits verweist es an die zuständigen Ansprechpartner im betrieblichen Bildungsmanagement oder setzt sich mit Führungskräften auseinander.

Den Fällen, in denen die WBM-Teams als zentrale Anlaufstelle im Betrieb fungieren ist gemeinsam, dass die WBM überwiegend durch ihre Freistellung in der Arbeitnehmervertretung zeitliche und auch räumliche Möglichkeiten haben, quasi institutionelle Beratungsstrukturen in Form von Sprechzeiten anzubieten. Auch diese WBM-Teams sind im Betrieb gut vernetzt, kennen die Rahmenbedingungen und es zeichnet sich ähnlich wie beim aktivierenden Beratungstyp eine kooperative Zusammenarbeit mit relevanten betrieblichen Akteuren ab. Diese Beratungsform hat sich überwiegend in den Betrieben etabliert, in denen meist qualifizierte Mitarbeiter:innen beschäftigt sind. Im Gegensatz zu den beiden aufsuchenden Beratungsformaten wird der Beratungsanlass durch ein persönliches Anliegen von Ratsuchenden ausgelöst.

Die hier vorgestellten Beratungsformate zeigen sich in jeweils idealtypischen Konstellationen der innerbetrieblichen Angebotsstrukturen, der räumlichen und zeitlichen Ausstattung von WBM mit Ressourcen und den Bedürfnissen der Zielgruppen der WBM. Zudem schließen sich die Beratungsformte nicht gegenseitig aus, so dass insbesondere bei größeren WBM-Teams verschiedene Beratungsformate parallel realisiert werden oder Mischformen entstehen. Nur eines der aufgefundenen Formate wird von Ratsuchenden aufgesucht, von den beiden aufsuchenden Formaten profitieren Beratene, die zuvor nicht aktiv nach Rat gesucht haben.

In der Darstellung der von WBM realisierten Beratungsformate scheinen bereits einige Facetten ihres Selbstverständnisses auf, die im folgenden Abschnitt weiter vertieft werden.

4.3 Selbstverständnis beratender WBM

Während die Zielgruppe der WBM-Beratung zunächst nur indirekt beschrieben werden konnte, ermöglicht das empirische Material eine genauere Charakterisierung der Befragten selbst. Wie bereits bei der Vorstellung des Samples angesprochen, haben die WBM überwiegend eine Funktion in der Arbeitnehmervertretung oder sind als Referent:innen für die diese tätig. Zudem fällt anhand ihrer Beschreibungen des Zugangs zu ihrer WBM-Rolle auf, dass viele WBM aufgrund eigener bildungsbiografischer Erfahrungen motiviert sind, die Bildungsthematik voranzutreiben (Elsholz et al., 2024). Das mag einer der Gründe dafür sein, dass viele WBM für benachteiligte Personengruppen im Betrieb da sein wollen, zu denen sowohl Kolleg:innen mit geringem formalen Qualifikationsniveau, mit Einfachtätigkeiten und geringem Verdienst als auch ganz grundsätzlich die Kolleg:innen „in blau“ (Ulrich, I2) aus der Produktion bzw. den gewerblich-technischen Bereichen.

Insbesondere WBM, die die beiden aufsuchenden Beratungsformen praktizieren, zeigen eine ermutigende, motivierende und empathische Haltung. Bei einigen WBM scheint außerdem ein gewisses pädagogisches Selbstverständnis auf, indem sie ihre Kolleg:innen vom Eigenwert von Bildung überzeugen wollen, so bspw. Patrick, der sich wünscht, dass sich Kolleg:innen aus ihrem „Bandabschnitt [in der Fabrik] befreien und ihre recht eingeschränkte Sichtweise und Welt auch verändern“ (Patrick, I1) oder wie Andreas es ausdrückt: „Dass sie für sich was machen“ (Andreas, I2). Neben dieser eher idealistischen Perspektive ist überwiegend eine pragmatische Sicht auf die Bildungsansprüche von Kolleg:innen zu verzeichnen, für die Doris Aussage exemplarisch ist: „Es muss ja auch realistisch sein! Ne, also Weiterbildung bedeutet ja auch: ich brauche hinterher noch einen Job“ (Rita, I3). Insofern beraten WBM häufig in Einklang zu den in Kapitel 4.2.1 geschilderten Beratungsanliegen in Richtung einer betrieblichen Verwertbarkeit potenzieller Weiterbildungsteilnahmen. Somit zeigt sich ein Spannungsfeld darin, dass sie bei Bildungsanliegen zwischen den Anforderungen und Zielen des Betriebs und den individuellen Wünschen der Beschäftigten vermitteln. Dabei greifen WBM einerseits auf vorhandene weiterbildungsbezogene betriebliche Unterstützungsstrukturen zurück, andererseits kommt es dort zu Zielkonflikten, wo die Vorstellungen und Interessen der Ratsuchenden von denen des Betriebs abweichen oder der Betrieb die subjektiv relevanten Entwicklungsperspektiven nicht anbieten kann. So betont Anke: „Wenn einer jetzt einen Berufswunsch hat und sagt: ‚Mensch hier so Fertigungsmechaniker ist gar nicht so toll, ich möchte eher Gärtner werden.‘ Dann ist das halt sein Werdegang, da kann ich ihn da unterstützen, aber da ist jetzt nicht das Betriebliche im Vordergrund.“ (Anke, I3). In ihrer Idealvorstellung möchten WBM überwiegend erfolgreich zwischen individuellen Wünschen und betrieblichen Interessenlagen vermitteln und ziehen nur in Ausnahmefällen in Betracht, außerhalb betrieblicher Verwertungsmöglichkeiten liegende Beratungsziele anzuvisieren.

WBM fühlen sich in gewissem Maße für die Konsequenzen ihrer Beratung verantwortlich und wollen vermeiden, dass dem Bildungsweg ihrer Kolleg:innen ein (weiterer) Misserfolg hinzugefügt wird. In diesem Zusammenhang nehmen sie häufig mit den Beratenen einen Realitätscheck hinsichtlich der Erfolgsaussichten und praktischen Umsetzbarkeit der ihrer Bildungspläne vor, wie bereits im Zusammenhang mit der beiläufigen Beratungsform am Beispiel von Miro zur Sprache gekommen ist. So hebt auch Andrea hervor, dass es wichtig ist, über Schwierigkeiten und Herausforderungen aufzuklären: „Mir ist auf jeden Fall wichtig, dass nachher eine Klarheit herrscht für die Kollegen, in welche Richtung sie wollen oder ob die Richtung, für die sie sich entscheiden, entweder schwer oder einfach zu erreichen ist. Also dass wirklich Transparenz geschaffen wird.“ (Andrea, I3). Einige WBM gehen in dieser Hinsicht so weit, dass sie darüber nachdenken, innerbetriebliche Checklisten und Standards zu entwickeln, womit sich Bemühungen um eine Qualitätssicherung in Bezug auf den Beratungsprozess abzeichnet.

Das von Andrea angesprochene Bemühen um Transparenz verdeutlicht zudem stellvertretend, dass die meisten WBM ihrem Klientel die Verantwortung für die Weiterbildungsentscheidung überlassen, auch wenn ihnen das nicht immer leicht fällt. In den Aussagen der WBM zu ihrer Beratungsrolle manifestiert sich damit ein weiteres Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, die Probleme der Ratsuchenden zu lösen und dem Anspruch, ihnen die Verantwortung für die Lösungsfindung nicht zu nehmen. WBM erkennen, dass insbesondere bildungsungewohnte Kolleg:innen mehr Hilfestellung, Motivation und auch emotionale Unterstützung benötigen. Weiterhin stellen sie fest, dass Arbeitsbedingungen oder betriebliche Machtkonstellationen, die Durchsetzung individueller Weiterbildungswünsche nicht nur für Geringqualifizierte erschweren. Insofern setzen sich WBM als Brückenbauer:innen oft bei Vorgesetzten oder in den Personalbereichen für die Kolleg:innen ein, die sie beraten. So findet es Andrea einerseits wichtig, dass man als WBM „nicht das Problem für ihn [den Ratsuchenden] lösen will, sondern ihm einfach nur aufzeigt: das gibt es. Und er muss dann auch entscheiden . . . was für ihn dann auch passt.“ (Andrea, I2). Anderseits muss sie stellenweise Probleme für ihr Klientel lösen, weil „eine Führungskraft, die Weiterbildung nicht genehmigen möchte. Ne, das ist dann wieder so ein klassisches Beispiel, wo ich . . . sage: ‚Na ja, dann müssen wir vielleicht mal die Führungskraft überzeugen‘.“ (Andrea, I2). Etwas anders sieht es Ulrich, wenn er sagt: „Letztlich kann ich das Feuer entfachen in der Person und sie geht mit ihrem Wissen dann zu den entsprechenden Stellen, die letztlich mal die Macht haben, etwas umzusetzen." (Ulrich, I2). Hier deutet sich an, dass die Beratenen nach seiner Auffassung selbst bei den Vorgesetzten für ihre Weiterbildungsinteressen einstehen sollen. WBM versuchen entlang betrieblicher und individueller Voraussetzungen ihre Hilfe und Unterstützung so zu dosieren, dass in einem subsidiären Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe wirksam werden kann. Dies erfolgt durchaus auch in Anerkennung ihrer eigenen Grenzen. Sie konstatieren mitunter nüchtern, dass sie nicht jedem helfen, nicht bei allen Kolleg:innen Weiterbildungswünsche wecken können und nicht immer die richtigen Ansprechpersonen sind. So verweisen sie auf externe Unterstützungsstrukturen der Agentur für Arbeit, „die ja speziell die Abteilung hat“ (Andrea, I3) oder ziehen z. B. eine WBM-Kollegin hinzu, die aus eigener Erfahrung zu einem angestrebten Berufsfeld beraten kann und die „dann das ganze Fachliche gemacht“ (Patrick, I3).

Zusammenfassend verstehen sich die beratenden WBM als Vermittler:innen zwischen den subjektiven Bildungsansprüchen und -wünschen ihrer Kolleg:innen und den betrieblichen Rahmenbedingungen bzw. Verwertungsmöglichkeiten. Sie begleiten ihre Kolleg:innen und sehen sich z. T. als Fürsprecher:innen für von ihnen als benachteiligt angesehene Belegschaftsteile. Dabei verfolgen sie einen subsidiären Ansatz, der die Eigenverantwortung der Beratenen stärkt und die unterschiedlichen Unterstützungsbedarfe verschiedener Zielgruppen berücksichtigt. Viele WBM reflektieren die Grenzen ihrer Zuständigkeit, einige sind jedoch persönlich involviert und laufen Gefahr, in ihrer Rolle vereinnahmt zu werden.

5  Ergebnisdiskussion: Ab- und Eingrenzungen

Die im vierten Kapitel vorgestellte Analyse der Beratungsrollen von WBM weist daraufhin, dass sich diese in institutioneller Hinsicht von etablierten Angebotsstrukturen abgrenzen lässt und in professioneller Hinsicht eine eingegrenzte Professionalität aufscheint. Doch wie unterscheidet sich nun die WBM-Rolle von traditionellen Weiterbildungsberatungsangeboten im Feld der BBB-Beratung? Zudem gilt es in diesem Abschnitt die Frage zu beantworten, welchen Mehrwert, die Beratungsfacette der WBM-Rolle für die in der NWS eingegrenzte Zielgruppe entfalten kann.

5.1 Institutionelle Abgrenzungen

Die augenfälligste Abgrenzung der WBM-Beratungsrolle gegenüber traditionellen Beratungsangeboten besteht darin, dass WBM im Betrieb und eben nicht in externen Beratungsinstitutionen agieren. Dies mag zunächst trivial erscheinen, birgt aber durchaus diskussionswürdige Aspekte, die an dieser Stelle aufgezeigt werden. Durch die Situierung der WBM-Beratungsrolle im Betrieb wird eine in sozialräumlich niederschwellige Form der Weiterbildungsberatung realisiert, die arbeitsplatznah in Anspruch genommen werden kann. Sie kann dazu beitragen, die in Kapitel 2.1 angesprochenen institutionellen Hürden für die Inanspruchnahme von Weiterbildungsberatung senken. Dabei zeigen sich in Anlehnung an Bremer et al. (2015) innerbetriebliche Komm- und Gehstrukturen. So weist das Format der „zentralen Anlaufstelle“ mit seiner innerbetrieblichen Komm-Struktur eine gewisse Ähnlichkeit zu traditionellen Beratungsinstitutionen auf und zielt eher auf gut qualifizierte Belegschaften, während mit Geh-Strukturen wie beim aktivierenden und beim beiläufigen Beratungsformat eher gering qualifizierte Belegschaftsteile erreicht werden. Die Analyse zeigt zudem, dass die betrieblichen Kontextbedingungen in hohem Maße in die Beratungen der WBM einfließen, wodurch in Einklang mit den Erkenntnissen von Bremer et al. (2015) auch eine gewisse (betriebs)kulturelle Niederschwelligkeit erzielt werden kann. Stellenweise schränkt dies jedoch den Lösungsraum ein, wenn WBM in der Beratung betriebsinterne Optionen stark fokussieren. Im Beratungsergebnis resultieren aus dieser betrieblichen Einbindung häufig auch in betrieblicher Sicht passfähige Weiterbildungsentscheidungen, was die Neutralität im Vergleich zu öffentlichen Beratungsangeboten einschränkt. Andererseits ermöglicht die Betriebszugehörigkeit der Beratenden, dass sich WBM für die Umsetzung der Weiterbildungsinteressen ihrer Kolleg:innen bei relevanten Entscheidungsträgern einsetzen sowie eine begleitende Unterstützung der in Weiterbildung befindlichen Kolleg:innen anbieten können. Beides dürfte insbesondere für die anvisierte Zielgruppe bedeutsam sein und kann von externen Beratungsdienstleistern kaum erbracht werden.

In personell-arbeitsorganisatorischer Hinsicht agieren WBM im Gegensatz zum klassischen Beratungspersonal in Beratungsinstitutionen nebenamtlich und das häufig in zusätzlichen Rollen. Denn sie sind gleichzeitig WBM und abhängig Beschäftigte und agieren überwiegend auch aus einer Funktion in der GIV heraus. Dies beschränkt zeitliche, mitunter auch räumliche Ressourcen und wirft die Frage nach Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen auf. Die sanktionsfreie Position, die sie im Vergleich zu anderen betrieblichen Beratungsinstanzen (z. B. Vorgesetzte, Personalentwicklung) gegenüber ihrer innerbetrieblichen Klientel haben, schränkt ihr Gestaltungspotential ein, wo sich keine kooperative Zusammenarbeit entwickelt. Während WBM mit Personal- bzw. Betriebsratszugehörigkeit einen auf die Zeit ihres Mandats befristeten arbeitsrechtlichen Schutz genießen, fehlt es anderen WBM (von denen im Sample wenige vertreten sind) an Schutz ihres Arbeitsverhältnisses. In Konfliktfällen könnte dies dazu führen, dass sie ihre eigene Position gefährden. Personal in klassischen Weiterbildungsberatungsinstitutionen oder auch betriebliche Positionen mit ausdrücklichen Beratungsaufgaben laufen nicht oder seltener Gefahr in betriebliche Konfliktfelder hineingezogen zu werden. Auch hier deuten sich Bedarfe der Formalisierung und Absicherung der WBM-Rolle an. Das aktivierende Beratungsformat und das Format der zentrale Anlaufstelle scheinen in Ansätzen institutionell abgesichert zu sein, da sie auf Kooperationen mit betrieblichen Entscheidungsträgern basieren und zumindest informell von diesen mitgetragen werden. Hingegen scheint die beiläufige Beratungsform am wenigsten abgesichert zu sein.

5.2 Professionelle Eingrenzungen

Das im vierten Kapitel beschriebene Selbstverständnis beratender WBM weist in Teilen Parallelen zu dem in Kapitel zwei herangezogenen Aspekten eines professionellen Beratungsverständnisses und den damit verbundenen Beratungskompetenzen auf. Insbesondere streben WBM mehrheitlich eine geteilte Verantwortungsübernahme für den Beratungsprozess an, indem sie informieren und aufklären, letztendlich aber ihren Kolleg:innen in einem subsidiären Ansatz die Verantwortung für Bildungsentscheidungen überlassen. Dabei ist ihnen wichtig, dass ihre Kolleg:innen Bildungsentscheidungen in Abwägung ihrer Bedürfnisse, Verwertungsmöglichkeiten und Ressourcenlagen treffen können, wie dies beispielsweise von Gieseke und Nittel (2016) im professionellen Beratungskontext angeregt wird. Stellenweise scheint ein pädagogisch anmutendes Selbstverständnis mit emanzipatorischem Anspruch auf, wobei der Eigenwert von Bildung betont wird. Ebenfalls bemerkenswert ist die Reflexivität, die viele WBM in Bezug auf ihre eigene Rolle an den Tag legen und die mit der von Schiersmann et al. (2018) angesprochenen Selbstreflexion von Beratenden korrespondiert. Dies führt auch dazu, dass WBM Spannungsfelder zwischen Fremd- und Eigenverantwortung im Beratungsprozess und individuellen und betrieblichen Ansprüchen reflektieren oder sich Gedanken um die Gewährleistung ihrer Beratungsqualität machen.

Trotz dieser Überschneidungen mit einem professionellen Beratungsverständnis, kann – ähnlich wie bei anderen betrieblichen Beratungsformaten (Enoch, 2025) – nicht von einer hoch ausgeprägten Beratungsprofessionalität ausgegangen werden. Dies legt z. B. der beratungsbezogene Umfang der WBM-Qualifizierung nahe. Jedoch soll dies angesichts dessen, dass der Kompetenzerwerb auch in anderen Zusammenhängen, wie z. B. im Rahmen einer Betriebs- oder Personalratstätigkeit stattgefunden haben könnte, nicht allein ausschlaggebend für diese Beurteilung sein. Weitere Indikatoren finden sich in der berichteten Praxis. Darin gibt es selten Anhaltpunkte dafür, dass WBM ihre Beratungsprozesse entsprechen etablierter Phasenmodelle als geplante Abfolge von Prozessschritten strukturieren. Auch wenn WBM viel investieren, um eine tragfähige Beziehung zu ihrer Klientel aufzubauen, schränken die bereits angesprochenen institutionellen Rahmenbedingungen und der nebenamtliche Charakter der Beratungstätigkeit z. B. Möglichkeiten ein, einen verlässlichen und geschützten Raum für die Beratung zu gewährleisten. Es lässt sich zudem nicht ausmachen, dass Beratungskontrakte geschlossen oder die Zielerreichung systematisch evaluiert würde, auch wenn WBM ihre Kolleg:innen zum Teil längerfristig im Weiterbildungsprozess begleiten. Hier schließt sich die Frage an, ob eine Formalisierung und weitere Professionalisierung ihres Beratungshandelns zu Lasten des von den Ratsuchenden wahrgenommenen Peer-to-Peer Verhältnisses als einer Form der sozialen Niederschwelligkeit ginge, wenn die WBM-Rolle entsprechend aufgeladen würde. Damit ist der Blick auf die besonderen Zielgruppen gelenkt, die von beratenden WBM angesprochen werden sollen und auf die nun ein letztes Schlaglicht geworfen werden soll.

5.3 Zielgruppenspezifische Betrachtungen

Mit Blick auf die Zielgruppen ist die WBM-Rolle in der NWS, wie einleitend erwähnt, im Schwerpunkt auf die Aktivierung der Weiterbildungsbeteiligung insbesondere von formal Geringqualifizierter ausgerichtet. In Einklang damit lässt sich beobachten, dass die Zielgruppe der An- und Ungelernten bzw. von Kolleg:innen, die Einfachtätigkeiten im Niedriglohnsektor ausüben, eine wichtige Zielgruppe der WBM darstellen. Generell scheinen die gewerblich-technischen Belegschaftsteile, unabhängig von ihrer Tätigkeit oder Qualifikation von der WBM als bislang bildungsbenachteiligte Beratungszielgruppe wahrgenommen zu werden. Hinsichtlich der Beratungsanliegen zeigt sich, dass diese meist auf betriebsinterne Entwicklungsperspektiven bezogen sind, die sich z. T. situativ ergeben und die, wie von Gieseke (2016) beschrieben, mit diffusen Weiterbildungswünschen einhergehen. Hier können WBM mit ihrem betrieblichen Kontextwissen einen wirkungsvollen Beitrag leisten, die mit den angestrebten Positionswechseln einhergehenden Weiterbildungsbedarfe und -möglichkeiten aufzuklären.

In der Analyse der Beratungsformen zeigt sich, dass insbesondere Geringqualifizierte vom aktivierenden Beratungsformat angesprochen werden, weil ihnen dort passfähige Bildungsangebote offeriert und ihre bildungsbezogenen Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Ähnliches gilt für das beiläufige Beratungsformat, in dem beratende WBM in ähnlichen Funktionen zu den von Bremer et al. (2015) angesprochenen, nicht professionellen Ratgeber:innen auftreten. Allerdings werden mit diesem Format im untersuchten Sample überwiegend Fachkräfte erreicht. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in den jeweiligen Betrieben fast keine Geringqualifizierten beschäftigt sind. Vom Grundsatz her, dürfte sich auch dieses Beratungsformat als niederschwellige „Geh-Struktur“ (Bremer et al, 2015, S. 25) für die Aktivierung von An- und Ungelernten eignen. In ihrer Zusammenarbeit mit externen Stellen, wie den Arbeitsagenturen könnten WBM auch eine wichtige Lotsenfunktion übernehmen. Insbesondere könnten WBM eine Verbindung zur dort angesiedelten BBiE herstellen, um auch diejenigen Kolleg:innen an professionelle Beratungsinstanzen weiterzuleiten, die bislang die Inanspruchnahme von Beratungsinstitutionen scheuen.

6 Fazit und Ausblick

Die Auswertung der Begleitstudie zur Implementierung gewerkschaftlich qualifizierter betrieblicher WBM zeigt im Hinblick auf die in der NWS intendierten Beratungsfunktion, dass WBM-Beratung durchaus einen Beitrag zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung bislang weiterbildungsabstinenter Personengruppen leisten kann. Dieses Ziel kann in besonderem Maße durch aufsuchende Formen der Beratung erreicht werden. Die Auseinandersetzung mit dem eingegrenzten Beratungsverständnis zeigt Überschneidungen mit einem professionellen Beratungsverständnis insbesondere durch einen subsidiären, die Eigenverantwortlichkeit der Beratenen stärkenden Ansatz. Es zeigt aber auch Lücken hinsichtlich der Strukturierung und Formalisierung des Beratungsprozesses. WBM vermögen mitunter aber auch mehr zu leisten, als klassische professionelle Weiterbildungsberatung, da sie in der Beratung auf das für ihre Zielgruppen relevante betriebliche und z. T. auch private Kontextwissen zurückgreifen können. Wenn Weiterbildungsberatung für s. g. Bildungsferne“ vorrangig als emphatische Beziehungsarbeit zu gestalten ist, die auf zielgruppenspezifischem Wissen basiert (Bremer et al., 2015), dann bringen WBM dafür gute Voraussetzungen mit.

Auch im Rahmen der institutionellen Abgrenzung wird sichtbar, dass die Beratungsfunktion von WBM die bestehende inner- und außerbetriebliche Beratungslandschaft ergänzen kann, weil sie einen in räumlicher, betriebskultureller und sozialer Hinsicht niederschwelligen Einstieg in die Weiterbildungsberatung ermöglicht. Mit ihrer eingegrenzten Professionalität und Neutralität kann und sollte sie professionelle Beratungsangebote nicht ersetzen. Die noch wenig ausgeprägte organisationale Einbettung der WBM-Rolle kann allerdings individuelle Risiken und Konfliktlinien für die WBM verursachen. Somit erscheinen die von bildungspolitischer Seite in diese Rolle gesetzten Hoffnungen nicht unbegründet, jedoch deutet sich an, dass die WBM-Rolle institutionell besser abzusichern ist. Insbesondere für WBM, die in beiläufigen Beratungsformaten agieren und persönlich involviert sind, zeichnet sich eine Entgrenzung von nebenamtlicher Beratungstätigkeit, Erwerbstätigkeit und Privatleben ab, die zu individuellen Überforderungen führen kann. Dem konnte in dieser Untersuchung nicht näher nachgegangen werden. Diesbezüglich wären ausdrücklich auf das Selbstkonzept der Beratungskompetenz zugeschnittene Untersuchungen sinnvoll, wobei geprüft werden sollte, ob bestehende Instrumente, die für beratende Lehrkräfte (z. B. Schwanzer & Frei, 2014) entwickelt wurden auf die WBM-Rolle übertragbar sind. Die im Rahmen einer weiteren Förderphase geplante Übertragung von WBM Konzepten auf kleine und mittlere Unternehmen (BMBF, 2024), in denen häufig keine GIV etabliert ist, könnte die Herausforderungen für die nebenamtliche WBM-Beratungsrolle verschärfen. Bisher agieren WBM überwiegend innerhalb von Schutzräumen, die durch die enge Anbindung der WBM-Rolle an die gesetzliche Interessenvertretung sowie durch gewerkschaftliche Unterstützung entstehen. Diese dürften im KMU-Kontext weitgehend entfallen, weshalb zu klären wäre, wie die Rolle mit den notwendigen zeitlichen aber auch materiellen Kapazitäten ausgestattet und arbeitsrechtlich abgesichert werden kann.

Die in diesem Beitrag vorgestellten Erkenntnisse beruhen auf einer explorativen Studie mit einer Positivauswahl betrieblicher Fälle. Diese gewähren erste Einblicke in das Potenzial und die Herausforderungen der WBM-Rollenübernahme. Die Ergebnisse lassen sich nur eingeschränkt verallgemeinern und bedürfen weiterer Überprüfung. Zudem ist in dieser Studie die Sicht der Beratenen nur indirekt aus den Praxisbeschreibungen der interviewten WBM erfasst worden. Diese Perspektive wäre sinnvollerweise in künftigen Forschungsbeiträgen zu ergänzen, um die Wirkungen der Beratungsfunktion von WBM genauer verstehen und weiter aufzuklären, welcher Professionalisierungsgrad sich für einen niederschwelligen Beratungsansatz als funktional erweisen kann.

Literatur

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BMBF: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2024). Richtlinie zur Förderung von Projekten zur Steigerung und Stärkung der berufsbezogenen Weiterbildung durch Qualifizierung und Etablierung von Weiterbildungsmentorinnen und Weiterbildungsmentoren. Bundesanzeiger, BAnz AT 14.11.2024. B1. https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/LwHv5rwJMO3Irs8iMm2/content/LwHv5rwJMO3Irs8iMm2/BAnz%20AT%2014.11.2024%20B1.pdf

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[1]    Der Terminus BBB-Beratung wurde maßgeblich vom Nationalen Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb) geprägt wurde, kursieren im Umfeld des nfb alternative Bezeichnungen wie „Lebensbegleitende Bildungs- & Berufsberatung“ (Schober & Lampe 2022) oder „Beraten im Kontext lebenslangen Lernens“ (Schiersmann, 2021). In diesem Aufsatz wird einheitlich von BBB-Beratung gesprochen.

Zitieren des Beitrags

Thomas, M. (2025). Weiterbildungsmentor:innen als neue Player in der Weiterbildungsberatung: Ab- und Eingrenzungen. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 48, 1–23. https://www.bwpat.de/ausgabe48/thomas_bwpat48.pdf

Veröffentlicht am 23. Juni 2025