Über bwp@
bwp@ ... ist das Online-Fachjournal für alle an der Berufs- und Wirtschaftspädagogik Interessierten, die schnell, problemlos und kostenlos auf reviewte Inhalte und Diskussionen der Scientific Community zugreifen wollen.
bwp@ 49 - Dezember 2025
Innovation und Transfer in der beruflichen Bildung
Hrsg.: , , &
Von der Theorie zur Praxis und zurück: Digitale Handlungskompetenz nachhaltig transferieren mit MIKA
Der digitale Wandel stellt neue Anforderungen an die berufliche Bildung und erfordert eine gezielte Qualifizierung des Ausbildungspersonals im Umgang mit digitalen Medien. Das Weiterbildungsangebot MIKA (Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal) des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) greift diesen Bedarf auf und überführt ein aus dem Forschungsprojekt „Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung – Medienaneignung und Mediennutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal“ (DiMBA) entstandenes Kompetenzmodell in ein praxisnahes, standardisiertes, modulares Weiterbildungsangebot. MIKA steht exemplarisch für eine zielgruppenfokussierte und systematisch begleitete Transferpraxis, bei der wissenschaftliche Konzepte in ein konkretes, nutzbares und evaluierbares Weiterbildungsangebot für die berufliche Bildung transformiert wurde. Der Beitrag beleuchtet Gelingensbedingungen und Herausforderungen dieses Transferprozesses und zeigt, wie Forschungsergebnisse in tragfähige Qualifizierungsformate überführt werden können – mit dem Ziel der nachhaltigen Verankerung im System der beruflichen Bildung.
From Theory to Practice and back: Enabling the sustainable transfer of digital competence with MIKA
The digital transformation is placing new demands on vocational education and training and requires targeted training for training staff in the use of digital media. MIKA (Media- and IT-Skills for Training Staff) continuing education program offered by the Federal Institute for Vocational Education and Training (BIBB) addresses this need and transfers a competence model developed in the research project “Digital media in in-company vocational training. Media Appropriation and Media Use in the everyday Practice of in-company training staff” (DiMBA) into a practical, standardized, modular continuing education program. MIKA is an example of a target group-focused and systematically supported transfer model in which scientific concepts have been translated into a concrete, usable, and evaluable continuing education program for vocational education and training. This article highlights the success factors and challenges of this transfer process and shows how research results can be transferred into viable qualification formats – with the aim of embedding them sustainably in the vocational training system.
- Details
1 Qualifizierungsbedarf in der beruflichen Bildung
Die digitale Transformation stellt eine der zentralen Herausforderungen der beruflichen Bildung dar. Produktionsprozesse, Arbeitsorganisation, Kommunikationsformen und nicht zuletzt Lehr- und Lernprozesse verändern sich durch den Einsatz digitaler Technologien tiefgreifend. In der Folge verschieben sich die Qualifikationsanforderungen an Fachkräfte und erfordern immer wieder neue Wege bei der Gestaltung einer zeitgemäßen, nachfrageorientierten und damit wettbewerbsfähigen Ausbildungspraxis. Während digitale Technologien in Betrieben und Verwaltungen zunehmend Standard sind, bleibt ihre systematische Integration in Ausbildungsprozesse häufig aus (Härtel et al., 2018b, S. 9.). Bildungspolitische Strategien der letzten Jahre unterstreichen diese Entwicklung und verweisen explizit auf die Notwendigkeit, das Ausbildungspersonal in seiner Rolle als Gestalter des digitalen Wandels zu stärken (BMBF, 2019, S. 6).
Damit ergibt sich ein Spannungsfeld: Einerseits bestehen hohe Erwartungen an die Innovationsfähigkeit beruflicher Bildung, andererseits fehlt es dem Ausbildungspersonal vielfach an spezifischen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien und IT-Systemen.
Bildungsverantwortliche stehen angesichts dieser Dynamik in der Verantwortung, Medienbildung gezielt zu fördern, um Gestaltungsmöglichkeiten zum Umgang mit dem digitalen Wandel in der Berufs- und Arbeitswelt zeitgemäß zu konzipieren, zu erproben und zu implementieren. Ohne eine grundlegende Medienkompetenz, mit deren Hilfe ein reflektierter Umgang mit dem Potenzial digitaler Werkzeuge erst ermöglicht wird, ist qualifizierte Facharbeit inzwischen nicht mehr denkbar – sie ist Voraussetzung dafür.
Am Beispiel der Berufsbildung und der Zielgruppe des betrieblichen Ausbildungspersonals wird in diesem Beitrag dargestellt, wie der stete Wechsel zwischen Forschungs- und Praxisarbeiten zum Weiterbildungsangebot „MIKA – Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal“ geführt hat. Es zeichnet sich dadurch aus, im Kontext des skizzierten Wandels digitale und medienpädagogische Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals kontinuierlich entlang der jeweils neu entstehenden betrieblichen Ausbildungsprozesse zu fördern.
1.1 Zielgruppe betriebliches Ausbildungspersonal
Ausbildungspersonal nimmt eine Schlüsselrolle im Prozess der digitalen Transformation ein. Bundesweit tragen in allen Branchen und Betriebsgrößen ca. drei Millionen Ausbilder/-innen (Wenzelmann 2024, S. 2) Verantwortung dafür, in ca. 408.690 Ausbildungsbetrieben (BIBB 2024, S. 190) betriebliche Aus- und Weiterbildung so zu gestalten, dass sie den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist. Ausbilder/-innen stehen den Auszubildenden moderierend und beratend zur Seite, geben der immer heterogener werdenden Zielgruppe Orientierung, bereiten sie als künftige Fachkräfte auf ihre Aufgaben in einer immer komplexeren und zunehmend digitalisierten Arbeitswelt vor und tragen so zur Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland bei. Sie repräsentieren nicht nur Fachexpertise in ihrem jeweiligen Beruf, sondern handeln gleichzeitig als pädagogische Fachkräfte, die berufliche Handlungskompetenz der Auszubildenden im „Prozess der Arbeit“ in ihrem jeweiligen Betrieb fördern (Härtel et al. 2018b, S. 3-4.).
Die entsprechende Kompetenzentwicklung und Professionalisierung des betrieblichen Ausbildungspersonals ist daher einer der entscheidenden berufsbildungspolitischen Parameter, um Ausbildungsbetrieben im Transformationsprozess die Ressourcen an die Hand zu geben, mit deren Hilfe ihr Ausbildungspersonal digitale Lehr- und Lernumgebungen reflektiert gestalten kann.
2 Forschung und Praxis: Vom „Modell der medienpädagogischen Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals“ zum Weiterbildungsangebot MIKA
2.1 Forschungsprojekt „Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung“
„Digitale Medien in der Berufsausbildung können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn es dem verantwortlichen Ausbildungspersonal möglich ist, aus der Vielzahl der inzwischen bereitstehenden digitalen Werkzeuge diejenigen gezielt auszuwählen, die einen konkreten Nutzen für einen bestimmten Ausbildungsprozess in einer bestimmten Domäne erbringen“ (Gensicke et al. 2020, S. 140).
Diese Feststellung entspringt einer Forschungsreise in mehreren Etappen, die sich der Herausforderung angenommen hat, ein Modell zur Förderung medienpädagogischer Kompetenz für betriebliches Ausbildungspersonal zu entwickeln. Dabei wurde stets ein partizipativer Ansatz verfolgt und die Zielgruppe Ausbildungspersonal in jedem Schritt eingebunden. Konzeptionelle Arbeiten zur inhaltlichen Aufbereitung sowie zur Didaktik und Methodik, betriebliche Pilotphasen, Reflexion und Analyse, Anpassung der inhaltlichen Entwicklung und erneute betriebliche Umsetzung, Reflexion und Analyse im Kontext eines begleitenden Monitorings wechselten sich kontinuierlich ab.
Das Forschungsprojekt „Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung – Medienaneignung und Mediennutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal (DiMBA)“ (Härtel et al. 2018b) des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) wurde in diesem Kontext initial in Zusammenarbeit mit zwei Instituten der Universität Bremen, ifib – Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH und ITB – Institut Technik und Bildung, durchgeführt. Im Vorfeld der Forschungsarbeiten und unmittelbar im Anschluss flankierten zwei repräsentative Betriebsbefragungen zum Einsatz und zur Nutzung digitaler Medien diesen Themenkontext (Gensicke et al. 2016; Gensicke et al. 2020).
Zentrale Fragestellungen, erarbeitet auf Basis von Interviews und Workshops rund um das Thema „Einsatz digitaler Medien in der Ausbildungspraxis“, waren:
- „Wie wählt betriebliches Ausbildungspersonal digitale Medien für ihre alltägliche Aus- und Weiterbildungspraxis aus?
- Wie bindet betriebliches Ausbildungspersonal digitale Medien in berufliche Aus- und Weiterbildungsprozesse ein?
- Welchen Unterstützungsbedarf sieht betriebliches Ausbildungspersonal, um digitale Medien in berufliche Aus- und Weiterbildungsprozesse einzubinden?“ (Härtel et al. 2018b, S. 8)
Die methodisch breit angelegte Studie bestand zu einem Teil aus über 2.000 quantitativen Betriebsbefragungen. Die Befragungen erfassten alle Betriebsgrößenklassen und nahezu alle Branchen. Ziel war es, eine repräsentative Datengrundlage zum Umfang und zu den Nutzungsformen digitaler Geräte und Medien in der täglichen Arbeit und in der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Betrieben zu liefern und im Trendvergleich abzubilden. Ergänzt wurden die quantitativen Erkenntnisse um qualitative Ergebnisse auf Basis von 30 Leitfadeninterviews (Gensicke et al. 2020, S. 21).
In der Summe verweisen die Befragungen darauf, dass trotz der Verfügbarkeit immer leistungsstärkerer Endgeräte deren Nutzung durch Ausbildungspersonal auf vergleichsweise durchschnittlichem Niveau bleibt. Die Potenziale digitaler Medien in der betrieblichen Ausbildung werden kaum ausgeschöpft. Der Einsatz digitaler Medien erfolgt oft unsystematisch oder zufällig – je nach Wissensstand der Ausbilder/-innen (Härtel et al. 2018b, S. 9). Unsicherheiten über rechtliche Rahmenbedingungen und geringe Kenntnisse über didaktische Potenziale oder Einsatzmöglichkeiten stellen dabei ein großes Hemmnis dar (Gensicke et al. 2020, S. 3). Fehlende Kenntnisse zum reflektierten Einsatz der damit verbundenen Werkzeuge lassen sich u. a. auf entsprechende geringe medienpädagogische Kompetenz zurückführen.
2.2 Entwicklung des „Modells der medienpädagogischen Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals“
Ein zentraler Ausgangspunkt für die Entwicklung von MIKA war das im Rahmen des Forschungsprojekts DiMBA (Digitale Medien in der beruflichen Ausbildung) entstandene Kompetenzmodell. Dieses „Modell der medienpädagogischen Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals“ wurde entwickelt, um die spezifischen Anforderungen an das betriebliche Ausbildungspersonal im digitalen Wandel systematisch zu erfassen und zu strukturieren (Härtel et al. 2018a; 2018b).
Abbildung 1: Modell der medienpädagogischen Kompetenz (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Härtel u. a. 2018b, S. 22)
Das Modell geht von der Annahme aus, dass Ausbilder/-innen in der Lage sein müssen, digitale Medien nicht nur zu bedienen, sondern sie reflektiert und zielgerichtet in Ausbildungskontexte einzubetten. Dieses Modell setzt sich aus drei wechselseitig in Beziehung stehenden Komponenten zusammen: Mediendidaktik (Förderung des Lernens mit Medien), Medienerziehung (Lernen über Medien) sowie Medienintegration (Medien im Rahmen der betrieblichen Organisationszusammenhänge einbetten). Innerhalb dieser Komponenten wird medienbezogenes, pädagogisches Handeln im Berufsbildungskontext strukturiert und präzise beschreibbar. Getragen wird die medienpädagogische Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals dabei von der individuell vorhandenen Medienkompetenz des einzelnen Ausbilders bzw. der einzelnen Ausbilderin, indem jeweils an die basalen Kompetenzen im Umgang mit Medien – Mediennutzung, Mediengestaltung, Medienkunde, Medienkritik (Bundeszentrale für politische Bildung et al., 1999) – angeknüpft bzw. darauf aufgebaut wird (Härtel et al. 2018b, S. 21-22).
Für das Ausbilderhandbuch (Howe et al., 2017) konnte der Aneignungsprozess medienpädagogischer Kompetenz der Ausbildungspraxis, idealtypisch aufbereitet, breitenwirksam zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist hier die konzeptionelle Überlegung eines Aneignungsprozesses, also der Option, sich als Ausbilder/-in mittels des Modells ein grundlegendes Wissen medienpädagogischer Kompetenz selbstständig anzueignen und sich auf der damit gewonnenen Basis im individuellen Ausbildungsalltag Schritt für Schritt weiter zu professionalisieren.
Abbildung 2: Prozess medienpädagogischer Kompetenzaneignung (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Härtel et al. 2018b, S. 23)
Dieser Prozess ist durchaus anspruchsvoll, denn die durch die Komponenten repräsentierten Teilkompetenzen in der Mediendidaktik, der Medienerziehung und der Medienintegration müssen vom Berufsbildungspersonal in einem ersten Schritt zunächst erworben werden. Das Modell fasst die Aneignung medienpädagogischer Kompetenz als einen dynamischen Prozess auf, der sich in einem (idealtypischen) Kreislauf abbilden lässt. Dabei greifen die einzelnen Elemente jeweils ineinander und begründen so einen kontinuierlichen Prozess einer medienpädagogischen Professionalisierung (Härtel et al. 2018b, S. 23-24.).
Indem die Prozesselemente auf die einzelnen Komponenten medienpädagogischer Kompetenz Bezug nehmen, lassen sich diese jeweils noch weiter ausdifferenzieren und operationalisieren. So sind z. B. zunächst die Bedingungen für mediendidaktisches Handeln zu erkennen und zu berücksichtigen, daran anschließende Ansätze und Beispiele für mediendidaktisches Handelns zu identifizieren und einzuschätzen, um auf dieser Basis schließlich eigene Angebote für mediendidaktisches Handeln entwickeln, umsetzen und bewerten zu können. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen münden wieder in den Kreislauf ein, der prinzipiell beliebig oft durchlaufen werden kann (Härtel et al. 2018b, S. 23-24.).
2.3 Berufliche Medien- und IT-Kompetenz
Für die Entwicklung des Modells wurde auf einen im Diskurs zur medienpädagogischen Kompetenz seit vielen Jahren übereinstimmenden Theorierahmen zurückgegriffen, dem die Unterscheidung von individueller Medienkompetenz und medienpädagogischer Kompetenz zugrunde liegt (Härtel et al. 2018b, S. 15) – so zu finden u. a. bei Baacke (Bundeszentrale für politische Bildung et al., 1999) oder Tulodziecki et al. (2010). Blömekes (2005) Modell einer medienpädagogischen Kompetenz für die Lehramtsausbildung zufolge ist die individuelle Medienkompetenz (einer Lehrperson) als Voraussetzung für die Entwicklung medienpädagogischer Kompetenz wesentlich, diese reicht aber nicht aus, um (digitale) Medien in Lehr-Lern-Prozessen sinnvoll verankern zu können.
Medienkompetenz wird hier verstanden als die Fähigkeit, digitale Medien bewusst im Ausbildungsprozess auszuwählen, um diese reflektiert und gewinnbringend einsetzen zu können. Hinzu kommen die Bereitschaft und Qualifikation, Medien unter Berücksichtigung der jeweils betriebsspezifischen Bedingungen in den (eigenen) Ausbildungsalltag zu integrieren (Härtel et al. 2018b, S. 15-17). Voraussetzung für den bewussten und reflektierten Einsatz digitaler Medien im Ausbildungsalltag ist eine grundlegende IT-Kompetenz, bei der vor allem technische Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Das Ausbildungspersonal muss auf der technischen Ebene in der Lage sein, digitale Medien für den Ausbildungskontext zu erstellen und anzuwenden. Hinzu kommen Fähigkeiten, technische Hindernisse zu erkennen und technische Probleme zu lösen (Härtel et al. 2018b, S. 15-17).
Ein in diesem Kontext entwickelter Definitionsvorschlag für den Begriff „berufliche Medien- und IT-Kompetenz“ entstand parallel zu den Forschungsarbeiten und wurde in der Publikation „Medien- und IT-Kompetenz als Eingangsvoraussetzung für die berufliche Ausbildung – Synopse“ (Härtel et al. 2018a) veröffentlicht. Die Erarbeitung der Synopse fokussierte auf seinerzeit aktuelle Studien zum Einsatz und zur Bewertung digitaler Medien. Die Analyse ausgewählter Ordnungsmittel mit der Beschreibung des Einsatzes digitaler Medien komplettierte die damit verbundene Recherche.
Berufliche Medien- und IT-Kompetenz (operationalisiert)
„Berufliche Medien- und IT-Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft eines Individuums,
- unter anforderungsgerechter, sachgemäßer, systematischer und reflektierter Auswahl und Verwendung informationstechnischer Infrastruktur, Geräte, Systeme und Anwendungen,
- mithilfe selbst gestalteter medialer Produkte,
- in einer medial gestützten Kommunikationskultur,
- individuell, sozial, ökonomisch und ökologisch verantwortlich und durchdacht,
- ein berufliches Ziel zu erreichen, eine berufliche Herausforderung zu bewältigen oder ein berufliches Problem zu lösen.
Im Einzelnen bedeutet dies, dass das Individuum fähig und bereit ist,
- allgemeine Softwareanwendungen (Office-Paket; Foto-, Audio-, Videobearbeitung usw.) auszuwählen und einzusetzen (allgemeine Bedienkompetenz),
- berufsspezifische Softwareanwendungen auszuwählen und einzusetzen (domänenspezifische Bedienkompetenz),
- die ethischen, rechtlichen, persönlichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen und Konsequenzen seines Handelns zu verstehen, zu berücksichtigen und zu reflektieren (Analyse- und Reflexionskompetenz),
- Informationen medienübergreifend zu recherchieren, zu bewerten, zu strukturieren und weiterzuverwenden (Informationskompetenz),
- mediale Produkte zu gestalten (Gestaltungskompetenz),
- medial gestützte Kommunikation verantwortungsvoll zu nutzen (Kommunikationskompetenz),
- eigene Lernbedarfe hinsichtlich aktueller IT- und Medienentwicklungen zu erkennen und entsprechende Lernprozesse zu initiieren (Lernkompetenz),
- Strategien zur Problemlösung durch Algorithmen zu erkennen, zu verstehen und zu entwickeln und deren Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reflektieren (algorithmische Kompetenz),
- vorhandene Software (Programmstruktur, Programmiersprache, Programmiermethode) zu analysieren, anzupassen und zu aktualisieren (praktische Informationskompetenz),
- vorhandene IT-Systeme (Betriebssysteme, Ein- und Ausgabegeräte, Schnittstellen, Vernetzung) zu analysieren, anzupassen und zu konfigurieren (technische Informatikkompetenz).“ (Härtel et al. 2018a, S.14)
Ähnlich wie Taschwer (2020) die digitalen Kompetenzen als „vierte Kulturtechnik“ beschreibt, kann auch Medien- und IT-Kompetenz als eine solche für das 21. Jahrhunderts bezeichnet werden. So ist Medien- und IT-Kompetenz die Voraussetzung für eine zukunftsfähige berufliche Handlungskompetenz (Härtel et al. 2018a, S. 4).
2.4 Entwicklung des modularen Weiterbildungsangebots MIKA
Die skizzierten Forschungsarbeiten lieferten eine valide Grundlage für die Konzeption eines Standards zur Förderung von Medien- und IT-Kompetenz für betriebliches Ausbildungspersonal in Gestalt des Weiterbildungsangebots MIKA (Medien- und IT-Kompetenz für betriebliches Ausbildungspersonal). Vom BIBB entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert (BMBFSFJ), wird MIKA bundesweit in kooperierenden Bildungseinrichtungen angeboten.
MIKA bietet mit seinen Kernbestandteilen einen ganzheitlich medienpädagogischen und informationstechnologischen Ansatz, um Ausbildungspersonal kontinuierlich auf die sich fortlaufend wandelnden Herausforderungen der Digitalisierung vorzubereiten. Die basalen und niedrigschwelligen Weiterbildungen sind Hauptbestandteil von MIKA. Sie sind mit dem Ziel entwickelt worden, Ausbilder/-innen beim Einsatz digitaler Technologien in Lehr- und Lernprozessen zu unterstützen und ihre Medien- und IT-Kompetenz zu fördern. Die Weiterbildungen werden aktuell in zwei Formaten angeboten: MIKA-Seminare finden über zwölf Wochen in Form einer 60-stündigen berufsbegleitenden Weiterbildung im Blended-Learning-Format statt. 2025 wurde ein weiteres Format eingeführt: MIKA-Kompakt ist eine verkürzte Variante der Weiterbildung MIKA-Seminare. Sie findet an fünf Arbeitstagen in Präsenz statt und umfasst insgesamt 35 Zeitstunden (siehe Kapitel 3.2 Pilotierung MIKA-Kompakt). Zwei weitere, das Weiterbildungsangebot komplementierende, zentrale Bausteine sind die Lernplattform MIKA-Campus, wo sich u. a. die Teilnehmenden der MIKA-Seminare auf die Veranstaltungen vorbereiten, sowie die vom BIBB durchgeführte Online-Zertifizierung zum/zur MIKA-Trainer/-in. Die Zertifizierung befähigt zur eigenständigen Durchführung und soll bundesweit einen flächendeckenden Qualitätsstandard für MIKA-Weiterbildungen gewährleisten (Deininger & Da Silva Gonçalves, 2022; Deininger, 2022; BIBB, 2025).
Um der Vielfalt an medienpädagogischen (Teil-)Kompetenzen eine inhaltliche Ordnungsstruktur zu geben, wurden in Anlehnung an den Europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (European Commission, 2017) und auf Basis der Strategie der Kultusministerkonferenz zur Bildung in der digitalen Welt (KMK, 2016) sechs Themen entwickelt. Sie behandeln Schwerpunkte der Medien- und IT-Kompetenz, decken damit Inhalte der Standardberufsbildposition „Digitalisierte Arbeitswelt“ (HA des BIBB, 2021) ab und geben gleichzeitig den Ablauf und die Reihenfolge der Weiterbildungen vor (Deininger & Da Silva Gonçalves, 2022). Sie beginnen mit dem Modul „Digitale Welt verstehen“ und enden mit „Feedback & Reflexion“. Je nach Interesse der Lernenden und den jeweiligen berufsspezifischen Anforderungen können sich Themen überschneiden und unterschiedliche Schwerpunkte ergeben (vgl. Abbildung 3):
Abbildung 3: MIKA-Themenkreis (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an KMK, 2016)
2.5 Weitere Elemente in der MIKA-Lernwelt
Ergänzend hierzu wurde das Portfolio in den vergangenen Jahren sukzessive um weitere digitale Werkzeuge und Angebote erweitert, die den Transfer der Lerninhalte in die Praxis unterstützen und zugleich neue Zielgruppen ansprechen. Diese zusätzlichen Elemente erweitern die Lernwelt über die klassischen Formate hinaus und schaffen niedrigschwellige, alltagsnahe Zugänge zu Medien- und IT-Kompetenz.
Anfang 2023 wurde das Portfolio um ein spielerisches Format ergänzt. Das Lernspiel MIKA-Game ist ein Serious Game zur Förderung der Medien- und IT-Kompetenz. Es verfolgt die kombinierten Lernziele der MIKA-Weiterbildungen und des ICDL (International Certification of Digital Literacy – internationaler Standard für die Entwicklung digitaler Kompetenzen im Beruf) sowie die inhaltlichen Schwerpunkte der Standardberufsbildpositionen „Digitalisierte Arbeitswelt“ und „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“. Es beinhaltet aktuell knapp 2.100 Fragen zu den MIKA-Themen sowie flankierende Fragen zu den genannten Standardberufsbildpositionen. Unterschiedliche Spielemodi laden Ausbildungspersonal, Auszubildende und (digitalaffine) interessierte Dritte dazu ein, ihre individuellen Medien- und IT-Kompetenzen spielerisch zu testen und gleichzeitig zu fördern (BIBB, 2025).
Darüber hinaus wurde mit MIKA-Do eine digitale Pinnwand entwickelt, die es ermöglicht, Arbeitsprozesse sowie Lern- und Arbeitsaufgaben strukturiert abzubilden. Texte, Bilder, Videos, Links oder digitale Arbeitsaufgaben können integriert, geteilt und kollaborativ bearbeitet werden. Damit unterstützt das Tool nicht nur die Organisation des Ausbildungsalltags, sondern eröffnet auch neue Wege für kooperatives Wissensmanagement. Angesichts des Fachkräftemangels gewinnt die übergeordnete Idee an Bedeutung, Wissen nach dem Prinzip „freie Bildungsmaterialien von Fachkräften für Fachkräfte“ bereitzustellen und weiterzugeben (BIBB, 2025).
Aufgrund des hohen Interesses an MIKA werden zahlreiche weitere Formate und Ableger entwickelt. Seit Mitte 2025 wird an einem reinen Online-Format der MIKA-Seminare gearbeitet: MIKA-Online. Dieses neue Angebot adressiert insbesondere Ausbildungspersonal, welches bereits über solide digitale Kompetenzen verfügt und daher von einer ortsunabhängigen sowie zeitlich flexiblen Weiterbildung profitieren kann. Der Impuls hierzu ging maßgeblich von jüngeren Ausbilderinnen und Ausbildern aus, die den Bedarf nach stärker individualisierbaren Lernmöglichkeiten formulierten. Derzeit befindet sich das Format in der konzeptionellen Phase, die Recherchen, Materialentwicklung und didaktische Planung umfasst. Mit diesem Schritt wird das MIKA-Portfolio um eine weitere, zielgruppenspezifische Variante ergänzt, die zugleich einen Beitrag zur nachhaltigen Skalierung und Diversifizierung des Transferprozesses leistet.
Darüber hinaus entstehen zunehmend weitere optionale Elemente, die das Portfolio flexibel erweitern. Dazu zählen beispielsweise spezifische Lernbausteine auf dem MIKA-Campus, sogenannte Lern-Nuggets, zu aktuellen Querschnittsthemen wie dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Ausbildungspraxis. Solche Ergänzungen ermöglichen es, die Inhalte bedarfsorientiert zu vertiefen und MIKA kontinuierlich an neue technologische und bildungspolitische Entwicklungen anzupassen. Auf diese Weise bleibt die Lernwelt offen für Innovationen und gewährleistet, dass sie auch langfristig den Anforderungen der digitalen Transformation in der beruflichen Bildung gerecht wird.
2.6 Didaktischer Ansatz
Der mit der Weiterbildung MIKA-Seminare verbundene didaktische Ansatz fokussiert auf eine berufsbegleitende betriebliche Weiterbildung, die explizit in betriebliche Ausbildungs- und Arbeitsprozesse integriert ist. Dieser Ansatz eines in Ausbildungs- und Arbeitsprozesse integrierten Konzepts, der in den oben angegebenen Forschungsarbeiten (Gensicke et al., 2016; Gensicke et al., 2020) im Rahmen von Interviews und Workshops immer wieder von der Zielgruppe Ausbildungspersonal als „alltagstauglich“ dargestellt wurde, hat sich bewährt.
Im Mittelpunkt der MIKA-Seminare steht die begleitende Projektarbeit, die auf der Struktur einer Lern- und Arbeitsaufgabe nach Howe und Knutzen aufbaut (Howe & Knutzen, 2013, S. 12). Mithilfe digitaler Tools erstellen die Teilnehmenden im Rahmen ihrer Projektarbeit selbstständig digitale Medienformate, die sie direkt in die eigene Ausbildungspraxis integrieren können.
Die Grundlage dafür bildet das „Modell der vollständigen Handlung“, das aus sechs aufeinander aufbauenden Schritten besteht.1 Die begleitende Projektarbeit integriert sich in dieses Modell: Die Teilnehmenden definieren einen Arbeitsprozess aus ihrem persönlichen Ausbildungsalltag, egal ob Handwerk, Industrie, Hotel- und Gastgewerbe oder Handel. Anschließend unterfüttern sie ihren eigenen Arbeitsprozess nach und nach mit selbst erstellten digitalen Medien. Die Formate reichen vom Quiz über Erklärvideos bis hin zu Infografiken. Entwickelt werden die digitalen (Lern-)Formate mit leicht zu bedienenden Tools. Am Ende profitieren alle Teilnehmenden von einer umfangreichen digitalen Toolbox, die sie selbst ausprobiert und reflektiert haben. Die Tools sind ein konkretes Ergebnis der erworbenen Medien- und IT-Kompetenz. Die Teilnehmenden haben nicht nur gelernt, ihren eigenen Ausbildungsprozess und andere Vorgänge digital zu organisieren, sondern sind auch in der Lage, die Tools für ihren individuellen Ausbildungsauftrag kontinuierlich zu erweitern.
Abbildung 4: Modell der vollständigen Handlung (Quelle: eigene Darstellung)
Die didaktische Struktur von MIKA orientiert sich wiederum an der Taxonomie nach Bloom et al. (1956) und findet in drei Schritten statt:
Abbildung 5: Aneignungsprozess von Medien- und IT-Kompetenz im Rahmen der MIKA-Seminare (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bloom et al. 1956 und Härtel et al. 2018b)
- Erinnern & Verstehen auf dem MIKA-Campus: Auf dem MIKA-Campus eignen sich die Teilnehmenden Basiswissen an, um digitale Medien in der Ausbildung einsetzen zu können. Dieses Basiswissen erarbeiten sie sich mithilfe von Lernbausteinen, die zur Vorbereitung auf die MIKA-Seminare absolviert werden müssen. Dadurch wird gewährleistet, dass alle Teilnehmenden zum Veranstaltungsbeginn auf einem ähnlichen Wissensstand sind.
- Anwenden & Analysieren in den MIKA-Seminaren: In den MIKA-Seminaren werden die Themen zusammengefasst, vertiefend veranschaulicht und praktikabel gemacht: Die Teilnehmenden wenden die erlernten Grundlagen mithilfe der MIKA-Tools an. Die Basis dafür ist die begleitende Projektarbeit. Im Laufe der zwölf Wochen entstehen so selbst erstellte und leicht zu bedienende digitale Lernmedien für den eigenen Ausbildungsalltag. Die Teilnehmenden erarbeiten sich sukzessive ihre persönliche digitale Handlungskompetenz.
- Bewerten & Kreieren in den Betrieben: Die selbst erstellten digitalen Medien können von den Teilnehmenden unmittelbar getestet werden. Durch das Feedback der Auszubildenden und das Überprüfen der Lernziele wird schnell klar, ob der angewandte digitale Medieneinsatz zielführend ist. Die Teilnehmenden der MIKA-Seminare lernen mithilfe des Feedbacks der Auszubildenden und dem der MIKA-Trainer/-innen, worauf es bei der zukünftigen Gestaltung und Herstellung digitaler Medien ankommt. Dadurch erwerben sie fachliche und methodische Kompetenzen für die künftige Entwicklung digitaler Medien, erkennen Fehler, Unstimmigkeiten und lernen zu beurteilen, welches Medienformat sich für welches Lernziel besonders eignet – oder nicht. Diese Rückkopplungsschleifen sind besonders hilfreich, um die erworbenen digitalen und medienpädagogischen Kompetenzen nachhaltig zu professionalisieren und langfristig im Ausbildungsalltag zu integrieren (vgl. Abbildung 5).
3 Evaluation als Grundlage einer qualitätsgesicherten Weiterentwicklung von MIKA
3.1 Pilotierung MIKA-Seminare und erste Praxiserfahrungen
Im Rahmen einer dreistufigen Pilotierung mit fünf Praxispartnerinnen und -partnern aus Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und Berufsbildungswerken ist das theoretisch fundierte MIKA-Seminarkonzept praktisch erprobt worden. Auf Basis der in der Erprobung entstandenen Erfahrungen wurde das Konzept überarbeitet und ein qualitativ hochwertiges Weiterbildungsformat entwickelt (Deininger & Da Silva Gonçalves, 2022).
Dabei wurde deutlich, dass die Verbindung von theoretisch fundierten Inhalten mit konkreten Anwendungsbezügen von den Teilnehmenden als besonders wertvoll eingeschätzt wurde. Zugleich zeigten sich typische Herausforderungen, die mit der Einführung neuer Weiterbildungsformate verbunden sind. Dazu zählen etwa die Heterogenität der Vorkenntnisse im Umgang mit digitalen Medien oder die begrenzte Zeit. Auch organisatorische Rahmenbedingungen in den beteiligten Institutionen spielten eine Rolle, beispielsweise die Frage, wie die Weiterbildung in bestehende Arbeitsprozesse integriert werden kann. Die Pilotierungen lieferten wertvolle Erkenntnisse, die in die weitere Entwicklung des MIKA-Angebots einflossen. So wurde etwa die Struktur einzelner Module gestrafft, um den Zeitaufwand zu reduzieren oder Ziel und Bedeutung der integrierten Projektarbeit stärker hervorgehoben, um den Aneignungsprozess in der Phase des Anwendens und Analysierens stärker zu unterstützen (siehe Abbildung 5).
Insgesamt zeigt sich, dass der Übergang von einem wissenschaftlich entwickelten Kompetenzmodell zu einem nutzbaren Weiterbildungsangebot eine Vielzahl von Abstimmungsschleifen, Anpassungen und Rückkopplungen erfordert. Dieser Prozess macht deutlich, dass die zugrundeliegenden wissenschaftlichen Konzepte in einem dialogischen Verfahren mit den Akteuren vor Ort kontinuierlich weiterentwickelt werden müssen – und abhängig sind von der Bereitschaft und Akzeptanz der Praktiker/-innen (Sloane, 2018, S. 2). Gerade in der beruflichen Bildung zeigt sich, dass wissenschaftliche Konzepte oft erst dann Wirkung entfalten, wenn sie anschlussfähig und praktikabel an den Arbeitsalltag gestaltet sind. Hinzu kommt die Herausforderung, dass Ausbildungspersonal häufig begrenzte zeitliche Ressourcen für Weiterbildungen hat. Lerninhalte sollten somit möglichst modularisiert, praxisnah und flexibel nutzbar sein (Ertl & Hemkes, 2019).
MIKA gestaltet den Transferprozess in die Praxis, in dem es das aus dem Forschungsprojekt DiMBA entstandene Kompetenzmodell in ein praxisnahes, branchenübergreifendes, standardisiertes, modulares Weiterbildungsangebot für die berufliche Bildung transformiert.
3.2 Pilotierung MIKA-Kompakt
Ein weiterer wichtiger Baustein der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung ist das 2024 entwickelte Format MIKA-Kompakt. Dabei handelt es sich um eine verkürzte Variante der MIKA-Seminare, die an fünf Arbeitstagen in Präsenz durchgeführt wird und insgesamt 35 Zeitstunden umfasst. Ziel dieses Formats ist es, Ausbildungspersonal mit begrenzten zeitlichen Ressourcen eine kompakte, dennoch fundierte Qualifizierung zu ermöglichen. Die Weiterbildung behandelt nacheinander die sechs MIKA-Themen (siehe Abbildung 3). Diese werden mit ausbildungsrelevanten Inhalten im Bereich Künstliche Intelligenz umrahmt.
Die Einführung von MIKA-Kompakt erfolgte über eine zweistufige Pilotierung, die durch ein differenziertes Evaluationsdesign begleitet wurde. In der ersten Pilotphase im Dezember 2024 konnten mittels aufwändiger teilnehmender Beobachtung sowie standardisierten vorher-/nachher Befragungen zentrale Stärken und Herausforderungen identifiziert werden. Besonders positiv bewertet wurden die Vielfalt an erprobten digitalen Tools sowie die Möglichkeit, neue Technologien – darunter erstmals auch Anwendungen Künstlicher Intelligenz – praktisch zu erproben. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Menge an Inhalten in einer kompakten Arbeitswoche für einige Teilnehmende eine Überforderung darstellte. In den Rückmeldungen wurde daher der Wunsch nach stärkerer inhaltlicher Fokussierung sowie nach längeren Pausen formuliert.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden die Materialien überarbeitet und in einer zweiten Pilotierung im März 2025 erneut erprobt. Diese wurde erneut durch standardisierte vorher/-nachher Befragungen begleitet. Die Evaluation bestätigte, dass die Reduktion auf ausgewählte Tools mit vertiefter Bearbeitung zu einer deutlichen Entlastung beitrug. Zudem wurden die Arbeitsphasen methodisch abwechslungsreicher gestaltet und die Zeitstruktur flexibler organisiert. Die finalisierte Version von MIKA-Kompakt sieht nun eine gleichmäßige Verteilung von sieben Zeitstunden pro Arbeitstag inklusive Pausen vor. Komplexe Themen oder der Umgang mit aufwendigen digitalen Tools erhalten mehr Bearbeitungszeit, während die Inhalte insgesamt stärker zielgruppenorientiert differenziert sind.
Insgesamt verdeutlicht die Entwicklung und Pilotierung von MIKA-Kompakt, dass iterative Evaluation nicht nur zur inhaltlichen Optimierung, sondern auch zur Formatdiversifizierung beiträgt. So konnte ein zusätzliches Angebot geschaffen werden, das stärker auf die Bedürfnisse zeitlich eingeschränkter Zielgruppen zugeschnitten ist, ohne die Qualität und die wissenschaftliche Fundierung des ursprünglichen Seminarkonzepts aufzugeben. Die hohe Nachfrage seit der Einführung im Mai 2025 deutet darauf hin, dass das neue Format eine bestehende Lücke schließt.
3.3 Nutzungsdaten und Nutzungsverhalten
Durch die sich schnell entwickelnde digitale Transformation der Wirtschaft und den damit verbundenen neuen Anforderungen an die Berufsausbildung, ist eine stetige inhaltliche und konzeptionelle Anpassung von MIKA unabdingbar.
Mithilfe einer Evaluation von Nutzungsdaten soll eine bedarfsorientierte Weiterentwicklung der MIKA-Lernwelt garantiert werden. Zu diesem Zweck wurde 2023 ein Learning Record Store (Learning Analytics) installiert sowie eine Verknüpfung mit der Webanalytik Plattform Matomo hergestellt. Dadurch können anonymisierte Daten zum Nutzungs- sowie Lernverhalten systematisch erfasst und ausgewertet werden.
Eine erste Erhebung des Nutzungsverhalten ist bereits abgeschlossen und wird derzeit ausgewertet. Untersucht wird u.a. welche Lernmaterialien besonders häufig genutzt werden, wie lange sich Teilnehmende mit bestimmten digitalen Lernbausteinen beschäftigen und an welchen Stellen Abbrüche oder Wiederholungen auftreten. Diese Daten sollen wertvolle Hinweise darauf liefern, wie die Angebote angenommen werden und wo Optimierungspotenzial besteht.
Mithilfe dieser Evaluation wird eine bedarfsorientierte und qualitätsgesicherte Weiterentwicklung des Angebots garantiert, um die mit dem technologischen Wandel verbundenen und sich in kurzen Zeitintervallen neu entwickelnden Anforderungen an eine zeitgemäße Förderung von Medien- und IT-Kompetenz berücksichtigen zu können. Ableitungen aus dieser Evaluation geben Hinweise zur Optimierung und kontinuierlichen Weiterentwicklung von MIKA. Gleichzeitig fließen aktuelle (digitale) Trends in die Entwicklung ein und steuern die Anpassung der Inhalte.
3.4 Lernortübergreifende Weiterentwicklung von MIKA
Mit dem erweiterten Anschlussprojekt MIKA-OER wird die im Rahmen von MIKA entwickelte digitale Infrastruktur gezielt um die Dimension freier Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) erweitert (OER-Strategie, 2025). Ziel ist es, Lernortkooperationen zwischen Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten zu stärken und die im Projekt erprobten digitalen Werkzeuge – insbesondere die digitale Pinnwand MIKA-Do – als Knotenpunkt für kooperative Wissensproduktion und -nutzung zu etablieren. Durch die gemeinschaftliche Erstellung und Bereitstellung von praxisnahen Lern- und Arbeitsaufgaben als OER sollen neue Communities entstehen, die dauerhaft Innovationen in der Ausbildungspraxis ermöglichen und auf die OER-Strategie des Bundes (BMBF, 2022) einzahlen. Damit greift das Projekt zentrale Herausforderungen der digitalen Transformation und des Fachkräftemangels auf: die nachhaltige Entwicklung aktueller, adaptierbarer Lernmaterialien, die rechtssicher, niedrigschwellig und lernortübergreifend verfügbar sind. MIKA-OER leistet somit einen Beitrag zur Professionalisierung der Lernortkooperationen und eröffnet neue Transferwege, indem es das bislang erarbeitete MIKA-Portfolio konsequent in Richtung offener, kollaborativer Bildungsprozesse weiterentwickelt.
4 Herausforderungen und Perspektiven
Die mit dem digitalen Wandel der Arbeits- und Berufswelt oft zitierte „disruptive Entwicklung“ ist spätestens im November 2022 mit dem Zugang zum Sprachmodell „ChatGPT“ für die Öffentlichkeit manifest geworden. Künstliche Intelligenz wird Lernen, Lehren und die Produktion wie auch Verbreitung von Informationen in bisher unbekanntem Ausmaß verändern. Immer leistungsstärkere digitale Werkzeuge stellen neue didaktisch-methodische Anforderungen an eine zeitgemäße Förderung von Medien- und IT-Kompetenz. Daraus ergibt sich ein kontinuierlicher Anpassungsbedarf auch für MIKA. Zugleich ist fraglich, inwieweit bisher übliche Zyklen von wissenschaftlicher Analyse, Umsetzung und Evaluation unter den Bedingungen rasanter technologischer Entwicklungen noch Bestand haben können.
MIKA-Inhalte unterliegen daher einem beständigen Entwicklungsprozess, in dem neue bildungstechnologische Werkzeuge und KI-Integrationen systematisch aufgegriffen werden. Zentrale Gelingensbedingung ist die Veränderungsbereitschaft des Angebots im Zusammenspiel mit dem betrieblichen Bedarf einer zeitgemäßen medienpädagogischen Kompetenz. Für die Konzeption künftiger Bildungsangebote werden neue Rahmenbedingungen erforderlich sein, um dem Ausbildungspersonal tragfähige Lösungen für eine zunehmend digitalisierte Arbeits- und Lebenswirklichkeit bereitzustellen.
Die Projektarbeiten zu MIKA zeigen, wie durch eine enge Verzahnung von Forschung und Praxis innovative Formate entstehen, die sich flexibel an disruptive Entwicklungen anpassen. Dabei wird deutlich, dass Begleitforschung nicht nur der Qualitätssicherung dient, sondern die Grundlage einer innovativen Transferpraxis bildet. In einem wechselseitigen Prozess werden wissenschaftliche Konzepte kontinuierlich überprüft, angepasst und erweitert. So entsteht ein dynamisches System, das auf neue Technologien reagieren und gleichzeitig langfristig tragfähige Qualifizierungsformate sichern kann. Nachhaltiger Transfer bedeutet daher nicht allein die Verbreitung bestehender Angebote, sondern die Schaffung von Strukturen, die dauerhaft Anschlussfähigkeit und Innovationspotenzial in der beruflichen Bildung gewährleisten.
Hinweise:
Dieser Beitrag wurde bereits einmal in ähnlicher Form publiziert in: Härtel, M., Deininger, N. & Berg, M. (2025). Und täglich grüßt das Murmeltier – Förderung von Medien- und IT-Kompetenz im Spannungsfeld von Forschung und Praxis. In B. Rödel, H. Ertl & S. Liebscher (Hrsg.), Berufsbildungsforschung Rezeption – Translation – Transfer. Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/20158
Aktuell ist MIKA Gegenstand einer begleitenden Evaluation, die in Form eines Promotionsvorhabens mit dem gegenwärtigen Titel „Digitale Transformation im betrieblichen Ausbildungsalltag durch die Förderung von Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal“ (Deininger, 2022) stattfindet, angesiedelt im Graduiertenförderungsprogramm des BIBB.
Literatur
BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (2024). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2024. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Verlag Barbara Budrich. https://www.bibb.de/datenreport/de/189191.php
BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (2025). Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal (MIKA). https://www.bibb.de/de/186279.php
Blömke, S. (2005). Medienpädagogische Kompetenz. Theoretische Grundlagen und erste empirische Befunde. In A. Frey, R. S. Jäger & U. Renold (Hrsg.), Kompetenzdiagnostik. Theorien und Methoden zur Erfassung und Bewertung von beruflichen Kompetenzen (S. 229–244.
Bloom, B. S., Engelhart, M.D., Furst, E.J., Hill, W. H. & Krathwohl, D. R. (1956). The Taxonomy of Educational Objectives, Handbook 1: Cognitive Domain.
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2019). Digitale Zukunft: Lernen. Forschen. Wissen. Die Digitalstrategie des BMBF: https://www.bildung-forschung.digital/digitalezukunft/shareddocs/Downloads/files/bmbf_digitalstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=3
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022). OER-Strategie. Freie Bildungsmaterialien für die Entwicklung digitaler Bildung. https://www.bmftr.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/3/691288_OER-Strategie.pdf?__blob=publicationFile&v=5
Bundeszentrale für Politische Bildung, Baacke, D., Kornblum, S., Lauffer, J., Mikos, L. & Thiele, G. A. (1999). Handbuch Medien: Medienkompetenz: Modelle und Projekte. Bundeszentrale für Politische Bildung.
Deininger, N. (2022). Digitale Transformation im betrieblichen Ausbildungsalltag durch die Förderung von Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal (aktueller Titel des laufendes Promotionsverfahrens). https://www.bibb.de/de/157566.php
Deininger, N. & Da Silva Gonçales, E. (2022). Poster: Das MIKA-Konzept: Medien- und IT-Kompetenz für das Ausbildungspersonal. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 51/4. https://www.bwp-zeitschrift.de/dienst/publikationen/de/material/11818
European Commission, Joint Research Centre (2017). European framework for the digital competence of educators (DigCompEdu). https://data.europa.eu/doi/10.2760/159770
Ertl, H. & Hemkes, B. (2019): Durchlässigkeit aus der Perspektive der beruflichen Bildung: Eine zukunftsorientierte Bestandsaufnahme. In F. Bünning, M. Frenz, K. Jenewein, L. Windelband (Hrsg.), Übergänge aus der Perspektive der Berufsbildung. Akademisierung und Durchlässigkeit als Herausforderungen für gewerblich-technische Wissenschaften. wbv Publikation. S. 17-36.
Gensicke, M., Bechmann, S., Härtel, M., Schubert, T., García-Wülfing, I. & Güntürk-Kühl, B. (2016). Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. Eine repräsentative Bestandsanalyse. BIBB – Direktvertrieb. https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/8048
Gensicke, M., Bechmann, S., Kohl, M., Schley, T., García-Wülfing, I. & Härtel, M. (2020). Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. Eine Folgeuntersuchung. Verlag Barbara Budrich. https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/16751
HA des BIBB – Hauptausschuss des BIBB (Hrsg.) (2021). Erläuterungen zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA_Erlaeuterungen-der-integrativ-zu-vermittelnden-Fertigkeiten-Kenntnisse-und-Faehigkeiten.pdf
Härtel, M., Averbeck, I., Brüggemann, M., Breiter, A., Howe, F. & Sander, M. (2018a). Medien- und IT-Kompetenz als Eingangsvoraussetzung für die berufliche Ausbildung – Synopse. Verlag Barbara Budrich. https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/9223
Härtel, M., Brüggemann, M., Sander, M., Breiter, A., Howe, F. & Kupfer, F. (2018b). Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung – Medienaneignung und Mediennutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal. Verlag Barbara Budrich. https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/9412
Howe, F., Breiter, A., Brüggemann, M. & Härtel M. (2017). Medienpädagogische Kompetenz von betrieblichem Ausbildungspersonal. In S. F. Dietl & H. Schmidt (Hrsg.), Ausbilder-Handbuch (S. 1–20, Aktualisierungslieferung 194). Deutscher Wirtschaftsdienst.
Howe, F. & Knutzen, S. (2013). Digitale Medien in der gewerblich-technischen Berufsausbildung. Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in Lern- und Arbeitsaufgaben. Bundesinstitut für Berufsbildung. https://datenreport.bibb.de/media2013/expertise_howe-knutzen.pdf
KMK – Kultusministerkonferenz (Hrsg.) (2016). Strategie der Kultusministerkonferenz. „Bildung in der Digitalen Welt“. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016 in der Fassung vom 07.12.2017. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf
OER-Strategie (2025). Lernortübergreifende Erweiterung des Konzepts „Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal (MIKA)“ inkl. Weiterentwicklung des Instruments „MIKA-Do“ im Rahmen der OER-Strategie. https://www.oer-strategie.de/projects/lernortuebergreifende-erweiterung-des-konzepts-medien-und-it-kompetenz-fuer-ausbildungspersonal-mika-inkl-weiterentwicklung-des-instruments-mika-do-im-rahmen-de/
Sloane, P. F. E. (2018). Kann Evidenzbasierung Grundlage einer qualitativ hochwertigen schulischen und betrieblichen Ausbildung sein. Chancen und Grenzen dieses Anliegens. Berufsbildung: Zeitschrift für Theorie, Praxis, Dialog. 170, 2–5.
Taschwer, M. (2020). Digitale Kompetenzen und digitale Kompetenzmodelle: Ein Abriss der aktuellen Diskussion. Reihe: AMS info. https://www.ams-forschungsnetzwerk.at/downloadpub/AMS_info_491_-_Taschwer_-_Digitale_Kompetenzen.pdf
Tulodziecki, G., Herzig, B. & Grafe, S. (2010). Medienbildung in Schule und Unterricht. Grundlagen und Beispiele. Verlag Julius Klinkhardt.
Wenzelmann, F. (2024). Die Zukunftsmacher/innen – Ausbildungs- und Prüfungspersonal schafft Wert. Einblicke aus der BIBB-Forschung. https://drupal.leando.de/sites/default/files/public_files/cms_importer/Wenzelmann%20leando%20live%2018062024_fin.pdf
Zitieren des Beitrags
Deininger, N. & Berg, M. (2025). Von der Theorie zur Praxis und zurück: Digitale Handlungskompetenz nachhaltig transferieren mit MIKA. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 49, 1–18. https://www.bwpat.de/ausgabe49/deininger_etal_bwpat49.pdf




