bwp@ 49 - Dezember 2025

Innovation und Transfer in der beruflichen Bildung

Hrsg.: Nicole Naeve-Stoß, H.-Hugo Kremer, Karl Wilbers & Petra Frehe-Halliwell

Etablierung eines innovativen Coaching-Angebots in der studienintegrierenden Ausbildung Hamburg (siA) – Erfahrungsbericht zu Strategien und Herausforderungen in der Praxis

Beitrag von Lisa Vogt & Michael Heins
bwp@-Format: Aus der Praxis
Schlüsselwörter: Bildungsweg-Coaching, Innovation, partizipatives Stakeholdermanagement, Gelingensbedingungen

Im Zentrum des Beitrags stehen die Praxiserfahrungen beim Aufbau und der Etablierung eines innovativen Coaching-Angebots im Rahmen der studienintegrierenden Ausbildung (siA) an der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH): dem Bildungsweg-Coaching (BWC).

Mit dem Bildungsweg-Coaching als ein in der siA verankertes Coaching-Angebot, werden die Lernenden individuell auf ihrem Bildungsweg begleitet. Im vorliegenden Beitrag werden aus der Perspektive des Bildungspersonals bewährte Strategien und zentrale Herausforderungen im Implementierungsprozess des Bildungsweg-Coachings beleuchtet. Maßgebliche Gelingensbedingungen, die im Beitrag dargestellt werden, sind insbesondere eine nachhaltige Bereitstellung personeller Ressourcen sowie ein partizipatives Stakeholder-Management, das eine konstruktive lernortübergreifende Zusammenarbeit erst möglich macht. An konkreten Praxisbeispielen wird die Komplexität des Implementierungsprozesses und der damit einhergehenden Herausforderungen deutlich gemacht. Mit Blick auf die abgeleiteten 12 Gelingensbedingungen zeigen sich vor allem Lernerfahrungen, die auf alle lernenden Organisationen übertragbar sind, die Veränderungsprozessen offen und resilient gegenübertreten möchten.

Establishing an Innovative Coaching Programme within Hamburg’s Study-Integrated Appreticeship (siA): A Practice-Based Account of Strategies and Challenges

English Abstract

This paper centres on the practical experiences gained in designing and institutionalising an innovative coaching initiative within the framework of the so-called study-integrated appreticeship (siA) at the Cooperative University of Applied Sciences Hamburg (Berufliche Hochschule Hamburg, BHH): the Educational Pathway Coaching (BWC) programme.

As an integral component of the siA, Educational Pathway Coaching offers learners tailored, individualised support throughout their educational journeys. From the vantage point of educational practitioners, the article explores both the strategies that have proven effective and the principal challenges encountered during the implementation process.

Key determinants of success identified include the sustainable allocation of personnel resources and a participatory stakeholder management approach, both of which are essential for enabling constructive collaboration across learning sites. Drawing on concrete practice-based examples, the article illuminates the inherent complexity of the implementation process and the challenges that accompany it.

The twelve success factors distilled from these experiences yield insights that are readily transferable to other learning organisations seeking to approach change processes with openness and resilience.

1 Das Bildungsweg-Coaching an der Beruflichen Hochschule Hamburg

Die studienintegrierende Ausbildung (siA) verbindet eine klassische duale Berufsausbildung mit einem akademischen Bachelorstudium und umfasst drei Lernorte: Unternehmen, Berufsschule und Hochschule. In dem Bildungsangebot können die studierenden Auszubildenden innerhalb von vier Jahren demnach zwei Abschlüsse erwerben: Ausbildungsabschluss und Bachelorabschluss. Das Arbeitspensum orientiert sich an der Fünf-Tage-Woche und die Studierenden erhalten von Beginn an eine (Ausbildungs-)Vergütung. Ein Bildungsweg-Coaching, das im Zentrum des vorliegenden Beitrags steht, begleitet die Studierenden auf ihrem Weg. Mit der Gründung der BHH im Jahr 2020 wurde damit ein innovatives Bildungsmodell in der Hamburgischen Bildungslandschaft implementiert, das auf die Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Bildung zielt und eine Antwort auf die bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen unserer Zeit liefert.

Bevor der Blick in den folgenden Abschnitten des Beitrags auf den Etablierungsprozess des Coaching-Angebots „Bildungsweg-Coaching (BC)“ gerichtet wird, ist eine kurze Skizzierung der inhaltlichen Ausrichtung und der strukturellen Verankerung des BC erforderlich.

Mit dem Bildungsweg-Coaching werden die Lernenden in ihrer studienintegrierenden Ausbildung individuell begleitet (Herzog et al., 2024, S.19). In mindestens zwei 1:1-Gesprächen mit ausgebildeten Coach:innen können sie ihre zum Teil ambivalenten Erfahrungen an diesen Lernorten ressourcen- und stärkenorientiert reflektieren. Die Themen bestimmen die Teilnehmenden selbst. Es kann dabei um Fragen gehen wie: Wie gehe ich mit Herausforderungen in der siA um? Welche Rolle möchte ich in der Ausbildung und im Berufsleben einnehmen und was brauche ich dafür? Welche Ressourcen habe ich, um die Anforderungen gut bewältigen zu können?
Zudem unterstützt das Bildungsweg-Coaching die Lernenden bei Bedarf bei der Bildungsweg-Entscheidung, also bei der Entscheidung darüber, wie sie den weiteren Bildungsweg in der studienintegrierenden Ausbildung nach 18 Monaten gestalten möchten. Dies kann insbesondere die Fortsetzung des parallel zur Ausbildung erfolgenden Studiums sein oder aber die zukünftige Fokussierung auf die duale Ausbildung.

Das Bildungsweg-Coaching verfolgt das Ziel, Lernende auf ihrem akademischen und beruflichen Weg bestmöglich zu begleiten und zu stärken. Sie werden dabei unterstützt, Klarheit über ihren individuellen Bildungsweg zu gewinnen und fundierte Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung der Reflexions- und Entscheidungskompetenz, die eng mit den Praxiserfahrungen der Lernenden verknüpft wird. Dazu werden Methoden zur Selbstreflexion vermittelt, die nicht nur im Coaching angewendet, sondern auch eigenständig genutzt werden können.

Die Begleitung im Bildungsweg-Coaching folgt einem systemischen Ansatz. Die individuellen Herausforderungen der Lernenden werden im Kontext ihres gesamten Bildungs- und Lebenswegs betrachtet. So werden sie dabei unterstützt, selbstständig nachhaltige Lösungen für ihre persönliche und berufliche Zukunft zu entwickeln.

Bestehende Angebote zur Beratung und Unterstützung im Rahmen der Ausbildung, etwa von Unternehmen, Berufsschulen oder der Beruflichen Hochschule Hamburg, werden durch das Bildungsweg-Coaching nicht verändert. Es stellt eine Ergänzung bestehender Angebote dar.

Strukturell ist das Coaching-Angebot am Lernort Berufsschule verankert. An den kooperierenden Beruflichen Schulen wurden Beratungslehrkräfte und Lerncoaches in einer gemeinsamen Fortbildung qualifiziert, um als Bildungsweg-Coach:innen in der studienintegrierenden Ausbildung tätig zu werden. Die Lernenden in der siA sind in der Regel an den jeweiligen Berufsschulen in eigenen Klassengruppen zusammengefasst. Das Coaching Angebot umfasst drei Kernelemente:

Einführungsveranstaltung: Kennenlernen des Angebots und der Coach:innen sowie erste Reflexionsübungen zum bisherigen Bildungsweg

Coaching-Gespräche: Mindestens zwei Gespräche zu zwei festgelegten Zeitpunkten in der siA (6 Monate und 18 Monate)

Reflexionsimpulse: Vor und zwischen den Coaching-Gesprächen erhalten die Lernenden bei Bedarf individuelle Reflexionsaufgaben für ihr Anliegen. Die Bearbeitung ist freiwillig.

2 Herausforderungen und Gelingensbedingungen im Implementierungsprozess des Bildungsweg-Coachings

Das Coaching-Angebot wurde mit der Gründung der Beruflichen Hochschule Hamburg als Konzept in der studienintegrierenden Ausbildung verankert. Der Aufbau und die Implementierung lagen zunächst bei einem Drittmittel geförderten Projekt aus der InnoVET-Förderlinie des BMBF. Seit November 2024 liegt diese Aufgabe bei einer Referent:innenstelle für lernortübergreifende Coaching- und Beratungsangebote an der BHH.

Die Etablierung des Bildungsweg-Coachings (BC) als innovatives Begleitangebot in der studienintegrierenden Ausbildung zeigte sich in vielerlei Hinsicht als komplexes Unterfangen. Im Folgenden wird auf den Implementierungsprozess des Coaching Angebots genauer eingegangen, um erste Gelingensbedingungen abzuleiten. Die Ableitung der Gelingensbedingungen erfolgte über Reflexionsveranstaltungen im Drittmittelprojekt sowie über die regelmäßige Reflexion innerhalb von Kooperationsformaten, wie dem Qualitätszirkel Coaching und Beratung, der im Kapitel 2.1 detaillierter beschrieben wird. Im Rahmen des Schreibprozesses für den vorliegenden Artikel wurden die Gelingensbedingungen wie folgt kategorisiert und gebündelt (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Gelingensbedingungen auf einen BlickAbbildung 1: Gelingensbedingungen auf einen Blick

Die Gelingensbedingungen in der Oberkategorie Zusammenarbeit umfassen die aktive Beteiligung der Stakeholder (Gelingensbedingung 1), die damit verknüpfte Wertschätzung der eingebrachten Ressourcen (Gelingensbedingung 2) sowie der individuellen und somit unterschiedlichen Kompetenzen der Stakeholder (Gelingensbedingung 3), der respektvolle Umgang mit Zeit (Gelingensbedingung 4) und eine jederzeit transparente Kommunikation, die auf Herrschaftswissen verzichtet (Gelingensbedingung 5). Die Oberkategorie Bildungspersonal beinhaltet ein gutes Fundament an Struktur- und Fachwissen (Gelingensbedingung 6), ein Mindestmaß an Projektmanagementkompetenz (Gelingensbedingung 7), die Fähigkeit Feingefühl und Empathie aufzubringen (Gelingensbedingung 8) sowie die regelmäßige Erweiterung des eigenen Horizonts durch überregionalen Austausch (Gelingensbedingung 10). In der dritten Oberkategorie struktureller Rahmen sind schließlich die institutionelle Verstetigung (Gelingensbedingung 11) und eine dadurch ermöglichte curricularen Verankerung (Gelingensbedingung 12) enthalten.

Im Implementierungsprozess des Bildungsweg-Coachings gibt die Reflexion der Zusammenarbeit klare Hinweise auf zentrale Gelingensbedingungen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Lernortkooperationsformate „Qualitätszirkel Coaching und Beratung“ sowie die „Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen“ (Kapitel 2.1). Darüber hinaus zeigten sich unsichere Rahmenbedingungen und verschiedene Funktionslogiken der beteiligten Stakeholder als besondere Herausforderung, über die sich ebenfalls Gelingensbedingungen ableiten lassen (Kapitel 2.2). Des Weiteren konnten Gelingensbedingungen abgeleitet werden, die neben der erfolgreichen Implementierung vor allem auch konzeptionelle Weiterentwicklung des Bildungsweg-Coachings ermöglich(t)en. Diese werden im Kapitel 3 „Institutionelle Verstetigung und curriculare Verzahnung als sich bedingende Kernelemente für einen erfolgreichen Implementierungsprozess des Bildungsweg-Coachings“ ausführlich beschrieben.

2.1 Partizipative Lernortkooperation als Lernchance

Im Folgenden werden zwei Kooperationsformate „Qualitätszirkel Coaching & Beratung“ und „Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen“, aus der Perspektive des Bildungspersonals dargestellt. Die Reflexion der Zusammenarbeit in den skizzierten Formaten geben klare Hinweise auf zentrale Gelingensbedingungen für die Implementierung innovativer Bildungsangebote in der beruflichen und akademischen Bildung.

Ein zentrales Element im Aufbau der studienintegrierenden Ausbildung war von Beginn an die Verzahnung der drei Lernorte Hochschule, Berufsschule und Unternehmen. Auch nach Abschluss der offiziellen Aufbauphase besteht dieser Anspruch weiterhin. Entsprechend findet über verschiedene Formate der Lernortkooperation ein regelmäßiger Austausch zu lernortübergreifenden Themen statt. Dies fördert nicht nur die Praxisnähe des Bildungsangebots in der siA. Es vertieft auch das gegenseitige Verständnis der Stakeholder untereinander, etabliert geregelte Informationsflüsse und ermöglicht ein interdisziplinäres konzeptionelles Zusammenwirken. Der diesem Beitrag zugrunde liegende Begriff Lernortkooperation schließt an Eulers Überlegungen zur Intensität von Lernortkooperation an (Euler, 2004, S. 15). Hierbei werden drei Ebenen der Kooperation unterschieden. Die Ebene des Informierens bezieht sich auf eine Form der Kooperation, die maßgeblich davon geprägt ist, dass Lernorte Informationen austauschen, ohne dass eine inhaltlich-konzeptionelle Zusammenarbeit stattfindet. Auf der Ebene des Abstimmens vereinbaren und entwickeln Zuständige der Lernorte gemeinsam Maßnahmen, die dann eigenverantwortlich an den Schulen, Unternehmen und im Fall der siA von der Hochschule umgesetzt werden. Die dritte Ebene umfasst das Zusammenwirken. Hierbei stehen die Lernprozesse der Lernenden im Fokus und die Lernorte arbeiten unmittelbar zusammen, indem beispielsweise Ausbildungs- oder Studienthemen gemeinsam konzipiert oder Weiterbildungsmaßnahmen für gemeinsame Vorhaben zusammen besucht werden.

Diese Kultur des Zusammenwirkens wurde auch für die Etablierung des Bildungsweg-Coachings angestrebt. So wird das Coaching durch zwei verschiedene Lernortkooperations-Formate (LOK-Formate) begleitet: der Qualitätszirkel Coaching und Beratung und das Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen. Im Qualitätszirkel werden die Beratungs- und Unterstützungsangebote in der siA, wie das Bildungsweg-Coaching und deren konzeptionelle Weiterentwicklung zum Gegenstand. In den Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen geht es um Vernetzung, Informationsaustausch und um den fachlichen Austausch in Bezug auf Coaching-Themen.

Bereits aus der Konzeption des Qualitätszirkels lassen sich Gelingensbedingungen ableiten (Herzog et al., 2024, S. 30 – 34). Diese Erkenntnisse haben sich nach dem Ende der Projektförderung in der Zusammenarbeit des Qualitätszirkels bestätigt. Es hat sich bewährt auch in der Phase der Konzeption die Lernorte und die umgebenden Angebotsstrukturen mit einzubeziehen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 1). Die konzeptionellen Überlegungen zum Qualitätszirkel basieren deshalb auf einer Sichtung der Bestände an etablierten Strukturen, Austauschformaten und Netzwerken von Beratungsanbietern im Kontext akademischer und beruflicher Bildung (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 10) sowie einer Bedarfsermittlung bei den Stakeholdern der siA in Hamburg. Beratungs- und Lehrkräfte, Coach:innen sowie Bildungsgangverantwortliche und Unternehmensvertreter:innen wurden zu Austauschbedarf und -themen sowie zu einer Zusammensetzung des Formates befragt. Die Ergebnisse der Befragung wurden bewertet, um daraus Empfehlungen für die konzeptionellen Überlegungen zu einem Qualitätszirkel abzuleiten. So konnte sichergestellt werden, dass das Format von allen Beteiligten Akzeptanz erfährt und gemeinschaftlich getragen wird (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 3). Dies ist nicht unerheblich für die Ergebnisse, die in den jeweiligen Treffen generiert werden. Denn diese haben lediglich einen empfehlenden Charakter.

In Bezug auf die Umsetzung zeigt sich, dass eine externe Moderation der Treffen sinnvoll ist (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 6 bis 9). Auf diese Weise können die Diskussionen auf den Punkt gebracht und strukturiert werden. Klar benannte Zuständigkeiten für die Koordination des Formats sowie verbindliche Absprachen und Aufgabenteilungen bis zum nächsten Treffen haben dazu geführt, dass alle Beteiligten die Zusammenarbeit als konstruktiv und die gemeinsam verbrachte Zeit als sinnvollen Beitrag zur Qualitätssteigerung des Angebots in der siA empfunden haben (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 2 und 4). Dennoch gilt es sehr sensibel mit den Ressourcen der Beteiligten umzugehen, da diese die Mitarbeit im Qualitätszirkel mehrheitlich eigeninitiativ bestreiten, weil sie das Thema Coaching und Beratung in der siA konzeptionell vorantreiben möchten.

Last but not least darf nicht vergessen werden relevante Personengruppen über die inhaltliche Arbeit des Qualitätszirkels informiert zu halten (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 5). In Bezug auf die an den Berufsschulen tätigen Bildungsweg-Coach:innen wurde zunächst das Format einer „Status-Quo-Mail“ gewählt, über welche die Coach:innen ein kurzes Update über die diskutierten Themen erhalten, die ihre Arbeit direkt betreffen. Später erfolgte die Einrichtung eines Moodle-Kurses, der als digitale Austauschplattform genutzt wird. Ebenfalls sinnvoll erscheint es ausgewählte Ergebnisse in relevante Gremien sowie der Leitungsebene zu spiegeln, damit diese in den Institutionen weitreichend Gehör finden und bestenfalls weiterbearbeitet werden können.

Anhand der Entwicklung des Formats „Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen“ zeigt sich, dass Implementierungsprozesse auch immer Veränderungs- und Lernprozesse sind. So wurde mit fortschreitender Etablierung des Bildungsweg-Coachings auch der Fokus der Zusammenarbeit in der Runde der Bildungsweg-Coach:innen ein anderer. Im Rahmen einer Kick-off-Veranstaltung im November 2021 startete die berufsschulübergreifende Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Stakeholdern des Bildungswegcoachings. Hier wurden die Formen der Zusammenarbeit vereinbart (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 1, 2 und 4). Darunter fielen unterschiedlich gestaltete Arbeitskreise, in denen die Beteiligten in wechselnder Zusammensetzung zunächst recht regelmäßig zusammenkamen, um Erfahrungen auszutauschen, Elemente des Bildungswegcoachings inhaltlich zu entwickeln oder Abstimmungsprozesse zu koordinieren. Diese erste Phase des übergreifenden Austau­sches zielte auf die Implementierung des Bildungswegcoachings ab und war somit geprägt von organi­satorischen und konzeptionellen Inhalten, um das Bildungswegcoaching an den Berufsbildenden Schulen und an der Beruflichen Hochschule Hamburg zu verankern.

In der folgenden Phase der Zusammenarbeit änderte sich der Fokus der Zusammenarbeit in Richtung Erkenntnisgewinn aus der bisherigen Durchführung des Coaching-Angebots sowie der Frage nach einer angemessenen Qualitätsentwicklung. Es erfolgte ein intensiver Erfahrungs­austausch zwischen den Bildungsweg-Coach:innen in Bezug auf die standortspezifische Ausgestaltung und ein Lernen voneinander. Dies unterstützte die Akteur:innen bei der weiteren Implementierung des Bildungswegcoachings.

Anschließend folgte eine thematische Neu-Ausrichtung der Austauschtreffen, da das Bildungsweg-Coaching an allen Berufsbildenden Schulen etabliert war und Prozesse und Abläufe mit klaren Zuständigkeiten versehen waren. Es zeigte sich, dass die Bedarfe der Coach:innen im fortlaufenden Prozess stärker inhaltlich geprägt waren. Konkret zeigte sich dies an dem Wunsch, die eigene Coaching-Kompetenz in Bezug auf das Bildungswegcoaching zu professionalisieren (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 3). Dies erfolgte und erfolgt auch weiterhin durch das Einbringen und Analysieren von Praxisfällen oder aber durch die Erprobung von ausgewähl­ten Coaching-Methoden in Fortbildungsangeboten, die auf den Bedarfen der Coach:innen basieren und nebenbei zu einer Schärfung des Bildungsweg-Coach:innen-Profils beitragen.

2.2 Unsichere Rahmenbedingungen und verschiedene Funktionslogiken als besondere Herausforderung im Implementierungsprozess

Insbesondere für die erste und zentrale Phase der Implementierung des Bildungsweg-Coachings in der studienintegrierenden Ausbildung wurde die Zusammenarbeit durch die unsicheren Rahmenbedingungen aufgrund der Drittmittelförderung der personellen Ressourcen erschwert. Die Stakeholder investierten demnach Zeit und Know How in die Etablierung eines Angebots, dessen weiteres Bestehen, trotz Verstetigungsabsicht, kontinuierlich unsicher schien. Für das gestaltende Bildungspersonal bedeutete dies eine permanente Arbeitsbelastung unter prekären Bedingungen, da Planungssicherheit und langfristige Perspektiven fehlten. Trotz ihres Engagements mussten sie mit der Möglichkeit rechnen, dass ihre Arbeitsergebnisse nicht nachhaltig wirksam werden konnten. Dies wirkte sich nicht immer positiv auf die Motivation sowie auf die Stabilität der Zusammenarbeit aus. Um dennoch handlungsfähig zu bleiben, waren eine hohe Flexibilität und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten erforderlich (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 9).

Ein weiterer, der Implementierung des Coaching-Angebots zugrunde liegender Komplexitätsfaktor, war der Umstand, dass das Coaching umgesetzt und erprobt werden musste, während sich die Berufliche Hochschule Hamburg und das dazugehörige Bildungsangebot der siA selbst noch im Aufbau befanden. Es gab somit keine Erfahrungswerte mit dem besonderen Modell der siA und des Coachings, auf die zurückgegriffen werden konnte. Des Weiteren lag die operative Zuständigkeit für die Implementierung, Erprobung und Evaluation des Bildungsweg-Coachings von 2021 bis 2024 bei einem Drittmittelprojekt aus der InnoVET-Förderlinie des BMBF. Auch wenn die personelle Ausstattung in dieser Zeit ausreichend sichergestellt war, so zeigten sich auf mehreren Ebenen die Auswirkungen der Unsicherheiten, die eine Projektförderung mit sich bringt. Allen voran die Frage nach der Verstetigung des Coaching-Angebots nach Projektende.

In der Gesamtschau bedeutete dies viel Bewegung an allen Stellen des Systems. Prozesse waren im Aufbau, Rollen noch nicht besetzt, Zuständigkeiten nicht immer klar und das Vertrauen in der Zusammenarbeit noch nicht gewachsen. Für das zuständige Bildungspersonal wurde die Beziehungsarbeit im Rahmen der Implementierung des Bildungsweg-Coachings demnach zu einer der wichtigsten Aufgaben im Prozess. Initiativen waren immer dann erfolgreich, wenn Stakeholder sich aktiv in die Gestaltung des Angebots einbringen konnten und dies auch in der Umsetzung des Konzepts sichtbar wurde (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 1). Die Wertschätzung der eingebrachten Ressourcen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 2) und der Kompetenzen der Kooperationspartner (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 3), der respektvolle Umgang mit Zeit (Gelingensbedingung 4) und eine transparente Kommunikation (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 5) bildeten und bilden noch immer die Grundlage für einen gelingenden Implementierungsprozess. Was in der Theorie einfach klingt und fast schon banal anmutet, erweist sich in der praktischen Umsetzung unter den geschilderten Rahmenbedingungen als durchaus komplexes Unterfangen. Um hier Erfolge zu erzielen, benötigt das Bildungspersonal nicht nur Struktur- und Fachwissen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 6) sowie Projektmanagementkompetenzen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 7), sondern vor allem ein hohes Maß an Feingefühl und Empathie (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 8) sowie die Bereitschaft, die Kommunikation an Schnittstellen aufrechtzuerhalten und manchmal auch Übersetzungsarbeit zwischen den Stakeholdern zu leisten (also Durchhaltevermögen als Gelingensbedingung 9 – s.o. Abbildung 1). Denn die Funktionslogiken der beteiligten Kooperationspartner, Berufsbildenden Schulen, Unternehmen und Hochschule unterscheiden sich in mancherlei Hinsicht deutlich. Dies spiegelt sich ganz sichtbar zum Beispiel auf der formal-rechtlichen Ebene wider, aber in der Zusammenarbeit in erster Linie viel subtiler, nämlich auf arbeitskultureller Ebene. Auch hier profitiert das Bildungspersonal von einer guten Beziehungsebene zu den Kooperationspartnern. Denn in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit können Irritationen angesprochen werden und Missverständnisse sichtbar werden. Nur dann besteht die Chance, vermeintlich misslungene Arbeitstreffen oder gescheiterte Initiativen auch als Lernerfahrung zu betrachten. Selbstredend hat dies positive Effekte auf die Qualität und die Weiterentwicklung des Coaching-Angebots in der studienintegrierenden Ausbildung.

Die bisher generierten Gelingensbedingungen lassen sich den Oberkategorien Zusammenarbeit (1-5) und Bildungspersonal (6-10) zuordnen. Das nächste Kapitel widmet sich zwei weiteren Gelingensbedingungen, die eine erfolgreiche Implementierung und vor allem auch konzeptionelle Weiterentwicklung des Bildungsweg-Coachings ermöglich(t)en. Diese lassen sich der Oberkategorie Struktureller Rahmen (11-12) zuordnen.

3 Institutionelle Verstetigung und curriculare Verzahnung als sich bedingende Kernelemente für einen erfolgreichen Implementierungsprozess des Bildungsweg-Coachings

Als strukturell rahmende Gelingensbedingungen konnten die institutionelle Verstetigung des Coaching Angebots und die curriculare Verankerung identifiziert werden. Diese beiden Gelingensbedingungen werden im Folgenden detaillierter vorgestellt. Im Falle der curricularen Verankerung bedarf dies vorab einer Einordnung der Herausforderungen mit dem begleitenden Coaching aus der Lernenden-Perspektive.

3.1 Verstetigung des Coaching-Angebots eröffnete neue Möglichkeitsräume

Nach den ersten zwei Erprobungszyklen des Bildungsweg-Coachings endete die Drittmittelförderung. Durch die Unterstützung von BHH und dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) konnte das Bildungsweg-Coaching letztendlich über die Projektlaufzeit hinaus als Angebot dauerhaft an der BHH und den Berufsbildenden Schulen verankert werden. Dieser Übergang schuf eine nachhaltige und verlässliche Grundlage, um auch zukünftig ein qualitativ hochwertiges Begleitangebot für Lernende in der siA bereitzustellen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 11). Diese Form der Verstetigung und somit ganz wesentliche Gelingensbedingung veränderte die Dynamik des Etablierungs-Prozesses dahingehend, dass sich neue Möglichkeitsräume öffneten, insbesondere in Bezug auf die Rolle des Coachings bei der Einrichtung neuer Bildungsgänge an der Beruflichen Hochschule Hamburg und das Ausrollen des Angebots an neu hinzukommenden Berufsbildenden Schulen. Darüber hinaus bildete die Verstetigung die Grundlage für die curriculare Verzahnung des Bildungsweg-Coachings im Sinne einer umfassenden Kompetenzentwicklungsmöglichkeit für die Lernenden in der studienintegrierenden Ausbildung, auf die im nachfolgenden Abschnitt noch genauer eingegangen wird. Das zur Projektlaufzeit geknüpfte Netzwerk aus Berufsbildenden Schulen, Kooperationsunternehmen und Hochschule konnte seine Arbeit somit ungehindert fortsetzen. Durch die Besetzung einer Referent:innenstelle für lernortübergreifenden Coaching- und Beratungsangebote an der Beruflichen Hochschule Hamburg erlebte die Zusammenarbeit eine neue Stabilität.

Die in der ersten Phase des Entwicklungs- und Erprobungszyklus des Bildungsweg-Coachings generierten Erkenntnisse und Standardelemente zeigten sich nun als sehr hilfreich bei der Einführung neuer Bildungsgänge. In einem Onboarding Prozess für das Bildungsweg-Coaching, der zentral über die Referentin für lernortübergreifende Coaching- und Beratungsangebote gesteuert wird, können neue Kooperationspartner in bestehende Strukturen aufgenommen werden. Der Onboarding- und Implementierungsprozess läuft dann über verschiedene Stufen von der Bereitstellung notwendiger Informationen zum Bildungsweg-Coaching über die Beratung zu den erforderlichen strukturellen Rahmenbedingungen und Qualifikationsprofilen von Bildungsweg-Coach:innen bis hin zu der Vernetzung mit bereits beteiligten Kooperationsschulen für einen Peer-to-Peer-Austausch.

Nachdem nun bereits unterschiedlichste Gelingensbedingungen für das Bildungsweg-Coaching aus Sicht des Bildungspersonals identifiziert werden konnten, soll im folgenden Abschnitt der Blick auf die Coachees – also die Lernenden – gerichtet werden. Dieser Perspektivwechsel ist besonders wichtig, um bedarfsnahe Impulse in den Prozess der Implementierung mit aufzunehmen.

3.2 Curriculare Verankerung als Weiterentwicklung des Coaching-Konzepts

Eine große strukturelle Herausforderung für das begleitende Coaching in der siA stellt die Verortung der operativen Durchführung des Coachings an den Berufsbildenden Schulen dar. Ausgangspunkt für die Realisierung des Coachings zum Start der siA im Jahr 2021 war die Annahme, dass ein solches Coaching am effizientesten praktizierbar ist, wenn auf schon vorhandene Ressourcen zurückgegriffen werden kann. Daher fiel die Wahl auf die Berufsbildenden Schulen, da dort bereits Lern-Coaches zur Unterstützung der dortigen Auszubildenden agieren. Eine sehr schlüssige Wahl, schließlich sind die betreffenden Lern-Coaches durch ihre langjährige Erfahrung in dieser Rolle wertvolle Wissensträger in der coachenden Begleitung von Lernenden. Innerhalb des Drittmittelprojekts InnoVET tQM durchgeführte Fokusinterviews mit Lernenden zur Bedarfserhebung des Bildungsweg-Coachings haben ergeben, dass daraus bei den Lernenden allerdings die Wahrnehmung resultiert, dass die Coaching-Begleitung inhaltlich insbesondere etwas mit dem Lernort Berufsbildende Schule zu tun hat. Am Lernort Hochschule taucht der Begriff des begleitenden Coachings lediglich im Rahmen der Erstsemesterbegrüßung bei der Vorstellung des siA-Modells auf.

Eine differenzierte Reflexion dieser Rückmeldung von Lernenden gibt Hinweise darauf, dass nicht nur die Wahl des Lernortes für die Ausführung des Angebots für diese Wahrnehmung sorgt. Auch die systemische Rahmung und Kommunikation des Bildungsweg-Coachings könnten, wenn auch nicht beabsichtigt, implizit dazu führen, dass der Lernort Berufliche Schule hier als Hauptakteur wahrgenommen wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass das begleitende Coaching deutlicher als integraler Bestandteil der studienintegrierenden Ausbildung ausgewiesen werden sollte. Neben der Art der Kommunikation des Angebots, kann dies auch über die curriculare Verankerung des Bildungsweg-Coachings, im Sinne eines Kompetenzentwicklungspfades, erfolgen. Auf diese Weise kann das Coaching-Angebot für die Lernende als integraler Bestandteil der siA erfahrbar werden. Die oben skizzierte personelle und institutionelle Verstetigung des Bildungsweg-Coachings ermöglicht genau diese Weiterentwicklung, die im Rahmen des vorliegenden Beitrags unter dem Schlagwort Curriculare Verankerung als 12. Gelingensbedingung (s.o. Abbildung 1) für die erfolgreiche Implementierung und Weiterentwicklung des innovativen Coaching-Angebots in der siA abgeleitet wird.

Im Folgenden soll diese curriculare Verankerung beispielhaft am Bildungsgang Industrielles Management erläutert werden.

Das angestrebte Absolvent:innen-Profil im betreffenden Bildungsgang sieht u.a. die Bereitschaft und Fähigkeit zur (selbst-)kritischen Reflexion vor. Die Absolvent:innen sollen im Verlauf der siA in die Lage versetzt werden, berufliche Situationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu bewerten, sich in andere Rollen zu versetzen und ihre Erfahrungen im Austausch mit anderen zu reflektieren. Diese Reflexionsfähigkeit soll sie dabei unterstützen, sich kontinuierlich fachlich wie persönlich weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen souverän zu bewältigen. Beispielhaft sei hier auf ein potentielles Einsatzfeld in der Logistiksteuerung von Industrieunternehmen verwiesen. Aufgrund der sich immer rascher wandelnden Rahmenbedingungen muss auch die Logistiksteuerung entsprechend häufiger verändert werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die in diesem Fachbereich tätigen Menschen. Besitzen diese nämlich z.B. eine entsprechend ausgeprägte Ambiguitätstoleranz, so ermöglicht dies einen souveränen Umgang mit Unwägbarkeiten und beugt Überforderung und ereignisgetriebene Entscheidungen vor. Es wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Gestaltungswille und die Verantwortungsbereitschaft erhalten bleiben, obwohl es systemimmanente Stolpersteine gibt, die außerhalb der eigenen Einflussmöglichkeit liegen. In der Konsequenz führt dies beispielsweise zu weniger unnötigen Reihenfolgevertauschungen und somit insgesamt zu größerer Termintreue (Heins & Vogt 2025, S. 4).

Im Curriculum des Bildungsgangs Industrielles Management bieten sich hierfür verschiedene Interventionsorte an. Ziel ist es, dass die siA Lernenden die einzelnen Momente als Sinnzusammenhang verstehen und gezielt für ihre persönliche Weiterentwicklung nutzen können. Bevor darauf näher eingegangen wird, soll zunächst das Curriculum in seinen Grundzügen erläutert werden.

Im Mittelpunkt des Bildungsgangs stehen studierende Auszubildende, die eine Ausbildung zum Industriekaufmann/frau absolvieren und deren Ausbildungsunternehmen den produzierenden Unternehmen zuzuordnen sind. Der Studiengang ist daher besonders ausgerichtet an mittel- bis langfristig wirksamen betriebswirtschaftlichen Anforderungen und Herausforderungen von Industrieunternehmen im Gefüge eines stetig komplexer werdenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems.

Industriebetriebe sind insbesondere durch maschinelle Produktion, eine große Arbeitsteilung und eine Tendenz zur Massenfertigung meist in größeren Betriebsstätten charakterisiert (Bäuerle, 2021, S. 22–38).

In Bezug auf die strategische Ausrichtung bzw. Orientierung der Inhalte werden im Studiengang somit grundständige betriebswirtschaftliche Inhalte vermittelt, die die Studierenden sowohl mit zentralen Themen und Themengebieten eines betriebs-wirtschaftlichen Studiums auf Bachelor-Ebene vertraut machen als auch typische industrielle Problem- und Fragestellungen insbesondere rund um den Wertschöpfungsprozess und dessen Resilienz behandelt.

Das stetig komplexer werdende Gesellschafts- und Wirtschaftssystem im Industriesektor bedarf darüber hinaus einer Vielzahl von Mitdenkenden an den Schlüsselpositionen. Aus diesem Grund nimmt der Studiengang auch eine Befähigung zur Übernahme von betrieblichen (Projekt)Leitungs- und Führungsaufgaben in den Fokus.

Im Studiengang werden daher 3 Schwerpunkte gesetzt:

  1. Betriebswirtschaftliche Grundlagen
  2. Wertschöpfungsgestaltung
  3. Personal- und Führungsverantwortung

Das daraus resultierende Curriculum erstreckt sich über 4 Studienjahre (siehe Abbildung 2). Insbesondere mit Blick auf den Schwerpunkt Personal- und Führungsverantwortung eignet sich eine curriculare Verknüpfung mit dem Bildungsweg-Coaching, um die Lernenden beim Aufbau von theoretisch fundierten und praktisch erlebten (Selbst)Reflexionskompetenzen zu unterstützen.

Abbildung 2: Curriculum Bildungsgang Industrielles Management an der BHHAbbildung 2: Curriculum Bildungsgang Industrielles Management an der BHH

Als Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen dem inhaltlichen Curriculum und dem begleitenden Coaching bieten sich vor allem die folgenden beiden Optionen an:

  1. Theoretische Fundierung
  2. Reflexionsanlässe

Die theoretische Fundierung umfasst die hinter den einzelnen Coaching-Methoden liegenden Theoriemodelle wie z.B. das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun (Wächter 2025, S. 45). Das begleitende Coaching ist umso effektiver je mehr die Lernenden diese Theoriemodelle bereits verinnerlicht haben. Im Curriculum eignet sich somit insbesondere das Modul Persönlichkeits- und Sozialkompetenz (PSK) dafür diese Grundlage zu schaffen, da es zeitlich zu einem nicht kleinen Teil parallel zum begleitenden Coaching in den ersten 18 Monaten der siA liegt.

Das Curriculum im Bildungsgang Industrielles Management wurde daher im Jahr 2024 dahingehend angepasst, dass das zuvor als Teilmodul eines übergeordneten Moduls nicht auf den ersten Blick sichtbare PSK-Modul nun auf der obersten Ebene des Curriculums als eigenständiges Modul aufgeführt wird (siehe Abbildung 2). Das PSK-Modul wurde zudem als Standardmodul definiert und in der betreffenden Modulbeschreibung formuliert, so dass eine synergetische Nutzung auch in anderen Bildungsgängen wie z.B. im Bildungsgang Finanzwirtschaft der BHH ermöglicht wurde.

Reflexionsanlässe meinen dagegen das praktische Üben von (Selbst)Reflexionen auf Basis einer zuvor durchlebten Praxissituation. Die Praxissituationen können dabei sowohl punktuell sein als auch einen längeren Zeitraum umfassen. Solche Reflexionsgelegenheiten finden sich im Curriculum u.a. im Anschluss an die im Rahmen der Praxisvalidierungsmodule zu erstellenden wissenschaftlichen Arbeiten. Dabei handelt es sich beispielsweise um Gruppenarbeiten. Dort lohnt ein retrospektiver Blick auf die eigene erlebte Rolle innerhalb der Gruppe.

Damit den Lernenden möglichst frühzeitig der mit den oben genannten theoretischen Fundierungen und zahlreichen Reflexionsanlässen zu beschreitende Kompetenzentwicklungspfad und damit der Sinn des begleitenden Coachings klar wird, liegt es nahe, den Lernenden von Beginn an die Zusammenhänge zwischen dem inhaltlichen Curriculum und dem begleitenden Coaching offenzulegen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 5).

Bislang sind die curricularen Räume für das Thema Selbstreflexion und Kompetenzentwicklung in den hochschulischen und berufsschulischen Modulen und Lernfeldern zwar gegeben, jedoch nicht sichtbar miteinander verknüpft.

Aus diesem Grund wird im Bildungsgang Industrielles Management seit Beginn des Studienjahres 2024 in der Erstsemesterbegrüßung auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Dafür wird eine veranschaulichende Grafik (siehe Abbildung 3) verwendet. In der Abbildung sind die bereits weiter oben beschriebenen Verknüpfungspunkte aufgeführt. Diese stellen einen Kompetenzentwicklungspfad u.a. in dem Sinne dar, dass sich die Reflexionsanlässe vom Blick auf die eigene Person, über die Rolle der eigenen Person im Team bis hin zur Reflexion der eigenen Person mit der Perspektive auf das Team in der jeweiligen Unternehmensorganisation und den damit verknüpften eigenen Karrieremöglichkeiten stetig komplexeren Situationen widmen. Des Weiteren wird deutlich, dass sich diese Reflexionsanlässe auch in verschiedenen anderen Modulen wie z.B. im Unternehmensplanspiel finden lassen und dass die Coaching-Gespräche die eigene Kompetenz derartige Reflexionen erfolgversprechend durchzuführen maßgeblich steigern.

Es wird transparent, dass das begleitende Coaching also einen essentiellen, mit dem restlichen Curriculum sinnhaft verknüpften Bestandteil der Kompetenzentwicklung im Rahmen der siA darstellt.

Abbildung 3: Mögliche Verankerungspunkte des begleitenden Coachings im siA-Curriculum am Beispiel des Bildungsgangs Industrielles Management an der BHHAbbildung 3: Mögliche Verankerungspunkte des begleitenden Coachings im siA-Curriculum am Beispiel des Bildungsgangs Industrielles Management an der BHH

4 Etablierung von Innovation im Spiegel lernender und resilienter Organisationen

Die dargestellten Erfahrungen mit der Konzeption, Implementierung und Verstetigung des Bildungsweg-Coachings im Rahmen der studienintegrierenden Ausbildung (siA) an der Beruflichen Hochschule Hamburg lassen sich zentral vor dem Hintergrund der theoretischen Konzepte der resilienten und lernenden Organisation reflektieren. Die Institutionen und Akteur:innen, die an der Entwicklung des Coaching-Angebots beteiligt waren, agierten über einen längeren Zeitraum hinweg in einem von Unsicherheit, Dynamik und hoher Komplexität geprägten Umfeld. Charakteristisch für diese Aufbauphase war, dass sowohl die Berufliche Hochschule Hamburg als neu gegründete Einrichtung als auch das innovative Bildungsformat der siA und das damit verknüpfte Coaching-Angebot parallel entwickelt wurden. In dieser Gleichzeitigkeit von Aufbauprozessen waren weder klare institutionelle Strukturen noch etablierte Kommunikationswege oder gefestigte Kooperationsbeziehungen vorhanden.

In dieser Ausgangslage zeigt sich eine zentrale Dimension organisationaler Resilienz: die Fähigkeit, mit Unsicherheiten und Störungen konstruktiv umzugehen und unter volatilen Bedingungen handlungsfähig zu bleiben (Regele, 2024, S. 160). Diese Handlungsfähigkeit wurde insbesondere durch ein hohes Maß an Flexibilität und Verantwortungsübernahme seitens des beteiligten Bildungspersonals sowie durch die Bereitschaft zur lernortübergreifenden Zusammenarbeit gewährleistet (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 1 und 9). Dabei war es von entscheidender Bedeutung, dass Irritationen und Missverständnisse, die sich aus den unterschiedlichen institutionellen Logiken und Arbeitskulturen der beteiligten Lernorte – Hochschule, Berufsschule und Unternehmen – ergaben, nicht als dysfunktionale Störungen, sondern als potenzielle Lernimpulse verstanden und adressiert wurden (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 6 und 8). Die Entwicklung tragfähiger Kommunikationsstrukturen sowie eine bewusst gepflegte Beziehungsebene zwischen den Stakeholdern erwiesen sich in diesem Zusammenhang als grundlegende Voraussetzungen für eine Entwicklung des Coaching-Angebots (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 5).

Zugleich werden in der Etablierung und Weiterentwicklung des Bildungsweg-Coachings wesentliche Merkmale einer lernenden Organisation deutlich. Der gesamte Implementierungsprozess wurde nicht als linear verlaufende Maßnahme, sondern als iterativer Lernprozess gestaltet, in dem Erfahrungen systematisch reflektiert und zur Weiterentwicklung des Angebots genutzt wurden (Kröll, 2013, S.249). Formate wie der „Qualitätszirkel Coaching & Beratung“ und die „Austauschtreffen der Bildungsweg-Coach:innen“ dienten hierbei nicht nur dem fachlichen Austausch, sondern fungierten als strukturierte Lerngelegenheiten, in denen kollektives Erfahrungswissen generiert, geteilt und produktiv gemacht wurde. Die Weiterentwicklung des Coachings geschah somit nicht, indem nur einzelne Handlungsstrategien angepasst wurden, sondern es wurden auch zugrunde liegende Annahmen und Strukturen hinterfragt und verändert.

Ein weiteres zentrales Merkmal lernender Organisationen, die partizipative Gestaltung organisationaler Entwicklungsprozesse, war im gesamten Aufbauprozess präsent (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 10). Die Einbindung aller relevanten Akteursgruppen in die konzeptionelle und praktische Ausgestaltung des Bildungsweg-Coachings ermöglichte nicht nur eine hohe Passung des Angebots zu den Bedarfen der Lernenden, sondern stärkte zugleich das Commitment und die Verantwortungsbereitschaft aller Beteiligten. Diese partizipativen Strukturen wurden durch eine transparente Kommunikation (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 5), die gegenseitige Wertschätzung der eingebrachten Ressourcen (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 2 bis 4) sowie die kontinuierliche Rückkopplung an relevante Gremien und Entscheidungsebenen flankiert (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingungen 5 und 7).

Schließlich verweist auch die institutionelle Verstetigung des Bildungsweg-Coachings nach Projektende (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 11) auf eine zunehmende strukturelle Resilienz der Organisationen: Mit der Einrichtung einer zentralen Referent:innenstelle sowie dem Aufbau nachhaltiger Kooperations- und Kommunikationsstrukturen konnte nicht nur die Kontinuität des Angebots gesichert, sondern auch ein Möglichkeitsraum für die Weiterentwicklung und Integration des Coachings in neue Bildungsgänge geschaffen werden (s.o. Abbildung 1 Gelingensbedingung 12). Dieser Übergang markiert somit nicht das Ende eines Projekts, sondern den Übergang in eine neue Entwicklungsphase.

5 Fazit und Ausblick

Das in der siA verankerte Coaching-Angebot begleitet die Lernenden individuell auf ihrem Bildungsweg. Im vorliegenden Beitrag konnten aus den beiden Perspektiven des als Coach agierenden Bildungspersonals und der in der Coachee-Rolle befindlichen Lernenden auf Basis gesammelter Praxiserfahrungen insgesamt 12 Gelingensbedingungen abgeleitet werden. Die Ableitung der Gelingensbedingungen erfolgte über Reflexionsveranstaltungen im Drittmittelprojekt sowie über die regelmäßige Reflexion innerhalb von Kooperationsformaten, wie dem Qualitätszirkel Coaching und Beratung.

Diese Gelingensbedingungen lassen sich in die 3 Oberkategorien Zusammenarbeit, Bildungspersonal und struktureller Rahmen gliedern. Eine gelungene Zusammenarbeit wird über die Gelingensbedingungen der Einbindung und Wirksamkeit von wesentlichen Stakeholdern, die Wertschätzung der eingebrachten Ressourcen sowie der Kompetenzen der jeweiligen Beteiligten, den respektvollen Umgang mit der investierten Zeit sowie eine transparente Kommunikation erreicht. Das Bildungspersonal benötigt wiederum als Gelingensbedingungen ausreichendes Struktur- und Fachwissen, Projektmanagementkompetenz, Empathie, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft zum überregionalen Austausch mit anderen Wissensträger:innen. Ein gelungener struktureller Rahmen schließlich wird über die Gelingensbedingungen institutionelle Verstetigung und eine curriculare Verankerung des begleitenden Bildungsweg-Coachings ermöglicht.

Die identifizierten Gelingensbedingungen lassen sich in den theoretischen Diskurs zu lernenden Organisationen und organisationaler Resilienz einordnen.
Gerade die im Prozess sichtbar gewordene Notwendigkeit, flexibel auf Unsicherheiten zu reagieren, Schnittstellenkommunikation zu gestalten und kooperative Strukturen aufzubauen, verweist auf organisationale Lernprozesse, die nicht nur für die siA, sondern für vergleichbare Innovationsvorhaben im Bildungsbereich relevant sind. Die Bedingungen, unter denen das Bildungsweg-Coaching erfolgreich etabliert wurde, sind dabei auf andere Kontexte übertragbar. Damit liefert dieser Praxisbericht einen substantiellen Beitrag für das Bildungspersonal, das Innovationen in der beruflichen und hochschulischen Bildung implementieren möchte. Die Erfahrungen zeigen, dass nachhaltige Veränderungen nur dann gelingen, wenn sie auf einer tragfähigen Beziehungsebene, einer geteilten Verantwortungsstruktur und einer klaren strategischen Einbettung in bestehende Organisationsprozesse beruhen. Das Bildungsweg-Coaching steht damit beispielhaft für ein innovatives Unterstützungsangebot, das nicht nur Lernende individuell stärkt, sondern dessen Implementierungsprozess auch die organisationale Entwicklung und Anpassungsfähigkeit nachhaltig beeinflusst hat.

Literatur

Bäuerle, P. H. (2021). Produktionswirtschaft. Grundlagen und Fallstudien aus der industriellen Praxis. Schäffer-Poeschel Verlag.

Euler, D. (Hrsg.) (2004). Handbuch der Lernortkooperation. Band 1: Theoretische Fundierung. W. Bertelsmann Verlag.

Heins, M., Vogt, L. (2025). Proaktive Kompetenzentwicklung in der Logistiksteuerung. Industry 4.0 Science, 41(4), 22–28. https://doi.org/10.30844/I4SD.25.4.22

https://doi.org/10.30844/I4SD.25.4.22Herzog, M., Kleb, D. & Rohloff, S. (Hrsg.) (2024). siA Einblick: Triales Qualitätsmanagement in der studienintegrierenden Ausbildung (siA). Ein erfahrungsbasiertes Praxishandbuch. https://doi.org/10.25656/01:32163

Kröll, M. (2013). Das Zusammenspiel von Selbst- und Fremdorganisation in lernenden Organisationen. In U. Faßhauer, B. Fürstenau & E. Wuttke (Hrsg.), Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2013 (S. 245–257). Verlag Barbara Budrich.

Regele, D. (2024). Resilienz als (Selbst-)Führungskompetenz. In J. Herget & H. Strobl (Hrsg.), Unternehmenskultur als Strategie (S.159–178). Springer Gabler.

Wächter, L. (2025). Das Kommunikationsquadrat. WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 54(4), 43–47. https://doi.org/10.15358/0340-1650-2025-4

Zitieren des Beitrags

Vogt, L. & Heins, M. (2025). Etablierung eines innovativen Coaching-Angebots in der studienintegrierenden Ausbildung Hamburg (siA) – Erfahrungsbericht zu Strategien und Herausforderungen in der Praxis. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 49, 1–17. https://www.bwpat.de/ausgabe49/vogt_heins_bwpat49.pdf

Veröffentlicht am 18. Dezember 2025